Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Staatshaftungsrecht; Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG. Verkehrsschilder an Baustelle, § 45 StVO. Heranziehung Privater für Zwecke öffentlicher Verwaltung: Beliehene, Verwaltungshelfer. Haftung des Staates für Verwaltungshelfer

BGH Urteil vom 6. Juni 2019 (III ZR 124/18) BeckRS 2019, 12522

Fall (Fliegendes Verkehrsschild)

Das Land L hat die ihm obliegenden Aufgaben des Straßenbaus und der Straßenunterhaltung rechtswirksam auf den Landesbetrieb Straßen und Mobilität (LBSM) übertragen, der eine nichtrechtsfähige Einrichtung des öffentlichen Rechts ist. Der LBSM ließ Bauarbeiten an einer Bundesstraße durchführen. In diesem Zusammenhang wurde - neben der Auftragsvergabe an ein Tiefbauunternehmen - mit der auf dem Gebiet der Verkehrssicherung tätigen G-GmbH ein privatrechtlicher Werkvertrag geschlossen, nach dem die G-GmbH die Aufgabe der Verkehrssicherung an der Baustelle übernahm. In einem vom LBSM der G übergebenen Verkehrszeichenplan wurde für den von den Bauarbeiten betroffenen Abschnitt verbindlich festgesetzt, an welchen Stellen die für die Sicherung der Baustelle erforderlichen Verkehrszeichen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen (StVO § 41 Anlage 2 Zeichen 274) aufzustellen waren. Die Schilder wurden von Mitarbeitern der G aufgestellt.

Als Frau F mit ihrem Pkw den Baustellenabschnitt unter Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung durchfuhr, flog ihr ein eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h anordnendes Verkehrsschild entgegen und schlug gegen die Beifahrerseite ihres Fahrzeugs. Es stellte sich heraus, dass das Schild von dem Mitarbeiter M der G mit nicht zugelassenem Befestigungsmaterial aufgehängt worden war und sich nach einem Windstoß gelöst hatte. F verlangt vom Land L Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 1.300 Euro. Sie beruft sich darauf, dass das Aufstellen von Verkehrszeichen eine hoheitliche Aufgabe sei, weshalb das Land bei einer fehlerhaften Aufstellung hafte. Demgegenüber vertritt das Land L die Auffassung, die hier möglicherweise verletzte Verkehrssicherungspflicht sei privatrechtlicher Natur, insbesondere weil die Straßenbauverwaltung keine Eingriffsverwaltung sei, sondern zur Daseinsvorsorge gehöre. Die Verkehrssicherungspflicht sei auf G übertragen worden, so dass diese bzw. ihre Haftpflichtversicherung zur Regulierung des Schadens verpflichtet sei. Auch stehe einem Anspruch entgegen, dass es sich um eine Bundesstraße handelt, für die der Bund die Kosten trägt.

Ist der von F gegenüber L geltend gemachte Anspruch begründet? Soweit Vorschriften des Landesstraßenrechts anzuwenden sind, ist davon auszugehen, dass das Straßengesetz des Landes L (LStrG) den gleichen Inhalt hat wie das Bundesfernstraßengesetz (FStrG).

Lösung

Vorbemerkungen: a) Der Originalfall spielte im Jahre 2014 in Rheinland-Pfalz und betraf eine Autobahnbaustelle. Damals wurden die Autobahnen von den Ländern im Auftrage des Bundes verwaltet. Inzwischen wird nach Art. 90 II GG die Verwaltung der Autobahnen in bundeseigener Verwaltung geführt (zur neuen Bundesautobahnverwaltung Stüer DVBl 2019, 1452), so dass der Originalsachverhalt nicht mehr zur derzeitigen Rechtslage passt. Da aber bei Bundesstraßen außerhalb der Autobahnen es bei der Auftragsverwaltung bleibt (Art. 90 III GG), konnte der Sachverhalt auf eine Bundesstraßen-Baustelle umgestellt werden, so dass die gleiche Rechtslage gilt wie im Originalfall; dazu wurde in der Lösung „Autobahn“ durch „Bundesstraße“ ersetzt, dies auch in den Originalzitaten. b) Im Originalfall hatte die Geschädigte das private Unternehmen verklagt. Da es aber näher liegt, einen Anspruch gegen das Land zu prüfen, wurde in der Aufgabenstellung der Anspruchsgegner ausgewechselt; damit wurde es erforderlich, in den Originalzitaten „Beklagte“ durch „G“ zu ersetzen.

