Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Ansprüche aus Staatshaftungsrecht. Planfeststellung, §§ 74, 75 VwVfG. Fachplanungsrechtlicher Ausgleichsanspruch, §§ 74 II 3, 75 II 4 VwVfG. Sperrwirkung der §§ 74 II, 75 II VwVfG für Entschädigungsansprüche aus anderen Anspruchsgrundlagen. Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff; Anwendungsfall des enteignenden Eingriffs

BGH Urteil vom 23. 4. 2015 (III ZR 397/13) NVwZ 2015, 1317

Fall
(Feuchtigkeitsschäden)

K ist Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Hausgrundstücks in der Gemeinde G, Bundesland L. Im Jahre 2010 führte die zuständige Straßenbaubehörde des Landes ein Planfeststellungsverfahren durch, aufgrund dessen die Landesstraße L 47 durch Bau einer Umgehungsstraße um die Gemeinde G herumgeführt wurde. Nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses im Jahre 2011 wurde die Umgehungsstraße gebaut. Die Trasse verläuft oberhalb des Hauses des K. Zusammen mit der Straße wurden dort auch mehrere Regenrückhaltebecken und ein Entwässerungsgraben errichtet.

Im Jahre 2013 bemerkte K massive Feuchtigkeitsschäden an seinem Haus, vornehmlich am Mauerwerk, und ließ diese beseitigen. K sieht die Ursache für die Feuchtigkeit in dem Straßenbau und verlangt die dadurch entstandenen vom Land erstattet. Ein Sachverständiger stellte fest, der Wasserzufluss zum Haus des K sei eine Folge des Baues der L 47 und der damit verbundenen Baumaßnahmen. Aus heutiger Sicht könne ein Planungsfehler oder ein Fehler bei der Bauausführung nicht ausgeschlossen werden. Im Zeitpunkt der Planung und der Bauausführung sei aber nicht vorhersehbar gewesen, dass das Wasser bis zum Hause des K vordringen würde. Die Straßenbaubehörde bestritt, dass ein Fehler vorgelegen habe, und berief sich darauf, dass der auch K bekanntgegebene Planfeststellungsbeschluss die Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit dem Vorhaben abschließend geregelt habe. Sie ließ aber Nachbesserungsarbeiten vornehmen mit der Folge, dass seitdem selbst bei Starkregenereignissen am Hause des K keine Feuchtigkeit mehr auftritt.

Im Jahre 2015 hat K Klage vor den Zivilgerichten gegen das Land L auf Ersatz der Kosten erhoben, die ihm durch die Arbeiten zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden entstanden sind. Ist die Klage begründet? Bei der Bearbeitung des Falles ist davon auszugehen, dass das VwVfG des Landes L denselben Inhalt hat wie das Bundes-VwVfG.

Die Klage des K gegen das Land ist begründet, wenn K einen Anspruch auf Ersatz der durch die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden an seinem Haus entstandenen Kosten hat. Der Anspruch könnte seine tatsächliche Grundlage darin haben, dass die Feuchtigkeitsschäden eine Folge des Baues der L 47 sind.

I. Wie im Straßenbaurecht vorgeschrieben (vgl. § 17 Bundesfernstraßengesetz = FStrG, § 38 Straßen- und Wegegesetz = StrWG NRW), beruhte der Bau der Umgehungsstraße auf einer Planfeststellung. Im Planfeststellungsbeschluss entscheidet die zuständige Behörde über das Bauvorhaben selbst und über Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für Betroffene (§ 74 II 2 VwVfG), wobei unter den Voraussetzungen des § 74 II 3 VwVfG auch eine Geldentschädigung festgesetzt werden kann (fachplanerischer Ausgleichsanspruch). Solche Regelungen sind unter den Voraussetzungen des § 75 II 2, 4 VwVfG auch noch nachträglich möglich. Sie müssen aber in den Planfeststellungsbeschluss, einen Verwaltungsakt, aufgenommen werden, so dass die Entschädigung im Streitfall durch Verpflichtungsklage im Verwaltungsrechtsweg durchgesetzt werden muss (§§ 40 I, 42 VwGO; BGH [11]). Im Zivilrechtsweg kann dieser Anspruch nicht verfolgt werden und kann deshalb auch nicht zur Begründetheit der vor den Zivilgerichten erhobenen Klage führen. (Allerdings würde auch eine Klage im Verwaltungsrechtsweg nicht zum Erfolg führen, wie noch unter VII 2 im Zusammenhang mit der Frage der Sperrwirkung dieser Regelung auszuführen.)

