Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Unzulässige Beihilfe nach Art. 87 EG. Beihilfenaufsicht nach Art. 88 EG; Erlass und Durchsetzbarkeit einer Entscheidung der Kommission. Klage wegen Nichtbefolgung der Entscheidung nach Art. 88 II EG. Verwaltungsmäßiger Vollzug des EU-Rechts durch den Mitgliedstaat Deutschland; mittelbarer Vollzug durch Anwendung des § 48 VwVfG. Ausschluss des Vertrauensschutzes gemäß § 48 II VwVfG durch EU-Recht

EuGH
Urteil vom 19. 6. 2008 (C-39/06) NVwZ 2008, 985

Fall
(Kahla Porzellan)

Das Land Thüringen (T) gewährte der K-GmbH, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, einen Zuschuss in Höhe von 1, 5 Mio. Euro. Da die K-GmbH auch für den Export produzierte, wurde eine Rechtfertigung nach den Beihilfevorschriften der Art. 87 ff. EG für erforderlich gehalten. Begründet wurde sie mit zwei nach Art. 87 III e) EG ergangenen Ausnahmeregelungen des Rates der EU, wonach Beihilfen zur Förderung der Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit sowie zur Beseitigung von Umweltgefahren in staatlichen Unternehmen zulässig sind. Als sich andere Unternehmen darüber bei der EU-Kommission beschwerten, eröffnete diese ein Verfahren nach Art. 88 II EG, das zu folgender Entscheidung der Kommission führte („Entscheidung“ i. S. des Art. 249 IV EG ist der Verwaltungsakt des EU-Rechts):

Artikel 1. Die folgenden staatlichen Beihilfen Deutschlands zugunsten der K-GmbH sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar:…

g) Maßnahme 16: Zuschuss zur Förderung der Beschäftigung…

Artikel 2. (1) Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern.

(2) Die Rückforderung erfolgt nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand. Die Zinsen werden nach dem bei Regionalbeihilfen verwendeten Referenzzinssatz berechnet.

Artikel 3. Deutschland teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Zur Begründung verwies die Kommission darauf, dass die 1, 5 Mio. Euro nicht von der Bundesagentur für Arbeit, sondern vom Land T gewährt wurden, und dass Umweltschutzmaßnahmen nach der Ausnahmeregelung des Rates nur staatlichen Unternehmen gewährt werden dürfen, die K-GmbH aber ein privates Unternehmen ist.

Gegen diese Entscheidung erhob die K-GmbH Klage vor dem EuGH, über die noch nicht entschieden ist. Die Regierung des Landes T und die Bundesregierung teilten der Kommission nach Ablauf der Zwei-Monats-Frist des Art. 3 der Entscheidung mit, dass sie der Entscheidung nicht nachkommen würden, weil diese aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei und weil der K-GmbH gegenüber einer Rückforderung des gewährten und von ihr zweckgemäß verbrauchten Zuschusses Vertrauensschutz zukomme. Daraufhin erhob die Kommission gegen die BRD Deutschland Klage vor dem EuGH. Welchen Antrag wird die Kommission stellen ? Ist die Klage begründet ?

Hinweis: Im Originalfall hatte die Kommission die Nichtbefolgung mehrerer Beanstandungen bzw. Maßnahmen (ursprünglich 33) geltend gemacht. Da es für den Fall ausreicht, auf eine Maßnahme abzustellen, wurde diese als Maßnahme 16 bezeichnet und auch das Urteil insoweit angepasst.

A. Welchen Antrag die Kommission stellen wird, hängt von der Art des Verfahrens ab.

I. Die beim EuGH zulässigen Verfahrensarten sind in Art. 226 ff. EG geregelt. Die wichtigsten Verfahrensarten sind: das Vertragsverletzungsverfahren (auf Antrag der Kommission: Art. 226, auf Antrag eines anderen Mitgliedstaates: Art. 227); die Nichtigkeitsklage, Art. 230 (eine solche hat die K-GmbH im vorliegenden Fall erhoben); das Vorabentscheidungsverfahren auf Grund der Vorlage durch ein Gericht eines Mitgliedstaates, Art. 234; Schadensersatzklagen, Art. 235; Klagen von EU-Bediensteten, Art. 236.

