► Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG. ► Konkurrierende Gesetzgebung für die öffentliche Fürsorge, Art. 74 I Nr. 7 GG. ► Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes nach Art. 72 II GG, insbesondere zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ► Förderung der Familie durch Geldleistungen, Art. 6 I GG; Neutralitätsgebot. ► Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Art. 3 II 2 GG; Verbot der Verstärkung von Nachteilen
BVerfG Urteil vom 21. 7. 2015 (1 BvF 931/12) NJW 2015, 2399
Fall (Betreuungsgeld)
Der Bundesgesetzgeber hat in das „Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG)“ einen Abschnitt unter der Überschrift „Betreuungsgeld“ mit vier Vorschriften (§§ 4 a - d) eingefügt. Nach § 4 a haben Eltern, die für ihr Kind weder eine öffentlich geförderte Tageseinrichtung noch eine Kindertagespflege in Anspruch nehmen, einen Anspruch auf Betreuungsgeld. Nach § 4 b beträgt das Betreuungsgeld 150 Euro monatlich. § 4 c regelt die Anrechnung anderer Leistungen, ein kraft Landesrechts gewährtes Betreuungsgeld wird nicht angerechnet. Nach § 4 d kann das Betreuungsgeld in der Zeit zwischen dem 15. und dem 36. Lebensmonat eines Kindes in Anspruch genommen werden. Aus den Vorschriften ergibt sich, dass der Anspruch unabhängig vom Einkommen und unabhängig davon ist, ob der die Leistung beanspruchende Elternteil weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgeht. Das Gesetz steht im Zusammenhang mit zwei weiteren Gesetzen: mit dem „Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz)“, nach dem für ein Kind unter drei Jahren ein Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder durch Kindertagespflege eingeräumt wird (§ 24 SGB VIII), und dem „Gesetz zur zusätzlichen Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege“, nach dem umfangreiche Bundesmittel bereitgestellt werden.
Zur Begründung der §§ 4 a - d BEEG hat sich der Bundesgesetzgeber auf folgende Überlegungen berufen: (1) Da bisher nur von drei Bundesländern die Betreuung von Kindern durch die Eltern gefördert wird, solle mit dem bundesweiten Betreuungsgeld eine Förderung gewährt werden, die allen Eltern im gesamten Bundesgebiet gleichermaßen zugute kommt. (2) Da die Kindertagesbetreuung durch Dritte, insbesondere in Kitas, von Bund und Ländern seit Jahren gefördert wird, sei die Förderung der häuslichen Betreuung als einer Alternative zur Betreuung durch Dritte ein notwendiger Ausgleich. (3) Darin liege auch eine Annäherung an die gebotene Gleichbehandlung aller Eltern. (4) Bis heute bestünden zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen; in manchen Ländern und Kommunen fehle es nach wie vor an einem ausreichenden Angebot von Kitaplätzen, so dass das Betreuungsgeld hierfür eine gewissen Ausgleich schaffen könne. (5) Mit dem Betreuungsgeld werde die Wahlfreiheit für alle Eltern zwischen der Betreuung in öffentlichen Betreuungsangeboten und der Betreuung innerhalb der Familie gefördert und erfolge eine Anerkennung und Unterstützung der eigenen Erziehungsleistung der Eltern. Ein Anreiz dazu, Kinder nicht in eine Kita zu schicken, solle aber nicht geschaffen werden. (6) Die Förderung der öffentlichen Betreuung und die Gewährung eines Betreuungsgeldes seien Teil eines Gesamtkonzepts und untrennbar miteinander verbunden; zumindest liege die dahingehende Absicht im Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers.
Die Regierung des Bundeslandes L hält das Gesetz für verfassungswidrig, weil dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hierfür fehle. Auch würden die von den Ländern und Kommunen vorwiegend an einkommensschwache und bildungsferne Familien gerichteten Angebote zur Kitabetreuung durch das Betreuungsgeld konterkariert, indem ein Anreiz gesetzt wird, dass diese Familien die Angebote ausschlagen und das Geld nehmen. Das benachteilige nicht nur die Kinder, sondern auch die Frauen, da sie dadurch davon abgehalten würden, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Schließlich verletze die Begünstigung nur eines Teils der Eltern den Gleichheitssatz.