In Betracht kommt ein Anspruch aus Amtshaftung wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung gemäß § 839 I 1 BGB i. V. m. Art. 34, 1 GG.

Diese Vorschriften bilden eine einheitliche Anspruchsgrundlage „§ 839 BGB, Art. 34 GG“ (vgl. BGH NJW 2017, 1322 [13]). Dabei ist Ausgangsvorschrift für den Anspruch § 839 BGB, da dieser die grundsätzlichen Voraussetzungen, insbesondere die Erforderlichkeit einer Amtspflichtverletzung, enthält. Zur -ersten - Bedeutung des Art. 34 GG innerhalb der Anspruchsgrundlage führt BGH [10] aus: Im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat…. Diese Regelung der Passivlegitimation rechtfertigt im vorliegenden Fall die Heranziehung der genannten Anspruchsgrundlage für einen Anspruch gegen das Land L wegen eines Verhaltens der G und des M. Die zweite Bedeutung des Art. 34 GG besteht darin, dass der in § 839 BGB aufgeführte Begriff des „Beamten“ durch die Voraussetzung ersetzt wird, dass „jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ gehandelt hat. Dadurch tritt an die Stelle des engen beamtenrechtlichen Beamtenbegriffs des § 839 BGB der weite haftungsrechtliche „Beamtenbegriff“. Dieser wird dahin verstanden, dass ein hoheitliches Handeln die mögliche Ursache für den Schaden ist (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 14/5: Die Haftungsvorschrift deckt den gesamten Bereich hoheitlichen Handelns ab). - Mit dieser Voraussetzung beginnt nachfolgend die Prüfung.

I. Die „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ (Art. 34 GG) hat ein hoheitliches Handeln zur Voraussetzung. Hierfür ist wiederum erforderlich, dass die Rechtsgrundlage für das Handeln sich aus öffentlichem Recht ergibt oder dass andere Gründe die Annahme rechtfertigen, dass das Verhalten öffentlich-rechtlich zu beurteilen ist, etwa weil typisch hoheitliche Befugnisse ausgeübt wurden. Demgegenüber liegt keine Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne hoheitlichen Handelns vor, wenn das Handeln - was auch beim Staat möglich ist - privatrechtlich zu beurteilen ist.

1. Für die Frage, welcher Vorgang Anknüpfungspunkt für eine Haftung wegen hoheitlichen Handelns ist, sind die einzelnen Vorgänge in Betracht zu ziehen.

a) Nicht geeignet als Haftungsgrundlage ist der Werkvertrag zwischen dem für das Land L handelnden LBSM und der G-GmbH, weil er privatrechtlicher Natur war.

b) Der Verkehrszeichenplan enthielt die Anordnung, bestimmte Verkehrszeichen aufzustellen. Verkehrszeichen sind Verwaltungsakte in der Form der Allgemeinverfügung (§ 35, 2 Fall 3: Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit). Ihre Rechtsgrundlage ist § 45 StVO. Sie werden grundsätzlich von der Straßenverkehrsbehörde erlassen (§ 45 I StVO); der LBSM war jedoch keine Straßenverkehrsbehörde, sondern Straßenbaubehörde. Im vorliegenden Fall kam § 45 II StVO zur Anwendung, wonach z ur Durchführung von Straßenbauarbeiten die Straßenbaubehörde Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen kann. Die Anordnung des LBSM, bestimmte Verkehrszeichen aufzustellen, war somit eine auf §§ 45 StVO, 35 VwVfG gestützte hoheitliche Maßnahme. Allerdings reicht ihre Heranziehung für die haftungsrechtliche Betrachtung nicht aus, weil die Anordnung, Schilder aufzustellen, nicht schadensträchtig war, sondern einen Schaden gerade verhindern sollte; sie ist deshalb zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs nicht geeignet.

