Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG; Anwendung auf Adoption. Gleichheitsgrundrecht, Art. 3 I GG; Ungleichbehandlung; Rechtfertigung in Anwendung eines strengen Maßstabs. Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Art. 3 I GG. Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers

BVerfG Beschluss vom 26. 3. 2019 (1 BvR 673/17) NJW 2019, 1793

Fall (Stiefkindadoption)

Frau F ist Mutter der minderjährigen Kinder K1 und K2. Ihr früherer Ehemann, der Vater von K1 und K2, ist verstorben. Seit zehn Jahren lebt Frau F mit Herrn M in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Von einer Eheschließung haben F und M abgesehen, weil F eine Witwenrente als ihre wesentliche Lebensgrundlage bezieht und diese im Falle einer Wiederheirat wegfallen würde. Zur Familie gehören K1 und K 2 und ein gemeinsamer Sohn von F und M. F und M planen, K1 und K2 auch rechtlich in ihre Familie zu integrieren, und haben beim zuständigen Amtsgericht als Familiengericht den notariell beurkundeten Antrag gestellt, durch Beschluss die Adoption von K1 und K2 durch M als gemeinsame Kinder von M und F auszusprechen. In dem Verfahren prüft das Familiengericht, ob die Voraussetzungen für die Adoption vorliegen und ob die Adoption dem Wohl des Kindes dient.

Der Antrag wurde abgelehnt. Die Ablehnung wurde im Rechtsweg, letztlich vom Bundesgerichtshof bestätigt. Begründet wurde sie mit der u. a. in § 1754 BGB enthaltenen Regelung über die Berechtigung zur Adoption. Danach dürfen adoptieren: ein Ehepaar ein Kind und ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten (durch Stiefkindadoption); in beiden Fällen erhält das Kind die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes. Auch eine Einzelperson kann ein Kind adoptieren, aber nur für sich. Bei nicht verheirateten Partnern ist eine Stiefkindadoption nicht zugelassen; deshalb kann M die Kinder K nicht mit der Wirkung adoptieren, dass sie gemeinschaftliche Kinder von M und F werden. Eine Adoption der Kinder durch M als Einzelperson wäre zwar möglich, jedoch erlöschen bei einer Adoption die bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse, so dass bei einer Adoption allein durch M Frau F ihre Rechtsstellung als Mutter der K verlieren würde. Der BGH hielt diese - im Jahre 1997 neu gefasste - Regelung für verfassungsmäßig. Der Gesetzgeber habe bei seiner zulässigerweise typisierenden Regelung davon ausgehen dürfen, dass eine nichteheliche Partnerschaft stärker von Auflösung bedroht und für das Kind ungünstig sei, während eine Ehe die nötige stabile Lebensbasis für ein adoptiertes und gemeinschaftliches Kind schaffe. Auch die vom Grundgesetz verlangte besondere Wertschätzung der Ehe rechtfertige es, eine Ehe zur Voraussetzung für die Anerkennung gemeinschaftlicher Kinder zu machen.

F will für sich und als gesetzliche Vertreterin der K Verfassungsbeschwerde erheben. Nach ihrer Auffassung verstößt der Ausschluss der Adoption in einem solchen Fall gegen das Grundrecht auf Schutz der Familie, weil dadurch die rechtliche Anerkennung einer bestehenden sozialen Familie verhindert werde. Auch hätten ihre Kinder ein Recht darauf, zwei Erwachsene als Mutter und Vater zu bekommen, wenn diese dafür bereit seien; im Vergleich zu anderen Kindern würden sie durch den Ausschluss der Adoptionsmöglichkeit benachteiligt. Eine Adoption als gemeinschaftliche Kinder allein deshalb auszuschließen, weil die Eltern ohne Trauschein zusammenleben, sei nicht zu rechtfertigen. Ihre Partnerschaft sei jedenfalls nicht von Auflösung bedroht. Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?

Lösung

Vorbemerkung: Der Beschluss des BVerfG ist auch abgedruckt in JZ 2019, 611 mit Anm. Reimer JZ 2019, 620; Besprechung von Löhnig JA 2019, 626.


A. Zulässigkeit der VfB

I. Beschwerdegegenstand der VfB muss ein Akt der öffentlichen Gewalt (§ 90 I BVerfGG) sein, besser bezeichnet als Hoheitsakt.

1. Ergangene Hoheitsakte sind im vorliegenden Fall die Beschlüsse der Gerichte im familienrechtlichen Verfahren, wobei entscheidend der letztinstanzliche, die Ablehnung bestätigende Beschluss des BGH ist. Der Beschluss hat die gleiche Wirkung wie ein Urteil, so dass es sich um eine Urteilsverfassungsbeschwerde handelt.