II. Ein Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) scheidet aus, weil sich eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nicht feststellen lässt. Die für das Land handelnde Straßenbaubehörde hat einen Fehler bestritten. Da der Sachverständige ausgeführt hat, im Zeitpunkt der Planung und der Bauausführung sei nicht vorhersehbar gewesen, dass das Wasser zum Hause des K vordringen würde, kann zumindest von einem Verschulden eines Amtswalters nicht ausgegangen werden.

III. § 2 I HaftpflichtG begründet eine Schadensersatzpflicht u. a. bei Einwirkungen von Flüssigkeiten, also auch von Wasser. Als Vorschrift über eine Gefährdungshaftung gilt sie auch im öffentlich-rechtlich geregelten Tätigkeitsbereich des Staates. Der schädigende Stoff muss aber von einer Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der Flüssigkeit ausgehen. Die neue Umgehungsstraße und ihre Nebenanlagen sind weder eine Rohrleitungsanlage noch eine Anlage zur Abgabe von Wasser. § 2 I HaftpflichtG greift somit nicht ein.

IV. Im BGH-Urteil wird unter [7, 12] als mögliche Anspruchsgrundlage auch § 906 II 2 BGB erwähnt. Jedoch ist Wasser kein „unwägbarer Stoff“ im Sinne dieser Vorschrift (Palandt/Bassenge, 74. Aufl. 2015, § 906 Rdnr. 5; BGH NJW 1984, 2207). Auch ist ein Wasserzufluss keine Einwirkung durch eine ortsübliche Benutzung. Davon abgesehen, sind die vom öffentlich-rechtlich (FStrG, StrWG) geregelten Straßenbau ausgehenden Schädigungen ebenfalls öffentlich-rechtlich zu beurteilen, so dass allenfalls eine analoge Anwendung des § 906 BGB in Betracht käme. Dafür besteht jedoch zumindest solange kein Grund, als nicht ausgeschlossen worden ist, dass eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage (dazu noch unter VII).

V. Ein Anspruch wegen einer Enteignung scheidet ebenfalls aus. Zwar haben die Straßenbaubehörden das Recht zur Enteignung (vgl. § 19 FStrG; § 42 StrWG NRW). Auch ist hierfür der Zivilrechtsweg eröffnet (Art. 14 III 4 GG). Eine Enteignung hat aber eine Entziehung des Eigentums durch Rechtsakt zur Voraussetzung (BVerfGE 58, 300, Nassauskiesung). K ist kein Eigentum entzogen worden. Der schädigende Zufluss von Wasser ist keine Enteignung.

VI. Wegen der Beeinträchtigung des Eigentums des K an dem Haus durch den öffentlich-rechtlich zu beurteilenden Straßenbau kommt ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht. Hierfür müsste der Eingriff rechtswidrig sein.

1. Der Bau der Umgehungsstraße beruhte auf dem Planfeststellungsbeschluss. Dass dieser fehlerhaft und deshalb rechtswidrig war, ist nicht festgestellt. Der Sachverständige hat einen Planungsfehler lediglich nicht ausgeschlossen, was für eine festzustellende Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht ausreicht. Außerdem ist der Planfeststellungsbescheid unanfechtbar. Die Unanfechtbarkeit führt dazu, dass Rechtswidrigkeitsgründe nicht mehr geltend gemacht werden können, auch nicht im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Entschädigung.