II. Im vorliegenden Fall handelt es sich um den spezielleren Fall, dass die Kommission gegen eine ihrer Auffassung nach wegen Verstoßes gegen Art. 87 EG rechtswidrige Beihilfe im Verfahren nach Art. 88 vorgegangen und das Verfahren mit einer Entscheidung nach Art. 88 II 1 EG abgeschlossen hat. Dieser Entscheidung war die für die Beihilfe im Verhältnis zur EU verantwortliche BRD, vertreten durch die Bundesregierung, nicht nachgekommen. Für diesen Fall bestimmt Art. 88 II UA (Unterabsatz) 2 EG, dass die Kommission unmittelbar den EuGH anrufen kann. Es handelt sich um ein Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht, das aber nicht den Anforderungen des Art. 226 unterliegt.

III. Aus dieser Einordnung ergibt sich, dass die Kommission Feststellung einer Verletzung von EU-Recht durch die BRD verlangt. Es wird die Verletzung der Entscheidung der Kommission und zugleich des Art. 249 IV EG, nach dem eine Entscheidung für den Adressaten verbindlich ist, geltend gemacht. Somit lautet der Antrag (EuGH Rdnr. 1), festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtung aus Art. 249 EG und den Art. 1 bis 3 der Entscheidung der Kommission…verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um bestimmte mit dieser Entscheidung für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte Beihilfen zurückzufordern.

IV. Würde dem Antrag stattgegeben und käme die BRD dem Urteil nicht nach, könnte sich das Verfahren nach Art. 228 EG anschließen, was zur Verurteilung der BRD zur Zahlung eines Zwangsgeldes oder Pauschalbetrages führen könnte (Art. 228 II UA 2 EG). Da allerdings innerstaatlich das Land T zur Rückforderung der von ihm gewährten Beihilfe zuständig und verpflichtet war, müsste dieses nach Art. 104a VI 1 GG die Zahlungslast tragen.

B. Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet, wenn die BRD zur Erfüllung der Entscheidung der Kommission verpflichtet war und dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.

I. Dass die BRD der in der Entscheidung (Art. 1, 2) niedergelegten Pflicht, die Beihilfe in Höhe von 1, 5 Mio. Euro von der K-GmbH zurückzufordern, nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus dem Sachverhalt und wird von der Bundesregierung auch nicht bestritten.

II. Die BRD müsste auch zur Rückforderung der Beihilfe verpflichtet gewesen sein. Eine solche Verpflichtung war in Art. 2 der Entscheidung der Kommission ausgesprochen worden. Diese kraft europäischen Verwaltungsrechts getroffene Regelung war nach Art. 249 IV EG für die BRD als Adressatin verbindlich.

III. Es könnte aber eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verbindlichkeit der Entscheidung eingreifen.

 

1. Ein Wegfall der Verbindlichkeit könnte Folge der von K erhobenen Klage sein.

a) Die K-GmbH hat eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG erhoben. Ihre Klagebefugnis ergibt sich aus Art. 230 IV. Sie ist zwar nicht Adressatin der Entscheidung der Kommission, ist aber von der Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen, weil sie die erhaltene Beihilfe zurückzahlen soll. Das erstrebte Urteil, wonach die Entscheidung nichtig ist (vgl. Art. 231 EG), liegt aber (noch) nicht vor.