2. Letztlich wendet sich die VfB aber gegen die im BGB, u. a. in § 1754, getroffene Regelung, wonach eine Person, die mit dem Partner nicht verheiratet ist, ein Kind des Partners nicht als gemeinschaftliches Kind adoptieren kann, in diesem Fall also eine Stiefkindadoption nicht möglich ist. Unmittelbar gegen diese Vorschriften kann sich die VfB nicht richten, weil zumindest die Jahresfrist (§ 93 III BVerfG) bei dem 1997 neu gefassten § 1754 BGB abgelaufen ist. Die Regelung des BGB wird aber von dem Beschluss des BGH vollzogen und wirkt sich deshalb auf dessen Rechtmäßigkeit aus. Verletzt § 1754 BGB Grundrechte der Beschwerdeführer, verletzt auch der diese Vorschriften vollziehende Beschluss Grundrechte. Deshalb wird § 1754 BGB innerhalb - inzidenter - der Prüfung des BGH-Beschlusses als für die VfB entscheidende Frage geprüft. Dementsprechend richtet das BVerfG in solchen Fällen die VfB 1) unmittelbar gegen die gerichtliche Entscheidung, im vorliegenden Fall gegen den Beschluss des BGH, und 2) mittelbar gegen die zugrunde liegende gesetzliche Vorschrift, im vorliegenden Fall gegen § 1754 BGB.

II. Die Beschwerdeführer müssen geltend machen, in einem Grundrecht verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG).

1. Indem F sich darauf beruft, der Ausschluss der Adoption beeinträchtige ihre Familie, behauptet sie eine Verletzung des Art. 6 I, II GG. Weiterhin könnte in der von F gerügten ungerechtfertigten Benachteiligung der K eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 I GG) liegen.

2. Bei einer Urteilsverfassungsbeschwerde darf die Grundrechtsverletzung nicht aus einer Verletzung einfachen Rechts hergeleitet werden, sondern es muss eine spezifische Verfassungsverletzung gerügt werden (Johann NJW 2019, 1928 m. Nachw.). Die Erfüllung dieser Voraussetzung ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass sich die VfB letztlich gegen die Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des BGB richtet. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ist stets eine verfassungsspezifische Frage.

III. Das Gebot der Rechtswegerschöpfung (§ 90 II 1 BVerfGG) ist beachtet, weil F den Rechtsweg durchlaufen hat und es gegen den Beschluss des BGH keinen weiteren Rechtsbehelf gibt.

IV. Die formellen Anforderungen an die VfB gegen den BGH-Beschluss (Schriftform, § 23 BVerfGG, Begründung, § 92 BVerfGG, und Monatsfrist, § § 93 I 1 BVerfGG) können eingehalten werden, so dass die VfB zulässig ist.

B. Begründet ist die VfB, soweit der die Ablehnung der Adoption bestätigende Beschluss des BGH ein Grundrecht der F oder der K verletzt. Wie ausgeführt, vollzieht der Beschluss die Vorschriften des BGB, insbesondere des § 1754 BGB, wonach im Fall der F, des M und der K eine (Stiefkind-) Adoption nicht zulässig ist, und verletzt deshalb ein Grundrecht, wenn die zugrunde liegende gesetzliche Regelung des BGB ein Grundrecht verletzt.

I. Die restriktive Regelung der Adoptionsberechtigung könnte gegen Art. 6 II 1 GG verstoßen, wonach die Pflege und die Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sind. Dann müsste der Adoptionswunsch in einem solchen Fall - also der Adoptionswunsch des M und der F - unter den Schutzbereich dieses Elterngrundrechts fallen. Voraussetzung dafür ist, dass Eltern oder wenigstens ein Elternteil betroffen sind, was hier am Beispiel von M und F geprüft wird.

1. M fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 6 II 1 GG. BVerfG [50] Der Stiefelternteil kann sich vor der Adoption des Kindes nicht auf das Elterngrundrecht berufen. Insoweit ist bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht eröffnet. Der Stiefelternteil ist vor der Adoption selbst dann nicht Träger dieses Grundrechts, wenn er mit dem anderen Elternteil und dessen Kind in sozial-familiärer Gemeinschaft lebt. Soziale Elternschaft allein begründet keine Elternposition im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und vermittelt damit auch kein Recht auf Adoption.

