Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Gesetzgebungszuständigkeit für Steuergesetz und Aufkommensverteilung für Steuer nach Art. 105 II, 106 I Nr. 3 GG. Steuer mit Lenkungszweck Umweltschutz. Art. 3 I GG als Prüfungsmaßstab für Steuergesetz. Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers; sachliche Gründe für Ausnahmen; Typisierung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Berufsfreiheit, Art. 12 GG. Vorbehalt des Gesetzes. Verordnungsermächtigung, Art. 80 I GG

BVerfG Urteil vom 5. 11. 2014 (1 BvF 3/11) NVwZ 2015, 288

Fall
(Luftverkehrsteuer)

Im Jahre 2010 beschloss der Bundestag ein Gesetz über eine Luftverkehrsteuer (LuftVStG). Zwecke des Gesetzes waren, Einnahmen für den Bund in Höhe von etwa einer Milliarde Euro jährlich zu erzielen und den die Umwelt und das Klima stark belastenden Flugverkehr zu begrenzen.

Die wesentlichen Vorschriften des LuftVStG lauten - teilweise vereinfacht und modifiziert-:

§ 1 Steuergegenstand

(1) Der Luftverkehrsteuer unterliegt ein Rechtsvorgang, der zum Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Startort mit einem Flugzeug durch ein Luftverkehrsunternehmen zu einem Zielort berechtigt. .....

§ 2 Begriffsbestimmungen. Im Sinne dieses Gesetzes ist: ......

4. Zielort:

der inländische oder ausländische Ort, auf dem gemäß dem Rechtsvorgang die Flugreise des Fluggastes planmäßig enden soll. Wird die Flugreise planmäßig auf einem inländischen Flugplatz unterbrochen, so gilt der inländische Flugplatz, auf dem die Zwischenlandung erfolgt, als der Zielort, auf dem die Flugreise des Fluggastes endet......

§ 4 Entstehung der Steuer

Die Steuer nach § 1 entsteht mit dem Abflug des Fluggastes von einem inländischen Startort.

§ 5 Steuerbefreiungen

Von der Besteuerung ausgenommen sind die folgenden Rechtsvorgänge: .....

2. Abflüge von Fluggästen in Flugzeugen, wenn der Flug ausschließlich militärischen oder anderen hoheitlichen Zwecken dient ......

5. Abflüge von Fluggästen von und zu einer inländischen, dänischen oder niederländischen Nordseeinsel, die nicht über einen tidenunabhängigen Straßen- oder Gleisanschluss mit dem Festland verbunden ist, wenn der Start- oder Zielort auf dem Festland nicht weiter als 100 Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt ist.

§ 6 Steuerschuldner

(1) Steuerschuldner ist das Luftverkehrsunternehmen, das den Abflug nach § 1 durchführt....

§ 11 Steuersatz

(1) Die Steuer beträgt je Fluggast für Flüge mit einem Zielort

1. in einem Land der Anlage 1 (Kurzstrecke, z. B. Deutschland, Frankreich, Russland) 7,50 Euro

2. in einem Land der Anlage 2 (Mittelstrecke, z. B. Israel, Saudi-Arabien, Pakistan) 23,43 Euro

3. in anderen Ländern (Langstrecke, z. B. USA, China, Indien) 42,18 Euro.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, die Steuersätze nach Absatz 1 jeweils mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres prozentual abzusenken. Die prozentuale Absenkung errechnet sich aus dem Verhältnis der jeweiligen Einnahmen des Vorjahres aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zu 1 Milliarde Euro.

