Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz. Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 1, Bürgerliches Recht. Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 I GG; Dreistufentheorie; Regelung der Berufsausübung. Verhältnismäßigkeit einer schwerwiegenden Beschränkung der Vertragsfreiheit aus sozialen Gründen

BVerfG Beschluss vom 29. 6. 2016 (1 BvR 1015/15) DVBl 2016, 1251

Fall (Bestellerprinzip bei Wohnungsmaklern)

In Gebieten mit starker Nachfrage nach Mietwohnungen, vornehmlich in Ballungsräumen, wurden Mietwohnungen von den Vermietern ganz überwiegend über Makler angeboten. Die Kosten des Maklers (= Vermittlungsentgelt, Provision, Courtage) wurden dann bei Abschluss von Mietverträgen auf die Mieter abgewälzt, die, wenn sie die Wohnung haben wollten, praktisch keine Möglichkeit hatten, das zu vermeiden. Sie hatten dann zusätzlich zur - meist hohen - Miete und der Verpflichtung zur Stellung einer Mietkaution auch noch eine Maklerprovision in Höhe von zwei Kaltmieten zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen, was vor allem für wirtschaftlich schwächere Mieter vielfach extrem belastend war. Bundesregierung und Bundesgesetzgeber hielten das für eine Fehlentwicklung, zumal die Makler vom Vermieter beauftragt wurden und meist wenig Mühe bei der Vermietung der Wohnung hatten. Durch Bundesgesetz, das im Bundesrat als Einspruchsgesetz behandelt wurde, wurden in das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermG) folgende Vorschriften aufgenommen:

§ 2 (1 a) Der Wohnungsvermittler darf vom Wohnungssuchenden für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, es sei denn, der Wohnungsvermittler holt ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter oder von einem anderen Berechtigten den Auftrag ein, die Wohnung anzubieten.

(5) Eine Vereinbarung ist unwirksam, wenn

1. sie von den Absätzen 1 bis 4 abweicht oder
2. durch sie der Wohnungssuchende verpflichtet wird, ein vom Vermieter oder einem Dritten geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen.

Nach § 8 II können Verstöße mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden.

Bf. 1), 2) und 3) haben beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen § 2 WoVermG erhoben. Bf. 1) und 2) sind Immobilienmakler, die bisher im Auftrage von Wohnungsvermietern Wohnungen vermittelten und ihre Provision von den Mietern erhielten. Bf. 2) macht geltend, vor Inkrafttreten des Gesetzes hätten 95 % seiner Einnahmen aus diesem Bereich gestammt und fielen nunmehr weitgehend weg, weil er von den Mietern keine Provision nehmen dürfe und die Vermieter nicht bereit seien, eine Provision zu zahlen. Nach seiner Auffassung ist es nicht gerechtfertigt, zu sozialen Zwecken, für deren Verfolgung der Bundesgesetzgeber nicht einmal zuständig sei, die wirtschaftliche Existenz einer ganzen Berufsgruppe zu gefährden. Es hätte ausgereicht, eine Aufteilung der Maklerkosten zwischen Vermieter und Mieter vorzuschreiben. Zumindest hätte die Geltung des Gesetzes auf Gebiete mit angespannter Wohnungsversorgung begrenzt werden müssen. Bf. 3) ist Mieter und sieht in der Neuregelung eine zu weitgehende Beschränkung seiner Freiheit, in einem Mietvertrag eine Maklerprovision übernehmen zu dürfen. Wie ist über die Verfassungsbeschwerden zu entscheiden?

Lösung


A. Die Verfassungsbeschwerden (VfB) müssten nach §§ 90 ff. BVerfGG zulässig sein.

I. Eine VfB muss sich gegen einen Hoheitsakt richten (§ 90 I BVerfGG). Zu den Hoheitsakten gehören Gesetze (vgl. § 93 III BVerfGG). Folglich können sich die VfB gegen § 2 WoVermG richten.