2. Für einen Fehler bei der Bauausführung würde Letzteres zwar nicht gelten; er könnte zur Annahme einer rechtswidrigen Maßnahme führen. Auch ein solcher Fehler ist aber nicht festgestellt. Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff besteht somit nicht.

VII. Anspruchsgrundlage kann ein Anspruch aus enteignendem Eingriff sein.

1. Diese Anspruchsgrundlage wurde aus dem Aufopferungsgrundsatz entwickelt (BGHZ 140, 285, 302; Erichsen/Ehlers/Grzeszick, Allg. VerwR, 14. Aufl. 2010, § 45 Rdnrn. 86 ff.).

a) Der Aufopferungsgrundsatz als Grundprinzip einer Haftung für rechtmäßiges Staatshandeln (Sauer JuS 2012, 696) umfasste ursprünglich sämtliche Fälle einer Haftung für ein rechtmäßig auferlegtes Sonderopfer.

b) Später wurde jedoch bei Eingriffen in vermögenswerte Rechte an die Enteignung angeknüpft und die Aufopferung auf Eingriffe in Nichtvermögensrechte, insbesondere Körper und Gesundheit, beschränkt. Bei Eingriffen in Eigentum oder ein eigentumsgleiches Vermögensrecht wurde und wird noch heute differenziert: Ist der Eingriff rechtswidrig, kommt ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht (oben VI). Ist er rechtmäßig, ist Anspruchsgrundlage der enteignende Eingriff.

c) Seit BVerfGE 58, 300 ist allerdings die Enteignung auf den zielgerichteten Entzug des Eigentums durch Rechtsakt beschränkt. Daher kann der enteignende Eingriff nicht mehr auf Art. 14 III GG gestützt werden. Der BGH entnimmt dessen Rechtsgrundlage deshalb nicht mehr dem Art 14 III GG (er hat den Anspruch „von Art. 14 III abgekoppelt“), sondern betrachtet ihn wieder als Anwendungsfall des Aufopferungsgrundsatzes (BGHZ 140, 285, 302). Allerdings passen seitdem die Bezeichnungen der Anspruchsgrundlagen als enteignungsgleicher und als enteignender Eingriff nicht mehr: Weder dem enteignungsgleichen Eingriff noch dem enteignenden Eingriff liegt eine Enteignung oder ein der Enteignung vergleichbarer Fall zu Grunde, wohl aber die Auferlegung eines entschädigungsbedürftigen Sonderopfers. Gleichwohl werden die früheren Bezeichnungen weiter verwendet, wobei die Ansprüche aber Anwendungsfälle der (nunmehr wieder weit gefassten und nicht auf immaterielle Rechte beschränkten) Aufopferung sind. In diesem Sinne versteht ihn auch § 40 II 1 VwGO; aus dieser Vorschrift folgt, dass ein Anspruch aus Aufopferung und auch aus enteignendem Eingriff im Zivilrechtsweg geltend zu machen ist und somit im vorliegenden Zusammenhang zu einem Anspruch führen kann.

2. Wegen der vorausgegangenen Planfeststellung könnte aber ein Anspruch aus enteignendem Eingriff ausgeschlossen sein; §§ 74 II 3, 75 II 4 VwVfG könnten insofern eine Sperrwirkung haben.

a) Der BGH knüpft an die - häufigen - Fälle an, in denen eine Planfeststellung für einen Straßen- (Autobahn-) Bau erfolgt ist und betroffene Anlieger später feststellen, dass von dem darauf stattfindenden Verkehr unzumutbarer Lärm ausgeht, gegen den sich die Anlieger nachträglich wenden wollen. BGH [ 11] Nach der Rechtsprechung des BGH zu Entschädigungsansprüchen wegen Verkehrslärmimmissionen ist…über eine etwaige Entschädigung in der Regel bereits im straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss - dem Grunde nach - zu entscheiden… Wird eine Entschädigung abgelehnt, obliegt es dem Betroffenen, die ihn belastende Verwaltungsentscheidung im Verwaltungsrechtsweg anzugreifen. Wird ein Planfeststellungsbeschluss ohne einen öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch bestandskräftig, kann (auch) ein Anspruch wegen der enteignenden Wirkung des geplanten Vorhabens grundsätzlich nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden (BGHZ 140, 285; BVerwGE 80, 184, 192; 77, 295, 296 f). Somit hat der Planfeststellungsbeschluss über den Bau der Straße wegen § 74 II 3 VwVfG grundsätzlich Sperrwirkung für einen auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützten Entschädigungsanspruch.

