Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I, 1 I GG. Unterlassungsklage und Unterlassungsanspruch bei nicht gerechtfertigtem Eingriff. Eingriff durch anlasslose Videoüberwachung der Polizei. Rechtfertigung der Videoüberwachung durch § 15 a PolG NRW. Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern für die Gefahrenabwehr durch Verhütung von Straftaten, für die Gefahrenvorsorge, für die Strafverfolgung und die Strafverfolgungsvorsorge, Art. 70 I, 74 I Nr. 1 (gerichtliches Verfahren), 72 I GG; Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung

BVerwG
Urteil vom 25. 1. 2012 (6 C 9.11) BVerwGE 141, 329

Fall
(Videoüberwachung der Reeperbahn)

In der in Nordrhein-Westfalen gelegenen Großstadt S gibt es die Reeperstraße, die teilweise unübersichtlich ist und auf der über längere Zeit überdurchschnittlich viele, allerdings meist kleinere Straftaten begangen wurden; sie gilt als Kriminalitätsbrennpunkt. Zur Bekämpfung der Straftaten hat die zum Polizeipräsidium gehörende Polizeieinsatzzentrale (PEZ) auf der Reeperstraße - deutlich sichtbar - Videokameras aufgestellt. Diese kön­nen um 360° ge­schwenkt und va­ria­bel ge­neigt wer­den, ver­fü­gen über eine Zoom­funk­ti­on und werden in der PEZ ge­steu­ert. Dort können die Bil­der auf eine Mo­ni­tor­wand über­tra­gen werden, die aus 12 Bildschir­men für die ein­zel­nen Ka­me­ra­stand­or­te und einem grö­ße­ren, mit­tig an­ge­ord­ne­ten Bild­schirm be­steht, auf dem je­weils ein Ka­me­ra­bild als Groß­bild auf­ge­schal­tet wer­den kann. Die Vi­deo­bil­der wur­den bisher durch Mit­ar­bei­ter der PEZ täg­lich 24 Stun­den lang über­wacht und können gespeichert werden.

Frau F ist Mieterin im Hause Reeperstraße 15a, zweites Obergeschoss. Eine der Ka­me­ras wurde gegen­über die­sem Ge­bäu­de an einem Pfahl auf dem Mit­tel­strei­fen der Ree­perstraße in un­ge­fähr 4 m Höhe be­fes­tigt und kann in ihrem Schwenk­be­reich auch die von F be­wohn­ten Räume erfassen. F hat sich an das Polizeipräsidium gewandt und verlangt, Vi­deo­auf­nah­men der Fens­ter ihrer Woh­nung zu unterlassen. In einem ablehnenden Schreiben hat die Polizei erklärt, zum Schutz privater Bereiche gebe es die Möglichkeit, die Bilder zu verpixeln. Vor allem verweist sie darauf, dass die Kriminalität derzeit nachgelassen hat, so dass die anlasslose Dauerüberwachung eingestellt werden konnte. Die Kameras sollen nur dann wieder in Betrieb genommen werden, wenn wieder mit mehr Straftaten zu rechnen ist. Durch diese Entwicklung habe sich das Anliegen der F erledigt.

F hat sich davon überzeugt, dass die Kameras abgeschaltet und nach unten gerichtet wurden. Sie hält aber daran fest, der Polizei Videoaufnahmen, die ihre Wohnung erfassen, untersagen zu lassen. Die Aufnahmen seien ein Eingriff in ihre Grundrechte. Eine bundesrechtliche Rechtfertigung gebe es dafür nicht. Dem Landesgesetzgeber fehle es für eine Regelung, die sich gegen Straftaten richte, an der Gesetzgebungszuständigkeit. Hätte eine verwaltungsgerichtliche Klage der F Aussicht auf Erfolg ?

A. Eine verwaltungsgerichtliche Klage müsste zulässig sein.

I. Der Verwaltungsrechtsweg könnte nach § 40 I VwGO eröffnet sein.

1. Die Klage der F führt zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. F wendet sich gegen Maßnahmen der Polizei, die nur auf öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage gestützt werden können. Streitentscheidende Norm kann insbesondere § 15 a PolG NRW sein.