c) Ursache für den Schaden war das fehlerhafte Aufstellen des Schildes, das sich gelöst hat. Für sich genommen ist das Aufstellen eines Verkehrsschildes noch kein hoheitlicher Vorgang. Er stand aber in einem engen Zusammenhang mit dem Erlass der Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Verwaltungsakte. BGH [16] Nach dem im Straßenverkehrsrecht geltenden Sichtbarkeitsgrundsatz bedarf die Verkehrsregelung zu ihrer Wirksamkeit der Aufstellung des entsprechenden Verkehrszeichens (BVerwGE 138, 21 Rn. 15; Kodal/Bauer, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 42 Rn. 1.33, 11.4). Diese Abhängigkeit kommt vorliegend dadurch zum Ausdruck, dass mit der - hoheitlichen - Anordnung des LBSM nicht nur die Verkehrsregelung gemäß § 45 Abs. 2 StVO getroffen wurde, sondern G zugleich zur Ausführung der Verkehrsregelung und damit zur Anbringung der Verkehrszeichen gemäß dem der Anordnung beigefügten Verkehrszeichenplan verpflichtet wurde. Verkehrsregelungen und Handlungen, die überhaupt erst zu ihrer Wirksamkeit führen, sind hoheitliche Tätigkeiten und haftungsrechtlich einheitlich zu betrachten (so auch Itzel MDR 2017, 1393, 1396). BGH [14] Die tatsächliche Umsetzung der Verkehrsregelung durch das Anbringen der Verkehrszeichen stellt eine hoheitliche Aufgabe dar. Zu ihrer Wahrnehmung ist gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 StVO der Baulastträger verpflichtet. Da die Baulast für Bundesstraßen durch § 3 I FStrG öffentlich-rechtlich geregelt ist, erhalten die in Ausführung der Baulast vorgenommenen Maßnahmen auch wegen dieser Vorschrift einen öffentlich-rechtlichen, hoheitlichen Charakter.

Danach ist der Einwand des L, die möglicherweise verletzte Verkehrssicherungspflicht sei privatrechtlicher Natur, wegen des Zusammenhangs mit der Verkehrsregelung und der Straßenbaulast nicht zutreffend. Ebenso unzutreffend ist die Auffassung, die Straßenbauverwaltung handle nicht hoheitlich, weil sie keine Eingriffsverwaltung sei, sondern zur Daseinsvorsorge gehöre. Auch auf dem Bereich der Daseinsvorsorge ist hoheitliches Handeln möglich. So wird bei der zur Daseinsvorsorge gehörenden Abfallentsorgung ein Anschluss- und Benutzungszwang hoheitlich durchgesetzt, und es werden Gebühren erhoben. BGH [16] hat dazu ausgeführt: Es kann dahinstehen, ob das Anbringen eines gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StVO angeordneten Verkehrszeichens eine Maßnahme der Verkehrsregelung oder der Verkehrssicherung ist (…). Denn auch wenn es sich dabei um eine Maßnahme der Verkehrssicherung handelte, war sie mit der Verkehrsregelung, die sie unmittelbar umsetzt, untrennbar verbunden mit der Folge, dass sie der hoheitlichen Sphäre der Verwaltung in nicht geringerem Maße zuzurechnen ist als die Verkehrsregelung selbst.

Folglich ist das Aufstellen eines Verkehrsschildes grundsätzlich als hoheitlich zu beurteilen. § 839 BGB, Art. 34 GG wären danach ohne weiteres anzuwenden, wenn der LBSM die Schilder durch eigenes Personal hätte aufstellen lassen; das war aber nicht der Fall.

2. Im vorliegenden Fall könnte eine abweichende Beurteilung gegenüber dem Ergebnis zu 1. geboten sein, weil die Handelnden Privatpersonen waren und für sie Privatrecht gilt.

a) Im vorliegenden Fall haben G und M gehandelt. Dabei hat G ihre Verpflichtung gegenüber dem LBSM durch M erfüllen lassen, so dass G und M zusammen zu betrachten sind (BGH [21]: Gund ihre Mitarbeiter).

b) G/M sind Privatpersonen, die primär in privatrechtlichen Beziehungen stehen: G wurde aufgrund des privatrechtlichen Werkvertrages und M aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages tätig. Privatpersonen handeln grundsätzlich nicht hoheitlich. Auch wird ihr Handeln nicht ohne weiteres einem Hoheitsträger, hier dem Land L zugerechnet. Eine Zurechnung als hoheitliches Handeln könnte sich aber daraus ergeben, dass G/M vom LBSM zu einer hoheitlichen Aufgabe herangezogen wurden. Es handelt sich um einen Fall der Heranziehung Privater für Zwecke der öffentlichen Verwaltung. Hierbei gibt es zwei Formen, bei denen ein hoheitliches Handeln des Privaten in Betracht kommt: die Beleihung (der Beliehene ) und die Heranziehung als Verwaltungshelfer. (Außerdem gibt es die „Indienstnahme Privater für Zwecke öffentlicher Verwaltung“ wie z. B. den Arbeitgeber, der Lohnsteuer und Sozialabgaben abzuführen hat; dieser handelt dabei aber nicht hoheitlich.)

