Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Feiertagsschutz (Art. 140 GG, Art. 139 WRV) in der Form des strengen Stilleschutzes für Karfreitag. ► Freiheit der Weltanschauung, Art. 4 I GG. ► Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG. ► Verfassungsimmanente Schranken bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten. ► Urteilsverfassungsbeschwerde. ► Prüfungsaufbau, wenn Grundrechtsprüfungen sowohl auf der Gesetzes- als auch auf der Anwendungsebene erforderlich sind
BVerfG Beschluss vom 27.10.2016 (1 BvR 458/10) NVwZ 2017, 461
Fall (Heidenspaß-Party)
Der vom Land L als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannte „Bund für Geistesfreiheit“ (B) ist nach seiner Satzung eine Weltanschauungsgemeinschaft, die sich für die Interessen und Rechte von Konfessionslosen „auf der Basis der Aufklärung und des weltlichen Humanismus“ einsetzt. Ferner tritt er für eine strikte Trennung von Kirche und Staat ein und wendet sich gegen die Privilegien der Kirchen. Im Jahre 2016 plante B - wie jedes Jahr - am Karfreitag eine „politische Veranstaltung mit dem Zweck, auf das undemokratische Feiertagsgesetz und die Diskriminierung Ungläubiger hinzuweisen“. Geplant waren „eine atheistische Filmnacht und eine Heidenspaß-Party“ in einem zur „religionsfreien Zone“ erklärten Theaterrestaurant. Ab 17:00 Uhr sollten unter dem Motto „Freigeister-Kino“ die Filme „Chocolat“ und „Wer früher stirbt ist länger tot“ vorgeführt und von Redebeiträgen und einem Schoko-Buffet begleitet werden. Die anschließende „Heidenspaß-Party“ bot unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ einen „Freigeister-Tanz“ mit der Rockband „Heilig“ an. Auf dem Einladungsflyer stand dazu: „Mit Live-Musik feiern wir fröhlich an einem Tag, an dem allen Bürger/Innen dieser Republik das öffentliche Tanzen aus christlichen Gründen untersagt ist.“ Der Eintritt sollte 7,50 Euro kosten.
Die zuständige Stadtverwaltung S untersagte dem B nach dessen Anhörung die Durchführung des zweiten Teils der Veranstaltung, die „Heidenspaß-Party“. Der Bescheid stützte sich auf das Feiertagsgesetz des Landes L (Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage - FTG). Dieses führt in § 1 kirchliche und weltliche Feiertage auf und bestimmt in § 2, dass an ihnen - ebenso wie an Sonntagen - öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen, grundsätzlich verboten sind. Außerdem normiert es einen besonderen Schutz sogenannter stiller Tage (§ 3 FTG). Zu diesen zählen der Karfreitag, der Buß- und Bettag, der Volkstrauertag, Allerheiligen und der Totensonntag (§ 3 I). An ihnen sind nach § 3 II öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist. § 5 FTG bestimmt: „Die Gemeinden können aus wichtigen Gründen im Einzelfall von den Verboten der §§ 2, 3 Befreiung erteilen, nicht jedoch für den Karfreitag.“ Bei Verstößen kann eine Geldbuße verhängt werden.
B verzichtete wegen der in dem Bescheid getroffenen Anordnung der sofortigen Vollziehung auf die Durchführung der Veranstaltung und erhob gegen den Bescheid verwaltungsgerichtliche Klage. Diese hatte vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg. Das OVG erklärte den Bescheid nach §§ 3, 5 FTG für rechtmäßig und §§ 2, 3, 5 FTG für verfassungsmäßig. Die Vorschriften des FTG seien durch den verfassungsrechtlichen Auftrag zum Schutz der Sonn- und Feiertage gedeckt. Das Vorhaben des B, durch das der ernste Charakter des Karfreitags in provokanter Weise ad absurdum geführt werden sollte, sei damit nicht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. B beabsichtigt eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Er beruft sich auf die Religionsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und wegen der beabsichtigten Musikdarbietungen auch auf die Kunstfreiheit. Da seine Veranstaltung „davon lebe“, gerade am Karfreitag stattzufinden, und sie sich nach außen nicht störend ausgewirkt hätte, sei es unverhältnismäßig, sie zu verbieten. Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?
Lösung
Vorbemerkung: Der Originalfall spielte im Jahre 2007 in München, anwendbar war das Bayerische Feiertagsgesetz, entschieden hatte ihn der BayVGH. Durch obigen Sachverhalt wurde der Fall in das anonyme Land L und in das Jahr 2016 verlegt. Dem werden auch die Originalzitate angepasst.
