Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I, 1 I GG; Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs. Eingriff durch staatliches Informationshandeln. Folgenbeseitigungsanspruch; Voraussetzungen und Rechtsfolge


BVerfG Beschluss vom 17. 8. 2010 (1 BvR 2585/06) NJW 2011, 511

Fall
(Konrad Löw gegen Bundeszentrale)

Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) wurde durch Erlass des Bundesministeriums des Inneren i. d. F. von 2001 errichtet. Sie ist eine nichtrechtsfähige Bundesanstalt mit dem Sitz in Bonn und hat nach § 2 des Erlasses die Aufgabe, durch Maßnahmen der politischen Bildung Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Im Übrigen regelt der Erlass die Organisation der BpB. Die BpB gibt - zusammen mit dem Bertelsmann-Verlag - die Zeitschrift „Deutschland Archiv“ heraus.

L ist emeritierter Professor der Politikwissenschaft. Er veröffentlichte in der Ausgabe vom 1. 4. 2004 des Deutschland Archivs unter dem Titel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ einen Beitrag, der sich mit dem Antisemitismus der Deutschen in der NS-Zeit befasst. L vertritt darin die Auffassung, die Mehrheit der Deutschen sei seinerzeit nicht antisemitisch gewesen, sondern habe Sympathien für die verfolgten Juden empfunden. Dies belegte er mit der Berufung auf Zeitzeugen und auf andere Quellen. Unmittelbar nach Auslieferung dieses Zeitschriftenhefts erhielt die Leitung der BpB davon Kenntnis. Sie sah in dem Beitrag einen Versuch, die Mehrheit der Deutschen von der Verantwortung für den Antisemitismus und den Holocaust freizusprechen, und richtete am 2. 4. an die mehreren Tausend Abonnenten des Deutschland Archivs ein Schreiben mit folgendem Inhalt: „Die BpB distanziert sich auf das Schärfste von dem im ‚Deutschland Archiv’ veröffentlichten Text ‚Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte’ von L. Der Verfasser vertritt Ansichten, die mit dem Selbstverständnis der BpB unvereinbar sind. Die Bundeszentrale setzt sich seit Jahrzehnten mit dem Nationalsozialismus und dem Antisemitismus, einer seiner Grundlagen, auseinander und sieht durch eine derartige Veröffentlichung ihre Arbeit desavouiert. Wir bedauern diesen Vorgang außerordentlich. Der Rest der Auflage von Heft 2/2004 wird makuliert. Dieser in der Geschichte der BpB einmalige Vorgang wird sich nicht wiederholen. Wir bitten alle Leserinnen und Leser der Zeitschrift sowie diejenigen, welche sich durch den Beitrag von L. verunglimpft fühlen, um Entschuldigung.“ Der Vorgang wurde u. a. in der Süddeutschen Zeitung kommentiert. L wurde von einigen bereits fest verabredeten Vorträgen wieder ausgeladen.

Unmittelbar danach bittet L um eine gutachtliche Stellungnahme zu der von ihm verfolgten Absicht, im Wege einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die BpB vorzugehen. Ziel ist, die BpB zu veranlassen, die ihn abwertenden Aussagen in dem Schreiben vom 2. 4. zurückzunehmen oder sich in anderer Weise davon zu distanzieren, sich bei ihm zu entschuldigen und dies den Empfängern des Schreibens vom 2. 4. bekannt zu geben.

A. Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage

I. Für die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges muss nach § 40 I 1 VwGO eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegen. L wehrt sich mit seiner Klage gegen die ihn betreffenden Ausführungen in dem Schreiben vom 2. 4. Dieser Klage liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zugrunde, wenn die Ausführungen in dem Schreiben einen öffentlich-rechtlichen Charakter haben.

1. Der Rechtscharakter einer Maßnahme richtet sich primär nach dem Rechtscharakter der Rechtsgrundlage für die Maßnahme. Die Ausführungen vom 2. 4. sind aber nicht auf eine geschriebene Rechtsgrundlage gestützt. Der Erlass von 2001 hat keinen normativen Charakter und besagt auch nichts darüber, ob die BpB Erklärungen wie die in dem Schreiben vom 2. 4. abgeben darf.