II. Der Beschwerdeführer muss behaupten, in einem Grundrecht verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG).

1. Bf. 1) und 2) können geltend machen, durch § 2 WoVermG in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) verletzt zu sein. Soweit § 2 WoVermG das Verbot enthält, vom Wohnungssuchenden für die Vermittlung einer Mietwohnung ein Entgelt zu erhalten, kann die Vorschrift ihre Berufsausübung als Wohnungsvermittler in verfassungswidriger, insbesondere unverhältnismäßiger Weise einschränken.

2. Bf. 3) könnte sich auf eine Verletzung der durch Art. 2 I GG geschützten Vertragsfreiheit berufen. Eine Einschränkung der Vertragsfreiheit liegt offenkundig vor. Eine Verletzung dieses Grundrechts hat aber zur Voraussetzung, dass die Regelung den Träger des Grundrechts belastet. Jedoch wird Bf. 3) als Mieter durch § 2 WoVermG begünstigt, indem ihm die mögliche Belastung durch die Zahlung einer Maklerprovision erspart wird. BVerfG [45] Die VfB des Bf. zu 3) ist unzulässig. Er ist weder als Wohnungsvermittler noch als Vermieter, sondern nur als potentieller Wohnungssuchender am Verfahren beteiligt. Das stellt bereits seine Beschwer in Frage… Insbesondere ist für eine Verletzung seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit nichts erkennbar. Somit ist die VfB des Bf. 3) als unzulässig abzuweisen. - Die Prüfung ist für Bf. 1) und 2) fortzuführen.

III. Bei einer VfB gegen ein Gesetz ist erforderlich, dass der Bf. von dem Gesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist ( BVerfG NVwZ 2015, 582, „Thüringer Ladenöffnungsgesetz“; Sachs JuS 2015, 765).

1. Bf. 1) und 2) sind als Wohnungsvermittler selbst von der Regelung des § 2 WoVermG betroffen.

2. Sie sind auch gegenwärtig betroffen, weil das Gesetz bereits in Kraft getreten ist.

3. Unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn das Gesetz keiner Umsetzung mehr bedarf; es darf kein Vollzugsakt für die Anwendung im Einzelfall vorgesehen sein. § 2 WoVermG enthält ein für die Makler unmittelbar geltendes Verbot; ein Vollzugsakt ist nicht vorgesehen.

BVerfG [41, 42] Die Bf. zu 1) und 2) sind beschwerdebefugt. Sie sind durch die von ihnen angegriffenen Normen selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen, so dass sie ihre VfB unmittelbar gegen die gesetzlichen Bestimmungen richten können (vgl. BVerfGE…117, 126, 135; st. Rspr). Als Immobilienmakler im Bereich der Wohnungsvermittlung dürfen die Bf. zu 1) und 2) nach der gesetzlichen Neuregelung nicht mehr in der bisher üblichen, nach Form und Inhalt freien vertraglichen Gestaltung ein Vermittlungsentgelt von Wohnungssuchenden verlangen. Sie sind unmittelbar betroffen, weil ein besonderer Vollziehungsakt nicht erforderlich ist (…). Eine vertragliche Verpflichtung der Wohnungssuchenden zur Zahlung von Maklercourtage ist aufgrund des gesetzlichen Verbots in § 2 Abs. 5 WoVermG ebenso unwirksam wie die Überwälzung des Vermittlungsentgelts vom Vermieter auf Wohnungssuchende.

IV. Nach § 90 II BVerfGG muss zuvor der Rechtsweg erschöpft sein. Außerdem ist die VfB gegenüber anderen rechtlichen Möglichkeiten subsidiär.

1. Das Gebot vorheriger Rechtswegerschöpfung steht den hier erhobenen VfB nicht entgegen, weil es gegenüber formellen Gesetzen keinen Rechtsweg - außer der VfB - gibt (vgl. § 93 III BVerfGG).