b) Die Klage könnte zum vorübergehenden Wegfall der Verbindlichkeit führen, wenn sie aufschiebende Wirkung hätte. Nach Art. 242, 1 EG haben aber Klagen vor dem EuGH keine aufschiebende Wirkung. Die Klage suspendiert deshalb die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung nicht, erst recht nicht die Verpflichtung der BRD, die noch nicht einmal Klage erhoben hat. Allerdings hätte der EuGH nach Art. 242, 2 EG die Durchführung der verlangten Handlung aussetzen können. Im vorliegenden Fall ist jedoch weder ein dahin gehender Antrag von K oder der BRD gestellt noch eine derartige Entscheidung vom EuGH erlassen worden. Somit ist die Verbindlichkeit der Entscheidung der Kommission als Folge von Rechtsbehelfen vor dem EuGH nicht entfallen.

2. Die Verbindlichkeit könnte wegen Rechtswidrigkeit der Entscheidung entfallen sein.

a) Letztlich muss der von einer Entscheidung Betroffene seine Verpflichtung zur Befolgung mit der Begründung beseitigen können, dass die Entscheidung rechtswidrig ist. Den direkten Weg dazu, eine Klage nach Art. 230 I, II EG, hat die BRD allerdings nicht beschritten. Andererseits ist die Kommissionsentscheidung, da sie von K angefochten worden ist, auch noch nicht unanfechtbar. Es kann auch keine relative Unanfechtbarkeit gegenüber der BRD angenommen werden, weil, wenn K mit ihrer Klage durchdringt, die BRD nicht verpflichtet sein kann, die Beihilfe von K zurückzufordern.

b) Es fragt sich deshalb, ob der nach Art. 88 II UA 2 EG wegen Verletzung der Verpflichtung aus der Entscheidung verklagte Mitgliedstaat geltend machen kann, die - noch nicht unanfechtbare - Entscheidung sei rechtswidrig. Das wird vom EuGH verneint, Rdnrn. 18, 19:

Im Rahmen der vorliegenden Klage, die eine unzulängliche Durchführung einer Entscheidung über staatliche Beihilfen zum Gegenstand hat, die von dem Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, nicht vor dem Gerichtshof angefochten worden ist, kann der Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nicht in Frage stellen… Das Klagesystem des EG-Vertrags unterscheidet nämlich zwischen den in den Art. 226 EG und 227 EG vorgesehenen Klagen, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und den in den Art. 230 EG und 232 EG vorgesehenen Klagen, mit denen die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane überprüft werden soll. Diese Klagemöglichkeiten haben unterschiedliche Zwecke und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein Mitgliedstaat kann sich daher…zur Verteidigung gegenüber einer auf die Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung gestützten Vertragsverletzungsklage nicht mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen (vgl. in diesem Sinne u. a. EuGH Slg. 1988, 3611, Rdnr. 14,… Slg. 2003, I‑6695, Rdnr. 40).

3. Nicht verbindlich wäre die Entscheidung, wenn sie nichtig wäre. Das ist nach EuGH Rdnr. 20 der Fall, wenn der fragliche Rechtsakt mit besonders schweren und offensichtlichen Fehlern behaftet wäre, so dass er als inexistenter Rechtsakt qualifiziert werden könnte (EuGH Slg. 2003, I-6695, Rdnr. 41…) - ebenso wie nach § 44 I VwVfG. Ein besonders schwerer und offenkundiger Fehler der Entscheidung kann jedoch nicht festgestellt werden:

a) Rechtsgrundlage ist Art. 88 II 1 EG. Danach darf die Kommission das Verfahren der Beihilfeaufsicht mit einer derartigen Entscheidung abschließen.

b) Voraussetzung ist, dass der Mitgliedstaat eine Beihilfe gewährt hat, die mit dem Gemeinsamen Markt nach Art. 87 EG unvereinbar ist.