2. F als Mutter fällt unter den Schutzbereich des Art. 6 II 1 GG. Es liegt jedoch kein Eingriff vor. BVerfG [51] In das Elterngrundrecht dieses Elternteils wird weder dadurch eingegriffen, dass eine andere Person daran gehindert wird, durch Adoption die zweite rechtliche Elternstellung zu erlangen, noch wird in das Elterngrundrecht dadurch eingegriffen, dass nach den beanstandeten Regelungen die Verwandtschaft zum Kind erlöschen würde, wenn der Stiefelternteil das Kind adoptierte. Zur Adoption kommt es gemäß § 1747 BGB grundsätzlich nicht, wenn der rechtliche Elternteil dies nicht will; dieser läuft also nicht Gefahr, die Elternposition ohne eigenes Zutun an den Stiefelternteil zu verlieren. Die als Beeinträchtigung empfundene Wirkung der angegriffenen Regelungen liegt nicht in einem zwangsweisen Verlust der Elternschaft des bisherigen rechtlichen Elternteils, sondern darin, dass der Stiefelternteil das Kind nicht ohne einen solchen Verlust adoptieren kann.

Es wird somit weder in ein Elternrecht des M noch in das der F eingegriffen. BVerfG [49] Die gesetzlichen Grenzen der Stiefkindadoption verletzen nicht das Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 GG).

II. Kinder haben aus ihrem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) i. V. mit Art. 6 II 1 GG ein Recht gegenüber dem Staat, dass er ihr Verhältnis zu Eltern nicht beeinträchtigt, sondern dieses fördert (Art. 6 II 2 GG; zum Grundrecht aus Art. 6 II GG Jürgensen/Lande JA 2019, 672).

1. Dieser Schutzgehalt erfasst auch Kinder, für die eine Adoption angestrebt wird. BVerfG [53] Das Recht des Kindes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verpflichtet den Gesetzgeber, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sich Kinder zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln können… Den Staat trifft insoweit eine grundrechtliche Gewährleistungspflicht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Ihm obliegt eine Kontroll- und Sicherungsverantwortung dafür, dass sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern tatsächlich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln kann. Teil dieser dem Staat verbleibenden Verantwortung ist es, die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern dem Grunde nach zu ermöglichen und zu sichern. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG begründet insofern ein auf die tatsächliche Pflichtenwahrnehmung durch Eltern gerichtetes subjektives Gewährleistungsrecht des Kindes gegenüber dem Staat (vgl. BVerfGE 133, 59, 74 f. Rn. 43). Das den Kindern nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ist hier berührt, da der adoptionswillige Stiefelternteil faktisch nicht in die rechtliche Elternposition einrücken und damit nicht zum Wohle und zum Schutz des Kindes als weiterer Elternteil Elternverantwortung im rechtlichen Sinne übernehmen kann.

2. [54] Jedoch hat der Gesetzgeber seine Gewährleistungsverantwortung gegenüber den Kindern nicht verletzt (vgl. BVerfGE 133, 59, 75 ff. Rn. 45 ff.). Dem Gesetzgeber kommt bei der Frage, wie er die Wahrnehmung der Pflege- und Erziehungsverantwortung durch die Eltern effektiv sichert, ein Spielraum zu (…). Die Grenzen dieses Spielraums sind nicht überschritten. In der Konstellation der Stiefkindadoption haben die Kinder mit dem bleibenden Elternteil bereits einen Elternteil, der rechtlich und tatsächlich zur Übernahme der Elternverantwortung verpflichtet und bereit ist. Die Kinder sind also nicht elternlos. Aus dem Gewährleistungsrecht des Kindes ergibt sich kein Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber in dieser Situation die Erlangung eines zweiten rechtlichen Elternteils ermöglicht….

III. Es könnte das allgemeine Familiengrundrecht des Art. 6 I GG verletzt sein, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.

1. Leben die Personen, die die gemeinschaftliche Adoption anstreben, mit den zu adoptierenden Kindern zusammen - so wie im vorliegenden Fall -, fällt dieser Sachverhalt unter den Schutzbereich des Art. 6 I GG. BVerfG [56] Die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern mit Kindern ist als Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG reicht insofern über das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hinaus, als er auch Familiengemeinschaften im weiteren Sinne einbezieht, die als soziale Familien von einer rechtlichen Elternschaft unabhängig sind (…). Für den Schutz durch das Familiengrundrecht kommt es nicht darauf an, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht; der Familienschutz schließt auch die nichteheliche Familie ein (…). Insoweit liegt auch ein Eingriff vor. Die angegriffenen Regelungen berühren das familiäre Zusammenleben, weil dem Stiefelternteil gegenüber dem Kind elterntypische rechtliche Befugnisse verwehrt bleiben, so dass die beiden Partner die Erziehungsaufgaben nicht gleichberechtigt wahrnehmen können (vgl. BVerfGE 133, 59, 84 Rn. 67).