2. Allerdings kann die Subsidiarität der VfB ihre Zulässigkeit hindern. Das Prinzip der Subsidiarität der VfB folgt aus dem Rechtsgedanken des § 90 II BVerfGG und der Aufgabenverteilung zwischen Fachgerichten und BVerfG.

a) BVerfG [44] Grundsätzlich muss ein Bf. über eine nur formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus vor Erhebung der VfB alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50, 60; st. Rspr).

b) Eine solche Möglichkeit besteht vorliegend aber nicht. Es ist den Bf. zu 1) und 2) nicht zumutbar, sich zunächst um eine Klärung im fachgerichtlichen Verfahren zu bemühen, weil sie sich hiermit der Gefahr eines Bußgeldverfahrens aussetzen müssten (vgl. BVerfGE…131, 47, 56). Würdensie ihre bisherige Vertragspraxis zur Provisionsverpflichtung der Wohnungssuchenden trotz des Verbots in § 2 Abs. 1 a WoVermG fortführen, könnten sie sich damit einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 WoVermG schuldig machen. In eine solche Gefahr brauchen sich Bf. 1) und 2) nicht zu bringen (dahingehend auch BVerfG NVwZ 2015, 582, „Thüringer Ladenöffnungsgesetz“, unter [23, 24]).

Somit stehen weder das Gebot zur Rechtswegerschöpfung noch das Prinzip der Subsidiarität der Zulässigkeit der VfB entgegen.

V. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bf. die Jahresfrist des § 93 III BVerfGG gewahrt und die VfB formgerecht (Schriftform, § 23 BVerfGG) und mit der von § 92 BVerfGG geforderten Begründung erhoben haben. Die VfB der Bf. 1) und 2) ist zulässig.

B. Die VfB ist begründet, wenn § 2 WoVermG die Bf. in einem Grundrecht verletzt.

I. Verletztes Grundrecht kann die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) sein. Es ist davon auszugehen, dass Bf. 1) und 2) Deutsche sind und sie deshalb Inhaber des Grundrechts sind.

Es müssten die für die Verletzung der Berufsfreiheit als eines Freiheits- und Abwehrrechts bestehenden Voraussetzungen erfüllt sein.

1. Hierfür ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts erforderlich.

a) Beruf ist eine auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Gewinnerzielung dient. Die Tätigkeit als Wohnungsvermittler (Makler) erfüllt diese Voraussetzungen. Bf. 1) und 2) üben einen Beruf aus.

b) BVerfG [49, 50] Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der Berufsausübung als Grundlage der persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung. Das Grundrecht umschließt auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen verbindlich auszuhandeln (vgl. BVerfGE 101, 331, 347; 117, 163, 181; 134, 204, 222 Rn. 66). Die ansonsten durch die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Vertragsfreiheit tritt im Bereich beruflicher Betätigung gegenüber dem speziellen Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG zurück (vgl. BVerfGE 117, 163, 181; 134, 204, 222 Rn. 67 jeweils m. w. N.). Die gesetzliche Neuregelung betrifft den Schutzbereich der Berufsfreiheit.

c) Ein Eingriff in die beschriebene Freiheit liegt vor, wenn § 2 WoVermG die Freiheit der Makler zum Aushandeln des Entgelts für ihre Tätigkeit beschränkt.

aa) § 2 (1 a) WoVermG untersagt das Vereinbaren einer Pflicht zur Zahlung einer Provision im Verhältnis der Makler zu den Wohnungssuchenden, sofern der Wohnungssuchende nicht selbst den Maklerauftrag erteilt hat. Insofern liegt ein Eingriff vor.

bb) Ob § 2 (1 a) WoVermG eine Beschränkung der Vertragsfreiheit der Makler auch im Verhältnis zu den Vermietern enthält, ist zweifelhaft, weil die Vorschrift sich ausdrücklich nur an den Wohnungssuchenden wendet. Das kann aber offen bleiben, weil § 2 Abs. 5 Nr. 2 WoVermG jede Vereinbarung für unwirksam und damit für unzulässig erklärt, durch die der Wohnungssuchende verpflichtet wird, ein vom Vermieter geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen. Dadurch wird auch eine vom Vermieter abgeschlossene und den Makler begünstigende Vereinbarung für unzulässig erklärt.