2. Eine abdrängende Sonderzuweisung nach § 23 I 1 EGGVG an die ordentlichen Gerichte greift nicht ein. Hierfür müsste es sich um die Maßnahme einer Justizbehörde auf dem Gebiet der Strafrechtspflege handeln. Die offene Videoüberwachung soll Straftäter abschrecken und der Polizei ein rechtzeitiges Eingreifen ermöglichen, dient also der präventiven Verhütung von Straftaten. In diesem Bereich wird die Polizei nicht als Justizbehörde, sondern als Verwaltungsbehörde tätig. Soweit die Videoüberwachung - worauf noch einzugehen ist - auch der Strafverfolgung dient, liegt eine sog. doppelfunktionale Maßnahme vor. Bei ihr kann der Rechtsweg nach dem Schwerpunkt der Maßnahme bestimmt werden (BVerwGE 47, 255, 265). Die offene Videoüberwachung dient nach ihrem Schwerpunkt der Verhütung von Straftaten (Siegel NVwZ 2012, 740 m. Nachw. Fn. 40), was zur Bejahung des Verwaltungsrechtswegs führt. Nach OVG Münster NWVBl 2012, 364 (LS 1) ist der Verwaltungsrechtsweg bereits dann eröffnet, wenn zumindest auch eine präventivpolizeiliche Ermächtigung in Betracht kommt. Das ist bei der hier angegriffenen Videoüberwachung der Fall, weil als Ermächtigung § 15 a PolG NRW eine mögliche Ermächtigungsgrundlage ist. Somit wird § 40 I VwGO nicht durch § 23 EGGVG verdrängt.

II. Es ist die statthafte Klageart zu bestimmen.

1. F wendet sich gegen den Betrieb der Videokamera. Dieser zielt nicht auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen, enthält also keine Regelung i. S. des § 35, 1 VwVfG. Folglich wendet sich F nicht gegen einen Verwaltungsakt, die zu erhebende Klage ist keine Anfechtungsklage i. S. des § 42 I VwGO.

2. F wendet sich vielmehr gegen ein faktisches Handeln (Realhandeln, schlichtes Verwaltungshandeln) der Polizei. Die hiergegen gerichtete Klage ist eine (allgemeine) Leistungsklage, im vorliegenden Fall in der Form der Unterlassungsklage. Im Originalfall hatte F beantragt (BVerwG [10]), die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Vi­deo­über­wa­chung des öf­fent­li­chen Straßenraums durch die auf dem Mit­tel­strei­fen der Ree­per­bahn in Höhe des Hau­ses ... an­ge­brach­te Video­ka­me­ra zu un­ter­las­sen. Dieser Antrag dürfte aber zu weit gehen. Entsprechend dem im Sachverhalt wiedergegebenen Begehren der F hat diese den Antrag zu stellen, der Polizei Videoaufnahmen zu untersagen, die ihre Wohnung erfassen.

III. Auf die allgemeine Leistungsklage ist, jedenfalls wenn sie auf Abwehr eines Verwaltungshandelns gerichtet ist, § 42 II VwGO analog anzuwenden. F kann geltend machen, durch den Betrieb der Kamera vor ihrer Wohnung in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG) verletzt zu werden. Ihr steht die Klagebefugnis zu.

IV. Eine Klage, für die kein Rechtsschutzinteresse besteht, ist unzulässig. Das Rechtsschutzinteresse der F könnte dadurch weggefallen sein, dass sich ihr Unterlassungsbegehren infolge der Abschaltung der Kamera erledigt hat.

1. BVerwG [18]: Die Haupt­sa­che des Rechts­streits hat sich ob­jek­tiv er­le­digt, wenn der Klä­ger in­fol­ge eines nach­träg­lich ein­ge­tre­te­nen Er­eig­nis­ses sein Kla­ge­be­geh­ren nicht mehr mit Aus­sicht auf Er­folg weiter­ver­fol­gen kann, sei­nem Kla­ge­be­geh­ren viel­mehr recht­lich oder tat­säch­lich die Grund­la­ge ent­zo­gen wor­den ist. Es muss eine Lage ein­ge­tre­ten sein, die eine Ent­schei­dung über sei­nen Kla­ge­an­spruch erübrigt oder aus­schließt. Das ist der Fall, wenn das Rechts­schutz­ziel in dem Pro­zess nicht mehr zu erlan­gen ist, weil es ent­we­der au­ßer­halb des Pro­zes­ses be­reits er­reicht ist oder über­haupt nicht mehr erreicht wer­den kann (…).