Die Regierung des Landes L hat beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, das Gesetz für nichtig zu erklären. Hat der Antrag Erfolg?
A. Zulässigkeit des Antrags
I. Es könnte sich um einen Antrag im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle handeln.
1. Einen speziellen Fall regeln Art. 93 I Nr. 2 a GG, § 76 II BVerfGG. Der Antragsteller muss geltend machen, ein Gesetz sei auf die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gestützt, jedoch lägen die Voraussetzungen des Art. 72 II GG, wonach das Gesetz zur Erreichung der dort genannten Zwecke erforderlich sein muss, nicht vor. Zwar wird es auch im vorliegenden Fall auf die Voraussetzungen des Art. 72 II GG wesentlich ankommen. Jedoch beschränkt sich die Landesregierung L nicht auf diesen Aspekt, sondern bestreitet allgemein die Gesetzeskompetenz des Bundes und macht außerdem die Verletzung des Gleichheitsgrundrechts geltend. Eine Beschränkung auf das Verfahren nach Art. 93 I Nr. 2 a GG ist deshalb nicht anzunehmen.
2. Vielmehr ist die allgemeine Regelung der abstrakten Normenkontrolle in Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG anzuwenden.
(Das BVerfG beschränkt sich auf eine kurze Feststellung, die sich auf beide Fälle stützt, [27] Der nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 2 a GG und § 76 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BVerfGG zulässige Normenkontrollantrag… )
II. Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nach Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG
1. Streitgegenstand muss eine Rechtsnorm des Bundes- oder des Landesrechts sein. Der Antrag des Landes L richtet sich gegen §§ 4 a - d BEEG, also gegen ein formelles Bundesgesetz, das Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein kann.
2. Nach Art. 93 I Nr. Nr. 2 GG genügen für die Antragsbefugnis Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel über die Vereinbarkeit des Bundesrechts mit dem Grundgesetz. Etwas strenger verlangt § 76 I Nr. 1 BVerfGG, dass der Antragsteller das Gesetz für nichtig hält. Das Land L hält das Gesetz für verfassungswidrig und damit für nichtig.
3. Zu den als Antragsteller Beteiligungsfähigen gehören die Landesregierungen, also auch die Landesregierung des Landes L.
4. Von der Beachtung des Schriftformerfordernisse nach § 23 I BVerfGG ist auszugehen. Eine Frist für den Antrag gibt es nicht. Der Antrag ist zulässig.
B. Begründetheit des Antrags
Begründet ist der Normenkontrollantrag (vgl. § 78 BVerfGG), wenn §§ 4 a - d BEEG gegen das GG verstoßen. Das BVerfG kann sämtliche formellen und materiellen Anforderungen an das angegriffene Gesetz prüfen, nicht nur solche, die mit der Rechtsstellung des Antragstellers zusammenhängen.
I. §§ 4 a - d BEEG sind formell verfassungswidrig, wenn dem Bund zu ihrem Erlass keine Gesetzgebungskompetenz zusteht. Nach Art. 70 I GG haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, soweit das GG sie nicht dem Bund zuweist. Eine Kompetenzzuweisung kraft ausschließlicher Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 GG) liegt nicht vor. Aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung kommt Art. 74 I Nr. 7 GG in Betracht, wonach der Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die öffentliche Fürsorge hat.
1. Dann müssten §§ 4 a - d BEEG Vorschriften auf dem Sachgebiet der öffentlichen Fürsorge sein.
a) BVerfG [29] Der Begriff der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist nicht eng auszulegen (vgl. BVerfGE 88, 203, 329 f.; 97, 332, 341; NVwZ 2015, 136 Rn. 135). Er setzt voraus, dass eine besondere Situation zumindest potenzieller Bedürftigkeit besteht, auf die der Gesetzgeber reagiert. Dabei genügt es, wenn eine - sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute (ähnlich BVerfGE…106, 62, 134) - Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen (…) einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das Gesetz zielt.