b) Da die Sperrwirkung durch § 74 II 3 VwVfG aber auf der Überlegung beruht, dass der Betroffene den Planfeststellungsbeschluss, der ohne Entschädigungsregelung ergangen ist, hätte verwaltungsgerichtlich anfechten können, kann sie nicht eingreifen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die spätere Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht absehbar war und eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss deshalb nach dessen Erlass nicht in Betracht kam. Bei erst später aufgetretenen Nachteilen könnte aber § 75 II 2, 4 VwVfG Sperrwirkung haben. BGH [12, 13] Bei im Zeitpunkt der Planung nicht vorhersehbaren Wirkungen des Vorhabens besteht die Möglichkeit, nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eine Planergänzung und unter den Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG eine Entschädigung in Geld zu verlangen, wobei dieser Anspruch im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen ist (vgl. BGHZ 140, 285, 296 f.). Auf dieser Grundlage hat der BGH entschieden, dass ein durch Autobahnlärm betroffener Anlieger, der den - sein Ansinnen auf Anordnung weitergehender Schallschutzmaßnahmen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) zurückweisenden - Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig werden lässt und später auch keine zusätzlichen Schallschutzvorkehrungen wegen nicht voraussehbarer Geräuschauswirkungen des Vorhabens bei der Planfeststellungsbehörde geltend macht (§ 75 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwVfG), vor den ordentlichen Gerichten auch unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs keinen Anspruch auf eine Entschädigung geltend machen kann (BGH 140, 285, 300 ff.). Gleiches gilt für den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (BGHZ 161, 323, 330 f).

Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass der Gesetzgeber mit dem Planfeststellungsverfahren für bestimmte Immissionen im Vorfeld ein spezifisches Verfahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im nachbarlichen Bereich vorgesehen hat, in dem die Rechte des Einzelnen zu berücksichtigen sind (…). So hat die Behörde dem Träger des Vorhabens, von dem Immissionen ausgehen können, nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, hat der Betroffene nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Auch den Fall, dass nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auftreten, hat der Gesetzgeber geregelt. Der Betroffene kann in einem solchen Fall nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld (§ 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG). Dieses durch das Planungsfeststellungsrecht in § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2 VwVfG zur Verfügung gestellte Instrumentarium gewährleistet im Regelfall einen hinreichenden Schutz des Eigentums Dritter.
Dadurch sind andere Ansprüche, insbesondere im Zivilrechtsweg zu verfolgende Entschädigungsansprüche, grundsätzlich ausgeschlossen.

c) Wie sich aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt, setzt eine Sperrwirkung des § 75 II VwVfG aber voraus, dass § 75 II VwVfG in der Weise eingreift, dass danach über das Bestehen eines Anspruchs zu entscheiden ist. d. h. dass die Vorschrift auf den Fall anwendbar ist. BGH [14] Da die Sperrwirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses - wie gezeigt - ihre Rechtfertigung aus einem zum Schutz des Betroffenen hinreichenden Regelungs- und Anspruchsgefüge im Planfeststellungsrecht bezieht, kann sie dort nicht gelten, wo dieses Rechtsschutzsystem - im Ausnahmefall - nicht greift.