2. BVerwG [19]: Die Klä­ge­rin hat ihr Rechts­schutz­ziel - was hier al­lein in Be­tracht kommt - nicht bereits er­reicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tat­säch­li­chen oder recht­li­chen Grün­den die be­an­stan­de­te Video­über­wa­chung des öf­fent­li­chen Stra­ßen­raums durch die in­mit­ten ste­hen­de Vi­deo­ka­me­ra ausgeschlos­sen wäre. Tat­säch­lich wäre dies der Fall, wenn die Vi­deo­ka­me­ra ab­ge­baut würde; recht­lich wäre dies der Fall, wenn die Be­klag­te sich ge­gen­über der Klä­ge­rin in recht­lich ver­bind­li­cher Weise verpflich­tet hätte, die Vi­deo­ka­me­ra nicht mehr für die strei­ti­ge Maß­nah­me…ein­zu­set­zen. Die bloße Mittei­lung über die rein fak­ti­sche Abschaltung der Vi­deo­ka­me­ra ge­nügt hin­ge­gen nicht… Je­den­falls solan­ge eine Wie­der­ho­lungs­ge­fahr…noch ge­ge­ben ist, er­le­digt sich die Unterlassungs­kla­ge nicht in der Hauptsache. Die Klage der F richtet sich also nach wie vor gegen eine auch anlasslos vorgenommene Videobeobachtung ihrer Wohnung.

BVerwG [15]: Die Klage ist…zu­läs­sig. Das mit ihr ver­folg­te Unterlassungsbegehren hat sich nicht in der Hauptsache mit der Folge er­le­digt, dass das Rechtsschutzin­ter­es­se der Klä­ge­rin ent­fal­len wäre.

V. Zu richten ist die Klage gegen das Land NRW als juristische Person (§ 61 Nr. 1 VwGO), deren Behörde Polizeipräsidium (§§ 1, 2 I Nr. 1 POG) die Videokamera aufgestellt hat und über sie verfügt.

B. Begründet ist eine auf Unterlassung gerichtete Leistungsklage, wenn der F ein Unterlassungsanspruch gegen das durch die Polizei handelnde Land zusteht.

I. Für einen Unterlassungsanspruch bedarf es - ebenso wie bei § 1004 I 2 BGB - der Gefahr weiterer beeinträchtigender Maßnahmen, also einer Wiederholungsgefahr. Üblicherweise wird diese Voraussetzung erst nach der Bejahung eines rechtswidrigen Eingriffs geprüft. Hier soll aber dem BVerwG gefolgt werden, das diese Voraussetzung als erste prüft. BVerwG [21]: Die für den Unterlassungs­an­spruch erfor­der­li­che Wiederholungs­ge­fahr (…) liegt vor. Dass wei­te­re Ein­grif­fe dro­hen, kann ohne wei­te­res ange­nom­men wer­den, wenn be­reits eine Be­ein­träch­ti­gung statt­ge­fun­den hat. Im Regel­fall wird die Behör­de ihre Maßnah­me für recht­mä­ßig hal­ten und kei­nen An­lass sehen, von ihr Abstand zu neh­men. Sie wird sie in der Zu­kunft auf­recht­er­hal­ten und in die­sem Sinne wie­der­ho­len wollen (…). Im vorliegenden Fall hat die Be­klag­te die an­lass­lo­se of­fe­ne Über­wa­chung der Ree­per­bahn und insbesonde­re des Ab­schnit­tes vor der Woh­nung der Klä­ge­rin nicht etwa deshalb auf­ge­ge­ben, weil sie sich deren Rechts­stand­punkt zu eigen ge­macht hätte, son­dern weil sie den damit ver­bun­de­nen Aufwand nicht mehr für ge­recht­fer­tigt ge­hal­ten hat. Aus der Sicht der Klä­ge­rin kann somit nicht ausgeschlos­sen wer­den, dass die Be­klag­te ihre Rechtsan­sicht ein­mal wie­der än­dern könn­te und sie dann ohne gerichtliche Ent­schei­dung dem rechtlichen Ein­griff er­neut aus­ge­setzt wäre.