2. Da das Schreiben vom 2. 4. in Erfüllung der der BpB übertragenen Aufgaben verfasst und versendet wurde, ist es ebenso zu qualifizieren wie die Aufgabe, die der BpB übertragen worden ist. Aufgabe der PpB ist, die politische Bildung und das Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Dabei handelt es sich um vom Staat im Interesse der Allgemeinheit formulierte Aufgaben. Es sollen die Voraussetzungen gefördert werden, die für eine demokratisch verfasste Gesellschaft notwendig oder zumindest nützlich sind. Sie betreffen das Verhältnis der Bürger zum Staat, das im Zweifel öffentlich-rechtlich geregelt ist. Nicht dagegen werden private oder wirtschaftliche Interessen verfolgt. Unterstützt wird die öffentlich-rechtliche Beurteilung der Aufgabe dadurch, dass die BpB als öffentliche Anstalt, also in einer öffentlich-rechtlichen Form organisiert ist. Zwar wäre es nicht ausgeschlossen, dass öffentliche Aufgaben in privatrechtlichen Formen wahrgenommen werden, doch hat das Bundesinnenministerium gerade keine privatrechtliche Stiftung oder eine andere Form des Privatrechts gewählt, weshalb die BpB und ihre Aufgabenerfüllung öffentlich-rechtlich zu beurteilen ist. Somit wehrt sich L gegen ein öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln. Die Streitigkeit ist öffentlich-rechtlicher Natur.

3. Sie ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, weil Kläger ein Bürger und kein am Verfassungsleben teilnehmendes Organ ist. Der Umstand allein, dass der Kläger sich auf Grundrechte beruft, reicht für eine verfassungsrechtliche Streitigkeit nicht aus. Die Streitigkeit ist auch keinem anderen Gericht zugewiesen, so dass der Verwaltungsrechtsweg zulässig ist.

II. Der Klageart nach handelt es sich um keine Anfechtungsklage, weil das Schreiben vom 2. 4. keinen Regelungscharakter hat und deshalb kein Verwaltungsakt ist. Es handelt sich vielmehr um Informationshandeln, einem Unterfall des schlichten Verwaltungshandelns, das auch als Verwaltungsrealhandeln bezeichnet wird. Ihm gegenüber ist die allgemeine Leistungsklage die statthafte Klageart. Sie ist darauf gerichtet, durch Abgabe von Erklärungen die negativen Wirkungen einer Information so weit wie möglich zu beseitigen. Die Abgabe solcher Erklärungen, die ebenfalls schlichtes Verwaltungshandeln bzw. Verwaltungsrealhandlungen sind, ist eine Leistung im prozessualen Sinn.

III. Auf eine Leistungsklage ist, jedenfalls wenn sie auf Abwehr eines Verwaltungshandelns gerichtet ist, § 42 II VwGO analog anwendbar. L kann geltend machen, durch die für ihn negativen Äußerungen in dem Schreiben in seinem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) verletzt zu sein. Somit steht ihm die Klagebefugnis zu.

IV. Die Klage ist gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Bundeszentrale zu richten (§ 78 I Nr. 1 VwGO).

V. Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. Die Klage ist zulässig.

B. Begründetheit der Klage

Die Leistungsklage ist begründet, wenn dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht.