b) [30] Die angegriffenen Regelungen erfüllen diese Voraussetzungen. Mit der Schaffung eines Betreuungsgeldanspruchs wollte der Gesetzgeber auf die Belastung von Familien mit Kleinkindern und eine damit verbundene besondere Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit reagieren (vgl. BTDrucks 17/9917, S. 8 rechte Spalte). Dabei durfte er von einem typischerweise in dieser Altersphase auftretenden besonderen Aufwand bei der Betreuung von Kleinkindern ausgehen, ohne hinsichtlich seiner Gesetzgebungskompetenz etwa danach differenzieren zu müssen, ob Bezieher der Leistung im Einzelfall wirtschaftlich bedürftig sind.
Danach fällt das Gesetz unter den Begriff der öffentlichen Fürsorge. (Kritisch dazu Henneke DVBl 2015, 1187, 1190; danach ist die Betreuung von Kindern im Schwerpunkt nicht fürsorgebezogen, sondern bildungsbezogen und fällt deshalb in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder; dort S. 1191 auch w. Nachw. auf Stellungnahmen in diesem Sinn.)
2. In den in Art. 72 II GG aufgeführten Fällen darf der Bund nur dann von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch machen, wenn zusätzlich die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. In Art. 72 II GG sind die Fälle des Art. 74 I Nr. 7 GG, Gesetze auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge, aufgeführt. Somit sind §§ 4 a - d BEEG nur kompetenzgemäß erlassen, wenn eine der drei dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt ist. Die Vorschriften müssen zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein.
a) §§ 4 a - d BEEG könnten zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich sein. BVerfG [35] Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist dann bedroht und der Bund zum Eingreifen ermächtigt, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinanderentwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet (vgl. BVerfGE 106, 62, 144; 111, 226, 253; 112, 226, 244). Ein rechtfertigendes besonderes Interesse an einer bundesgesetzlichen Regelung kann auch dann bestehen, wenn sich abzeichnet, dass Regelungen in einzelnen Ländern aufgrund ihrer Mängel zu einer mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unvereinbaren Benachteiligung der Einwohner dieser Länder führen und diese deutlich schlechter stellen als die Einwohner anderer Länder (vgl. BVerfGE 106, 62, 153 f.; 112, 226, 244 f.). [38] Das Merkmal der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zielt auf den Ausgleich spezifisch föderaler Nachteile der Einwohner einzelner Länder (vgl. BVerfGE 106, 62, 153 f; 112, 226 244 f.). Unter diesen Aspekten prüft das BVerfG die im Sachverhalt unter (1) bis (5) aufgeführten Argumentationen daraufhin, ob sich feststellen lässt, dass die Lebensverhältnisse in den Bundesländern sich in erheblicher Weise auseinanderentwickeln oder Einwohner in bestimmten Ländern deutlich schlechter gestellt sind als andere. (Das im Sachverhalt unter (6) aufgeführte Argument erhält erst unten c) Bedeutung.)
(1) In der Formulierung des Ziels, mit dem Betreuungsgeld eine Förderung zu gewähren, die allen Eltern im gesamten Bundesgebiet gleichermaßen zugute kommt, klingt die Forderung des GG nach Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse an. Jedoch wird damit nur angestrebt, bundeseinheitliche Regelungen treffen und die Lebensverhältnisse zu verbessern. BVerfG [37] Das bloße Ziel, bundeseinheitliche Regelungen in Kraft zu setzen oder eine allgemeine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen, genügen hierfür nicht. Dass sich durch Unterschiede in der Bereitstellung von Landeserziehungsgeldern die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinanderentwickelt hätten oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnete und deshalb zur Kompensierung solcher Divergenzen ein bundeseinheitliches Betreuungsgeld erforderlich wäre, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Zwar gewähren bisher nur drei Länder ein Betreuungsgeld. Jedoch ist das lediglich eine Folge der bundesstaatlichen Zuständigkeitsverteilung. BVerfG [37] Diese Konsequenz föderal vielfältiger Gestaltungen führt nicht zu einer erheblichen Schlechterstellung von Eltern in jenen Ländern, die solche Leistungen nicht gewähren. Ohnehin könnte das Bundesbetreuungsgeld ein bundesweit gleichwertiges Förderungsniveau von Familien mit Kleinkindern schon deshalb nicht herbeiführen, weil keine Anrechnungsvorschrift bezüglich bereits bestehender Landesregelungen existiert, so dass Eltern neben dem Bundesbetreuungsgeld in den drei genannten Ländern bei Erfüllen der jeweiligen Bezugsvoraussetzungen weiterhin zusätzlich das Landeserziehungsgeld beziehen können.
