Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde; Subsidiarität. Eigentumsschutz, Art. 14 GG; Genehmigung und Verfahrenspositionen als Eigentum. Berufsfreiheit, Art. 12 GG; Eingriff, Abgrenzung zu bloßen Rahmenbedingungen; Verhältnismäßigkeit. Art. 2 I i. V. mit Art. 20 III GG als allgemeines Vertrauensschutzgebot und als Schutz vor der Rückwirkung von Gesetzen; unechte Rückwirkung

BVerfG Beschluss vom 30.6.2020 (1 BvR 1679/17 und 2190/17) BeckRS 2020, 19850

Fall (Windenergie auf See)

Für den Bau von Windenergieanlagen auf See (Offshore-Windparks) im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone galt früher die Seeanlagenverordnung (SeeAnlV). Danach erfolgte die Zulassung der Windenergieanlagen (künftig: WEA) durch Planfeststellungsbeschluss des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (künftig: BA). Eine übergreifende Planung gab es nicht; bei konkurrierenden Anträgen wurde nach Priorität entschieden. Zu den vom BA verlangten Antragsunterlagen gehörten Untersuchungen der Meeresumwelt und des Baugrunds sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Später wurde die SeeAnlV durch das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) ersetzt. Danach hat die BA einen Flächenentwicklungsplan für die Windenergie auf See aufzustellen. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer WEA auf See wurden genauer geregelt; dazu gehört, dass die WEA in einer in diesem Plan ausgewiesenen Zone liegt und dass sie in einem Ausschreibungsverfahren einen Zuschlag erhalten hat. Während früher die Zulassung ohne gesicherte Netzanbindung erfolgte, wird sie nunmehr mit der Netzanbindung abgestimmt. Neben Übergangsvorschriften bestimmt § 46 Absatz 3 WindSeeG, dass mit Inkrafttreten dieses Gesetzes sämtliche laufenden Verwaltungsverfahren zur Errichtung von WEA auf See enden, soweit die Projekte nicht in einer im Plan dafür ausgewiesenen Zone liegen. Für die Anlagenzulassung gilt nur noch das WindSeeG.

Die Bf.-GmbH ist ein Unternehmen, das Offshore-Windparks baut und betreibt. Während der Geltung der SeeAnlV hatte sie mit der Planung des Windparks WP 3 begonnen, beim BA die Eröffnung eines Zulassungsverfahrens beantragt und mit dem BA die Bedingungen für die Zulassung abgestimmt. Anschließend ließ sie die verlangten Untersuchungen vornehmen, für die sie mehrere Millionen Euro zu zahlen hatte. Zu einem Zulassungsantrag war es noch nicht gekommen, weil die Unterlagen noch nicht vollständig waren und auch mit der Netzanbindung noch nicht begonnen worden war. Nach Inkrafttreten des WindSeeG teilte das BA der Bf. mit, dass das Planfeststellungsverfahren nach § 46 III WindSeeG beendet ist, weil das für den WP 3 vorgesehene Gebiet nicht in einer in der im Flächenentwicklungsplan für WEA vorgesehenen Zone liegt.

Die Bf.-GmbH hat beim Bundesverfassungsgericht form- und fristgerecht Verfassungsbeschwerde gegen § 46 III WindSeeG erhoben. Sie macht geltend, die Regelung verletze ihr Eigentum und ihre Berufsfreiheit. Die Aufwendungen im Zulassungsverfahren hätten zu einer als Eigentum zu schützenden Anwartschaft auf Zulassung geführt, deren entschädigungslose Entziehung unverhältnismäßig sei. Auch hätte sie aufgrund ihres Berufs als Windpark-Entwickler ein Recht erworben, weitgehend fortgeschrittene Planungsverfahren zu einem Erfolg führen zu dürfen. § 46 III WindSeeG habe ihre geleisteten Investitionen rückwirkend und damit unzulässig entwertet. Die Bundesregierung verteidigt das Gesetz. Die Neuregelung sei angesichts der unzulänglichen Regelung in der SeeAnlV unabweisbar gewesen. Da Bf. mit dem Erlass eines Gesetzes habe rechnen müssen, habe sie die Investitionen auf eigenes Risiko vorgenommen. Dass das Gebiet, in dem Bf. ihre Anlagen habe errichten wollen, nicht in den Flächenentwicklungsplan aufgenommen worden sei, ergebe sich aus dem Zweck der Planung, Offshore-Anlagen zwecks erleichterter Netzanbindung stärker in Küstennähe zu konzentrieren und entferntere Meeresgebiete zu schützen. Wie ist über die Verfassungsbeschwerde der Bf. zu entscheiden?