A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (VfB)
I. Beschwerdegegenstand der VfB muss ein Akt der öffentlichen Gewalt (§ 90 I BVerfGG) sein, besser bezeichnet als Hoheitsakt. Ergangene Hoheitsakte sind im vorliegenden Fall die Vorschriften des FTG, der Bescheid der S, zwei verwaltungsgerichtliche Urteile und ein Beschluss des BVerwG.
1. Ein Gesetz wie das FTG kann unmittelbarer Beschwerdegegenstand nur sein, wenn der Bf. durch das Gesetz (selbst, gegenwärtig und) unmittelbar betroffen ist (BVerfGE 93, 319, 338; NVwZ 2004, 978). Das ist nicht der Fall, wenn das Gesetz noch des Vollzugs bedarf oder wenn ein Vollzugsakt ergangen ist; dann ergibt sich die unmittelbare Betroffenheit des Bf. erst aus dem Vollzugsakt. Im vorliegenden Fall ist der Bescheid der S der Vollzugsakt. Also ist das FTG kein unmittelbarer Beschwerdegegenstand der VfB. Auch würde eine VfB unmittelbar gegen das FTG daran scheitern, dass die Jahresfrist des § 93 II BVerfGG abgelaufen ist.
Die VfB richtet sich aber mittelbar gegen diejenigen Vorschriften des FTG, auf die der Bescheid der S und die ihn bestätigenden Urteile gestützt sind; dieser Situation trägt § 95 III 2 BVerfGG Rechnung. Dementsprechend hat das BVerfG die VfB - zusätzlich zu den noch zu behandelnden unmittelbaren Beschwerdegegenständen - „mittelbar“ gegen die Vorschriften des FTG gerichtet und auch über die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften entschieden.
2. Unmittelbar hat das BVerfG - entsprechend den Anträgen des B - die VfB gegen die drei gerichtlichen Entscheidungen und den Bescheid der S (sowie gegen einen ergangenen Widerspruchsbescheid) gerichtet, hat diese fünf Maßnahmen aber als einheitlichen Eingriff behandelt, gemeinsam geprüft und dabei wesentlich auf das Urteil des OVG abgestellt.
3. Da der Umgang mit fünf bzw. vier Beschwerdegegenständen kompliziert und auch unnötig ist, ist vorzugswürdig und ausreichend, den Bescheid der S als Eingriff anzusehen, der durch das klageabweisende Urteil des OVG bestätigt und letztlich maßgeblich begründet wurde. Also ist Beschwerdegegenstand der Bescheid der S in der Gestalt der Bestätigung durch das OVG-Urteil (ähnlich wie bei § 79 I Nr. 1 VwGO). Da es letztlich auf das Urteil ankommt, handelt es sich um eine Urteils-VfB.
II. B muss geltend machen, in einem Grundrecht verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG). B beruft sich auf die Verletzung der Art. 4, 8 und 5 III GG.
1. Fraglich ist, ob B als Körperschaft des öffentlichen Rechts Grundrechtsträger ist.
a) B ist eine juristische Person. Nach Art. 19 III GG gelten die Grundrechte für inländische juristische Personen, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Nach dem Wesen der Art. 4, 8 und 5 III GG kann sich ein „Bund für Geistesfreiheit“ auf den Sachgebieten dieser Grundrechte betätigen, so dass Art. 19 III GG ihrer Anwendung auf B nicht entgegensteht.
b) Als Körperschaft des öffentlichen Rechts könnte B unter den Grundsatz fallen, dass sich der Staat und andere Träger öffentlicher Gewalt nicht auf Grundrechte berufen können (BVerfGE 61, 82, 100 ff., Sasbach; NJW 2016, 3153, Freizeitbad, dort [28]; NVwZ 2017, 53 [19]). Denn die Handlungsspielräume staatlicher Organisationseinheiten richten sich nur nach ihren Zuständigkeiten und Befugnissen, womit unvereinbar wäre, wenn sie die in den Grundrechten verankerten Freiheiten der Privatpersonen in Anspruch nehmen oder Gleichbehandlung verlangen könnten. Auch dienen die Grundrechte der Abwehr derjenigen Gefährdungslage, in der sich Privatpersonen gegenüber dem Staat befinden; an dieser fehlt es bei Hoheitsträgern.