(2) Dass die Kindertagesbetreuung durch Dritte in Kitas von Bund und Ländern gefördert wird, führt nicht zu der Notwendigkeit, die häusliche Betreuung als Alternative zu fördern. BVerfG [38] Wie oben a) ausgeführt, zielt das Merkmal der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auf den Ausgleich spezifisch föderaler Nachteile der Einwohner einzelner Länder zur Vermeidung daraus resultierender Gefährdungen des bundesstaatlichen Sozialgefüges, nicht aber auf den Ausgleich sonstiger Ungleichheiten. Wenn die Kleinkindertagesbetreuung durch Dritte stärker gefördert wird als die Betreuung von Kleinkindern im häuslichen Umfeld, so liegt darin jedenfalls kein spezifisch föderaler Nachteil.
(3) Das Argument, in der Zubilligung des Betreuungsgeldes liege auch eine Annäherung an die gebotene Gleichbehandlung aller Eltern, geht von der Vorstellung aus, der bisher bestehende Zustand stünde mit dem Gleichheitssatz nicht in Einklang. BVerfG [39] Jedoch gebietet der Gleichheitssatz weder dem Bundes- noch dem Landesgesetzgeber, ein Betreuungsgeld zu gewähren, um eine vermeintliche Benachteiligung von die Betreuung eigenständig durchführenden Eltern gegenüber jenen Eltern zu vermeiden, die einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen. Das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung steht allen Eltern offen. Nehmen Eltern dies nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig, ohne dass dies eine verfassungsrechtliche Kompensationspflicht auslöste.
(4) Wenn die Gesetzesbegründung darauf verweist, dass in manchen Ländern und Kommunen nach wie vor das Angebot von Kitaplätzen nicht ausreichend ist, wird eine Schlechterstellung der dort wohnenden Eltern dargetan. Ein für das ganze Bundesgebiet angebotenes Betreuungsgeld geht aber weit darüber hinaus, nur bei Mangellagen einen Ausgleich zu schaffen. BVerfG [42-45]
aa) Das Betreuungsgeld ist nicht als Ersatzleistung für den Fall ausgestaltet, dass ein Kleinkind keinen Platz in einer Betreuungseinrichtung erhält. Der Anspruch auf Betreuungsgeld setzt nach § 4 a BEEG nicht voraus, dass kein öffentlich geförderter Betreuungsplatz verfügbar ist; vielmehr genügt die Nichtinanspruchnahme auch dann, wenn ein Betreuungsplatz vorhanden ist… Entsprechend hat auch die Bundesregierung schriftlich ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung nochmals betont, dass das Betreuungsgeld weder geeignet noch darauf angelegt sei, Unterschiede bei der Verfügbarkeit der Betreuungsplatzangebote im Bereich der frühkindlichen Bildung zu beseitigen. Das Betreuungsgeld habe vielmehr Anerkennungsfunktion. Vor allem aber ist der Zugang zu öffentlich geförderten Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder seit dem Jahr 2013 rechtlich so ausgestaltet, dass jedem Kind, dessen Eltern einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz wünschen, ein solcher Platz auch zur Verfügung gestellt werden muss. Nach § 24 SGB VIII besteht diesbezüglich ein einklagbarer Leistungsanspruch, der nicht unter Kapazitätsvorbehalt gestellt ist. Danach kann das Betreuungsgeld von vornherein nicht auf die Schließung einer Verfügbarkeitslücke gerichtet sein. Dieses Ziel wird vielmehr unmittelbar und effektiv mit der Durchsetzung des Leistungsanspruchs der Eltern verfolgt.