BVerfG [50] Die geänderten oder neugeschaffenen Vorschriften…hindern die Bf. zu 1) und 2) in einer Vielzahl von Fällen daran, von Wohnungssuchenden ein Entgelt für ihre berufliche Vermittlungstätigkeit zu erhalten. Schließen die Bf. zu 1) und 2) mit Wohnungssuchenden Verträge ab, nach denen sie von diesen ein Entgelt erhalten sollen, obwohl sie nicht ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter den Auftrag zum Angebot der Wohnung eingeholt haben, sind diese Vereinbarungen unwirksam (§ 2 Abs. 1 a, Abs. 5 Nr. 1 WoVermG). Gleiches gilt für den bislang zulässigen Abschluss von Verträgen, durch die Wohnungssuchende verpflichtet werden, ein vom Vermieter oder einem Dritten geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 WoVermG). Das entspricht der Absicht des Gesetzgebers, in den Fällen, in denen der Vermieter den Makler beauftragt hat, das Bestellerprinzip („Wer bestellt, bezahlt“) einzuführen und eine Zahlungspflicht des Mieters, soweit dieser nicht Besteller ist, auszuschließen.

Folglich bedeutet der Ausschluss der Möglichkeit, den Wohnungssuchenden unmittelbar oder auf dem Weg über den Vermieter mittelbar zur Zahlung der Provision zu veranlassen, einen Eingriff in die zur Berufsfreiheit gehörende Vertragsfreiheit der Makler. Da damit gezielt Verdienstmöglichkeiten der Makler beschränkt werden, hat er auch die vom BVerfG verlangte berufsregelnde Tendenz.

2. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Hierfür bedarf es eines Gesetzes - dem entspricht § 2 WoVermG -, das formell und materiell verfassungsmäßig sein muss (so die Prüfung bei BVerfG [51-62]).

a) Zur formellen Verfassungsmäßigkeit des WoVermG gehört, dass der Bundesgesetzgeber hierfür die Gesetzgebungszuständigkeit hat. Diese könnte sich aus Art. 74 I Nr. 1 GG - Bürgerliches Recht - ergeben.

aa) BVerfG [54] Die Befugnis zur Regelung des bürgerlichen Rechts umfasst alle Normen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden (vgl. BVerfGE 126, 331, 357 m. w. N.). Damit geht es im Wesentlichen um die Ordnung der Individualrechtsverhältnisse, weshalb die Kompetenz des Bundes für bürgerliches Recht nicht nur die Regelungen des BGB, sondern auch die vielfältigen Nebengesetze des Privatrechts umfasst (vgl. BVerfGE 42, 20, 31). Die angegriffenen Vorschriften…zur Änderung des Wohnungsvermittlungsgesetzes zählen hiernach zum bürgerlichen Recht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Von den Änderungen… werden Regelungen erfasst, die das Privatrechtsverhältnis zwischen Wohnungsvermittlern und Wohnungssuchenden ausgestalten und ordnen. Bei den Vorschriften des Wohnungsvermittlungsgesetzes handelt es sich um Spezialnormen in einem Nebengesetz zum Maklerrecht des BGB (§§ 652 ff.).

bb) [55] Dagegen spricht nicht, dass der Gesetzgeber mit dem Bestellerprinzip…ins Wirtschaftsleben eingreift… Dass eine Regelung des Privatrechts auch wirtschaftsregulierende Effekte zeitigt, macht diese noch nicht zu einer Regelung des Rechts der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und nimmt ihr insbesondere nicht ihren Charakter als Regelung des bürgerlichen Rechts. Auch der soziale Zweck spricht nicht gegen die Zuordnung zum Privatrecht. Das im BGB und den Nebengesetzen des Privatrechts geregelte bürgerliche Recht ist und war stets auch durch Elemente sozialer Regulierung von wirtschaftlichen Vorgängen geprägt.