Das Land L hat formell ordnungsgemäß das BVerfG im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG angerufen und die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes mit folgender Begründung geltend gemacht: Dem Bund fehle es an einer Gesetzgebungszuständigkeit, weil eine derartige Steuer im GG überhaupt nicht vorgesehen sei. Eine Besteuerung zum Zwecke des Klimaschutzes sei nicht zulässig; außerdem komme dieses Ziel im Gesetz nicht zum Ausdruck. Beim Steuergegenstand sei es willkürlich, lediglich den gewerblichen Personenflugverkehr zu besteuern. Hierzu macht die Bundesregierung geltend, der Privatflugverkehr unterliege - anders als der gewerbliche Flugverkehr - bereits der Energiesteuer, und der Frachtflugverkehr betreffe einen eigenständigen Markt, für den besondere Regeln gelten. Für ungerechtfertigt hält der Antragsteller nicht nur die in § 5 enthaltenen Ausnahmen, sondern auch das in § 2 Nr. 4 enthaltene Umsteigerprivileg. Was den Steuersatz betrifft, sei es unverständlich, Russland in die Länder der Kurzstrecke aufzunehmen, obwohl es Ziele in Russland gibt, die mehr als 8.000 km entfernt sind, während Flüge nach New York, das 6.000 km entfernt ist, als Langstreckenflüge behandelt werden. Auch verletze die Steuer nicht nur die Unternehmensfreiheit der Fluggesellschaften, sondern auch die Grundrechte der Personen, die beruflich auf das Fliegen angewiesen sind. Ihnen würden Kosten auferlegt, obwohl sich nicht feststellen lasse, dass dadurch der Luftverkehr spürbar gedrosselt werde. Schließlich sei es nicht zulässig, einem Bundesministerium die Festsetzung des Steuersatzes zu überlassen.

Ist das Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar? Andere Gesichtspunkte als die vom Antragsteller geltend gemachten sind nicht zu prüfen.

I. Für die formelle Verfassungsmäßigkeit muss der Bund über die Gesetzgebungskompetenz verfügen. Abweichend von den allgemeinen Vorschriften über die Gesetzgebungszuständigkeiten in Art. 70 ff. GG regelt Art. 105 GG die Gesetzgebungszuständigkeiten für Steuern spezieller, indem diese auf Bund und Länder verteilt werden.

1. Zunächst müsste eine Steuer vorliegen.

a) BVerfG [30,31] Bei der Luftverkehrsteuer handelt es sich um eine Steuer im Sinne der Finanzverfassung, weil sie zur Erzielung von Einnahmen für den Bund den Steuerschuldnern eine Geldzahlungspflicht ohne konkrete Gegenleistung hoheitlich auferlegt. Sie ist dem Typus der Verkehrsteuer zuzuordnen. Die Verkehrsteuer knüpft an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs an (vgl. BVerfGE 7, 244, 260; 16, 64, 73). § 1 Abs. 1 LuftVStG knüpft die Luftverkehrsteuer an den Rechtsakt, der zum Abflug eines Fluggastes berechtigt, und definiert damit den Steuergegenstand. Der maßgebliche Rechtsvorgang ist in der Regel der Abschluss eines (entgeltlichen) Beförderungsvertrags.

b) Dem könnte entgegenstehen, dass mit dem Gesetz auch umweltpolitische Ziele verfolgt werden („Ökosteuer“). Dass solche Ziele verfolgt werden, wird im Gesetz zwar nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber aus der Begründung hierzu und daraus, dass längere Flüge, die in der Regel eine stärkere Klimabelastung verursachen, höher besteuert werden als kürzere.

BVerfG [29] Der Kompetenztitel für das Steuerrecht erlaubt es auch, mit der Erhebung der Luftverkehrsteuer Lenkungsziele zu verfolgen (vgl. allgemein dazu BVerfGE 98, 106, 118). [44] Der Gesetzgeber darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden (…). Wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern (…).


Somit ist das Verfolgen eines umweltpolitischen Zwecks durch das LuftVStG durchaus mit dem Begriff der Steuer vereinbar.