3. Beliehene sind natürliche oder juristische Privatpersonen, denen durch Hoheitsakt die Befugnis eingeräumt wurde, Verwaltungskompetenzen im eigenen Namen und in eigener Verantwortung wahrzunehmen (Detterbeck, Allg. VerwR, 17. Aufl. 2019, Rdnr. 192). Die Beleihung bedarf einer gesetzlichen Grundlage (BGHZ 137, 377 [25]). Beliehene dürfen die Handlungsformen des Verwaltungsrechts verwenden, insbesondere Verwaltungsakte erlassen. Beliehener ist beispielsweise der TÜV-Sachverständige, der nach § 29 II 2 StVZO bei einer positiv verlaufenen Kfz.-Untersuchung eine Prüfplakette vergibt (BGHZ 147, 169, 171), und ein Notar, weil er hoheitliche Beurkundungsbefugnisse wahrnimmt. G/M sind aber schon deshalb keine Beliehenen, weil es für ihre Beleihung keine Rechtsgrundlage gibt. Durch § 45 II StVO wird das Aufstellen von Verkehrsschildern nur auf die Straßenbaubehörde übertragen und nicht auf Privatpersonen. Außerdem handeln G/M nicht in eigener Verantwortung, sondern nach den im Verkehrszeichenplan enthaltenen Weisungen der LBSM (dazu auch noch unten 4 b bb).

4. Verwaltungshelfer sind Privatpersonen oder -unternehmen, die vorbereitend und unterstützend einzelne Teilaufgaben der Verwaltung übernehmen, aber keine eigene Entscheidungsbefugnis haben, sondern den Weisungen der Behörde unterliegen (als „verlängerter Arm der Verwaltung“; zum Verwaltungshelfer Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 1 Rdnrn. 58-63). Anwendungsfälle sind - neben dem klassischen Beispiel des Schülerlotsen - Bauunternehmer, die öffentliche Straßen bauen; Abschleppunternehmer, die von der Behörde im Rahmen einer Verwaltungsvollstreckung herangezogen werden (BGHZ 121, 161/7: handeln hoheitlich); Entsorgungsfirmen, die die Müllabfuhr durchführen. Einer gesetzlichen Grundlage für ihr Heranziehen bedarf es nicht.

a) Zur genaueren Bestimmung der Voraussetzungen in den Fällen, in denen Private gehandelt haben, wurde früher die Werkzeugtheorie vertreten (dazu Ossenbühl/ Cornils, StHR, 6. Aufl. 2013, S. 23 ff.). Ihre ausdrückliche Heranziehung erfolgt inzwischen aber nicht mehr, vielmehr gilt inzwischen nach BGH [18] Folgendes: Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion im konkreten Fall abzustellen (st. Rspr.; BGH NJW 2014, 3580 Rn. 8 m. w. N.; BGHZ 191, 71 Rn. 13 und BGHZ 181, 65 Rn. 10). Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein … Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine enge Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug" oder „Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (siehe dazu BGH NJW 2014, 3580 ). Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen.

b) Im vorliegenden Fall gilt:

aa) Das Aufstellen von Verkehrsschildern ist grundsätzlich eine Aufgabe der in § 45 I, II StVO genannten Behörden. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus den Aufgabenbereichen Verkehrsregelung und Straßenbau. Dieser Teilbereich wurde auf G/M übertragen. Wie oben 1 c) ausgeführt wurde, bestand ein enger Zusammenhang zwischen dem Aufstellen der Schilder und der Aufgabe der Verkehrsregelung, so dass das Aufstellen der Schilder selbst als hoheitliches Handeln zu beurteilen war. Gegen die Zulässigkeit der Übertragung bestehen keine Bedenken. Dass M ein Schild nicht richtig befestigt hat, spricht nicht gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Aufgabenübertragung, da ein solcher Fehler auch bei einer Erledigung durch Arbeiter des LBSM hätte geschehen können.