Lösung

Vorbemerkungen: Der vom BVerfG entschiedene Originalfall ist weit umfangreicher als der hier gestellte Fall; er umfasste Verfassungsbeschwerden von 17 Beschwerdeführern und richtete sich gegen mehrere Vorschriften des WindSeeG. Deshalb können dieser Fall und seine Lösung nur einen - allerdings den wesentlichen - Teil des BVerfG-Beschlusses abdecken; auch müssen die Originalzitate angepasst werden. – Besprochen wird das Urteil von Sachs JuS 2020, 1091. – Die Entscheidung gehört zu den Fällen, die sich mit den Folgen der Umstellung der Stromerzeugung auf umweltfreundliche Energieträger befassen; hierzu gehört der Atomausstiegsfall BVerfGE 143, 246, auf den der Beschluss mehrfach Bezug nimmt; auch wegen des Kohleausstiegs laufen bereits Verfahren (vgl. BVerfG BeckRS 2020, 19742).

A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (VfB)

I. Eine VfB muss sich gegen einen Hoheitsakt richten (§ 90 I BVerfGG; Beschwerdegegenstand). Zu den Hoheitsakten gehören Gesetze (vgl. § 93 III BVerfGG). Folglich kann sich die VfB gegen § 46 III WindSeeG richten. Es handelt sich um eine Rechtssatz-VfB.

II. Die Beschwerdeführerin Bf. muss behaupten, in einem Grundrecht verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG; Beschwerdebefugnis). Bf. behauptet eine Verletzung ihres Eigentums und ihrer Berufsfreiheit und damit der Art. 14 GG und 12 GG. Da sie durch § 46 III WindSeeG an der Fortführung ihres bisher verfolgten Projekts WP 3 gehindert wird, ist eine Verletzung dieser Grundrechte möglich. BVerfG [60] Dass die Bf. keine natürliche, sondern eine juristische Person ist, steht nach Art. 19 Abs. 3 GG der Möglichkeit einer Verletzung der in diesem Verfahren geltend gemachten Grundrechten nicht entgegen.

III. Bei einer Rechtssatz-VfB gelten Besonderheiten.

1. Einerseits steht das Gebot vorheriger Rechtswegerschöpfung (§ 90 II BVerfGG) einer gegen ein formelles Gesetz gerichteten Rechtssatz-VfB nicht entgegen, weil es gegenüber formellen Gesetzen keinen Rechtsweg - außer der VfB - gibt (vgl. § 93 III BVerfGG).

2. Andererseits ist eine besondere Betroffenheit erforderlich. Die Bf. muss von dem Gesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein (BVerfG [60]).

1. Betroffen ist Bf. in der Rechtsstellung, die sie aufgrund der SeeAnlV erlangt hat. Diese bestand aus der Verfahrensposition in dem vor der BA eingeleiteten Zulassungsverfahren und in der - von ihr als Anwartschaft bezeichneten - konkreten Möglichkeit, eine Zulassung aufgrund der SeeAnlV zu erhalten.

2. Diese Positionen hat sie durch § 46 III WindSeeG verloren. Dieser Verlust betraf Bf. selbst, gegenwärtig und auch unmittelbar, weil er allein aufgrund des § 46 III eingetreten ist und keines Vollzuges mehr bedurfte.

3. Der Antrag könnte gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen.

a) Dieses Prinzip gilt auch bei der Rechtssatz-VfB und hat eine ähnliche Funktion wie das Gebot der Rechtswegerschöpfung. BVerfG [67] Das Subsidiaritätsprinzip verlangt, dass die Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus zunächst alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 63, 77, 78; 134, 106, 115; st. Rspr). Als solches Verfahren kommt in erster Linie eine verwaltungsgerichtliche Klage in Betracht.

b) Jedoch ist nicht ersichtlich, dass Bf. eine solche Klage zur Verfügung steht. Bf. erstrebte zwar eine Zulassung der WEA durch Verwaltungsakt, die grundsätzlich mit einer Verpflichtungsklage verfolgt werden kann. Diese wäre aber nicht zulässig, weil Bf. noch nicht einmal einen Antrag bei der BA gestellt hat, so dass diese darüber noch keine Entscheidung hat treffen können. Eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen § 46 III WindSeeG als formelles Gesetz ist nicht statthaft. Auch könnte das VG § 46 III nicht für nichtig erklären, sondern müsste, wenn es die Vorschrift für verfassungswidrig hält, die Frage dem BVerfG nach Art. 100 GG vorlegen.