2. Nach Art. 105 II GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die nicht in Art. 105 I und II a aufgeführten Steuern, wenn ihm das Aufkommen der Steuer zusteht. Darin liegt eine Verweisung auf Art. 106 GG. Nach Art. 106 I Nr. 3 GG steht dem Bund der Ertrag folgender Steuern zu: der Straßengüterverkehrsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer und der sonstigen auf motorisierte Verkehrsmittel bezogenen Verkehrsteuern.

a) Bei der Luftverkehrsteuer könnte es sich um eine sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Steuer handeln. Dazu ist vertreten worden (Schladebach NVwZ 2015, 294 in einer Besprechung des BVerfG-Urteils), dieser Begriff werde von Art. 106 I Nr. 3 GG in einem rein straßenverkehrsrechtlichen Kontext verwendet, so dass er den Flugverkehr nicht erfasse.

b) Anders BVerfG [32] Der Begriff des Verkehrsmittels umfasst neben demjenigen des Straßenverkehrs auch solche des Schiffs-, Bahn- und Flugverkehrs. Eine Beschränkung der Gesetzgebungskompetenz auf den straßengebundenen Verkehr lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Normzweck entnehmen… Eine Einengung des Kompetenztitels auf straßenverkehrsmittelbezogene Steuern wäre mit dem Zweck seiner Erweiterung im Jahr 2009…nicht in Einklang zu bringen, wonach dem Bund eine umfassende Kompetenz für die Mobilitätsbesteuerung zur Entwicklung eines in sich geschlossenen Konzepts zur Verkehrsbesteuerung gegeben werden sollte (vgl. BTDrucks 16/11741, S. 1, 4).

c) Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz für das LuftVStG nach Art. 105 II, 106 I Nr. 3 GG.

II. Vorschriften des Gesetzes könnten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verstoßen. Das BVerfG beurteilt die Verfassungsmäßigkeit der wesentlichen Regelungen eines Steuergesetzes - betreffend den Steuergegenstand, die Ausnahmen und den Steuertarif - nach diesem Grundrecht. Dafür spricht, dass in jeder der Regelungen bestimmt wird, dass gewisse Fälle unter die Steuerpflicht in einer näher bezeichneten Höhe fallen, und dass die anderen Fälle davon nicht erfasst werden, was jeweils die Frage der berechtigten oder unberechtigten Gleichbehandlung aufwirft.

Als allgemeine Überlegungen dazu führt BVerfG [42,43] aus - mit umfangreichen Nachweisen auf die bisherige Rspr. -: Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (…). Jedoch belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (…). Die Befugnis des Gesetzgebers zur Definition des Steuerobjekts stützt sich auf seine demokratische Legitimation für die Steuerpolitik. Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Deshalb wird bei diesen Entscheidungen der Gleichheitssatz bereits eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Steuergegenstandes vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist (…) und die konkrete Belastungsentscheidung für ein Steuerobjekt nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes (…), der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag.

1. § 1 LuftVStG besteuert den gewerblichen Personen-Flugverkehr, dagegen nicht den privaten Flugverkehr und nicht den Frachtflug, und enthält insoweit Ungleichbehandlungen. Für diese müsste der Gesetzgeber sachliche Gründe haben, wobei er, wie ausgeführt, einen weitreichenden Spielraum hat.

a) Dass der Gesetzgeber gerade den Flugverkehr besteuert, rechtfertigt sich wegen dessen besonderer Belastungen für die Umwelt. BVerfG [48,49] Bei dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel des Umweltschutzes handelt es sich um einen Sachgrund, dessen Legitimität sich unter anderem aus dem in Art. 20 a GG enthaltenen Auftrag ergibt, in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (…). Dieser Auftrag kann sowohl Gefahrenabwehr gebieten als auch Risikovorsorge legitimieren. Zu den nach Art. 20 a GG geschützten Umweltgütern gehört auch ein mit der Besteuerung beabsichtigter Klimaschutz. Mit der Belastung von gewerblichen Passagierflügen hat der Gesetzgeber den Steuergegenstand in verfassungsmäßiger Weise gewählt.