2. [57] Jedoch ist die Verwehrung der Adoptionsmöglichkeit von der Befugnis des Gesetzgebers zur rechtlichen Ausgestaltung der Familie gedeckt. Dass das Familiengrundrecht das familiäre Zusammenleben auch in Beziehungen schützt, die einem Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommen, ohne vom Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) erfasst zu sein, bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber diesen Schutz gerade durch Eröffnung des vollen Elternrechts gewähren müsste (…). Für die Beachtung des Art. 6 I GG reicht also aus, dass das derzeitige faktische Zusammenleben in der sozialen Familie respektiert wird; demgegenüber ist die von den Betroffenen angestrebte rechtliche Verbesserung von Art. 6 I GG nicht gewährleistet.

[55] Also ist das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG, auf das sich alle Mitglieder einer Stiefkindfamilie berufen können, durch die gesetzlichen Adoptionsgrenzen nicht verletzt.

IV. Nach Art. 6 V GG sind nichtehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung zu verschaffen wie ehelichen Kindern. BVerfG [60] Träger des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 5 GG sind nur Kinder, deren Eltern im Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet waren. Jedenfalls in einer Konstellation, wie sie dem vorliegenden Fall zugrunde liegt, gibt es keine nichtehelichen Kinder. Die beschwerdeführenden Kinder sind aus der Ehe ihrer leiblichen Eltern als eheliche Kinder hervorgegangen; an der Ehelichkeit ändert der Tod des Vaters nichts. Die hier zu prüfenden Vorschriften des BGB betreffen also in Fällen wie dem vorliegenden keine nichtehelichen Kinder. Art. 6 V GG ist deshalb nicht verletzt.

V. Die Schlechterstellung von Kindern in nichtehebasierten Familien könnte den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verletzen.

1. Hierfür ist zunächst eine Ungleichbehandlung erforderlich.

a) Die zu betrachtende Ausgangsgruppe besteht aus Familien, innerhalb derer ein Kind lebt, das nur von einem der beiden Partner abstammt. Im Verhältnis zu dem anderen ist es ein Stiefkind und hat eine Stiefmutter oder - so im vorliegenden Fall - einen Stiefvater. Das Stiefelternteil erstrebt die Adoption des Stiefkindes mit der Folge, dass es zu einem gemeinschaftlichen Kind der beiden Elternteile wird.

b) Innerhalb dieser Ausgangsgruppe gibt es Familien, bei denen der adoptionswillige Stiefelternteil mit dem leiblichen Elternteil verheiratet ist. Nach der Regelung im BGB kann das Stiefelternteil das Stiefkind mit der Folge adoptieren, dass das Verwandtschaftsverhältnis zu dem leiblichen Elternteil bestehen bleibt und das Kind ein gemeinschaftliches Kind beider Eltern wird.

c) Sind die beiden Elternteile dagegen nicht verheiratet, sondern leben sie in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, ist eine solche Adoption nicht möglich; das Stiefkind kann kein gemeinschaftliches Kind beider Elternteile werden. Zu dieser Gruppe gehören die Kinder K im vorliegenden Fall. BVerfG [62] Nach geltendem Recht werden Kinder in nichtehelichen Stiefkindfamilien, in denen der Stiefelternteil also nicht mit dem rechtlichen Elternteil verheiratet ist, gegenüber Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien ungleich behandelt. Ihnen ist im Gegensatz zu Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien jede Möglichkeit verwehrt, vom Stiefelternteil unter Aufrechterhaltung des Verwandtschaftsverhältnisses zum rechtlichen Elternteil adoptiert und damit zugleich gemeinschaftliches Kind beider Elternteile zu werden, mit denen es in nichtehelicher Stiefkindfamilie zusammenlebt. Das BVerfG stellt also auf die Kinder ab und nicht - was auch möglich wäre (vgl. Löhnig JA 2019, 626) - auf die Ungleichbehandlung von Ehegatten und nicht verheirateten Partnern (dazu noch unten VI).

Folglich werden die Stiefkinder in nichtehelichen Familien (Gruppe c) im Verhältnis zu denen in ehebasierten Familien (Gruppe b) ungleich behandelt.

2. Die Ungleichbehandlung könnte gerechtfertigt sein. Für die Prüfung der Rechtfertigung muss es einen Maßstab geben.

a) BVerfG [64] Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfGE 138, 136, 180 f. Rn. 121 f.; st. Rspr.).