c) Das BVerfG begründet das Nichteingreifen des Subsidiaritätsprinzips wie folgt, [67, 70] Auf eine Anrufung der Fachgerichte müssen sich die durch ein Gesetz Betroffenen nur verweisen lassen, wenn hiervon eine Vertiefung oder Verbreiterung des tatsächlichen oder rechtlichen Materials zu erwarten ist, das für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes von Bedeutung sein kann. Die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes ist deshalb dann nicht geboten, wenn von der vorherigen Durchführung eines Gerichtsverfahrens weder die Klärung von Tatsachen noch die Klärung von einfachrechtlichen Fragen zu erwarten ist, auf die das BVerfG bei der Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen angewiesen wäre, sondern deren Beantwortung allein von der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe abhängt (vgl. BVerfGE 88, 384, 400; 150, 309, 326 f. Rn. 44). Im vorliegenden Fall wäre von einem fachgerichtlichen Verfahren keine Vertiefung oder Verbreiterung des tatsächlichen und rechtlichen Materials zu erwarten, die für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes von Bedeutung sein könnte. Insbesondere sind keine Fragen der Auslegung einfachen Rechts entscheidungserheblich.

IV. Da Bf. die VfB auch form- und fristgerecht erhoben hat, ist sie zulässig.

B. Begründetheit der VfB

Die VfB ist begründet, wenn § 46 III WindSeeG ein Grundrecht der Bf. verletzt.

I. § 46 III WindSeeG könnte gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums (Art. 14 I GG) der Bf. verstoßen.

1. Eigentum i. S. des Privatrechts (des BGB) stand Bf. nicht zu. Insbesondere war es ihr nicht möglich, Eigentum am Meeresgrund, dessen Nutzung möglicherweise vereitelt wurde, zu erwerben (BVerfG [81]). Insofern ist die Rechtslage anders als bei WEA an Land (Onshore), die unter Ausnutzung von Grundeigentum durch eine nach dem BImSchG erteilte Genehmigung zugelassen werden.

2. BVerfG [76, 74] Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht auf Eigentumspositionen im Sinne des Privatrechts begrenzt (vgl. BVerfGE 95, 267, 300; st. Rspr). Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen (vgl. BVerfGE 131, 66, 79 m. w. N.; st. Rspr). Dazu können auch öffentlichrechtliche Positionen gehören (Sachs JuS 2020, 1091; BVerfGE 48, 403, 412/3 ).

a) Die von Bf. verteidigte Rechtsposition wird durch das Ziel, das mit dem Verfahren vor dem BA verfolgt wurde, geprägt. Dieses Ziel war eine Anlagenzulassung nach der SeeAnlV, also eine Genehmigung. BVerfG [76, 77] Das BVerfG hat die Frage der Eigentumsfähigkeit von Anlagenzulassungsentscheidungen bereits in seinem Urteil zum Atomausstieg (BVerfGE 143, 246) verneint. Solche Genehmigungen zum Betrieb gefährlicher Anlagen sind staatliche Erlaubnisse, mit denen präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt überwunden werden. Mit den Genehmigungen wird lediglich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bestimmungen zum Schutz der durch den Anlagenbetrieb gefährdeten Güter, also das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen festgestellt. Sie unterscheiden sich damit von subjektiven öffentlichen Rechten, denen nach gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung Eigentumsschutz deshalb zuerkannt wird, weil sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen…. Auch die nach der SeeAnlV erteilte Genehmigung diente mit der Feststellung der Rechtskonformität der geplanten Anlage der Überwindung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt, nicht aber der Schaffung einer Eigentumsposition. Der Betrieb eines Offshore-Windparks kann Gefahren für die Tier- und Pflanzenwelt, die Meeresumwelt insgesamt und für die Schifffahrt verursachen. Funktion des Zulassungsverfahrens für solche Windparks war und ist daher zu prüfen, ob solche Gefahren dem Vorhaben entgegenstehen. Wird die Genehmigung erteilt, bedeutet das die Feststellung, dass solche Gefahren dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Eigentum wird damit nicht geschaffen.