I. Als Anspruchsgrundlage kommt ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dieser wurde ursprünglich als Anspruch auf Beseitigung der Vollzugsfolgen eines VA entwickelt und findet sich in dieser Form noch in der prozessualen Vorschrift des § 113 I 2 VwGO. Inzwischen ist anerkannt, dass der Folgenbeseitigungsanspruch auch auf die Abwehr der Folgen schlichten Verwaltungshandelns gerichtet sein kann. Mit diesem Inhalt als Vollzugsfolgen- oder als schlichter Folgen-Beseitigungsanspruch ist er gewohnheitsrechtlich anerkannt. Das BVerfG führt zum vorliegenden Fall unter [26] aus: Der hier geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch ist einfachrechtlich anerkannt. Er ist begründet, wenn eine Grundrechtsverletzung vorliegt, wobei der konkrete Anspruchsinhalt nicht allgemein zu umschreiben ist, vielmehr im Einzelfall ermittelt werden muss (vgl. allgemein zum Folgenbeseitigungsanspruch BVerwG NJW 1985, S. 817).

II. Es müssten die Voraussetzungen für einen FBA vorliegen.

1. Erste Voraussetzung ist ein hoheitliches Handeln. Mit dieser Voraussetzung wird der öffentlich-rechtliche FBA zum privatrechtlichen Beseitigungsanspruch aus § 1004 I 1 BGB (unmittelbar sowie analog bei anderen absoluten Rechten als dem Eigentum) abgegrenzt. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen zur öffentlich-rechtlichen Streitigkeit oben A I 2, dass hoheitliches Handeln vorliegt.

2. Das hoheitliche Handeln muss einen Eingriff in ein subjektives Recht enthalten. Bei einem Grundrecht muss ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts vorliegen.

a) Grundrecht im vorliegenden Fall kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht des L sein. Dieses erkennt das GG in Art. 2 I GG an. Das BVerfG stützt es auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (so unter [25] und in st. Rspr.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt zurück, wenn ein besonders geschütztes Persönlichkeitsrecht wie das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 2 II 2GG) eingreift, das ist vorliegend aber nicht der Fall.

b) Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich - ebenso wie die durch Art. 1 I GG geschützte Würde des Menschen - nicht ohne Blick auf mögliche Eingriffe bestimmen, sondern ist unter Heranziehung von Fallgruppen und eingriffsbezogen zu bestimmen und abzugrenzen. Außer Betracht bleiben die hier von vornherein nicht einschlägigen Fallgruppen eines Eingriffs in die Privatsphäre oder einer Beeinträchtigung der informationellen Selbstbestimmung (Datenschutz). Zu behandeln sind aber die folgenden Fallgruppen (vgl. zum allg. Persönlichkeitsrecht Germann JA 2010, 734; Ehmann JURA 2011, 437).

(1) Über das Persönlichkeitsrecht wird die Ehre des Menschen geschützt. Beleidigungen und die anderen Straftaten nach §§ 185 ff. StGB sind daher Eingriffe. Auch eine nur fahrlässige oder gar schuldlose Verwirklichung eines der Tatbestände der §§ 185 ff. StGB enthalten einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Im vorliegenden Fall ist keiner der Tatbestände der §§ 185 ff. StGB durch das Schreiben vom 2. 4. verwirklicht.

(2) Das Persönlichkeitsrecht schützt dagegen, dass unrichtige Tatsachen mit negativem Gehalt über eine Person verbreitet werden, was gerade bei einem Informationshandeln der Verwaltung der Fall sein kann. Beispiel ist, dass in einem Bericht des Verfassungsschutzes behauptet wird, eine Person habe Kontakte zu Terroristen, was aber nicht der Wahrheit entspricht. Weiteres Beispiel ist der Beschluss VG Wiesbaden NVwZ-RR 2011, 21, in dem dem Bundeskriminalamt untersagt wird, die in einer Pressemitteilung enthaltene Aussage über Doping-Vorwürfe gegenüber der Eisläuferin Claudia Pechstein weiterhin zu verbreiten. Im vorliegenden Fall enthält das Schreiben vom 2. 4. keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen. Vielmehr wendet sich L gegen die vorgenommenen Bewertungen des Beitrags des L aus der Sicht der BpB.