b) Im vorliegenden Fall verletzt der Ausschluss der Adoption für Kinder in nichtehelichen Familien zwar keine Freiheitsrechte, wirkt sich aber nachteilig auf deren Freiheitsrechte aus. BVerfG [67, 70, 71] Betroffen ist das Recht der Kinder auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (oben II 1). Die Verwehrung der Adoption durch einen nichtehelichen Lebenspartner schließt aus, dass dieser die Sorge für die Entfaltung des Kindes in vollem Umfang übernehmen kann. Die mit der Verwehrung der rechtlich vollwertigen Elternstellung verbundenen Beschränkungen elterlicher Befugnisse erschweren das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte familiäre Zusammenleben des Kindes mit seinen Eltern, weil sie einer gleichberechtigten Wahrnehmung der Elternverantwortung durch beide Partner entgegenstehen… Hinzukommt, dass die Verwehrung der Stiefkindadoption das Familiengefüge belastet, wenn neben den Stiefkindern auch gemeinsame Kinder der Partner in der Familie leben, so dass es zu ungleichen Eltern-Kind-Verhältnissen im Vergleich der Halbgeschwister kommt. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die Stiefkinder sich in dieser Konstellation nicht für vollwertige Kinder neben ihren Halbgeschwistern halten…. Die Stiefkindadoption zu verwehren, belastet das Kind auch mit Risiken des Verlusts des Stiefelternteils durch Trennung oder Tod des rechtlichen Elternteils. Ohne Adoption hat die Beziehung des Kindes zum Stiefelternteil keine rechtliche Grundlage, sondern ist allein über den rechtlichen Elternteil und dessen Beziehung zum Stiefelternteil vermittelt. Nach Trennung oder Tod des rechtlichen Elternteils entfällt diese Grundlage, ohne dass eine tatsächlich verbleibende Stiefeltern-Kind-Beziehung rechtlich geschützt wäre. [75] Diese Anforderungen verschärfen sich dadurch, dass das Kind auf die nachteilige Lage keinen Einfluss hat. Zwar eröffnet sich die Adoptionsmöglichkeit einer Stiefkindfamilie, sobald die Eltern miteinander die Ehe eingehen. Für die Kinder ist das Kriterium der Ehelichkeit jedoch nicht verfügbar. Es liegt allein in der Macht des Elternteils und des Stiefelternteils, die Ehe zu schließen. Eine Annäherung der Benachteiligung an Art. 3 III GG liegt allerdings nicht vor.

BVerfG [65] Folglich ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzuwenden. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen gehen über das bloße Willkürverbot deutlich hinaus, weil die Adoption für die Persönlichkeitsentfaltung wesentliche Grundrechte des Kindes betrifft und das nach derzeitiger Rechtslage maßgebliche Differenzierungskriterium, die Ehe zwischen Elternteil und Stiefelternteil, durch die Kinder weder beinflussbar ist noch den Kindern…zuzurechnen sind. [63] Folglich bemisst sich die Rechtfertigung der Benachteiligung der Kinder in nichtehelichen Stiefkindfamilien nach strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. (Kritisch zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzip bei Art. 3 I GG Reimer JZ 2019, 621 ff.)


3. Somit ist die Ungleichbehandlung der Stiefkinder in nichtehelichen Familien im Verhältnis zu denen in ehebasierten Familien nur gerechtfertigt, wenn sie mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit folgt das BVerfG der üblichen Struktur, deren Elemente in einem Bericht über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Berkemann DVBl 2019, 741-751 auf S. 742 (mit Nachw. Fn. 18) wie folgt bezeichnet werden: „legitime Zielsetzung unter Auswahl…von Gemeinwohlzielen, Geeignetheit zur Zielerreichung, Erforderlichkeit zur Zielerreichung und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ (auch als Angemessenheit bezeichnet, S. 744).

a) Die laut Sachverhalt vom BGH zugrunde gelegte Begründung für die gesetzliche Regelung lässt folgenden Zweck erkennen: Es soll dem zu adoptierenden Kind ein Aufwachsen in einer stärker von Auflösung bedrohten Familie erspart werden, und es soll statt dessen eine stabile Lebensbasis durch Aufwachsen innerhalb einer ehebasierten Familie gewährleistet werden. Dabei handelt es sich um legitime, dem Wohl des Kindes und dem der Allgemeinheit dienende Ziele. Fraglich ist, ob die Verweigerung der Adoption im Falle einer nichtehelichen Familie zur Erreichung des Zwecks geeignet ist.

aa) BVerfG [82] In der Situation des Stiefkindes kann das zweifellos kindeswohldienliche Ziel, einem Kind das Aufwachsen unter ungünstigen familiären Bedingungen zu ersparen, durch die Verhinderung der Adoption von vornherein nicht erreicht werden. Denn das Kind lebt bereits in der sozialen Familie und damit ggfs. in ungünstigen Verhältnissen. Diese lassen sich durch die Verweigerung der Adoption nicht verbessern. Ist die Beziehung der sozialen Eltern von der Auflösung bedroht, bleibt die Bedrohung auch im Falle der Nichtadoption bestehen. Insoweit fehlt es an der Eignung der gesetzlichen Regelung zur Erreichung des Zwecks, dem Kind ungünstige Familienverhältnisse zu ersparen.