aa) Einen Entschädigungsanspruch gewährt § 75 II VwVfG unter den Voraussetzungen der Sätze 2 - 4, die wie folgt lauten: „ Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Sie sind dem Träger des Vorhabens durch Beschluss der Planfeststellungsbehörde aufzuerlegen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld.“ Nach dem Gutachten des Sachverständigen, dem hier mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten gefolgt werden muss, war nicht vorhersehbar, dass das Wasser zum Hause des K vordringen würde. Also sind nach Unanfechtbarkeit des Plans nicht voraussehbare Wirkungen des Straßenbaues eingetreten. Sie sind auch für die Schäden ursächlich, wie sich ebenfalls aus dem Gutachten des Sachverständigen sowie daraus ergibt, dass nach den Nachbesserungsarbeiten keine Schäden mehr aufgetreten sind. Jedoch können die in der Vorschrift als Rechtsfolge vorgesehenen Vorkehrungen zur Abwehr eines Schadens der Straßenbaubehörde nicht mehr aufgegeben werden, weil die in der Vergangenheit eingetretenen Schäden bereits von K beseitigt worden sind - im Originalfall mit Kosten in Höhe von 172.051 Euro - und die für die Abwehr zukünftiger Schäden notwendigen Nachbesserungsarbeiten von der Straßenbaubehörde vorgenommen worden sind. Eine Planergänzung nach § 75 II 2, 3 VwVfG scheidet deshalb aus.

bb) Dementsprechend verlangt K keine Planergänzung, sondern Entschädigung. Für diese kommt § 75 II Satz 4 VwVfG als Anspruchsgrundlage in Betracht. Da der Fall, dass Schutzmaßnahmen gegen einen schädlichen Wasserzufluss mit dem Straßenbau unvereinbar sind, ausscheidet, müsste die Auferlegung von Vorkehrungen untunlich sein. Das BerGer. im Fall des BGH hatte „untunlich“ weit ausgelegt und auch auf den nach den Ausführungen vorstehend aa) gegebenen Fall erstreckt, in dem Schutzvorkehrungen nachträglich nicht mehr möglich sind. Danach behielt § 75 II 4 VwVfG Sperrwirkung und stand einem im Zivilrechtsweg verfolgbaren Anspruch wegen eines enteignenden Eingriffs entgegen.

Der BGH folgt dem aber nicht, [23-31] Untunlich sind Schutzmaßnahmen, wenn sie keine wirksame Abhilfe erwarten lassen oder wenn sie für den Vorhabenträger unzumutbar wären, insbesondere weil der Aufwand außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stünde (BVerwGE 107, 313, 336; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs,VwVfG, 8. Aufl., § 74 Rn. 193; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 74 Rn. 168;…)… Im vorliegenden Fall sind Vorkehrungen zum Schutz des klägerischen Grundstücks weder deshalb unterblieben, weil sie keine wirksame Abhilfe erwarten ließen oder unverhältnismäßig waren, noch deshalb, weil sie dem Zweck des Vorhabens zuwidergelaufen wären. Vielmehr veranlasste das beklagte Land schließlich erfolgreich Nachbesserungsarbeiten und errichtete einen neuen Entlastungskanal, wodurch die Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers beendet wurde.

Folglich erfasst der Begriff der „Untunlichkeit" von Schutzvorkehrungen im Sinne von § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG nicht Fälle einer allein auf einer zeitlichen „Überholung" beruhenden Unmöglichkeit von Schutzvorkehrungen, das heißt solche Fälle, in denen ein zurückwirkender Schutz wegen bereits eingetretener Beeinträchtigungen nicht mehr möglich ist.

Die davon abweichende weite Auslegung durch das BerGer. steht bereits mit der Bedeutung und dem allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs „untunlich" nicht in Einklang. Dieser drückt das Gegenteil des Begriffs „tunlich" aus und ist wie dieser gegenwarts- und zukunftsbezogen zu verstehen. Er betrifft Handlungen, deren gegenwärtige oder künftige Vornahme negativ in dem Sinne zu bewerten ist, dass sie nicht „zu tun" sind. Im vorliegendem Zusammenhang umfasst er daher nicht solche Schutzvorkehrungen, die in der Vergangenheit möglicherweise hätten getroffen werden können (und dort „tunlich" waren), jetzt aber nicht mehr getroffen werden können, weil die Beeinträchtigung, die sie verhindern sollen, bereits eingetreten ist.