(3) Bewertungen sind jedenfalls dann Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, wenn sie eine Schmähkritik enthalten, d. h. nicht auf eine sachliche Aussage, sondern ausschließlich auf die Herabwürdigung der betroffenen Person zielen. Das Schreiben vom 2. 4. hat das sachliche Ziel der BpB, sich von dem Beitrag zu distanzieren und deutlich zu machen, dass sie die in dem Beitrag des L enthaltenen Aussagen für unzutreffend hält. Eine Herabwürdigungsabsicht gegenüber L liegt darin nicht.

(4) Es handelt sich somit um sonstige, für eine Person negative Bewertungen.

aa) Das BVerfG geht unter [21] davon aus, dass niemand ein Recht darauf hat, nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 [269]). Auch ein Recht auf Schutz vor Kritik oder einzelnen negativen Wertungen folgt nicht aus dem Persönlichkeitsrecht.

bb) Das Persönlichkeitsrecht schützt aber den sozialen Geltungsanspruch (vgl. dazu auch Germann JURA 2010, 734, 737). BVerfG [21]: Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die - ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein - geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfGE 99, 185 [193 f.]; 114, 339 [346]). Jedenfalls dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht darüber hinaus aber auch, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren.

cc) [22]: Eine solche herabsetzende Wirkung geht von dem beanstandeten Schreiben der Bundeszentrale aus. Unabhängig von der durch die Gerichte verneinten Frage, ob es eine Schmähkritik gegen den Beschwerdeführer enthält, muss sein Inhalt jedenfalls dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer mit seinem Aufsatz nach Auffassung der Bundeszentrale eine Position vertreten habe, die außerhalb des hinnehmbaren Meinungsspektrums liege. Weiter wird die Veröffentlichung des Aufsatzes als Desavouierung der eigenen Position bezeichnet und zugleich als naheliegend hingestellt, dass sich ein erheblicher Teil des Publikums durch diesen „einmaligen Vorgang“ „verunglimpft“ gefühlt haben könnte, so dass man sich von seinen Thesen nicht nur distanzieren, sondern für deren Abdruck sogar entschuldigen müsse. Aus Sicht des durchschnittlichen Lesers des Deutschland Archivs - der davon ausgehen darf, dass die Bundeszentrale politische Neutralität zu wahren hat und daher ein gewisses Maß an Meinungspluralität zulassen muss (vgl. § 6 des Erlasses des BMI über die Bundeszentrale für politische Bildung) - wird der Beschwerdeführer hierdurch als Autor eines Aufsatzes dargestellt, der nicht mehr diskursiv erörtert, sondern nur noch makuliert werden kann. Namentlich im Zusammenhang mit Fragen des angesichts der deutschen Geschichte besonders sensiblen Themas Antisemitismus kann dies eine erhebliche Stigmatisierung des Betroffenen mit sich bringen, die im Falle des Beschwerdeführers, der unwidersprochen die Ausladung von Vortragsveranstaltungen geltend macht, offenbar bereits praktische Folgen gezeitigt hat.

Somit missachtet das Schreiben vom 2. 4. den sozialen Geltungsanspruch des L und berührt einen Bereich, der vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird.

c) Dass das Schreiben auch einen Eingriff in das Recht des L enthält, lässt sich bereits aus den Ausführungen vorstehend cc) entnehmen. Das BVerfG stellt unter [23] noch klar: Die somit gegebene Grundrechtsbeeinträchtigung erfüllt zwar nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinn, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruht. Gleichwohl bedarf sie der Rechtfertigung…, um vor Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG Bestand haben zu können… Somit enthält das Schreiben einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des L.