[80] Soweit Bf. auf die im Vorfeld der Genehmigung notwendigen Investitionen in Höhe mehrerer Millionen Euro verweist, vermag auch dies den Eigentumscharakter der Genehmigung nicht zu begründen. Auch nach erheblichen Investitionen erteilte Genehmigungen werden dadurch nicht zum Eigentum in der Hand der Genehmigungsinhaber (vgl. BVerfGE 143, 246, 329 Rn. 232).

[83] Allerdings hat das BVerfG die bergbaurechtliche Bewilligung nach § 8 BBergG als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG angesehen (BVerfGE 77, 130, 136)… Indessen hat die bergbaurechtliche Bewilligung eine andere Funktion als die atomrechtliche Genehmigung und die Zulassungsentscheidung nach der SeeAnlV, denn sie gewährt das Recht, das Eigentum an den Bodenschätzen zu erwerben. Mithin wird die Nutzung des Bodens nicht lediglich, wie hier, zur Errichtung einer baulichen Anlage bewilligt, sondern gerade zum Erwerb des Eigentums an den darin enthaltenen Bodenschätzen.

b) [84] Ist danach eine bereits erteilte Genehmigung kein Eigentum im Sinne des GG, sind die der Genehmigung vorausgehenden bloßen Verfahrenspositionen, welche die Bf. in dem Verfahren nach der SeeAnlV erreicht hat, erst recht kein Eigentum. Gleiches gilt, soweit Bf. sich darauf beruft, ihre Aufwendungen hätten zu einer als Eigentum zu schützenden Anwartschaft auf Zulassung geführt. Die Möglichkeit, eine Zulassung zu erlangen, reicht, da die Zulassung selbst kein Eigentum ist, für eine Eigentumsbegründung nicht aus.

c) [88] Die von der Bf. getätigten Investitionen an sich bilden ebenfalls kein Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sind für sich genommen schlicht Ausgaben.

3. Als Eigentum kommt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Bf. in Betracht.

a) BVerfG [86] Ob das als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG genießt, hat das BVerfG bislang offengelassen (vgl. BVerfGE 143, 246, 331 f. Rn. 240 m. w. N.). Es lässt die Frage auch jetzt wieder offen, weil sich daraus keine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition der Bf. ergeben würde. Denn:

b) Der Schutz des Gewerbebetriebs kann jedenfalls nicht weiter gehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt (vgl. BVerfGE 58, 300, 353). Er erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern. Bloße Umsatz- und Gewinnchancen werden auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfGE 143, 246, 331 Rn. 240 m. w. N.). [87] Wirtschaftliche Grundlage war hier der nach früherem Recht erreichte Verfahrensstand, der zwar erhebliche vermögenswerte Positionen begründete. Dieser Verfahrensstand ist jedoch ungeachtet seines Marktwerts gerade nicht Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG (oben B I 2). Inwiefern die aus der Rechtsänderung resultierende praktische Erschwerung des Gewerbebetriebs verfassungsgemäß ist, richtet sich vielmehr nach Art. 12 Abs. 1 GG (nachfolgend II).

BVerfG [85] Die nach der SeeAnlV erreichte Verfahrensposition ist nicht mit Blick auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.

Folglich wird, da Bf. kein Eigentum zustand, Art. 14 GG durch § 46 III WindSeeG nicht verletzt.

II. § 46 III WindSeeG könnte das Recht der Bf. auf Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) verletzen.

1. Dann müsste durch § 46 III ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Bf. erfolgt sein.

a) BVerfG [92, 93] Art. 12 GG gewährt das Recht, eine Tätigkeit als Beruf zu ergreifen und frei auszuüben (vgl. BVerfGE 141, 121, 130 Rn. 32 m. w. N.). Unter Beruf ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zu verstehen. Das Betreiben eines Offshore-Windparks ist danach durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Dem steht nicht entgegen, dass Windparks auf hoher See erst nach Erlass rechtlicher Regelungen gebaut werden dürfen. Denn der Schutzbereich der Berufsfreiheit ist nicht auf erlaubte Tätigkeiten beschränkt, weil die Berufsfreiheit ansonsten gegenüber dem Gesetzgeber leerlaufen könnte (vgl. BVerfGE 115, 276, 300 f.). Zudem war die berufliche Betätigungsmöglichkeit hier bereits vor Inkrafttreten der angegriffenen Vorschrift durch die SeeAnlV eröffnet. Das WindSeeG modifiziert den Zugang zur Meeresfläche in der ausschließlichen Wirtschaftszone, eröffnet jedoch nicht erstmalig die Möglichkeit, dort Windparks zu betreiben. Die angegriffene Regelung betrifft vielmehr eine dem Grunde nach bereits bestehende Betätigungsmöglichkeit, die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist.

b) Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Bf. könnte darin gesehen werden, dass § 46 III WindSeeG die Fortführung des zu ihrer gewerblichen Tätigkeit gehörenden Projekts WP 3 verhindert. Allerdings liegt kein Eingriff in Regelungen, die lediglich Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Tätigkeit bilden. So sind Geschwindigkeitsbeschränkungen für Autofahrer, die beruflich unterwegs sind, zwar für diese nachteilig, sind aber keine Eingriffe in Art. 12 GG (sondern nur in Art. 2 I GG).

BVerfG [95, 96] Art.12 Abs. 1 GG schützt vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind, indem sie eine Berufstätigkeit unmittelbar unterbinden oder beschränken (vgl. BVerfGE 113, 29, 48; st. Rspr). Dagegen schützt die Berufsfreiheit nicht gegen jede Regelung, die die Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit beeinflusst (vgl. BVerfGE 148, 40, 50 f. Rn. 27). Es genügt nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfalten (…). Weil nahezu jede Norm oder deren Anwendung unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit haben kann, drohte das Grundrecht sonst konturlos zu werden… Im vorliegenden Fall hat § 46 III WindSeeG die Wirkung, dass Bf. das Projekt WP 3 nicht fortführen kann. Dadurch geht dessen Rechtswirkung über die einer bloßen Rahmensetzung hinaus. [98] Somit beeinflusst die angegriffene Regelung über die Zulassung von WEA auf See nicht nur die Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit, sondern beschränkt die Berufstätigkeit des Betreibers eines Offshore-Windparks unmittelbar.

Folglich enthält § 46 III WindSeeG einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Bf.

2. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Rechtfertigungsgrundlage ist der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG. Danach kann die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden. Der die Bf. belastende § 46 III WindSeeG betrifft die Ausübung des Berufs der Bf. als Offshore-Windparkbetreiberin und nicht die Berufswahl.

Das den Gesetzesvorbehalt ausfüllende Gesetz muss formell und materiell verfassungsmäßig sein.

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 74 I Nr. 11 GG, wonach dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die Energiewirtschaft zusteht; zu dieser gehört die Energieerzeugung. Es liegen auch die Voraussetzungen des Art. 72 II GG vor, weil die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit verlangt, dass die Zulassung von Offshore-WEA in der gesamten deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone einheitlichen Regelungen unterliegt, ebenso wie bei Onshore-Anlagen durch das BImSchG.

b) In materieller Hinsicht muss § 46 III WindSeeG verhältnismäßig sein (die frühere Drei-Stufen-Lehre wird nicht mehr angewendet, vgl. BVerfG NJW 2018, 2542; NJW 2018, 2109 und im vorliegenden Fall). Ein Eingriff entspricht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn er einen legitimen Zweck verfolgt, dafür geeignet und erforderlich sowie angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) ist. Daraus folgt eine vierstufige Prüfung.

aa) BVerfG [100] Das WindSeeG dient den Zielen des Klimaschutzes und des Umweltschutzes. Zum Umwelt- und zum Klimaschutz ist der Gesetzgeber nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich berechtigt und verpflichtet.

bb) [102] Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die gesetzliche Regelung der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt bereits die Möglichkeit einer Zweckerreichung (BVerfGE 126, 112, 144; st. Rspr). Diese ergibt sich daraus, dass durch den Flächenentwicklungsplan und das Ausschreibungsverfahren der weitere Ausbau der Offshore-WEA besser gesteuert und die Planungssicherheit für die Unternehmen erhöht wird.

cc) [105] Erforderlich ist eine gesetzliche Regelung, wenn der Gesetzgeber kein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Bei der Einschätzung der Erforderlichkeit verfügt der Gesetzgeber über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (BVerfGE 126, 112, 144 f.; st. Rspr). Es ist nicht ersichtlich, dass er seine Ziele hier durch ein anderes Regelungssystem gleich wirksam, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen hätte erreichen können. Die zur Abmilderung von Härten erforderlichen Übergangsvorschriften wurden erlassen (vgl. BVerfG [111]), kommen Bf. aber nicht zugute, weil ihr Projekt nicht mehr in einer dafür vorgesehenen Zone liegt.