II. Erforderlich ist eine Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch der F. In Betracht kommt - analog dem (Folgen-)Beseitigungsanspruch - ein verwaltungsrechtlicher Unterlassungsanspruch; dessen wesentliche Voraussetzung wäre ein nicht gerechtfertigter Eingriff in ein (Grund-)Recht der F. Anstelle dessen könnte der Anspruch unmittelbar aus der Abwehrfunktion eines Grundrechts hergeleitet werden. Das BVerwG stellt unmittelbar auf Grundrechte ab. [22]: Als Rechts­grund­la­ge für ihren Unterlassungsanspruch kom­men die Grund­rech­te der Klä­ge­rin aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG in Be­tracht. Die Grund­rech­te schüt­zen den Bür­ger vor rechts­wid­ri­gen Be­ein­träch­ti­gun­gen jeder Art, auch sol­chen durch schlich­tes Ver­wal­tungs­han­deln (Ver­wal­tungs­re­alakt). In­fol­ge­des­sen kann der Bür­ger, wenn ihm - wie dies hier von der Klä­ge­rin gel­tend ge­macht wird - eine der­ar­ti­ge Rechtsverletzung droht, un­mit­tel­bar ge­stützt auf das je­weils be­rühr­te Grund­recht Un­ter­las­sung verlan­gen… (BVerw­GE 44, 235, 243; NJW 1985, 1481 und BVerw­GE 71, 183, 189, 199).

III. Für eine Verletzung des Grundrechts der F auf informationelle Selbstbestimmung müsste ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vorliegen.

1. BVerwG [23]: Den Schutz­be­reich des Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung be­rührt auch die be­ob­ach­ten­de und ob­ser­vie­ren­de Tä­tig­keit der Po­li­zei (BVerfGE 115, 320, 342, Ras­ter­fahn­dung). Das gilt nicht nur für die An­fer­ti­gung von Bild­auf­nah­men im Stra­ßen­ver­kehr (BVerfGE 120, 378, 397 ff., KFZ-Kenn­zei­chen-Er­fas­sung; BVerfG DVBl 2009, 1237, Ver­kehrs­über­wa­chung…), son­dern auch für eine offene Vi­deo­über­wa­chung des öf­fent­li­chen Raums (BVerfG DVBl 2007, 497, Vi­deo­über­wa­chung).

Im vorliegenden Fall kann durch die installierte Kamera die Fensterfront der Wohnung der F erfasst werden, die bereits zur Privatsphäre gehört. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kamera durch die Wohnungsfenster hindurch auch in das Innere der Wohnung hinein blickt, was noch stärker zum geschützten Privatbereich gehört. Die damit erfassten Informationen sind personenbezogen und unterliegen dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung, so dass der vorliegende Vorgang unter den Schutzbereich dieses Grundrechts fällt.

2. Bei der Frage, welche Maßnahmen Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung sind,ist zunächst von der hier vorliegenden offenen Videoüberwachung auszugehen. Unstreitig dürfte sein, dass die Beobachtung mit anschließender Speicherung ein Eingriff ist. BVerwG [24]: Auf der Grundla­ge die­ser Recht­spre­chung greift die Vi­deo­über­wa­chung je­den­falls in­so­weit in das Recht der Kläge­rin auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ein, als sie mit­tels Bild­auf­zeich­nung…er­folgt. Ob die Beobachtung ohne Aufzeichnung (von BVerwG [26] als „Ka­me­ra-Mo­ni­tor-Prin­zip“ bezeichnet) ein Eingriff ist, wurde vom BVerfG noch nicht entschieden und wird auch vom BVerwG offen gelassen. Nach Siegel NVwZ 2012, 739 und Waldhoff JuS 2013, 95 (jeweils m. Nachw.) ist es inzwischen h. M., dass auch die Videobeobachtung ohne Speicherung ein Eingriff ist. Folglich sind im vorliegenden Fall sowohl die Beobachtung als auch die mögliche Speicherung Eingriffe.

Wenn bereits die offene Videobeobachtung ein Eingriff ist, ist es die verdeckte Videoüberwachung erst recht (Siegel NVwZ 2012, 739). Nach Siegel a. a. O. enthält auch die Scheinvideoüberwachung durch eine Kameraattrappe einen Eingriff.

IV. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein.

1. BVerwG [27]: Das Grund­recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung wird nicht schran­ken­los gewährleis­tet. Be­schrän­kun­gen be­dür­fen aber einer ver­fas­sungs­mä­ßi­gen ge­setz­li­chen Grund­la­ge, die dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Gebot der Nor­men­klar­heit und dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit entspre­chen muss (BVerfGE 65, 1, 44, Volks­zäh­lung). Dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in dieser Weise einschränkbar ist, folgt daraus, dass seine wesentliche Grundlage das in Art. 2 I GG geschützte Persönlichkeitsrecht ist und dass dieses unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung steht, die als verfassungsmäßige Rechtsordnung verstanden wird und jede verfassungsmäßige Rechtsnorm umfasst.