3. Das Schreiben vom 2. 4. müsste auch rechtswidrig sein, insbesondere müsste es eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des L enthalten.

a) Da ein Grundrechtseingriff vorliegt, ergibt sich aus dem Gewährleistungscharakter der Grundrechte, dass dieser einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Das folgt auch aus der „verfassungsmäßigen Ordnung“ als Schranke des Art. 2 I GG; diese wird als „verfassungsmäßige Rechtsordnung“ verstanden und verlangt, dass ein verfassungsmäßiges Gesetz den Eingriff rechtfertigt. Es gibt eine Reihe von Gesetzen, die ein Informationshandeln der Verwaltung rechtfertigen, insbesondere wenn sie dem Bürger Ansprüche auf Information gewähren. Dazu gehören das Verbraucherinformationsgesetz (VIG, vgl. dazu Böhm/Lingenfelder/Voit NVwZ 2011, 198; Wollenschläger VerwArch 2011, 1 ff.; OVG Saarlouis NVwZ 2011, 632), das Umweltinformationsgesetz (UIG) und das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Im vorliegenden Fall ist kein Gesetz ersichtlich, das kritische Äußerungen der BpB gestattet. Das liegt auch daran, dass die Tätigkeit der BpB nicht auf einem Gesetz beruht. Der Einrichtungserlass für die BpB kann einen Eingriff schon deshalb nicht rechtfertigen, weil er als bloß verwaltungsinterner Erlass keine Rechtsnormqualität hat; darüber hinaus bestimmt er inhaltlich nichts über Schreiben, mit denen die BpB sich negativ über den Verfasser eines Beitrags in ihrer Zeitschrift äußert. Danach fehlt es für die Rechtfertigung des Schreibens vom 2. 4. an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.

b) Demgegenüber hat das BVerfG unter [23] ausgeführt, für ihre Äußerungen könne sich die BpB zwar nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) berufen, weil Grundrechte nur dem Bürger und nicht dem Staat und seinen Organen zustehen, es komme aber die kompetenzielle Rechtsgrundlage in Betracht, auf der die Tätigkeit der Bundeszentrale überhaupt fußt. Hierbei handelt es sich um die der Bundesregierung zukommende Aufgabe der Staatsleitung, die, ohne dass es darüber hinaus einer besonderen gesetzlichen Eingriffsermächtigung bedürfte, staatliches Informationshandeln legitimieren kann. Namentlich gestattet sie der Bundesregierung, die Bürger mit solchen Informationen zu versorgen, deren diese zur Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung bedürfen (vgl. BVerfGE 105, 279 [302]). Im Hinblick auf das konkrete Informationshandeln im Einzelfall verlangt das BVerfG, dieses müsse ein legitimes Ziel verfolgen und sich gemessen daran als verhältnismäßig erweisen (vgl. BVerfGE 105, 279 [299 ff.]).

c) Kritisch betrachtet wird diese Auffassung von Schoch in NVwZ 2011, 193 ff. („Die Schwierigkeiten des BVerfG mit der Bewältigung staatlichen Informationshandelns“; zustimmend dagegen Bertram NJW 2011, 513.) Schoch kritisiert u. a., dass die Tätigkeit der BpB der Staatsleitung zugeordnet wird. S. 197: Zur Staatsleitung gehören die politische Führung durch die Bundesregierung und durch andere Verfassungsorgane (BVerfGE 105, 279, 301). Die BpB ist dagegen eine nichtrechtsfähige Anstalt im Geschäftsbereich des Innenministeriums. „Wie soll es da zur Staatsleitung kommen (können)?“

Nach den Überlegungen a) und c) sind die den L belastenden Ausführungen im Schreiben vom 2. 4. schon mangels der erforderlichen Rechtsgrundlage rechtswidrig.

d) Das BVerfG prüft entsprechend seinem Ausgangspunkt oben b) die Verhältnismäßigkeit der Äußerungen in dem Schreiben vom 2. 4. und verneint sie [24, 25]:

aa) Zwar dürfe die BpB den Zweck verfolgen, das der Öffentlichkeitsarbeit zugrunde gelegte Konzept der Behörde durch Äußerungen, die auch Dritte betreffen, zu bestätigen oder zu verteidigen. Dazu kann auch das Recht gehören, zu der Meinung eines Bürgers urteilend Stellung zu beziehen.