§ 2 WoVermG fällt also unter Art. 74 I Nr. 1 GG und damit unter die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes. Eine Erforderlichkeitsprüfung i. S. des Art. 72 II GG ist nicht geboten, weil Art. 74 I Nr. 1 GG in Art. 72 II GG nicht aufgeführt ist (anders wäre es, wenn die Zuständigkeit auf Art. 74 I Nr. 11, Recht der Wirtschaft, gestützt würde).

b) Die verfahrensmäßige Behandlung des Gesetzes könnte deshalb verfassungswidrig gewesen sein, weil das Gesetz als Einspruchsgesetz behandelt wurde. Aus dem das Gesetzgebungsverfahren regelnden Art. 77 GG ergibt sich, dass Bundesgesetze grundsätzlich nur Einspruchsgesetze sind. Ein Zustimmungsgesetz liegt nur vor, wenn das im GG ausdrücklich bestimmt ist (Sachs JuS 2016, 1048). Eine solche Bestimmung ist Art. 84 I 6 GG.

BVerfG [58-61] Nach Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG besteht ein Zustimmungsbedürfnis dann, wenn die Länder ein Bundesgesetz als eigene Angelegenheit ausführen, der Bund aber ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG das insoweit maßgebliche Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regelt… Eine solche Abweichungsfestigkeit setzt eine ausdrückliche, zumindest aber hinreichend deutliche Regelung voraus… Einen solchen ausdrücklichen Ausschluss einer Abweichungsmöglichkeit enthalten die angegriffenen Vorschriften nicht.

Die Änderung des WoVermG bedurfte nicht der Zustimmung des Bundesrates. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Gesetz ist formell verfassungsmäßig ergangen.

c) In materieller Hinsicht steht die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Mittelpunkt.

aa) Über lange Zeit war es Praxis (zurückgehend auf das Apothekenurteil BVerfGE 7, 377), die Verhältnismäßigkeit anhand der Dreistufentheorie - also stufenspezifisch - zu prüfen. Grundlage war die Unterscheidung von Berufswahl und Berufsausübung in Art. 12 I 1, 2 GG. Bei der Berufswahl wurden dann noch objektive und subjektive Zulassungsvoraussetzungen unterschieden. Seit einiger Zeit hat die Dreistufentheorie in der Rspr. immer mehr an Bedeutung verloren und wird in der vorliegenden Entscheidung nicht mehr erwähnt. Nach der Besprechung dieser Entscheidung von Muckel in JA 2016, 876, 878 dürfte „hinreichend deutlich sein, dass die Dreistufentheorie der Vergangenheit angehört. Das BVerfG nimmt heute eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, die zwar mitunter noch stufenorientiert erfolgt (so in BVerfG NVwZ 2015, 431, 432), sich aber stark an Besonderheiten des Einzelfalls orientiert…“ Auch Sachs JuS 2016, 1047 erwähnt in seiner Besprechung der Entscheidung die Dreistufentheorie nicht.

bb) Ob damit die Dreistufentheorie jede Bedeutung verloren hat, ist zweifelhaft. Hier wird folgendes empfohlen: Handelt es sich um einen klaren Fall der Berufsausübungsregelung, wird ohne Anwendung der Dreistufentheorie allein über Art. 12 I 2 GG gelöst (so wie nachfolgend unter d). Bei einer Berufswahlregelung sollte weiterhin zwischen objektiven Beschränkungen, die nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sind, und subjektiven, personenbezogenen Regelungen unterschieden werden.

d) In materieller Hinsicht könnte sich die Rechtfertigung über Art. 12 I 2 GG ergeben.