2. Eine solche Rechtsnorm, die eine Ermächtigungsgrundlage für die hier möglichen Maßnahmen enthält, könnte sich aus Bundesrecht ergeben.

a) In der StPO ist die Videoüberwachung als Beweismittel in § 100 h (Herstellung von Bildaufnahmen) und in 163 f (längerfristige Observation) geregelt. Nach § 81 b dürfen Lichtbilder einer Person aufgenommen werden. Diese Maßnahmen müssen sich aber gegen einen Beschuldigten richten oder zur Überführung eines Täters vorgenommen werden. Es muss also mindestens der Anfangsverdacht für eine konkrete Straftat vorliegen. Gegen Dritte dürfen sich die Maßnahmen nur richten, wenn diese unvermeidbar mit betroffen werden (§§ 100 h III, 163 f II). Die Videoüberwachung durch die Kameras der Polizei in S wird anlasslos, ohne Vorliegen einer konkreten Straftat vorgenommen. Sie lässt sich deshalb nicht auf Vorschriften der StPO stützen.

b) Nach § 12 a des in NRW noch geltenden (Bundes-)Versammlungsgesetzes darf die Polizei bei öffentlichen Versammlungen Bildaufnahmen von Personen anfertigen, von denen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Bei der hier vorgenommenen anlasslosen Überwachung werden nicht nur Versammlungen erfasst, die Überwachung erfolgt also gerade ohne die in § 12 a VersG genannten Voraussetzungen. § 12 a VersG ist deshalb ebenfalls keine geeignete Ermächtigungsgrundlage. (Aus demselben Grund scheidet auch § 15 PolG NRW aus.)

3. Ermächtigungsgrundlage könnte § 15 a I 1 PolG NRW sein. Danach darf die Polizei zur Verhütung von Straftaten einzelne öffentlich zugängliche Orte, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt, mittels Bildübertragung beobachten und die übertragenen Bilder aufzeichnen, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden. Nach Satz 2 erfolgt die Videobeobachtung offen.

a) Diese Vorschrift ist keine rechtswirksame Ermächtigungsgrundlage, wenn sie - wie F geltend macht - verfassungswidrig ist.

(1) Um verfassungsmäßig zu sein, müsste dem Land die Gesetzgebungszuständigkeit zu ihrem Erlass zugestanden haben. Nach Art. 70 I GG haben die Länder die grundsätzliche Gesetzgebungszuständigkeit. Diese entfällt aber, wenn der Bund zuständig ist. Unter eines der Sachgebiete der ausschließlichen Bundeskompetenz (Art. 73 GG) fällt die hier vorgenommene Videoüberwachung nicht. Es könnte aber ein Sachgebiet der konkurrierenden Gesetzgebung eingreifen. Dann ist das Land zwar ebenfalls grundsätzlich zuständig. Seine Zuständigkeit ist aber ausgeschlossen, soweit der Bund in verfassungsmäßiger Weise von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 I, II GG).

aa) Die Abwehr von Gefahren, die nicht im Zusammenhang mit einer bundesrechtlich geregelten Materie (wie z. B. des Gewerberechts, Art. 74 I Nr. 11 GG) stehen, fällt unter keines der Sachgebiete des Art. 74 I GG. Für das allgemeine Ordnungs- und Polizeirecht mit dem Ziel der Gefahrenabwehr liegt deshalb die Gesetzeskompetenz gemäß Art. 70 I GG ausschließlich beim Land. Ein wichtiger Anwendungsfall der Gefahrenabwehr ist die Verhütung von Straftaten (vgl. § 1 I 2 1. Fall PolG NRW). Diesem Zweck dient § 15 a PolG. BVerwG [30]: Die of­fe­n aus­ge­wie­se­ne Be­ob­ach­tung soll po­ten­ti­el­le Straf­tä­ter von vorn­her­ein von der Be­ge­hung einer Straf­tat abschre­cken und diese da­durch ver­hin­dern. Zur Ab­schre­ckung ge­hört die Bild­auf­zeich­nung. Sie er­höht die Ef­fek­ti­vi­tät der Ab­schre­ckung, weil der poten­ti­el­le Täter damit rech­nen muss, dass seine Tat aufgezeich­net wird und die Auf­zeich­nung nicht nur für seine Iden­ti­fi­zie­rung, son­dern auch als Beweismittel in einem Straf­ver­fah­ren zur Ver­fü­gung ste­hen wird. Die Be­ob­ach­tung er­mög­licht es zudem den damit be­trau­ten Be­am­ten, sich an­bah­nen­de Gefahrenla­gen, aus denen sich ty­pi­scher­wei­se Straftaten ent­wi­ckeln kön­nen, recht­zei­tig zu er­ken­nen und Be­am­te vor Ort ge­zielt ein­zu­set­zen.