bb) Die Handelnden dürfen keinen eigenen Entscheidungsspielraum haben, sondern müssen den Weisungen der Behörde unterliegen. Dazu BGH [21] Der LBSM hat auf die Durchführung der Arbeiten, das heißt auf die Aufstellung der Verkehrszeichen, derart Einfluss genommen, dass die Mitarbeiter der G gleichsam als bloße „Werkzeuge" oder „verlängerte Arme" des LBSM handelten… Dessen verkehrsbeschränkende Anordnung als Straßenbaubehörde war von den Mitarbeitern der G strikt umzusetzen. Der Verkehrszeichenplan, der der Anordnung beigefügt war, gab präzise vor, welches Verkehrsschild an welcher Stelle aufzustellen war. Ein eigener Entscheidungs- und Ermessensspielraum kam der G und ihren Mitarbeitern nicht zu. Andernfalls, d. h. bei Einräumen eines eigenen Entscheidungsspielraums der G-GmbH und ihrer Mitarbeiter, wäre eine Übertragung der Aufgabe wahrscheinlich nicht zulässig gewesen.

cc) Allerdings fallen nicht unter den Begriff des Verwaltungshelfers Vertragspartner der öffentlichen Hand, die lediglich übernommene Pflichten - etwa als Zulieferer - erfüllen (Detterbeck, AllgVerwR, 17. Aufl. 2019, Rdnr. 195). Zwar handelte G in Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Werkvertrag. Das Anbringen und Überwachen der Verkehrsschilder ging aber insofern darüber hinaus, als es Außenwirkung gegenüber den Kraftfahrern hatte und an die Stelle des eigentlich im Gesetz vorgesehenen Behördenhandelns trat.

c) Somit waren G/M Verwaltungshelfer. BGH [19] Das Landgericht hat G zu Recht als Verwaltungshelferin und damit als Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne eingeordnet (so für eine ähnliche Konstellation auch OLG Hamm DAR 2016, 26, 27). BGH [11] G/M handelten bei Aufstellung des Verkehrsschildes in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes.

II. Weitere Voraussetzung für § 839 BGB, Art. 34 GG ist die Verletzung einer dem Dritten (Geschädigten) gegenüber obliegenden Amtspflicht.

1. Da G/M in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben, trafen sie auch die damit verbundenen Amtspflichten. Allgemeine Amtspflicht ist, die Rechtsgüter der Bürger nicht zu verletzen und nicht zu gefährden. Folglich hatten G/M die Pflicht, das Verkehrsschild ordnungsgemäß zu befestigen. Das Anbringen des Schildes mit nicht zugelassenem Befestigungsmaterial, das zu der Ablösung führte, bedeutete eine Verletzung dieser Pflicht. Die Amtspflichtverletzung wurde von G/M auch in Ausführung ihres Auftragsbeim Befestigen der Schilder begangen und nicht nur bei Gelegenheit.

2. Die Pflicht oblag G/M gegenüber F als Dritten. Denn sie hatte den Zweck, Schädigungen von Personen und Sachen zu verhindern, deshalb war F als später Geschädigte eine Person, zu deren Schutz die Amtspflicht bestand.

III. Die Verletzung war schuldhaft, da es möglich und geboten war, das Schild ordnungsgemäß zu befestigen.

IV. Als Folge der Pflichtverletzung wurde der Pkw der F beschädigt, was einen durch die Reparaturkosten bedingten Schaden (§ 249 II 1 BGB) zur Folge hatte.

V. Es könnten Ausschlussgründe für eine Haftung eingreifen.

1. Da G/M nur Fahrlässigkeit zur Last fiel, hat ein Anspruch gegen das Land zur Voraussetzung, dass F keine anderweitige Ersatzmöglichkeit hat (§ 839 I 2 BGB; Subsidiarität der Amtshaftung). Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommt ein Anspruch gegen G/M in Betracht. Anspruchsgrundlage könnte § 823 I BGB sein, weil die fahrlässig vorgenommene fehlerhafte Befestigung des Schildes zu einer Eigentumsverletzung bei F geführt hat. Jedoch könnte § 823 BGB wegen einer vorrangigen Anwendbarkeit der § 839 BGB, Art. 34 GG unanwendbar sein.