bb) Denkbar bliebe, dass der Bundesgesetzgeber mit dem Betreuungsgeld einen Anreiz für Familien mit Kleinkindern schaffen wollte, den durch § 24 SGB VIII eingeräumten Anspruch auf einen Betreuungsplatz gar nicht erst geltend zu machen, um so dem wachsenden Betreuungsbedarf entgegenzuwirken und zu verhindern, dass eine Situation entsteht, in der die gesetzlichen Ansprüche auf einen Betreuungsplatz nicht mehr im geltend gemachten Umfang erfüllbar sind und möglicherweise Ersatz in Form entsprechender Geldzahlung geleistet werden müsste. Einem bei unzureichendem Ausbau eintretenden Verfügbarkeitsproblem würde so über eine Bedarfssteuerung entgegengewirkt. Jedoch lässt sich die Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse auch auf diese Weise nicht begründen… Denn wenn das Gesetz dieses Lenkungsziel verfolgte, müsste der Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein (vgl. BVerfGE 118, 79, 101 m. w. N.). Dies ist hier aber nicht der Fall. Ausweislich der im Sachverhalt unter (5) wiedergegebenen Begründung sollte ein Anreiz dazu, Kinder nicht in eine Kita zu schicken, gerade nicht geschaffen werden.
(5) Durch das Ziel, mit dem Betreuungsgeld die Wahlfreiheit für alle Eltern zwischen der Betreuung in öffentlichen Betreuungsangeboten und der Betreuung innerhalb der Familie zu fördern, wird eine Verbesserung der Lebensverhältnisse bezweckt, aber keine, die vorwiegend auf unterschiedlichen Lebensverhältnissen zwischen den Ländern beruht; vielmehr bestehen diese unterschiedlichen Lebensverhältnisse innerhalb eines Landes. Dieses Argument zielt nicht auf den Ausgleich spezifisch föderaler Nachteile der Einwohner einzelner Länder. BVerfG [46] Der gesellschaftspolitische Wunsch, die Wahlfreiheit zwischen Kinderbetreuung innerhalb der Familie oder aber in einer Betreuungseinrichtung zu verbessern, vermag nicht die Erforderlichkeit einer Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG zu begründen.
Ergebnis zu a): §§ 4 a - d BEEG sind nicht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich.
b) Die §§ 4 a - d BEEG könnten zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich sein. BVerfG [49-55]:
aa) Eine bundesgesetzliche Regelung ist zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich, wenn und soweit die mit ihr erzielbare Einheitlichkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen Voraussetzung für die Vermeidung einer Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen ist, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann (vgl. BVerfGE 125, 141, 155). Sie ist zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich, wenn und soweit sie Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik ist, wenn also unterschiedliche Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten (vgl. BVerfGE 106, 62, 146 f.; 112, 226, 248 f.; BVerfG NVwZ 2015, 303 Rn. 109). Die Gesichtspunkte der Wahrung der Rechts- und der Wirtschaftseinheit können sich überschneiden, weisen aber unterschiedliche Schwerpunkte auf (…): Während die Wahrung der Rechtseinheit in erster Linie auf die Vermeidung einer das Zusammenleben erheblich erschwerenden Rechtszersplitterung zielt (vgl. BVerfGE 106, 62, 145), geht es bei der Wahrung der Wirtschaftseinheit im Schwerpunkt darum, Schranken und Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet zu beseitigen (vgl. BVerfGE 106, 62, 146 f.; 125, 141, 155 f.). Das Merkmal der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung zur Erreichung der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Zwecke wird durch den Bezug auf das „gesamtstaatliche Interesse“ in besonderer Weise geprägt. Die Regelung durch Bundesgesetz muss danach nicht unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit in dem normierten Bereich sein. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber andernfalls nicht unerheblich problematische Entwicklungen in Bezug auf die Rechts- oder Wirtschaftseinheit erwarten darf (vgl. BVerfG NJW 2015, 303 Rn. 109 f.).