bb) Die darüber hinausgehenden Ausführungen sind aber weder erforderlich noch angemessen. Vorliegend steht nicht eine durch Rechtsstaatlichkeit, Ausgewogenheit und Distanz getragene bloße Übergehung der Position des Beschwerdeführers in Frage, sondern die explizite Distanzierung von dieser durch ein engagiertes Schreiben an die Abonnenten…Von vornherein unzulässig sind nach BVerfG Äußerungen gegenüber Einzelnen, die allein dem Bestreben dienen, eine behördliche Auffassung, namentlich eine von der Bundeszentrale für richtig gehaltene spezifische Geschichtsinterpretation zur Geltung zu bringen und als einzig legitim oder vertretbar hinzustellen… Das hier beanstandete Schreiben geht über das der Bundeszentrale zuzubilligende Anliegen, den Anschein zu beseitigen, sie biete unter Missachtung ihrer Pflicht zur politisch ausgewogenen Haltung extremistischen Positionen ein publizistisches Forum, deutlich hinaus… Ob im Einzelfall zur Ansehenswahrung auch eine aktive Distanzierung der Bundeszentrale von einem zuvor veröffentlichtem Beitrag, der die Grenze zur Strafbarkeit oder Verfassungsfeindlichkeit nicht überschreitet, zulässig sein kann, kann dabei offen bleiben. Denn jedenfalls ist vorliegend nicht ersichtlich, dass das Schreiben der Bundeszentrale den ihr einzuräumenden Einschätzungs- und Handlungsspielraum wahrt und als erforderliche und angemessene Reaktion auf den Artikel des Beschwerdeführers angesehen werden kann. Weder hinsichtlich der Ankündigung der Makulierung noch hinsichtlich der Entschuldigung für eine etwaige Verunglimpfung ist erkennbar, dass diese von dem legitimen Zweck gedeckt sein können.

e) Somit kommen sowohl die Überlegungen oben a) und c) als auch die Ausführungen des BVerfG unter b) und d) zum Ergebnis, dass die wesentlichen Ausführungen im Schreiben der BpB vom 2. 4. rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des L eingreifen und dieses verletzen.

4. Für einen FBA ist weiterhin erforderlich, dass das rechtswidrige Handeln andauernde Folgen hat. Im Fall des L muss davon ausgegangen werden, dass zumindest innerhalb der interessierten Öffentlichkeit der durch das Schreiben eingetretene Ansehensverlust des L andauert.

5. Somit liegen die Voraussetzungen eines FBA vor. - Der teilweise weiterhin aufgestellten Voraussetzung, die Folgenbeseitigung müsse dem Hoheitsträger möglich und zumutbar sein, wird zweckmäßigerweise auf Rechtsfolgenseite dadurch Rechnung getragen, dass dem Verpflichteten nur mögliche und zumutbare Maßnahmen aufgegeben werden.

III. Die Rechtsfolge des FBA zielt auf Wiederherstellung des früheren rechtmäßigen Zustandes. Zu beseitigen sind die unmittelbaren Folgen des Eingriffs (BVerwGE 69, 373/4). Im vorliegenden Fall ist die BpB dazu zu verpflichten, den Ansehensverlust des L durch ihr mögliche und zumutbare Maßnahmen rückgängig zu machen.

1. Eine übliche Wiedergutmachung erfolgt durch die Erklärung, die Ausführungen in dem Schreiben vom 2. 4. würden bedauert und nicht mehr aufrecht erhalten. Dies muss den Empfängern des Schreibens vom 2. 4. mitgeteilt werden. In diese Erklärung könnte auch der Tenor des verurteilenden VG-Urteils mit aufgenommen werden; möglicherweise reicht bereits die Mitteilung von der Verurteilung der BpB zum Widerruf durch das Verwaltungsgericht aus.

2. Die weiterhin von L verlangte Entschuldigung ist aber nicht erforderlich. Eine solche könnte im Falle einer Beleidigung angemessen sein, die hier aber nicht vorliegt.

IV. Ergebnis: Eine auf die unter III 1 bezeichneten Maßnahmen gerichtete verwaltungsgerichtliche Klage hat Aussicht auf Erfolg.


Zusammenfassung