b) Ein Sachgrund müsste auch dafür bestehen, den privaten Flugverkehr und den Frachtflugverkehr von der Steuer auszunehmen. BVerfG [51-53] Gegenüber dem privaten Luftverkehr führt die Begründung des Gesetzes zur Rechtfertigung aus, dass dieser bereits mit Energiesteuer belastet ist, gegenüber der Luftfracht die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen auf getrennten Märkten für Passagier- und Frachtverkehr (…). Es handelt sich dabei um mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit vereinbare Unterscheidungen nach der finanziellen Belastbarkeit der betroffenen Gruppen. Die Einschätzung, dass der private Luftverkehr weniger belastbar ist, weil er bereits anderweitig besteuert wird, und dass die finanzielle Belastbarkeit des Frachtverkehrs mit seinen ganz anderen Marktbedingungen eingeschränkt ist, überschreitet den dem Gesetzgeber eingeräumten Spielraum nicht… Der Gesetzgeber war nicht aus Gleichheitsgründen gehalten, zugleich auch den privaten Flugverkehr und Frachtflüge mit der Luftverkehrsteuer zu belegen.

Folglich verstößt § 1 LuftVStG nicht gegen Art. 3 I GG.

2. Ungleichbehandlungen enthalten die Befreiungen nach § 5 Nr. 2 und Nr. 5 LuftVStG. Hierfür bedarf eines sachlichen Grundes, wobei nach den Ausführungen oben II a. E. strengere Anforderungen gelten.

a) BVerfG [58] Die Befreiung von Flügen zu militärischen und anderen hoheitlichen Zwecken (§ 5 Nummer 2 LuftVStG) rechtfertigt sich bereits aus dem gewählten Gegenstand der Besteuerung. Flüge zu militärischen und anderen hoheitlichen Zwecken durfte der Gesetzgeber als nicht zu den gewerblichen Passagierflügen gehörend ausgrenzen. Sie ist ferner dadurch gerechtfertigt, dass die Erhebung der Steuer wegen der bezweckten Abwälzung auf den Passagier letztlich ihren Einnahmezweck verfehlt. Die Besteuerung dienstlicher Flüge würde letztlich vom Staatshaushalt getragen. So würde die Steuerbelastung nur zu einer Verschiebung von Finanzmitteln zwischen verschiedenen öffentlichen Haushalten oder innerhalb eines öffentlichen Haushalts führen. Einnahmen für den Staat würden nicht generiert.

b) BVerfG [57] Die Befreiung von Flügen von und zu inländischen, dänischen und niederländischen Nordseeinseln ohne tidenunabhängigen Verkehrsanschluss…wird durch den Zweck der Sicherstellung einer verkehrsmäßigen Erschließung der Inseln getragen (BTDrucks 17/3030, S. 38). Dies rechtfertigt auch die steuerliche Verschonung des touristischen Verkehrs. Die Inseln sind wegen der Witterungsbedingungen und des Tidenhubs bei fehlender Anbindung an das Festland über Schiene oder Straße zeitweise nicht oder nur schwer zu erreichen. Die Sicherung der Daseinsvorsorge für die Inselbewohner darf der Gesetzgeber als Ziel verfolgen.

Somit verletzen die in § 5 LuftVStG enthaltenen Ausnahmen Art. 3 I GG nicht.

3. § 2 Nr. 4 i. V. mit § 1 LuftVStG enthält das sog. Umsteigerprivileg, das Art. 3 I GG verletzen könnte.

a) Das Umsteigerprivileg bedeutet eine begünstigende Ungleichbehandlung: Der Abflug im Ausland fällt nicht unter § 1 LuftVStG. Der Weiterflug beruht, wenn dem Flug nur ein Ticketkauf im Ausland zugrunde liegt, nicht auf einem inländischen Rechtsvorgang i. S. des § 1 LuftVStG, so dass für diesen ebenfalls keine Steuer anfällt. BVerfG [60] Liegt einer Flugreise, die im Ausland begonnen hat, im Inland zu einer Zwischenlandung führt und mit oder ohne Umstieg zu einem Zielort im In- oder Ausland fortgesetzt wird, ein einziger Rechtsvorgang - in der Regel ein einziger Ticketkauf - zugrunde, wird die Abflugberechtigung für den inländischen Abflug nach der Zwischenlandung nicht besteuert… Im Ergebnis werden derartige Flüge überhaupt nicht belastet.… Das Umsteigerprivileg des § 2 Nr. 4 LuftVStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LuftVStG führt mithin zu einer Ungleichbehandlung von Flügen.