aa) § 2 WoVermG enthält eine Regelung der Berufsausübung (Stüer DVBl 2016, 1257). Wohnungsmakler dürfen ihren Beruf nur so ausüben, dass sie von Mietern nur in dem in der Vorschrift enthaltenen Ausnahmefall eine Provision verlangen. Ihre Berufswahl wird nicht beschränkt; sie bleiben als Wohnungsmakler tätig. Das gilt auch in dem Fall, dass - nach Vorbringen des Bf. 2) - die Einnahmen nicht mehr existenzsichernd sind. Denn auch eine schwerwiegend belastende Ausübungsregelung bleibt eine solche und wird nicht zur Wahlregelung.

bb) Die Berufsausübung steht nach Art. 12 I 2 GG unter Gesetzesvorbehalt. Dabei muss das Gesetz verhältnismäßig sein. Es muss zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein.

(1) Zum Ziel und zur Eignung BVerfG [67-69]

Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf ist es Ziel des Gesetzes, die Wohnungssuchenden vor der Ausnutzung faktischer Zwangslagen zu schützen (BTDrucks 18/3121, S. 19)… Bisher galt: Obwohl der Vermieter die Einschaltung des Wohnungsvermittlers veranlasst habe, zahle der Mieter die hierdurch entstehenden Kosten…. Im Ergebnis hätten die Mieter dann oft die gesetzlich maximal zulässige Courtage in Höhe von zwei Nettokaltmieten zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen (vgl. BTDrucks 18/3121, S. 19). Da diese Kosten neben die oft bereits hohe Miete, die zusätzlich aufzubringende Mietkaution sowie nicht selten auch Umzugs- und Renovierungskosten treten, liegt die Befürchtung des Gesetzgebers nahe, dass die so kumulierten Beträge geeignet sind, wirtschaftlich schwächere Mieterhaushalte zu überfordern. In dieser Situation greift der sozialstaatliche Gestaltungsauftrag aus Art. 20 I GG ein (BVerfG [65]).

Die Änderungen des Wohnungsvermittlungsgesetzes sind geeignet, …einer Belastung der Wohnungssuchenden mit Vermittlungskosten…zu begegnen. Insoweit genügt die Möglichkeit einer Zweckerreichung (vgl. BVerfGE 117, 163, 188 f.; 126, 112, 144; st. Rspr). Diese lässt sich hier schon aufgrund der gesetzlich geregelten Nichtigkeit belastender Provisionsverpflichtungen (§ 2 Abs. 5 WoVermG)…bejahen.


(2) BVerfG [71-75] Die angegriffenen Änderungen im Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung sind erforderlich, um den angestrebten Schutz zu erreichen. Es sind keine gleich wirksamen Mittel zum Schutz der Wohnungssuchenden ersichtlich, mit denen eine weitergehende Schonung der Interessen der Wohnungsvermittler einherginge.

(a) Keine in gleicher Weise geeignete Alternative stellt das von den Bf. befürwortete „echte“ Bestellerprinzip oder Prioritätsprinzip dar, wonach im Verhältnis zwischen Vermieter und Wohnungssuchendem derjenige als Besteller der Vermittlungsdienste anzusehen und zur Zahlung der Courtage verpflichtet sein soll, der in zeitlicher Hinsicht zuerst an den Makler herantritt. Angesichts der Marktverhältnisse lässt sich eine vergleichbare Wirksamkeitdieses Prioritätsprinzips nicht - wie erforderlich (vgl. BVerfGE 81, 70, 91) - eindeutig feststellen. Aufgrund der Marktmacht der Vermieter erscheint vielmehr die Annahme einleuchtend, dass Mietinteressierte, um bei der Wohnungssuche erfolgreich sein zu können, sich ungeachtet der tatsächlichen Abläufe oftmals in die Position derjenigen drängen lassen müssen, die den ersten Kontakt zu einem Wohnungsvermittler hergestellt haben.