bb) Eine für die Wahrung der Rechtseinheit notwendige Rechtszersplitterung, die ohne Einführung eines Betreuungsgeldes bestehen müsste, lässt sich nicht feststellen. Auch wird durch das Betreuungsgeld nicht die Rechtseinheit gefördert. BVerfG: Der Annahme, die angegriffene Bundesregelung sei zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich, steht bereits entgegen, dass sie zusätzliche vergleichbare Leistungen in einzelnen Ländern bestehen lässt, so dass eine Rechtsvereinheitlichung ohnehin nicht herbeigeführt wird.
cc) Was die Wirtschaftseinheit betrifft, ist die Einführung eines Bundesbetreuungsgeldes nicht Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik. Unterschiedliche Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder haben keine erkennbaren erheblichen Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich gebracht. Auch der Gesetzgeber hat einen solchen Wirkzusammenhang nicht behauptet.
dd) Allerdings wurde beim Kinderförderungsgesetz mit der Wirtschaftseinheit argumentiert: Nur einheitliche Basisnormen im Bundesgebiet schaffen die Voraussetzungen für die Mobilität, die von den Eltern heute im Arbeitsleben erwartet wird. Deshalb ist ein bedarfsgerechtes Angebot an qualifizierter Tagesbetreuung in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland heute eine zentrale Voraussetzung für die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort in einer globalisierten Wirtschaftsordnung. Engpässe in der Versorgung mit Betreuungsplätzen in einzelnen Regionen haben unmittelbare Folgen für die Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte und damit für die Wettbewerbsfähigkeit dieser Region. Diese Überlegungen lassen sich aber auf das Betreuungsgeld nicht übertragen. Dieses ist keine Voraussetzung für die Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte. Soweit Frauen dadurch davon abgehalten werden, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, steht das Betreuungsgeld den Interessen der Wirtschaft eher entgegen.
Das Betreuungsgeld ist somit auch nicht zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich.
c) Mit dem im Sachverhalt unter (6) aufgeführten Argument macht der Bundesgesetzgeber geltend, die Förderung der öffentlichen Betreuung in Kitas und die Gewährung eines Betreuungsgeldes seien Teil eines Gesamtkonzepts und untrennbar miteinander verbunden. Ebenso wie es Gesetzgebungszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs gibt (BVerfGE 98, 265, 299), kann auch die Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes nach Art. 72 II GG damit begründet werden, dass ein für sich genommen nicht erforderliches Gesetz wegen des Sachzusammenhangs mit einem als erforderlich anerkannten Gesetz zu einem ebenfalls erforderlichen Gesetz wird. Das die öffentliche Betreuung der Kleinkinder regelnde Kinderförderungsgesetz wurde als erforderlich anerkannt (oben dd). Fraglich ist, welche Anforderungen an den Zusammenhang zu stellen sind und ob sie im vorliegenden Fall von den §§ 4 a - d BEEG erfüllt werden. BVerfG [58-62]
aa) Mit Blick auf die Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelung nach Art. 72 Abs. 2 GG kann nichts anderes gelten als für die ungeschriebene Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs. Für diese geht das BVerfG seit jeher davon aus, dass die bloße Erwägung, es sei zweckmäßig, mit einer dem Bund ausdrücklich zugewiesenen Materie gleichzeitig auch eine verwandte Materie zu regeln, nicht zur Begründung einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ausreicht. Ein Sachzusammenhang vermag vielmehr eine Zuständigkeit nur dann zu stützen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie (BVerfGE 3, 407, 421; BVerfG NVwZ 2015, 582 Rn. 30). Dass sich die Erforderlichkeit im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG auf eine Regelung der öffentlichen Fürsorge erstreckt, die für sich genommen die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht erfüllt, wäre danach denkbar, wenn diese unabtrennbarer Bestandteil einer Regelung wäre, die ihrerseits die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt.