Kein milderes Mittel wäre, Betreibern wie Bf. eine Entschädigung für vergeblich aufgewandte Kosten zu gewähren. Die Erforderlichkeit einer mit Kosten verbundenen Regelung entfällt nicht allein dadurch, dass die Kosten aus öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden könnten (BVerfGE 123, 186, 243; 109, 64, 86; Sachs JuS 2020, 1093 Fn. 10). Andernfalls könnte der Staat Belastungen der Bürger mit Kosten nur noch gegen Entschädigung auferlegen, was solche Maßnahmen weitgehend unmöglich machen würde. Ob der Staat zur Entschädigung verpflichtet ist, ist eine Frage des Art. 14 III GG und des Staatshaftungsrechts, aber nicht eine über die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Art. 12 I GG zu lösenden Frage.

dd) BVerfG [106] Auch an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Die Zulassungsvorschriften verfolgen die verfassungsrechtlich besonders gewichtigen Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes (Art. 20a GG) und stehen nicht außer Verhältnis zur Einschränkung der Berufsfreiheit derjenigen, die einen Offshore-Windpark betreiben wollen. Die Umstellung auf ein deutlich verbessertes System der Regulierung war geboten, war vorherzusehen und für die auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen zumutbar.

[107] Allerdings kann ein Eingriff in die Berufsfreiheit im engeren Sinne unverhältnismäßig sein, wenn das von Art. 12 Abs. 1 GG unter bestimmten Voraussetzungen geschützte Vertrauen in die rechtliche Fortführbarkeit einer beruflichen Tätigkeit nicht hinreichend berücksichtigt ist. Ein solcher Vertrauensschutz kommt Bf. jedoch nicht zugute, weil sie sich wegen fehlender Netzanbindung nicht auf die Durchführung des Projekts verlassen konnte (vgl. BVerfG [113]).

Ferner könnte es unangemessen sein, dass die von Bf. vorgenommenen Aufwendungen rückwirkend entwertet werden. Das BVerfG ordnet aber den dem Rechtsstaatsprinzip entnommenen Rückwirkungsschutz nicht dem Art. 12 GG zu, sondern verbindet ihn mit Art. 2 I GG. Dafür spricht, dass die belastende Rückwirkung von Gesetzen ein übergreifendes Problem ist (bei Strafgesetzen: Art. 103 II GG). Folglich wird die Rückwirkung erst unter III. geprüft.

Der Eingriff durch § 46 III WindSeeG in Art. 12 I GG ist gerechtfertigt, Art. 12 I GG ist nicht verletzt.

III. § 46 III WindSeeG könnte gegen Art. 2 I i. V. mit Art. 20 III GG verstoßen, weil die Vorschrift eine unzulässige Rückwirkung enthält.

1. BVerfG [122] Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG enthält ein allgemeines Vertrauensschutzgebot (BVerfGE 128, 90, 105; st. Rspr). Allgemeiner Vertrauensschutz ist damit nicht nur objektivrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip garantiert, sondern zugleich eine subjektivrechtliche Grundrechtsverbürgung… Dieser allgemeine Vertrauensschutz ergänzt spezifische Vertrauensschutzverbürgungen der besonderen Freiheitsrechte. Insbesondere für unternehmerische Tätigkeit sind zunächst der eigentumsspezifische Vertrauensschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG einschließlich eines davon umfassten Schutzes von Investitionsvertrauen (vgl. BVerfGE 143, 246, 383 Rn.372) und das in Art. 12 Abs.1 GG enthaltene Gebot relevant, die Neuregelung einer zuvor in erlaubter Weise ausgeübten Berufstätigkeit durch Übergangsregelungen zumutbar auszugestalten (vgl. BVerfGE 131, 47, 57 f.). Soweit die Voraussetzungen eines solchen grundrechtsspezifischen Vertrauensschutzes nicht erfüllt sind, kommt allgemeiner Vertrauensschutz nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG in Betracht. Letzteres ist hier der Fall (oben II 2b dd).