(b) Die im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagene Regelung, nach der die Maklerprovision zwischen Vermieter und Mieter hälftig geteilt werden sollte, …verhindert die Überwälzung der Maklerkosten auf die Wohnungssuchenden nur in Höhe der halben Provisionsforderung, nicht aber - wie angestrebt - in vollem Umfang.

(c) Um die von Bf. 2) verlangte regionale Begrenzung zu beurteilen, kann man auf die Eingriffsebene zurückkommen. Außerhalb der Gebiete mit angespannter Wohnungsversorgung haben Vermieter und Makler nicht die Marktmacht, um die Maklerprovision auf die Mieter abzuwälzen. Das Verbot, die Mieter damit zu belasten, wirkt sich deshalb nicht als Eingriff aus, so dass der Verzicht auf eine dortige Geltung auch kein milderes Mittel wäre. BVerfG: Verfügt ein Vermieter ausnahmsweise doch über eine derart starke Verhandlungsposition, dass ihm die Abwälzung der Maklerprovision auf Wohnungssuchende möglich ist, erscheint es mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel auch gerechtfertigt, den Schutz des Bestellerprinzips außerhalb angespannter Wohnungsmärkte greifen zu lassen.

(3) Zur Feststellung, ob die Regelung angemessen (verhältnismäßig i. e. S.) ist, ist zwischen den betroffenen Interessen abzuwägen. Unangemessen ist die Regelung, wenn die Interessen der Makler ein höheres Gewicht haben als die der Mieter. Sie ist angemessen, wenn dem Gesetzgeber ein angemessener Ausgleich der widerstreitenden Interessen gelungen ist. BVerfG [83-89]

(a) In der hier streitigen Regelung liegt einnicht unerheblicher Eingriff in die freie Berufsausübung der Wohnungsvermittler. Denn das Bestellerprinzip führt dazu, dass in der geschäftlichen Praxis überwiegend nur noch Vermieter zur Provisionszahlung verpflichtet werden können. Jedenfalls für Immobilienmakler, die sich bei ihrer Tätigkeit - wie die Bf. zu 1) und 2) - auf die Vermittlung von Mietwohnungen spezialisiert haben, lassen sich in Folge der Neuregelung nur noch erheblich geringere Provisionseinnahmen erzielen.

Allerdings werden die Wohnungsvermittler nicht gezwungen, ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben. Da provisionspflichtige Aufträge zur Wohnungsvermittlung weiterhin möglich sind, können Makler auf diesem Geschäftsfeld weiterhin tätig bleiben. Hierbei kann jeder Wohnungsvermittler selbst erheblichen Einfluss darauf nehmen, wie gravierend die wirtschaftlichen Folgen des Bestellerprinzips für ihn sein werden. Es bleibt jedem einzelnen Makler überlassen, Vermieter vom Nutzen und vom Wert seiner Tätigkeit auch angesichts des Umstandes zu überzeugen, dass die Courtage nicht unmittelbar an den neuen Mieter weitergereicht werden kann.

Auch sind Immobilienmakler nicht ausschließlich als Wohnungsvermittler tätig, sondern vermitteln in der Regel auch Mietverträge über gewerblich genutzte Räumlichkeiten und insbesondere Kaufverträge für Immobilien, die zu Wohn- oder zu gewerblichen Zwecken genutzt werden. Vielfach sind sie auch in der Immobilienverwaltung und anderen immobiliennahen Dienstleistungsbereichen tätig. Diese Tätigkeitsfelder und Einnahmequellen bleiben von den Änderungen im Wohnungsvermittlungsgesetz unberührt.
Wenn das im Falle des Bf. 2) anders ist, fällt das in dessen Risikosphäre. Der Gesetzgeber war zu einer typisierenden Betrachtungsweise berechtigt.