b) BVerfG [61,62] Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung,… kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (…). Bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe kann die Entlastung dabei in verfassungsrechtlich zulässiger Weise sogar dazu führen, dass bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Besteuerung ausgenommen werden (…). Hieran gemessen hält die Ausnahme von der Besteuerung durch das Umsteigerprivileg der verfassungsrechtlichen Prüfung stand; denn sie wird von legitimen wirtschaftspolitischen Zwecken getragen. Es sollen die deutschen Flughäfen als internationale Drehkreuze geschützt werden, indem sie in dieser Funktion durch die Luftverkehrsteuer geringer Belastung unterliegen (vgl. BTDrucks 17/3030, S. 4). Insbesondere für die Flughäfen in Frankfurt und in München als typische Startorte für Interkontinentalflüge, droht bei Erhebung der Steuer auf den Weiterflug die Gefahr einer Verlagerung des Umsteigeorts in das Ausland wegen erhöhter Kosten für den Umstieg in Deutschland.

Somit verletzt auch das Umsteigerprivileg Art. 3 I GG nicht.

4. Ungleichbehandlungen enthält die Gestaltung des Steuertarifs in § 11 I LuftVStG. Sie sind grundsätzlich gerechtfertigt, weil die unterschiedliche Besteuerung je nach Länge des Flugs sowohl der finanziellen Leistungsfähigkeit des Flugpassagiers als auch der ökologischen Schädlichkeit entspricht. Diesem Grundprinzip widerspricht aber die einheitliche Einordnung Russlands in die Kategorie der Kurzstrecke.

a) BVerfG [65] Die für die Höhe des Steuertarifs maßgebliche Anknüpfung in § 11 Abs. 1 LuftVStG an den größten Verkehrsflughafen des Ziellandes - in Russland Moskau - statt an den tatsächlichen Zielflughafen bewirkt, dass bei Ländern der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 LuftVStG, die sehr groß sind oder zu denen Überseegebiete gehören, vom Entfernungsmaßstab abweichende steuerliche Begünstigungen auftreten können. Denn bei solchen Ländern liegen zwar die den Steuersatz bestimmenden größten Verkehrsflughäfen jeweils in einer Entfernung von weniger als 2500 km zum Flughafen in Frankfurt, nicht aber ausnahmslos alle weiteren Flughäfen. Wird einer dieser weit vom größten Verkehrsflughafen desselben Landes entfernte Flughafen…angeflogen, fällt lediglich der niedrigste, für Länder der Anlage 1 geltende Steuersatz an…

b) BVerfG [66-68] Der für die Besteuerung maßgebliche Flughafen des Ziellandes mit dem größten Verkehrsaufkommen ist für einen erheblichen Teil der besteuerten Flüge der tatsächliche Zielflughafen und gibt dann den Distanzmaßstab korrekt wieder…Zu Verwerfungen kommt es nur bei wenigen sehr großen Ländern oder beim Flug in überseeische Territorien einiger weniger Länder. Diese Verwerfungen sind aus Vereinfachungsgründen gleichheitsrechtlich noch tragbar. Der Steuergesetzgeber darf aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Steuersätze typisierend bestimmen und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen, wenn die daraus erwachsenden Vorteile im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (…), er sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiert (…) und ein vernünftiger, einleuchtender Grund vorhanden ist (…). Hier orientiert sich das Luftverkehrsteuergesetz realitätsgerecht am Flughafen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen im jeweiligen Land, auf dem die meisten Flüge landen. Diese vereinfachte Normierung zugunsten eines grob gerasterten Katalogs von Zielländern vermeidet es, bei jedem Flug die tatsächliche Entfernung zwischen jeweils zwei Flughäfen exakt zu ermitteln. Auch im Interesse der betroffenen Luftverkehrsunternehmen als Steuerschuldner wird damit die tarifliche Einstufung der Flüge in diesen Massenvorgängen des Steuerrechts erleichtert.