bb) Die Regelung könnte aber zur Erreichung des Zwecks geeignet sein, durch die Beschränkung der gemeinschaftlichen Adoption auf eine Ehe dem Kind die nötige stabile Lebensbasis zu schaffen. BVerfG [95-100] Das Differenzierungskriterium der Ehelichkeit der Elternbeziehung ist geeignet, einen Teil der Beziehungen zu erfassen, die längeren Bestand versprechen. Sind die Eltern die Ehe eingegangen, spricht dies für einen über einen kurzfristigen Beziehungswunsch hinausgehenden Bindungswillen und damit für die Stabilität der Beziehung. Daher ist verfassungsrechtlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Gesetzgeber im Adoptionsrecht die Ehelichkeit der Elternbeziehung als Indikator für Stabilität verwendet. Andererseits existieren auch stabile nichteheliche Stiefkindfamilien. Das verfassungsrechtliche Geeignetheitsgebot verlangt indessen nach st. Rspr. keine vollständige Zielerreichung, sondern lediglich eine Eignung zur Förderung des Ziels (vgl. BVerfGE 138, 136, 189 m. w. N.). Immerhin erlaubt das Kriterium der Ehelichkeit, einen Teil der Stabilität versprechenden Beziehungen, nämlich die ehelichen, zu identifizieren. Zudem sorgt der strikte Ausschluss nichtehelicher Lebensgemeinschaften von der Stiefkindadoption mit Sicherheit dafür, dass es in letztlich doch kurzlebigen nichtehelichen Beziehungen nicht zur Stiefkindadoption kommt… Somit ist die gesetzliche Regelung zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet.

b) Die Regelung müsste erforderlich sein.

BVerfG [103-109] Eine Ungleichbehandlung ist erforderlich, wenn kein Mittel zur Verfügung steht, mit dem sich das Ziel der Differenzierung bei geringerer Benachteiligung der Betroffenen gleich wirksam erreichen ließe (vgl. BVerfGE 138, 136, 190 m. w. N.), ohne dabei Dritte oder die Allgemeinheit stärker zu belasten). Ein milderes Mittel bestünde hier darin, die Stiefkindadoption auch in nichtehelichen Stiefkindfamilien zu ermöglichen, wenn die Beziehung der Eltern Stabilität verspricht (…). Nach der derzeitigen Rechtslage trifft der Ausschluss der Stiefkindadoption alle nichtehelichen Stiefkindfamilien, mithin auch jene, in denen die Eltern in stabiler nichtehelicher Partnerschaft leben und diese Stabilität auch zukünftig erwartet werden darf. Gemessen an der Zwecksetzung der Differenzierung gibt es in diesen Fällen keinen Grund, die Stiefkindadoption zu verhindern. Wie die Regelungen anderer Rechtsordnungen zeigen, bestehen demgegenüber verschiedene zielgenauere Möglichkeiten, die Stiefkindadoption für Stabilität versprechende nichteheliche Stiefkindfamilien zu öffnen. Der Gesetzgeber könnte eine Regelung treffen, nach der die zu erwartende Stabilität nichtehelicher Paarbeziehungen im Einzelfall geprüft werden muss… Für die Prüfung der Stabilitätsaussichten einer nichtehelichen Partnerschaft können zur Verbesserung der Vorhersehbarkeit zusätzlich oder alternativ konkrete Stabilitätsindikatoren vorgegeben werden. Insbesondere könnte eine konkret bezifferte Mindestdauer der Beziehung oder des Zusammenlebens mit der anderen Person, dem Kind oder beiden verlangt werden. Diese Überlegungen sprechen gegen die Erforderlichkeit eines strikter Ausschlusses.

Andererseits schließt das derzeitige Recht, indem es eine Stiefkindadoption in einer nichtehelichen Familie nicht zulässt, mit Sicherheit aus, dass eine Adoption in einer vermeintlich stabilen nichtehelichen Partnerschaft erfolgt, die sich dann doch als kurzlebig erweist… So gesehen verhindert ein vollständiger Adoptionsausschluss wirksamer als eine für konkretere Stabilitätserwartungen geöffnete Regelung, dass ein Kind in einer instabilen Paarsituation vom Stiefelternteil adoptiert wird, die nach kurzer Dauer zerbricht.