Jedoch ist eine Weltanschauungsgemeinschaft wie B keine staatliche Organisation; sie ist weder in den Staat eingegliedert noch unterliegt sie der Aufsicht des Staates. Ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat sie deshalb erlangt, weil die evangelische und die katholische Kirche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 VII Weimarer Reichsverfassung (WRV) die Gleichstellung der Weltanschauungsgemeinschaften verlangt. Hoheitliche Befugnisse hat B keine. Er ist auch nicht nach Art. 1 III GG an die Grundrechte gebunden, sondern kann Inhaber der Grundrechte aus Art. 4, 8, 5 III GG sein. Für ihn gilt Gleiches wie für die Kirchen, die Universitäten und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, für die anerkannt ist, dass sie sich auf Grundrechte berufen können (BVerfG NVwZ 2017, 53 [20])).
2. Da die genannten Grundrechte durch das Verbot und das Urteil des OVG verletzt sein können, ist B beschwerdebefugt.
III. Das Gebot der Rechtswegerschöpfung (§ 90 II 1 BVerfGG) hat B erfüllt. Nach Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BVerwG hatte B keine Möglichkeit mehr, vor den Fachgerichten Rechtsschutz zu erlangen.
IV. Da der Bescheid der S nur die Veranstaltung am Karfreitag 2016 betraf und dieser Termin inzwischen verstrichen ist, könnte sich die VfB erledigt haben, oder es könnte das Rechtsschutzbedürfnis des B entfallen sein.
1. Die verwaltungsgerichtliche Klage des B kann wegen der Erledigung des Verbots aufgrund von Zeitablauf (§ 43 II VwVfG) nur eine Klage nach § 113 I 4 VwGO analog (Fortsetzungsfeststellungsklage) gewesen sein. Indem das OVG diese abgewiesen hat, hat es abgelehnt, die Rechtswidrigkeit des Bescheids der S festzustellen, und hat das damit begründet dass der Bescheid rechtmäßig war. Dadurch wird der S das Recht zuerkannt, auch in den folgenden Jahren eine gleiche Veranstaltung des B zu verbieten. Dieses Urteil hat sich nicht erledigt. Im Rahmen des Urteils hat auch der Bescheid der S eine Bedeutung behalten. Hat sich aber der Beschwerdegegenstand nicht erledigt, ist weder die VfB erledigt noch ist das Rechtsschutzbedürfnis des B entfallen.
2. Im übrigen trifft das BVerfG Sachentscheidungen auch in Fällen, in denen sich der Beschwerdegegenstand eigentlich erledigt hat, etwa wenn wegen der objektiven Funktion der VfB ein allgemeines Interesse an einer Entscheidung fortbesteht; wenn es sich um eine Belastung von besonderem Gewicht handelt und die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung geboten erscheint oder wenn der angegriffene Hoheitsakt sich auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des BVerfG nicht erlangen kann (BVerfGE 103, 58; 105, 246; vgl. auch BVerfG NJW 2017, 54 [63], wonach selbst der Tod des Beschwerdeführers nicht zwingend zur Erledigung der VfB führt). Auch im vorliegenden Fall konnte B zwischen dem Erlass des Verbots und dem Karfreitag 2016 eine Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache nicht erlangen.
V. Wird die VfB formell fehlerfrei erhoben, indem die Schriftform (§ 23 BVerfGG) gewahrt, das verletzte Grundrecht bezeichnet (§ 92 BVerfGG) und die Monatsfrist nach Zustellung des BVerwG-Beschlusses (§ 93 I BVerfGG) eingehalten wird, ist die VfB zulässig.
B. Begründetheit der VfB
Die VfB ist begründet, wenn der Bescheid der S in der Gestalt des OVG-Urteils ein Grundrecht des B verletzt. Prüfungsbeschränkungen nach den Grundsätzen über Urteils-Verfassungsbeschwerden ergeben sich nicht. Zwar wird das Urteil eines Fachgerichts nur auf spezifische Verfassungsverletzungen hin überprüft (dazu neuestens BVerfG NVwZ 2016, 1805, wo die Verletzung bejaht wurde). Im vorliegenden Fall geht es aber wesentlich um die Verfassungsmäßigkeit der strengen Stilleschutzregelung in §§ 3, 5 FTG; sie ist eine spezifische Verfassungsfrage.
I. Durch den Bescheid und das Urteil des OVG könnte das Grundrecht des B auf Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 I GG) verletzt sein. Die Religionsfreiheit scheidet aus, weil sich B gerade nicht zu einer Religion bekennt. Auch die negative Religionsfreiheit ist nicht berührt, weil B nicht dazu gezwungen wird, den Stilleschutz als religiöses Verhalten zu beachten, sondern ihn aus Rücksicht auf die Religion anderer achten soll. Im übrigen wird Art. 4 I, II GG vielfach als einheitliches Grundrecht der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit behandelt (vgl. BVerfG [97]: Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in ihrer Ausprägung als Weltanschauungsfreiheit).