Folglich ist auch die Gestaltung des Steuertarifs in § 11 I LuftVStG noch mit Art. 3 I GG vereinbar. Insgesamt wird Art. 3 I GG vom LuftVStG nicht verletzt.

III. Das LuftVStG könnte das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) verletzen.

1. Es müsste ein Eingriff in die Berufsfreiheit vorliegen.

a) BVerfG [70] Für den Fluggast stellt die Luftverkehrsteuer keinen Eingriff in seine Berufsfreiheit dar, weil ihr insoweit ein berufsregelnder Bezug fehlt. Die Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben greift in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG nur ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes steht und objektiv deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen lässt (…). Eine solche berufsregelnde Tendenz ist dann nicht gegeben, wenn die Steuer alle Verbraucher ungeachtet ihrer beruflichen Betätigung trifft (…). Dies trifft auf die Passagiere regelmäßig zu; Touristen, Berufstätige, Personen in der Ausbildung, Fluggäste zu Familienbesuchen und andere sind unterschiedslos betroffen. Auch soweit die berufliche Tätigkeit eines Fluggastes mit einer hohen Zahl von Flügen verbunden ist, entfaltet die Steuer wegen der geringen Höhe im Vergleich zu den übrigen Flugkosten keine berufsregelnde Wirkung. Die Fluggäste können somit nicht in Art. 12 I GG verletzt sein.

b) BVerfG [71] Eine objektiv berufsregelnde Tendenz der Luftverkehrsteuer besteht hingegen für die Luftverkehrsunternehmen wegen ihres Lenkungszwecks. Ihnen gegenüber liegt ein Eingriff in Art. 12 I GG vor.

2. Der Eingriff könnte nach Art. 12 I 2 GG gerechtfertigt sein. Danach kann die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden. Gesetz ist das LuftVStG. Dieses müsste verhältnismäßig sein.

a) BVerfG [72-74]

a) Ziel des Gesetzes ist es, Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten zu setzen. Zu diesem Zweck verteuert der Gesetzgeber die von den Luftverkehrsunternehmen angebotenen Dienstleistungen in unterschiedlicher Höhe, um so die Gesamtzahl der Flugbewegungen zu reduzieren. Damit steuert er auch das berufliche Verhalten der Luftverkehrsunternehmen.

b) Die Belastung mit der Luftverkehrsteuer ist geeignet, durch den von ihr verursachten Kostendruck Luftverkehrsunternehmen zur besseren Auslastung von Flügen oder zu einer Reduzierung ineffizienter Flüge zu bewegen. Im Bereich der steuerlichen Lenkung darf der Gesetzgeber in Kauf nehmen, dass das Lenkungsziel nicht verlässlich erreicht wird (…). Im Vergleich zu unmittelbar rechtlich wirkenden Verboten ohne Ausweichmöglichkeit ist die Besteuerung das mildere Mittel, weil sie dem Besteuerten die Wahl zwischen dem vom Gesetzgeber gewünschten Verhalten und der Zahlung lässt. Die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit steht nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der Verhaltenslenkung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die mit der Lenkung durch die Steuer verbundene Beeinträchtigung der Luftverkehrsunternehmen relativ gering ist…, während den klimapolitischen Zielen in Art. 20 a GG ein hoher Stellenwert eingeräumt werden darf.

Art. 12 I GG ist somit nicht verletzt.