bb) Jedoch besteht zwischen der Regelung des Betreuungsgeldes und den Regelungen des Kinderförderungsgesetzes, insbesondere der Schaffung des Betreuungsplatzanspruchs, ein solcher Zusammenhang nicht. Die Regelungen des Kinderförderungsgesetzes verlören nichts von ihrer Tragfähigkeit, wenn das anderweitig geregelte Betreuungsgeld entfiele. Insbesondere veränderte sich dadurch nicht der Charakter der Leistungen und Regelungen des Bundes zur Kinderbetreuung in öffentlich geförderten Betreuungseinrichtungen… Auch wenn der Gesetzgeber ein Gesamtkonzept der frühkindlichen Betreuung schaffen wollte, sind das Kinderförderungsgesetz und die Regelungen über das Betreuungsgeld in kompetenzrechtlicher Hinsicht selbständige Teile dieses Gesamtkonzepts, von denen einer entfallen könnte, ohne dass der andere seinen Sinn verlöre oder auch bloß seinen Gehalt veränderte.
d) Die vom Bundesgesetzgeber vorgenommene andere Einschätzung könnte gleichwohl maßgebend sein, wenn sie - wie der Bund geltend macht - unter den gesetzgeberischen Beurteilungsspielraum fiele. Damit stellt sich die Frage, inwieweit das BVerfG das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 II GG zu überprüfen hat.
aa) BVerfG [65] Ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind, hat das BVerfG zu überprüfen. Insoweit besteht kein von verfassungsgerichtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum (vgl. BVerfGE 110, 141, 175; BVerfG NJW 2015, 303 Rn. 111). Allerdings bleibt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative, die sich auf die Zwecke einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG beschränkt (vgl. BVerfGE 111, 226, 255; 125, 141, 154; 128, 1, 34;…; BVerfG NJW 2015, 303 Rn. 111). Diese Prärogative des Bundesgesetzgebers bezieht sich insbesondere auf die Einschätzung und Bewertung tatsächlicher Entwicklungen, von denen die Erforderlichkeit bundesrechtlicher Regelung hinsichtlich der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Zwecke abhängt.
bb) Dass der Gesetzgeber grundsätzlich keinen Beurteilungsspielraum bei den Voraussetzungen des Art. 72 II GG hat, stattdessen das BVerfG das Vorliegen der Voraussetzungen zu überprüfen hat, folgt daraus, dass früher Art. 72 II nur eine Bedürfnisklausel enthielt, bei der das BVerfG dem Gesetzgeber einen Ermessensspielraum zugebilligt hatte, der verfassungsändernde Gesetzgeber die Klausel aber zur Erforderlichkeitsklausel verschärft und außerdem durch Art. 93 I Nr. 2 a GG ein Verfahren zur Überprüfung dieser Voraussetzungen eingeführt hat. BVerfG [67] Ziel der Neufassung war es, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zu konzentrieren, zu verschärfen und zu präzisieren, um die als unzureichend empfundene Justiziabilität der Bedürfnisklausel durch das BVerfG zu verbessern (vgl. BTDrucks 12/6633, S. 66). [68] Könnte der Bundesgesetzgeber kraft politisch gewollter Verklammerung verschiedener Fürsorgeinstrumente auch für jene Instrumente die Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes begründen, die für sich genommen die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht erfüllen, hätte der Bund die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG nach wie vor selbst in der Hand. Dies wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber durch die Reform des Art. 72 Abs. 2 GG gerade ausschließen (…). Somit hatte der Bundesgesetzgeber bei der Frage, ob das Kinderförderungsgesetz und das Gesetz über das Betreuungsgeld untrennbar zusammenhängen, keinen Beurteilungsspielraum. Maßgebend ist die Beurteilung durch das BVerfG, nach der ein untrennbarer Zusammenhang nicht gegeben ist.
Folglich lassen sich die Voraussetzungen des Art. 72 II GG auch nicht mit einem Sachzusammenhang begründen.
3. Ergebnis zu I.: §§ 4 a - d BEEG sind mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers formell verfassungswidrig und nichtig. Daraus folgte der Tenor des - einstimmig ergangenen - Urteils:
§§ 4 a bis 4 d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz) vom 15. Februar 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 254) sind mit Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
(Zustimmend hierzu Henneke DVBl 2015, 1188.)