Das BVerfG hat die Entscheidung über die Erforderlichkeit formal offen gelassen ([109] letzter Satz), hat aber bei [111] ausgeführt: Der Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption lässt sich hinreichend wirksam mit einer auf konkretere Stabilitätsprognosen abstellenden Adoptionsregelung sichern… Danach kann ein strikter Adoptionsausschlusses bei allen nichtehelichen Lebensgemeinschaften wie etwa innerhalb der Familie im vorliegenden Fall nicht als erforderlich betrachtet werden.

c) Die Regelung könnte auch unangemessen (unverhältnismäßig i. e. S.) sein.

aa) Zu diesem Zweck sind die Nachteile und die Vorteile der Regelung zu vergleichen und abzuwägen. Eine Reihe von Nachteilen für die betroffenen Kinder wurde bereits oben V 2 b) aufgeführt. Hervorzuheben sind insbesondere die Ungleichheit zwischen den Halbgeschwistern, die ein Stiefkind zu einem Kind zweiter Klasse machen kann, und die Gefahr, dass bei Wegfall des leiblichen Elternteils das Stiefkind keinen rechtlichen Elternteil mehr hat. Dabei handelt es sich um schwerwiegende Nachteile.

bb) Der vom Gesetzgeber erstrebte Vorteil, dass dadurch eine instabile Elternschaft verhindert werden kann, wiegt diese Nachteile nicht auf, weil er auch in anderer Weise herbeigeführt werden kann (oben V 3 b). Zwar ist die Stabilität der Beziehungen bei verheirateten Eltern größer (oben V 3 a bb), was in diesem Zusammenhang aber ohne Bedeutung bleibt. Denn wie ausgeführt können die Kinder die Heirat nicht herbeiführen. Die mögliche und für ein Kind günstige Adoption durch nicht verheiratete Eltern deshalb zu versagen, weil die Konstellation, dass die Eltern verheiratet wären, günstiger wäre, ist dann kein brauchbares Argument, wenn diese günstigere Lage sich nicht herbeiführen lässt. Folglich ist der strikte Ausschluss der Adoption innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unangemessen (BVerfG [86, 110, 111]).

4. Entspricht ein Teilbereich eines Sachverhalts nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes, kann die Regelung gleichwohl mit Art. 3 I GG vereinbar sein, wenn die Regelung dieses Teilbereichs durch Vereinfachungs- und Typisierungsbefugnisse des Gesetzgebers gerechtfertigt ist.

a) BVerfG [113, 114] Der Gesetzgeber darf unter bestimmten Voraussetzungen typisierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit verbundenen Benachteiligung Einzelner gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen muss der Gesetzgeber nach st. Rspr. nicht um alle denkbaren Einzelfälle besorgt sein (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 145, 106, 145 f. Rn. 106). Auch jenseits der Regelung von Vorgängen der Massenverwaltung, zu denen die Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen offensichtlich nicht zählt, sind gesetzliche Typisierungen nicht von vornherein ausgeschlossen. In Betracht kommt dies etwa dann, wenn eine Regelung über ungewisse Umstände oder Geschehnisse zu treffen ist, die sich - wie hier die Bestandsfestigkeit einer Paarbeziehung - selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Es kann dann zur Rechtssicherheit beitragen, wenn der Gesetzgeber Rechtsfolgen typisierend an klarer zu fassende Tatbestandsvoraussetzungen knüpft, die - als Stellvertretermerkmale - die ungewissen Umstände oder Geschehnisse möglichst genau erfassen. Eine solche Typisierung könnte sein, dass bei einer Adoption als gemeinschaftliches Kind die Adoptierenden verheiratet sein müssen, weil eine Ehe typischerweise stabiler ist als eine nichteheliche Beziehung.

b) [115-122] Die mit einer Typisierung verbundene Ungleichbehandlung ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (…). Die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten dürfen also nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen (…). Darüber hinaus darf das Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein (…). Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (…).

Im vorliegenden Fall liegt dem Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Stiefkindfamilien nicht realitätsgerecht der typische Fall als Maßstab zugrunde. Die nichteheliche Familie hat sich mehr und mehr als weitere Familienform neben der ehelichen Familie etabliert. Es gibt keine Erkenntnisse, die heute die Annahme rechtfertigten, dass die Paarbeziehung innerhalb einer nichtehelichen Stiefkindfamilie typischerweise besonders fragil und nur in einer kleinen Zahl von Fällen stabil wäre. Die Regelung trifft damit nicht nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil die Falschen, sondern wird immer wieder Stiefkindfamilien betreffen, die länger Bestand haben, so dass ein tragfähiges Eltern-Kind-Verhältnis entstehen könnte und die Annahme des Kindes durch den Stiefelternteil dem Kindeswohl dienlich wäre. Das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist zudem intensiv. Für die Kinder entscheidet sich anhand des Familienstands ihrer Eltern, ob sie ihren sozialen Elternteil als rechtlichen Elternteil erhalten können oder nicht.… Die Härte ließe sich auch ohne übermäßige Schwierigkeiten vermeiden, indem nichteheliche Stiefkindfamilien nicht strikt von der Adoption ausgeschlossen würden. Es wäre möglich, die Kindeswohldienlichkeit auch in dieser Konstellation im Einzelfall zu prüfen und dabei statt oder neben dem Ehekriterium alternative Stabilitätsindikatoren wie etwa die bisherige Beziehungsdauer zu verwenden. Dass es einen gesteigerten Aufwand bedeutet, die Adoptionsvoraussetzungen auch in nichtehelichen Stiefkindfamilien zu prüfen anstatt entsprechende Anträge - wie bisher - unter Verweis auf das geltende Recht kategorisch abzulehnen, kann die Benachteiligung der betroffenen Kinder nicht rechtfertigen, zumal bei einer Adoption ohnehin immer eine Einzelfallprüfung erfolgt.