aa) Der Zuschuss des Landes T in der erheblichen Höhe von 1, 5 Mio. Euro ist eine staatliche Beihilfe, durch die die K-GmbH begünstigt wurde und die der K eine Besserstellung gegenüber konkurrierenden Unternehmen gewährt, so dass eine Verfälschung des Wettbewerbs droht. Da K exportiert, wird dadurch auch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Solche Beihilfen sind nach Art. 87 I EG grundsätzlich verboten.

bb) Eine Ausnahme nach Art. 87 III e) EG greift nicht ein, weil zum einen die Zuschussgewährung als Maßnahme zur Förderung der Beschäftigung nicht von der Bundesagentur für Arbeit geleistet wurde und zum anderen als Umweltschutzmaßnahme nur für ein staatliches Unternehmen zulässig gewesen wäre, die K aber eine private GmbH ist. Die dahin gehende Begründung der Kommission ist aber zutreffend.

Somit ist ein Fehler der Entscheidung nicht ersichtlich, erst recht kein schwerer und offenkundiger Fehler. Nichtigkeit liegt nicht vor.

4. Ein der Nichtigkeit ähnlicher Fehler wäre eine wesentliche Unbestimmtheit der Entscheidung. Denn wenn die BRD nicht erkennen könnte, was sie zurückzufordern hat, kann sich daraus keine Verbindlichkeit ergeben. Im vorliegenden Fall hatte die Bundesregierung geltend gemacht, der von ihr zurückzufordernde Betrag sei nicht hinreichend bestimmt. Dazu EuGH Rdnr. 37 - 39: Der Gerichtshof hat entschieden, dass keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts von der Kommission verlangt, bei der Anordnung der Rückzahlung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen (EuGH Slg. 2000, I‑8717, Rdnr. 25, …Slg. 2007, I‑8887, Rdnr. 29). Wie in Rdnr. 3 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ergibt sich aus der streitigen Entscheidung, dass die Kommission angegeben hatte, dass es sich bei der Maßnahme 16 um Zuschüsse in Höhe von 1,5 Mio. Euro gehandelt habe. Unter diesen Umständen durfte sich die Kommission darauf beschränken, die Verpflichtung zur Rückforderung der Maßnahme 16 festzustellen und es den nationalen Behörden zu überlassen, die genaue Höhe der zurückzuzahlenden Beträge zu errechnen….

Ergebnis zu III: Ein der Entscheidung selbst anhaftender rechtlicher Grund lässt deren Verbindlichkeit nicht entfallen.

IV. Eine Verpflichtung der BRD zur Rückforderung könnte deshalb nicht bestehen, weil die Rückforderung gegen einen der K-GmbH zukommenden Vertrauensschutz verstößt.

1. Um entscheiden zu können, ob ein solcher Vertrauensschutz zu gewähren ist, ist festzulegen, nach welchen Vorschriften die Rückforderung der Beihilfe gegenüber K zu erfolgen hat.Es handelt sich um den verwaltungsmäßigen Vollzug von EU-Recht (Art. 87, 88 EG). Dieser ist auf verschiedene Weise möglich.

a) Der Vollzug kann ausnahmsweise durch EU-Organe selbst erfolgen (gemeinschaftseigener oder direkter Vollzug). Beispiel ist die von der Kommission im vorliegenden Fall im Verfahren der Beihilfenaufsicht gemäß Art. 88 II EG erlassene Entscheidung, dass die Beihilfe unzulässig war. Für die anschließende Rückforderung ist aber ein Vollzug durch EG-Organe nicht vorgesehen. Ohne eine solche Ermächtigung dürfen EU-Organe nicht handeln (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5 I, 7 I 2 EG).

b) Normalfall ist der Vollzug durch die Mitgliedstaaten (Art. 10 I 1 EG, mitgliedstaatlicher oder indirekter Vollzug).

aa) Dabei können die Behörden der Mitgliedstaaten unmittelbar auf Grund des EU-Rechts vorgehen, wenn solches vorhanden ist (z. B. Erhebung von Zöllen bei Importen in die EU durch Zollbehörden in Vollzug des gemeinsamen Zolltarifs).

bb) Vielfach und auch im vorliegenden Fall gibt es dafür kein unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht. Dann wird das EU-Recht durch Heranziehung des nationalen Rechts mittelbar vollzogen. Dem entspricht die Regelung in Art. 2 (2) 1 der im vorliegenden Fall getroffenen Entscheidung der Kommission.