BGH [10] In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 BGB als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff BGB (BGH NJW 2014, 3580 Rn. 8.; BGHZ 200, 253 Rn. 29 m. w. N. und BGHZ 196, 35 Rn. 24). Anwendungsbereich des § 839 BGB ist das Handeln eines Beamten, durch Art. 34 GG erweitert auf jedes hoheitliche Handeln. In diesem Bereich scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (z. B. BGH NJW 2014, 3580 m. w. N.; NVwZ 2007, 487 Rn. 6). Somit sind §§ 823 ff. BGB - ebenso wie andere, auf Verschulden beruhende Anspruchsgrundlagen - nicht anwendbar. Gegen G/M hat F keinen Anspruch. (Im Originalfall hatte sich die Klägerin auf die Verletzung einer privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht berufen und G verklagt, was aber wegen der verdrängenden Wirkung des § 839 BGB ohne Erfolg blieb.) § 839 I 2 BGB steht einem Anspruch der F nicht entgegen.

2. Nach § 839 III BGB entfällt der Schadensersatzanspruch, wenn der Geschädigte es schuldhaft unterlässt, den Schaden durch ein Rechtsmittel abzuwenden (Vorrang des Primärrechtsschutzes). F hatte bis zu dem Unfall keine Kenntnis von dem Vorgang und konnte den Schaden deshalb auch nicht durch ein Rechtsmittel abwenden.

3. Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) der F liegt nicht vor.

VI. Da F Schadensersatz vom Land L verlangt, müsste das Land L Anspruchsgegner sein (Passivlegitimation des L).

1. Nach Art. 34 GG trifft die Verantwortlichkeit „grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in dessen Dienst er steht“ (Anstellungskörperschaft). Bei Beamten ist das der Dienstherr, bei Angestellten im öffentlichen Dienst der Arbeitgeber. G/M haben keine öffentliche Anstellungskörperschaft.

2. Werden Private für Zwecke der öffentlichen Verwaltung herangezogen, ist wieder auf die Rechtsfiguren des Beliehenen und des Verwaltungshelfers abzustellen. Beim Beliehenen haftet grundsätzlich der beleihende Staat (BGH NVwZ 2012, 382; Ossenbühl/Cornils, StHR, 6. Aufl. S. 17/8; Wittreck/Wagner JURA 2013, 1224). Eine Ausnahme gilt für den Notar, dieser haftet selbst (§ 19 BNotO). Zum Verwaltungshelfer BGH DVBl 2019, 1474, Pflichtverletzung durch Notarzt, [28] Nach Art. 34 GG haftet im Regelfall die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit der Amtsausübung eröffnet hat. Steht der Amtsinhaber nicht als Beamter oder Behördenangestellter in einem dauernden Dienstverhältnis zu einer Körperschaft, ist er also nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn beschäftigt, haftet die Körperschaft, die ihm durch Übertragung hoheitlicher Befugnisse ein öffentliches Amt anvertraut und ihm damit die Eigenschaft eines Beamten im haftungsrechtlichen Sinn verliehen hat. Entscheidend ist, wer dem Amtsträger die konkrete - fehlerhaft erfüllte - Aufgabe anvertraut hat.

Im vorliegenden Fall haben G/M als Verwaltungshelfer die Aufgabe vom Landesbetrieb LBSM übertragen bekommen. Der Landesbetrieb ist nicht rechtsfähig, sondern wird im Rechts- und Pflichtenkreis des Landes L tätig, so dass sein Handeln dem Land L zugerechnet wird. Unerheblich ist, dass das Land die Verwaltung der Bundesstraßen in Auftragsverwaltung für den Bund durchführt (Art. 90 III GG). Bundesauftragsverwaltung bedeutet nicht, dass der Bund handelt, sondern die Bundesauftragsverwaltung ist Landesverwaltung (BVerwGE 100, 58) mit der Besonderheit, dass die Landesbehörden den Weisungen von Bundesbehörden unterliegen (Art 85 III 1 GG). Auch dass der Bund die Kosten für die Bundesstraßen trägt (§ 5 I FStrG), ändert an der Verantwortlichkeit des Landes gegenüber F nichts; die Kostentragung betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Land und Bund. Also ist das Land L der richtige Anspruchsgegner für F.

Ergebnis: Der von F gegenüber dem Land L geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 1.300 Euro ist begründet.


Zusammenfassung