Folglich ist die strikte Differenzierung der Adoptionsmöglichkeiten in einer Stiefkindfamilie nach dem Kriterium der Ehelichkeit nicht von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt.

5. Die unterschiedliche Behandlung von Stiefkindern in ehelichen und nichtehelichen Familien könnte durch die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Wertentscheidung zugunsten der Ehe gerechtfertigt sein.

a) BVerfG [124] Das GG stellt in Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (BVerfGE 124, 199, 224 f.; 126, 400, 420). Daraus folgen ein Beeinträchtigungsverbot und ein Förderungsgebot… Wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, sie gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen.

b) [125-128] Geht die Förderung der Ehe allerdings mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht (…). Ein Abstands- oder Benachteiligungsgebot, das die Benachteiligung anderer Lebensformen bereits für sich genommen rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Die hier angegriffene Regelung benachteiligt insofern eine vergleichbare Lebensform, als sie Stiefkindern in nichtehelichen Familien, auch wenn diese tatsächlich ebenso stabil sind wie eheliche Familien, eine Adoption durch den Stiefelternteil strikt vorenthält. Für den Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Stiefkindfamilien besteht gemessen an Regelungsgegenstand und Regelungsziel kein hinreichend gewichtiger Sachgrund… Sie dient dem Ziel, Adoptionen in instabilen Stiefkindfamilien zu verhindern. Sie beruht auf der unwiderleglichen Vermutung, die nichteheliche Stiefkindfamilie sei instabil und habe nur vorübergehend Bestand. Diese Annahme ist aber in ihrer Rigorosität nicht hinreichend tragfähig und kann die ausnahmslose Schlechterstellung der nichtehelichen gegenüber der ehelichen Familiensituation nicht rechtfertigen.

Es bleibt somit bei dem Ergebnis, dass die Schlechterstellung der Stiefkinder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht gerechtfertigt ist und deshalb gegen Art. 3 I GG verstößt.

VI. Ungleich behandelt i. S. des Art. 3 I GG werden auch die nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Vergleich zu verheirateten Paaren. Allerdings lassen sich die bei den Kindern angestellten Überlegungen (oben V) nicht auf diese Schlechterstellung übertragen, weil einer nichtehelichen Gemeinschaft die Möglichkeit zur Eheschließung offen steht. Da es ein legitimes Ziel ist, auf diese Eheschließung hinzuwirken und damit die Stabilität der Familie im Interesse der zu adoptierenden Kinder zu verbessern, liegt eine dahingehende Regelung noch innerhalb des Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und verletzt Art. 3 I GG nicht. BVerfG [129] hat die Frage offen gelassen, weil sich die Verfassungswidrigkeit bereits aus den Überlegungen unter V. ergab.

Ergebnis: Die gesetzliche Regelung und die darauf gestützten Beschlüsse der Gerichte verletzen Art. 3 I GG. Die VfB ist begründet. – Das BVerfG hat die zugrundeliegenden Vorschriften des BGB für die hier gegebene Fallgruppe für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. 3. 2020 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Die Beschlüsse der Gerichte wurden aufgehoben und das Verfahren bis zur Neuregelung ausgesetzt. (so der Tenor des Beschlusses und [130-133]). (Nach einem im August 2019 veröffentlichten Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist eine Stiefkindadoption erlaubt, wenn die Partner mindestens zwei Jahre zusammenleben oder ein gemeinsames Kind haben.)

Hinweis: Nach Löhnig JA 2019, 627 läge es auf derselben Linie, wenn das BVerfG auch weitere Adoptionsbeschränkungen für verfassungswidrig halten würde: dass in faktischen Familien ein bereits vom Partner adoptiertes nicht nachfolgend durch den anderen Partner adoptiert werden kann (durch Sukzessivadoption) und dass ein bei ihnen lebendes Pflegekind nicht gemeinsam adoptiert werden kann. Möglicherweise trägt aber der Gesetzgeber bei der ihm aufgegeben Reform dem bereits Rechnung.


Zusammenfassung