3. Bei den Fluggästen, denen gegenüber ein Eingriff in Art. 12 I verneint wurde, könnte noch eine Verletzung der durch Art. 2 I GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit in Betracht gezogen werden (vom BVerfG nicht geprüft). Jedoch liegt auch ein Eingriff in die Handlungsfreiheit nicht vor. Die Fluggäste sind keine Steuerschuldner. Ihnen gegenüber wirkt sich die Steuer allenfalls als relativ geringfügige Preiserhöhung bei den Flugtickets aus. Aus der Handlungsfreiheit hat der Bürger kein Recht darauf, dass der Staat die Einführung oder Erhöhung einer Steuer unterlässt, die im geschäftlichen Verkehr zu einer Preiserhöhung führen kann, auch nicht, wenn das Gesetz neben dem Einnahmeerzielungszweck eine Lenkungsfunktion hat. Würde man hier anders entscheiden, wäre der Eingriff aus denselben Gründen, wie sie oben 2 a) dargestellt wurden, gerechtfertigt. Somit ist auch Art. 2 I GG nicht verletzt.

IV. Die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung in § 11 II LuftVStG prüft das BVerfG zweistufig.

1. BVerfG [34-37] Der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und sie nicht anderen Normgebern überlassen darf (…). Im Steuerrecht, dessen Steuerbelastungsentscheidungen weitgehend vom Willen des Gesetzgebers zu Belastungsgegenstand und Tarif abhängen, ist von einem strengen Gesetzesvorbehalt auszugehen… Diesen Anforderungen genügt das LuftVStG. Es regelt die Erhebung der Luftverkehrsteuer in ausreichendem Maße selbst. Der Gesetzgeber hat in den §§ 1, 4, 5, 6, 10 und 11 Abs. 1 LuftVStG die steuerliche Belastung im Hinblick auf Steuerschuldner, Steuertatbestand, Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif ausreichend vorgezeichnet. Die Verordnungsermächtigung in § 11 Abs. 2 LuftVStG räumt dem Verordnungsgeber keine hiervon abweichende Entscheidung über das „Ob" oder das „Wie" der Senkung der Luftverkehrsteuer ein, sondern überlässt ihm nur die Neuberechnung der Steuersätze nach genau bestimmten Vorgaben…Dem steht nicht entgegen, dass § 11 Abs. 2 LuftVStG den Verordnungsgeber nicht ausdrücklich zum Erlass der Absenkungsverordnung verpflichtet. Der Gesetzgeber ist von einer Verpflichtung zum jährlichen Gebrauch der Ermächtigung ausgegangen… Auch der in § 11 Abs. 2 LuftVStG ermächtigte Verordnungsgeber erachtet die Vorschrift als zwingend. In seiner schriftlichen Stellungnahme und in der mündlichen Verhandlung hat das Bundesministerium der Finanzen ausdrücklich ein Ermessen des Verordnungsgebers sowohl hinsichtlich der Erforderlichkeit einer jährlichen Anpassung des Steuertarifs als auch bei der Berechnung ausgeschlossen.

2. § 11 II LuftVStG müsste auch mit Art. 80 I 2 GG übereinstimmen. BVerfG [33,40] Hiernach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Im Bereich der Steuern ist eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen hinreichend bestimmt, wenn der steuerliche Belastungstatbestand - der Steuerschuldner, der Steuergegenstand, die Bemessungsgrundlage und der Steuersatz - im Parlamentsgesetz festgelegt wird. Die Verordnungsermächtigung des § 11 LuftVStG enthält alle wesentlichen Vorgaben für die Erhebung der Luftverkehrsteuer. Sie gibt sowohl die Grundlage als auch den Modus der Berechnung der Steuerabsenkung vor. Nach § 11 Abs. 2 LuftVStG hat der Verordnungsgeber von den in § 11 Abs. 1 LuftVStG festgelegten Steuersätzen auszugehen und die Absenkung im Verhältnis der jeweiligen Einnahmen des Vorjahres aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Treibhausgasemissionshandel zu dem nach der Gesetzesbegründung als Einnahme durch die Luftverkehrsteuer angestrebten Betrag von 1 Milliarde Euro zu berechnen.

Somit steht auch § 11 II LuftVStG mit dem GG in Einklang. Das Gesetz ist insgesamt mit dem GG vereinbar.


Zusammenfassung