Gegen die vom BerGer. vorgenommene weite Auslegung des Begriffs „untunlich" spricht schließlich auch der Surrogatscharakter der in § 74 Abs. 2 Satz 3, § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG geregelten Geldentschädigung (zum Surrogatscharakter vgl. BVerwGE 123, 37, 47;… Neumann in Stelkens/ Bonk/Sachs a. a. O. Rn. 190). Der Anspruch auf angemessene Entschädigung ist ein Surrogat für nicht realisierbare Ansprüche auf einen technisch-realen Ausgleich unzumutbarer Auswirkungen der Planung durch Schutzmaßnahmen. Er ist damit gegenüber dem Anspruch auf Schutzvorkehrungen nachrangig. Im Fall bereits eingetretener Beeinträchtigungen kommen indes Schutzvorkehrungen denklogisch und unabhängig von ihrer technischen Realisierbarkeit niemals in Betracht, weil sie die eingetretenen Beeinträchtigungen nicht mehr verhindern können.

Planfeststellungsverfahren und -recht bieten somit in § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2 VwVfG im Hinblick auf nach Unanfechtbarkeit des Plans aufgetretene, nicht voraussehbare und durch Schutzvorkehrungen nicht mehr zu verhindernde Beeinträchtigungen des Eigentums Dritter durch das Planvorhaben keinen ausreichenden Schutz. Damit entfällt zugleich die Grundlage für die Sperrwirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsverfahrens…


c) §§ 74, 75 VwVfG haben somit im vorliegenden Fall keine Sperrwirkung. Damit ist der Weg frei für eine Anwendung der Anspruchsgrundlage enteignender Eingriff.

3. Voraussetzungen für einen Anspruch aus enteignendem Eingriff sind, dass durch eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme ein Eingriff in ein vermögenswertes Recht eines unbeteiligten Dritten erfolgt und diesem dadurch ein Sonderopfer auferlegt wird. In der Regel sind Eingriff und Sonderopfer atypische Nebenfolgen einer rechtmäßigen Maßnahme (vgl. den Fall BGH NJW 2013, 1736; dazu Hebeler JA 2014, 558, 560).

a) Der Planfeststellungsbeschluss und dessen Verwirklichung werden, da eine Rechtswidrigkeit nicht festgestellt wurde (oben VI), als rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen behandelt. Der Bau der Umgehungsstraße der L 47 war also rechtmäßig.

b) Das Bauvorhaben hatte, wie der Sachverständige festgestellt hat, die Folge, dass Wasser zum Haus des K vorgedrungen ist und dem Haus Feuchtigkeitsschäden zugefügt hat. Darin liegt ein Eingriff in das Eigentum des K an dem Haus. K war auch ein an dem Bauvorhaben nicht beteiligter Dritter. Es handelt sich um eine atypische Nebenfolge des an sich rechtmäßigen Straßenbaues.

c) Da solche Schäden einem Dritten nicht zugemutet werden und normalerweise auch nicht eintreten, wirken sie sich bei K als Sonderopfer aus.

4. Im Originalfall reichten die Feststellungen der Vorinstanzen für eine endgültige Entscheidung des BGH nicht aus. Bei [32] hat der BGH aber ausgeführt, dass in Anbetracht der von den Parteien in ihrem Instanzvortrag und vom BerGer. angenommenen Unvorhersehbarkeit der Auswirkungen des Vorhabens ein Anspruch aus enteignendem Eingriff in Betracht kommen dürfte.

Ergebnis: Die Klage des K gegen das Land L auf Ersatz der zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden aufgewendeten Kosten ist begründet.


Zusammenfassung