2.
Nationale deutsche Rechtsvorschriften, auf Grund derer eine Beihilfe zurückgefordert werden kann, sind §§ 48, 49a VwVfG (genauer: des VwVfG des Landes T).

a) Dass die Voraussetzungen des § 48 I VwVfG als Ermächtigungsgrundlage vorliegen, ergibt sich daraus, dass der die Beihilfe gewährende VA gegen Art. 87 EG verstieß und deshalb rechtswidrig war. In der Regel ist in solchem Fall die Entscheidung der Kommission über die Rechtswidrigkeit der Beihilfe unanfechtbar oder vom EuGH für rechtmäßig erklärt; im vorliegenden Fall greift dieser Gesichtspunkt allerdings nicht ein.

b) Der Durchsetzung der Rückgewährverpflichtung des Begünstigten können aber entgegen stehen: (1) Vertrauensschutz nach § 48 II , weil es sich um einen auf eine Geldleistung gerichteten VA handelt; (2) der Ablauf der Jahresfrist des § 48 IV; (3) die Notwendigkeit einer Ermessensausübung nach § 48 I, bei der die nationalen Verwaltungsbehörden geneigt sein könnten, zum Schutze der einheimischen Wirtschaft das Ermessen nicht im Sinne einer Rücknahme auszuüben.

Der EuGH hat im Zuge seiner Rechtsprechung (z. B. die Alcan-Entscheidung EuR 1997, 148, bestätigt durch BVerwGE 106, 328 und BVerfG NJW 2000, 2015) sämtliche möglicherweise entgegenstehenden Vorschriften für europarechtlich grundsätzlich irrelevant erklärt (nach dem Grundsatz vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht). Im vorliegenden Fall führt er unter 23 - 25 aus: Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Mitgliedstaat, dessen Behörden eine Beihilfe unter Verletzung der Verfahrensbestimmungen des Art. 88 EG gewährt haben, nicht unter Berufung auf das geschützte Vertrauen der Begünstigten der Verpflichtung entziehen, die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung einer Entscheidung der Kommission zu ergreifen, die die Rückforderung dieser Beihilfe anordnet. Andernfalls wären die Art. 87 EG und 88 EG insoweit wirkungslos, als die nationalen Behörden sich auf ihr eigenes rechtswidriges Verhalten stützen könnten, um Entscheidungen der Kommission nach diesen Vertragsbestimmungen ihrer Wirkung zu berauben (EuGH Slg.  1990, I‑3437, Rdnr. 17, Slg. 2002, I‑2289, Rdnr. 104, und Slg. 2004, I‑3353, Rdnr. 21). Die Bundesrepublik Deutschland kann sich daher nicht auf den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens der durch die Maßnahme 16 Begünstigten berufen, um den Verstoß gegen die sich aus der streitigen Entscheidung ergebenden Verpflichtung zu rechtfertigen.

V. Somit bleibt es bei der Verpflichtung der BRD zur Vollziehung der Entscheidung der Kommission. Die Weigerung der deutschen Behörden, diese Vollziehung vorzunehmen, war eine Verletzung von EU-Recht. Die erhobene Klage ist begründet.

Dementsprechend hat der EuGH entschieden:  Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtung aus den Art. 1 bis 3 der Entscheidung der Kommission vom…über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kahla Porzellan GmbH…verstoßen, dass sie nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die zur Rückforderung bestimmter in Art. 1 Buchst.  g dieser Entscheidung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärter Maßnahmen erforderlich sind.


Zusammenfassung