1. Es müsste ein Eingriff in den Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit erfolgt sein.
a) Der Eintritt des B für die Interessen und Rechte von Konfessionslosen auf der Basis der Aufklärung und des weltlichen Humanismus hat den Charakter einer Weltanschauung, zumal sich B in seiner Satzung selbst als Weltanschauungsgemeinschaft bezeichnet und als solche die Rechte als Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten hat. BVerfG [98] Der Bf. kann als Weltanschauungsgemeinschaft in Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit [in ihrer Ausprägung als Weltanschauungsfreiheit] grundsätzlich für sich in Anspruch nehmen.
BVerfG [102] Allerdings ist der Staat berechtigt, das tatsächliche Verhalten einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft und ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch wenn dieses Verhalten letztlich religiös oder sonst weltanschaulich motiviert ist (vgl. BVerfGE 102, 370, 394)… Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine als religiös - und entsprechend: als weltanschaulich - anzusehende Motivation hat (vgl. BVerfGE 138, 296, 329 Rn. 86 …).
b) Bei B ergeben sich Bedenken gegen die weltanschauliche Motivation insoweit, als B mit dem Eintreten für eine strikte Trennung von Kirche und Staat und gegen die Privilegien der Kirchen auch politische Ziele verfolgt. Jedoch ist nach BVerfG [99] nicht erkennbar, dass sein politisches Wirken nach seinem Grundsatzprogramm und seinem Auftreten so sehr im Vordergrund stünde, dass es sein weltanschauliches Wirken nach den Grundsätzen der Aufklärung und des Humanismus gleichsam verdrängen oder zur Nebensache herabsinken lassen würde.
c) Wird konkret auf die Karfreitagsveranstaltung 2016 abgestellt, ist festzustellen, dass die Filmvorführungen des ersten Teils der Verwirklichung der von B vertretenen Weltanschauung diente, die allerdings nicht verboten wurden. Hinsichtlich des zweiten Teils, der Heidenspaß-Party, die verboten wurde, ist der weltanschauliche Charakter zweifelhaft. BVerfG [105] Unter den gegebenen Umständen, insbesondere dem engen Zusammenhang mit dem ersten Teil der Veranstaltung, der zweifelsfrei weltanschaulich geprägt war, erscheint es trotz bestehender Zweifel noch hinreichend plausibel, von einer weltanschaulichen Prägung auch der sogenannten „Heidenspaß-Party“ auszugehen, deren „Freigeister-Tanz“ mit dem Auftritt der Rockband „Heilig“ sich trotz des deutlich mitprägenden Vergnügungscharakters noch als weltanschauliche Ausrichtung der Veranstaltung begreifen lässt, zumal wenn der thematische Zusammenhang mit dem ersten Veranstaltungsteil hinzugenommen wird. BVerfG [104] folgt der Auffassung des B, der Wunsch, am Karfreitag zu tanzen, sei Element der aktiven Betätigung seines weltanschaulichen Bekenntnisses. Mit der Veranstaltung habe er seine freigeistige Weltanschauung plakativ präsentieren und ausleben wollen.
d) Da somit die Heidenspaß-Party unter den Schutzbereich des Art. 4 I GG fiel, bedeuteten ihr Verbot durch den Bescheid der Stadt S und das Urteil des OVG einen Eingriff in den Schutzbereich.
2. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein.
Eine Rechtfertigung über einen Gesetzesvorbehalt ist nicht möglich, weil ein solcher dem Art. 4 I, II GG nicht beigefügt ist. Grundrechte wie Art. 4 I, II GG, 8 I und 5 III 1 GG sind zwar vorbehaltlos gewährleistet, gelten aber nicht schrankenlos. Vielmehr unterliegen sie verfassungsimmanenten Schranken. BVerfG NJW 2015, 1359 [98] zu Art. 4 I, II: Einschränkungen dieses Grundrechts müssen sich aus der Verfassung selbst ergeben, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (…im vorliegenden Fall [58]; ferner BVerfG NVwZ 2016, 1806). Die „Grundrechte Dritter und Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang“ können als „Verfassungswerte“ zusammengefasst werden. Erforderlich ist eine Abwägung zwischen dem Grundrecht und einem kollidierenden Verfassungswert, die zu dem Ergebnis führt, dass der andere Verfassungswert höherrangig ist. Diese Abwägung ist so wesentlich, dass der Gesetzgeber sie vornehmen und ihr Ergebnis in einem Gesetz zum Ausdruck bringen muss. BVerfG NJW 2015, 1359: Das normative Spannungsverhältnis zwischen diesen Verfassungsgütern…zu lösen, obliegt dem demokratischen Gesetzgeber. Folglich bedarf es zur Annahme einer verfassungsimmanenten Schranke (im Vergleich zum Gesetzesvorbehalt: erst recht) eines Gesetzes. Daraus folgt weiter, dass die Frage, ob eine verfassungsimmanente Schranke durch einen kollidierenden und vorrangigen Verfassungswert eingreift, im Zusammenhang mit dem Gesetz zu prüfen ist. Gesetz im vorliegenden Fall sind §§ 2, 3, 5 FTG. Diese Vorschriften müssten verfassungsmäßig sein.