II. Die zu prüfenden Vorschriften könnten auch materiell verfassungswidrig sein, weil sie gegen Grundrechte verstoßen. Das BVerfG hat diese Frage nicht mehr geprüft, [74] weil die Bestimmungen wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz nichtig sind. Gleichwohl sollte diese Prüfung noch vorgenommen werden, einmal der Vollständigkeit wegen und außerdem, weil sie bei von den Ländern erlassenen Betreuungsgeld-Gesetzen Bedeutung erlangt. Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich auf Brosius-Gersdorf NJW 2013, 2316.
1. Wenn Art. 6 I GG verlangt, dass (Ehe und) Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, enthält diese Vorschrift ein verbindliches Gebot zu staatlicher Familienförderung.
a) Um aber auch die von Art. 6 I GG geschützte Freiheit bei Gestaltung der Familie zu achten, ist der Staat zur Neutralität im Umgang mit den Familienformen verpflichtet. Er hat deshalb davon auszugehen, dass sich auch Eltern, die öffentliche Betreuungseinrichtungen für ihr Kind in Anspruch nehmen, intensiv um ihr Kind kümmern und es betreuen. Diese Betreuung nehmen sie außerhalb der Fremdbetreuungszeit vor und organisieren außerdem die Fremdbetreuung, insbesondere indem sie das Kind dorthin bringen und es wieder abholen. Auch sie verdienen dafür Anerkennung. Der Staat darf deshalb keine Gruppe der Eltern von Vergünstigungen ausschließen.
b) Diesem Neutralitätsgebot widerspricht es, wenn lediglich die ihr Kind zu Hause betreuenden Eltern ein Betreuungsgeld bekommen und die anderen davon ausgeschlossen werden. Letztere werden aufgrund der Gestaltung ihres Familienlebens diskriminiert, wodurch Art. 6 I GG verletzt wird.
c) Ferner verlangt das in Art. 6 I GG enthaltene Gebot zu einem (gewissen) Familienlastenausgleich, dass an entstehende Kosten angeknüpft wird. Dem widerspricht, dass einerseits Eltern das Betreuungsgeld verlangen können, auch wenn ihnen - etwa weil sie weiterhin beruflich tätig sind und ihr Kind durch die Großeltern betreuen lassen - keine zusätzlichen Kosten entstehen, andererseits Eltern, die ihr Kind in die Kita schicken, keinen Ausgleich für die ihnen entstehenden in Form einer Geldzuwendung erhalten.
Folglich verletzen §§ 4 a - d BEEG Art. 6 I GG. - Da die Überlegungen unter a)-c) wesentlich auf dem Gebot zu einer sachgemäßen Gleich- und Ungleichbehandlung von Familien beruhen, könnten sie auch im Rahmen einer Anwendung des Art. 3 I GG Verwendung finden und dessen Verletzung begründen.
2. Art.3 II 2 GG begründet die Pflichtaufgabe des Staates, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Dazu gehört, die bei Frauen nach wie vor bestehenden Nachteile bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf abzubauen. Erst recht sind dem Staat Maßnahmen untersagt, die die bestehenden Nachteile noch vertiefen. Für gering verdienende, teilzeitbeschäftigte Mütter, die besonders schutzwürdig sind, kann das Elterngeld einen Anreiz bieten, ihr Kind nicht in eine Kita zu schicken, sondern es zu Hause zu betreuen und auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten. Nimmt man hinzu, dass die Eltern zuvor Elterngeld erhalten und das Betreuungsgeld hieran „passgenau anschließt“ (BT-Dr. 17/9917, S. 7), fördert der Staat den Ausstieg von Frauen aus dem Beruf für die Dauer von insgesamt drei Jahren. Dadurch wirkt der Staat nicht auf den Abbau von Nachteilen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der betroffenen Frauen hin, sondern verstärkt diese noch. Darin liegt eine Verletzung des Art. 3 II 2 GG.
§§ 4 a - d BEEG sind danach auch materiell verfassungswidrig. Damit wird das bereits oben I. 3. gewonnene Ergebnis um einen weiteren Nichtigkeitsgrund für das Gesetz ergänzt. Der Antrag des Landes L im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle hat Erfolg.
Zusammenfassung