2. BVerfG [127, 128] Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG schützt das Vertrauen, nicht mit in unzulässiger Weise rückwirkenden Gesetzen belastet zu werden (vgl. BVerfGE 148, 217, 254 Rn. 132; st. Rspr). Es würde Einzelne in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten (BVerfGE 132, 302, 317 Rn. 41)… Zu unterscheiden sind Gesetze mit echter und mit unechter Rückwirkung.

a) [129] Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“). Normen mit echter Rückwirkung sind verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 148, 217, 255 Rn. 135; st. Rspr; zum Ausnahmefall, in dem der Gesetzgeber eine nichtige Bestimmung durch eine rechtswirksame ersetzen darf, BVerfG 1 BvR 2654/17 vom 11.8.2020) . [135] Die angegriffene Vorschrift entfaltet keine echte Rückwirkung. Das WindSeeG wurde weder mit Wirkung vor dem Zeitpunkt seiner Verkündung in Kraft gesetzt, noch greift es nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ein.

b) [130] Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“).

aa) [136-141] Hier entfaltet die angegriffen Norm eine unechte Rückwirkung, weil sie auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition kausal entwertet, indem belastende Rechtsfolgen erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden. Ins Werk gesetzte, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte sind hier insofern betroffen, als Bf. einen Prozess, der in die Inbetriebnahme des geplanten Windparks münden sollte, angestoßen, aber nicht abgeschlossen hatte… Auf diesen nach den Bestimmungen des seinerzeit geltenden Rechts begonnenen Prozess wirkt das WindSeeG für die Zukunft ein, indem es das laufende Planfeststellungsverfahren beendet… Dadurch wurde die erreichte Position entwertet. Die nach altem Recht getätigten Schritte sind nutzlos geworden, weil das Verfahren beendet ist und der früher erreichte Stand nicht übertragbar oder anrechenbar ist.

bb) [131] Normen mit unechter Rückwirkung sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Jedoch ergeben sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit. Diese Grenzen sind überschritten, wenn…die Bestandsinteressen des Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 148, 217, 255 Rn. 136; st. Rspr). Bei der Ablösung der SeeAnlV durch das WindSeeG sprechen gewichtige Gründe für die vom Gesetzgeber vorgenommene Reform, [152] Durch die Umstellung des früheren, sehr einfach gehaltenen Zulassungsverfahrens nach der SeeAnlV auf das weiter ausdifferenzierte Zulassungsregime des WindSeeG sollen Wettbewerb und Planungssicherheit durch bessere Koordination und Steuerung gestärkt werden, um die Förderung des verfassungsrechtlich gebotenen Klima- und Umweltschutzes durch den Ausbau von WEA auf See zu effektuieren.

Demgegenüber musste Bf. damit rechnen, dass eine Gesetzesreform erfolgte. [162] Das Zulassungsregime nach der SeeAnlV war erkennbar vorläufig… Die Vergabe der Nutzungsmöglichkeiten von Flächen in der ausschließlichen Wirtschaftszone erfolgte nicht nach materiellen Kriterien, sondern allein nach dem Prioritätsprinzip. Eine - solche Vorhaben üblicherweise vorbereitende - staatliche Flächenplanung fand nicht statt. Deshalb fehlte auch für das Vorhaben der Bf. die Netzanbindung. Die Investitionskosten der Bf. fallen nach BVerfG [165] trotz der Höhe von mehreren Millionen angesichts der geplanten Gesamtinvestition von mehr als einer Milliarde Euro pro Windpark nicht wesentlich ins Gewicht. [167] Folglich ist die Entscheidung des Gesetzgebers, den Bestandsinteressen der Bf. und anderer Unternehmen in vergleichbarer Lage kein überwiegendes Gewicht beizumessen, von seinem weiten Spielraum gedeckt. Die unechte Rückwirkung ist nicht unzulässig. Art. 2 I i. V. mit Art. 20 III GG sind nicht verletzt.

Hinweis: Im Originalfall hatte die VfB teilweise Erfolg, insofern das BVerfG einzelnen Bf. einen Kostenausgleich für diejenigen Untersuchungen zugebilligt hat, die bei der staatlichen Flächenplanung verwendbar waren ([157 ff.]). Im hier gestellten Fall hat das keine Bedeutung. Die Untersuchungen der Bf. können bei der Flächenplanung nicht verwendet werden, weil das Gebiet der Bf. aus planerischen Gründen nicht übernommen wurde. Überdies hat der Gesetzgeber den vom BVerfG gerügten Mangel entsprechend dem erteilten Gesetzgebungsauftrag inzwischen durch Einfügen des § 10a in das WindSeeG geheilt.

Ergebnis: Die VfB der Bf. ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt.


Zusammenfassung