Formelle Bedenken gegen das FTG bestehen nicht. Für die Feiertagsregelung gibt es keine Bundeskompetenz, so dass die Länder nach Art. 70 I GG zuständig sind. §§ 2, 3, 5 FTG könnten aber Grundrechte verletzen.
a) Der Stilleschutz betrifft zunächst unspezifische Handlungen wie z. B. handwerkliche Arbeiten von Privatpersonen und greift insoweit in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG ein. Dieser Eingriff ist aber durch die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung gedeckt. BVerfG [60, 61} Nach Art. 140 GG i. V. mit Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Bestimmung enthält einen objektivrechtlichen Schutzauftrag, der dem Staat die Gewährleistung von Feiertagen aufgibt. An diesen Tagen soll im zeitlichen Gleichklang grundsätzlich die Geschäftigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann… Dabei verfolgt die Regelung in der säkularisierten Gesellschaft und Staatsordnung zunächst die profanen Ziele der persönlichen Ruhe, Erholung und Zerstreuung… Nach ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer systematischen Verankerung in den in das Grundgesetz inkorporierten Kirchenartikeln der Weimarer Reichsverfassung und nach ihren Regelungszwecken hat die Vorschrift auch eine religiös-christliche Bedeutung (vgl. BVerfGE 125, 39, 80 f.). Anknüpfend an die in christlicher Tradition entstandenen Feiertage zielt sie auch auf die Möglichkeit der Religionsausübung und darauf, dass Gläubige diesen Tagen ein Gesamtgepräge geben können, wie es ihrem Glauben entspricht. Daraus folgt zunächst, dass der allgemeine Stilleschutz des § 2 FGT durch einen Verfassungsauftrag gerechtfertigt und auch verhältnismäßig ist (BVerfG [64]).
b) Weiterhin beschränkt § 2 FTG die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG), soweit er berufliche Tätigkeiten betrifft, die öffentlich bemerkbar sind und die Feiertagsruhe stören (z. B. Abbrucharbeiten durch Unternehmen). Es handelt sich um eine Beschränkung der Berufsausübung, die nach Art. 12 I 2 GG zugelassen ist und die durch dieselben Überlegungen wie vorstehend unter a) gerechtfertigt wird.
c) Der im vorliegenden Fall zur Anwendung gekommene strenge Stilleschutz nach §§ 3, 5 FTG könnte Art. 4 I, II GG verletzen.
aa) Der strenge Stilleschutz verbietet öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen, die den ernsten Charakter nicht wahren, auch dann, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - auf weltanschaulichen Gründen beruhen, und enthält deshalb einen Eingriff in das Grundrecht des Art. 4 I, II GG.
bb) Für die Frage der Rechtfertigung sind die Grundsätze über verfassungsimmanente Schranken anzuwenden (oben B I 2). Verfassungswert sind Art. 140 GG i. V. mit Art. 139 WRV, wonach der Karfreitag als Tag der Stille aus weltlichen und religiösen Gründen geschützt ist. BVerfG [69, 70] Indem durch Art. 140 GG, 139 WRV dem Gesetzgeber die Aufgabe überantwortet worden ist, das Ausmaß des Feiertagsschutzes gesetzlich zu gestalten (vgl. BVerfGE 125, 39, 85), hat er die Möglichkeit, Feiertage mit verschiedenem Charakter vorzusehen. Insoweit steht es ihm auch frei, für bestimmte Tage durch besondere Unterlassungspflichten einen sich von der bloßen Arbeitsruhe unterscheidenden oder über diese hinausgehenden äußeren Ruhe- und Stilleschutz zu schaffen, wie es das FTG für den Karfreitag als stillen Feiertag regelt. Aus diesen Ausführungen folgt auch, dass der Verfassungsauftrag nach Art. 140 GG, 139 WRV grundsätzlich dazu ermächtigt, dem Feiertagsschutz Vorrang vor einem kollidierenden Grundrecht wie dem Art. 4 I, II GG einzuräumen.