(b) Den Interessen der Bf. stehen die gleichfalls berechtigten Interessen der Wohnungssuchenden gegenüber… Sie wurden bereits oben (1) im Zusammenhang mit dem Ziel des Gesetzes gewürdigt und werden von BVerfG [88] zusätzlich dahingehend beschrieben: Den zahlreichen Wohnungssuchenden wird es mit der Neuregelung erleichtert, geeigneten Wohnraum zu finden und sich so den räumlichen Mittelpunkt ihres persönlichen Lebenskreises (…) und einen Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung (…) zu schaffen. Dies und der Schutz vor Nachteilen aufgrund der Eigentumsverhältnisse und der Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt rechtfertigen es zudem, in die Abwägung auf Seiten der Wohnungssuchenden das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 Satz 1 GG) einzubeziehen.

Unter [63, 64] hatte das BVerfG ausgeführt: Für den hier vorzunehmenden Interessenausgleich verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt zunächst in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit.

Daran schließen die Ausführungen BVerfG [89] an. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Mieter von dem Kostenfaktor Maklercourtage zu entlasten und dafür als Mittel eine Einschränkung der vertraglichen Möglichkeiten und damit der Berufsfreiheit der Wohnungsvermittler zu wählen, bewegt sich innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums und der politischen Verantwortung, die dem Gesetzgeber für die maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen verbleiben. Dass hiernach der erstrebte Ausgleich zwangsläufig mit Einnahmeeinbußen der Wohnungsvermittler einhergehen muss, steht der Angemessenheit der gewählten Lösung nicht entgegen; denn diese Belastung ist dadurch gerechtfertigt, dass Wohnungsvermittler - weil sie im Interesse der Vermieter beauftragt werden - mit Provisionsforderungen an diese verwiesen werden dürfen.

Somit ist die Regelung nicht unangemessen. Die Einführung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung ist verhältnismäßig und auch sonst verfassungsmäßig. Der Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 I GG der Wohnungsmakler einschließlich der Bf. 1) und 2) ist gerechtfertigt. Art. 12 I GG ist nicht verletzt.

II. Verletztes Grundrecht könnte Art. 14 I GG sein. Dann müsste § 2 WoVermG in Eigentum eingreifen. Zum Eigentum im weiten Sinne des Art. 14 GG gehört jedes vermögenswerte Privatrecht.

1. Ein schuldrechtlicher Provisionsanspruch eines Maklers ist ein vermögenswertes Privatrecht und damit Eigentum. Jedoch berührt § 2 WoVermG nicht bereits entstandene Ansprüche, sondern gilt nur für die Zukunft. Zukünftige Ansprüche bestehen noch nicht und sind deshalb kein Eigentum. BVerfG [92] Bloße Umsatz- und Gewinnchancen sind vom verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums nicht umfasst (vgl. BVerfGE… 99, 122 Rn. 60; ebenso Stüer DVBl 2016, 1256 m. w. N.).

2. Auch über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb werden nur konkrete Rechtspositionen gegenüber einem unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff geschützt. § 2 WoVermG begrenzt allgemein die Erwerbsmöglichkeiten der Makler im Interesse der Wohnungssuchenden. Darin liegt kein Eingriff in eine konkrete Rechtsposition der Bf. 1) und 2).

BVerfG [90] Für eine Verletzung anderer Grundrechte durch die Einführung des Bestellerprinzips ist nichts ersichtlich. Insbesondere haben die Bf. zu 1) und 2) bereits keine eigentumsfähige Position geltend gemacht, die dem Schutz des Art. 14 GG unterfallen könnte. Dies gilt auch mit Blick auf ein etwaiges Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb, falls sich der Schutz des Art. 14 GG auch hierauf erstrecken sollte (vgl. BVerfGE 84, 212, 232; 96, 375, 397).

Ein Grundrecht der Bf. 1) und 2) ist nicht verletzt. Ihre VfB ist unbegründet.


Zusammenfassung