cc) Dabei muss der durch § 3 FGT gewährte Stilleschutz den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips entsprechen. Dazu BVerfG [74-85]:
(1) Mit der Ausgestaltung des Stilleschutzes für den Karfreitag in § 3 FTG verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel. In Anknüpfung an den verfassungsrechtlich verankerten Zweck der „seelischen Erhebung“ (Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV) versteht er die stillen Tage als Anker- und Ruhepunkte für die Besinnung auf grundlegende Werte, und will er einen äußeren Rahmen dafür bereitstellen, sich an kulturelle, geschichtliche und religiöse Grundlagen zu erinnern… Die Geeignetheit der Regelung des § 3 FTG zur Erreichung des insoweit bezweckten besonderen Schutzes des Karfreitags durch Schaffung eines besonderen Ruhe- und Stillerahmens steht außer Frage.
(2) Ausgehend von dem Ziel des Gesetzgebers, dem Tag einen allgemein wahrnehmbaren Charakter als stiller Tag zu verleihen, ist unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht zu beanstanden, dass § 3 FTG öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der ernste Charakter des Tages gewahrt ist… Die Untersagung entsprechender Veranstaltungen trägt insoweit dazu bei, dem Tag einen Ruhe- und Stilleschutz zukommen zu lassen, der ohne eine solche Regelung nicht vergleichbar effektiv gewährleistet wäre.
(3) Grundsätzlich ist die Regelung auch angemessen. Dem Ruheschutz an Sonn- und Feiertagen kommt besonderes Gewicht zu, weil er dem Gesetzgeber durch die Verfassung selbst in Art. 140 GG i. V. mit Art. 139 WRV auferlegt ist… Demgegenüber sind die belastenden Wirkungen, die von dem äußeren Ruhe- und Stilleschutz ausgehen, von nur begrenztem Gewicht… Insbesondere gilt der strenge Stilleschutz nur an einem Tag im Jahr… Die durch das Gesetz angeordneten Unterlassungspflichten zeitigen keinerlei inhaltlich orientierte Befolgungspflichten und verlangen den Einzelnen keine innere Haltung ab. Bindend sind lediglich die äußeren Handlungsverbote, die der Staat zum Zwecke des Feiertagsschutzes erlässt.
dd) Einer besonderen Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit bedarf § 5 FTG, wonach für den Karfreitag keine Befreiung von dem Stilleschutz des § 3 FTG gewährt werden kann. Hierzu könnte in Fortsetzung der vorstehenden Überlegungen die Auffassung vertreten werden, dass der grundsätzlich berechtigte strenge Stilleschutz für den Karfreitag auch dazu führen darf, dass an diesem Tag der Schutz ausnahmslos stattfindet. Jedoch hätte das für Veranstaltungen, die - wie die des B - wegen des weltanschaulichen Bezugs gerade am Karfreitag stattfinden sollen, zur Folge, dass sie überhaupt nicht stattfinden können. Ob Art. 140 GG, 139 WRV ein so hohes Gewicht haben, ist zweifelhaft und wird von BVerfG [88-94] verneint: Solche Konstellationen sind als Wirkungen des Karfreitagsschutzes spezifische Ausnahmen….Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, ist durch eine Abwägung im Einzelfall ein schonender Ausgleich zu suchen, der möglichst alle Interessen zur Geltung bringt. Maßgeblich hierfür ist, in welchem Umfang die Veranstaltung zu konkreten Beeinträchtigungen führt. Hierfür muss der Gesetzgeber einen Ausnahmetatbestand vorsehen, der es ermöglicht, Befreiungen von den Unterlassungspflichten des § 3 FTG zu erteilen.
[95] Anders als für den Schutz der sonstigen stillen Tage schließt §. 5 Halbsatz 2 FTG eine Befreiung für den Karfreitag ausdrücklich aus. Das lässt sich in dieser Strenge für Fallgestaltungen, bei denen die Voraussetzungen des Verbots nach § 3 FTG und damit der Schutz des Feiertages mit den Gewährleistungen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit anderer zusammentreffen, nicht mehr als angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlichen Positionen begreifen. Der strikte Befreiungsausschluss des § 5 Halbsatz 2 FTG ist deshalb mit den grundrechtlichen Verbürgungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unvereinbar. Er ist verfassungswidrig und nichtig. (Damit hat das BVerfG die Rechtslage in Bayern der in anderen Ländern angepasst, in denen - wie in NRW - die Befreiungsmöglichkeit auch für Veranstaltungen am Karfreitag besteht.)
d) Für die Rechtsanwendungsebene hat die Nichtigkeit des § 5 HS 2 FTG zur Folge, dass im Fall des B eine Befreiung gemäß § 5 HS 1 hätte geprüft werden müssen, was aber - aus der damaligen Sicht der S verständlicherweise - nicht geschehen ist. Der ohne Prüfung einer Befreiung ergangene Verbotsbescheid und das ihn billigende Urteil des OVG waren objektiv rechtswidrig. Der darin liegende Grundrechtseingriff ist nicht gerechtfertigt. B ist in seinem Grundrecht aus Art. 4 I, II GG verletzt.
II. Der Bescheid der S und das Urteil des OVG könnten das Grundrecht des B auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 I GG) verletzen.
1. Ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts hat zur Voraussetzung, dass die Heidenspaß-Party eine Versammlung war. Eine Versammlung ist das Zusammenkommen einer Mehrzahl von Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. BVerfG [110-118]:
a) Der Schutz des Art. 8 GG ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen. Allerdings…muss die Zusammenkunft gerade auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sein (vgl. BVerfGE 104, 92, 104; st. Rspr). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen ebenso wenig in den Schutzbereich wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen und die als eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind.
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob eine derart gemischte Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist.
b) Im vorliegenden Fall war die untersagte Teilveranstaltung in ein Gesamtkonzept eingebettet, das gewichtige Elemente der Meinungskundgabe enthielt… Allerdings sind die zunächst starken Elemente der Meinungskundgabe im Hinblick auf die am Ende der Gesamtveranstaltung geplante und untersagte „Heidenspaß-Party“ nicht mehr eindeutig. In der Veranstaltungsankündigung heißt es: „Und damit alle richtig in Stimmung kommen, gibt es anschließend einen Freigeister-Tanz mit der Rock-Band ,Heilig‘. Mit Live-Musik feiern wir fröhlich an einem Tag, an dem allen Bürger/Innen dieser Republik das öffentliche Tanzen aus christlichen Gründen untersagt ist.“ Einerseits wird aus dieser Formulierung ansatzweise deutlich, dass auch mit der Party ein Kontrastpunkt zum christlichen Glauben und zum gesetzlichen besonderen Ruheschutz gesetzt werden sollte. Anderseits ist hier jedoch unübersehbar, dass „fröhlich gefeiert“ werden sollte… Unter diesen besonderen Umständen und unter Berücksichtigung des einheitlichen Veranstaltungskonzepts lässt sich die Veranstaltung in ihrer Gesamtheit vorliegend noch als Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG qualifizieren. Folglich enthielt das Verbot einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit.
2. Eine Rechtfertigung ist nicht über Art. 8 II GG möglich, weil es sich nicht um eine Versammlung unter freiem Himmel handelt. Also kommt auch hier eine verfassungsimmanente Schranke in Betracht, konkretisiert durch ein verfassungsmäßiges Gesetz.
a) Auf der Suche nach einem Gesetz kann davon ausgegangen werden, dass im Lande L ein Versammlungsgesetz mit dem Inhalt des § 5 BVersG gilt. Jedoch greift keiner der dort geregelten Verbotsfälle ein. Also ist auch hier wieder auf § 3 FTG abzustellen. Grundsätzlich ist diese Vorschrift verfassungsmäßig (oben B I 2 bis c) cc).
b) Jedoch ist die Durchführung der hier geplanten Versammlung nur am Karfreitag möglich, was eine besondere Beurteilung erfordert. BVerfG [91] Das Verbot stößt hier nicht allein auf ein schlichtes wirtschaftliches Erwerbsinteresse oder allein auf ein Vergnügungs- und Erholungsinteresse von Veranstaltern, Künstlern und potenziellen Besuchern, sondern betrifft wegen der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit als wesentliches Element „demokratischer Offenheit“ (vgl. BVerfGE 69, 315, 346) die Teilhabe am öffentlichen Meinungsbildungsprozess und damit eine ihrerseits für das Gemeinwesen gewichtige grundrechtliche Gewährleistung. Ebenso wie bei Art. 4 GG - und im selben Zusammenhang damit - hält BVerfG [88-95] es für erforderlich, dass in einem Ausnahmefall wie dem des B eine Befreiung auch zum Schutze der Versammlungsfreiheit möglich sein muss. Da sie aber durch § 5 HS 2 FTG ausdrücklich ausgeschlossen wird, ist § 5 HS 2 FTG auch wegen Verletzung des Art. 8 I GG verfassungswidrig und nichtig. Der ohne Entscheidung über die mögliche Befreiung ergangene Bescheid der Stadt S und das ihn bestätigende OVG-Urteil verletzen auch Art. 8 I GG.
III. Da durch den Verbotsbescheid auch die Musikdarbietung der Band „Heilig“ untersagt wurde, könnte das Grundrecht auf Kunstfreiheit (Art. 5 III GG) verletzt sein.
1. Grundsätzlich ist dieses Grundrecht neben den Art. 4, 8 GG anwendbar. Im Hinblick auf Art. 4 und 8 GG führt BVerfG [121] aus: Sind in der hier gegebenen Fallgestaltung, in der eine Weltanschauungsgemeinschaft in einer öffentlichen Veranstaltung für ihre Weltanschauung wirbt, sowohl das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als auch die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG berührt, stehen beide Grundrechte in Idealkonkurrenz. Das gilt grundsätzlich auch für das Verhältnis des Art. 5 III GG zu Art. 4, 8 GG.
2. Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass die Musik Bestandteil der weltanschaulich geprägten Versammlung ist und keine eigenständige Bedeutung hat. Sie wird dadurch erfasst und geschützt, dass die gesamte Veranstaltung einschließlich der Musik unter Art. 4, 8 GG fällt und ihr Verbot für verfassungswidrig erklärt wird. Für eine zusätzliche selbstständige Behandlung der Musik als künstlerische Darbietung i. S. des Art. 5 III GG besteht deshalb kein Bedarf.
3. Würde anders entschieden und Art. 5 III GG angewendet, wäre das Grundrecht nicht verletzt. Der Verfassungswert aus Art. 140 GG, 139 WRV ist vorrangig und das Interesse des B und der Band Heilig an der Musikdarbietung nachrangig. Denn anders als bei Art. 4 GG und Art. 8 GG kann die geplante Musik auch an anderen Tagen gespielt werden und ist nicht an eine Aufführung gerade am Freitag gebunden. Art. 5 III GG ist nicht verletzt.
IV. Die Verletzung der Art. 4 und 8 GG führt nur dann zur Aufhebung des Bescheids der S und des OVG-Urteils, wenn diese Hoheitsakte auf dem Grundrechtsverstoß beruhen (vgl. BVerfG [55]). Im vorliegenden Fall wäre das zu verneinen, wenn eine Befreiung selbst bei Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 5 HS 1 FTG hätte abgelehnt werden können. Das ist jedoch nicht der Fall, BVerfG [120] Das in Art. 5 FTG eröffnete Befreiungsermessen wäre - von der Nichtigkeit des Befreiungsausschlusses für den Karfreitag ausgehend - im vorliegenden Fall auf Null reduziert gewesen. Die Veranstaltung fand in einem geschlossenen Raum mit überschaubarer Teilnehmerzahl statt und sollte auch in ihrem zweiten Teil dort abgehalten werden… Angesichts ihres thematischen Bezuges zum Karfreitag kam es maßgeblich darauf an, die Veranstaltung gerade an diesem Tag abzuhalten. Das Gewicht der Grundrechte des Bf. und der vergleichsweise geringere Einfluss auf den besonderen äußeren Ruheschutz des Karfreitags führen unter den hier gegebenen Bedingungen dazu, dass bei verfassungskonformem Verständnis vom Vorliegen wichtiger Gründe für eine Befreiung im Sinne des Art. 5 FTG ausgegangen werden musste. Somit beruhten die angegriffenen Hoheitsakte auf den Grundrechtsverletzungen.
C. Eine VfB wäre folglich zulässig und begründet und hätte Erfolg. § 95 III 2 BVerfGG verpflichtet das BVerfG in solchem Fall, § 5 HS 2 FTG für nichtig zu erklären. Weiterhin ist nach § 95 II 1 BVerfGG das Urteil des OVG aufzuheben. Eine Aufhebung des Bescheids der S ist nicht nötig, weil sich dieser durch Zeitablauf erledigt hat. Das Verfahren wird an das OVG zurückverwiesen. Dieses wird feststellen, dass der den Karfreitag 2016 betreffende Verbotsbescheid rechtswidrig war und B in seinen Rechten verletzte (§ 113 I 4 VwGO analog). In künftigen Fällen wird B eine Befreiung beantragen und sie erhalten. (Besprechung des Falles von Sachs JuS 2017, 374.)
Zusammenfassung