Dagegen könnte eingewendet werden, vielfach werde es, wenn eine Videobeobachtung durchgeführt wird, an einer konkreten Gefahr fehlen. Der Gesetzgeber ist aber berechtigt, über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus auch Maßnahmen der Gefahrenvorsorge vorzusehen. BVerwG [29]: Zur Auf­ga­be der Ge­fah­ren­ab­wehr ge­hört auch die Ge­fah­ren­vor­sor­ge, bei der be­reits im Vor­feld kon­kre­ter Ge­fah­ren staat­li­che Ak­ti­vi­tä­ten ent­fal­tet wer­den, um die Ent­ste­hung von Ge­fah­ren zu ver­hin­dern bzw. eine wirk­sa­me Be­kämp­fung sich spä­ter rea­li­sie­ren­der, mo­men­tan aber noch nicht konkret dro­hen­der Ge­fah­ren zu er­mög­li­chen. Die Ge­fah­ren­vor­sor­ge um­fasst auch die Verhütung von noch nicht kon­kret dro­hen­den Straf­ta­ten (Schen­ke, Po­li­zei- und Ord­nungs­recht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10)… Nach der Rspr. des BVerfG liegt die Ver­hü­tung von Straf­ta­ten in der Gesetzgebungskom­pe­tenz der Län­der für die Gefahren­ab­wehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeit­raum vor dem Beginn einer konkre­ten Straf­tat vor­ge­se­hen wird… (BVerfGE 113, 348, 368).

§ 15 a PolG ist deshalb durch Art. 70 I GG kompetenzmäßig abgedeckt, soweit durch die Videobeobachtung Straftaten verhütet werden sollen.

bb) Die Verfolgung von Straftaten fällt unter das gerichtliche Verfahren i. S. des Art. 74 I Nr. 1 GG und ist vom Bund in der StPO und im GVG geregelt. Die anlasslose offene Videobeobachtung gehört im Wortsinne nicht zum gerichtlichen Verfahren. Für ihre Einordnung wurde der Begriff der Strafverfolgungsvorsorge gefunden. BVerwG [31, 32]: Die Videoüberwachung ist nicht auf die Ziele be­schränkt, Straf­ta­ten zu ver­hü­ten und deren Ab­wehr vor­zu­be­rei­ten, son­dern sie soll da­ne­ben auch der Vor­sor­ge für die Ver­fol­gung von Straf­ta­ten die­nen. Die­sem Ziel dient die Da­ten­spei­che­rung, also die Bild­auf­zeich­nung ein­schließ­lich der…Auf­be­wah­rung. Bei der Strafverfolgungsvor­sor­ge han­delt es sich um eine Ka­te­go­rie des Si­cher­heits­rechts, die von der Gefahrenvor­sor­ge eben­so wie von der Strafverfolgung zu un­ter­schei­den ist… Sie dient der zu­künf­ti­gen Durch­füh­rung der Straf­ver­fol­gung in Bezug auf mög­li­che spä­te­re bzw. spä­ter be­kannt wer­den­de Straf­ta­ten.

Die Videoüberwachung ist deshalb eine doppelfunktionale Maßnahme: der Straftatenverhütung und der Strafverfolgungsvorsorge (Waldhoff JuS 2013, 96). Dass § 15 a PolG NRW auch der Strafverfolgungsvorsorge dient, entspricht auch der Literatur: Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, 2011, § 15 a Anm. 1; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 10. Aufl. 2011, § 15 a Rdnr. 9.

BVerwG [33, 34]: Nach der Rspr. des BVerfG ist die Straf­ver­fol­gungs­vor­sor­ge kom­pe­tenz­mä­ßig dem „ge­richt­li­chen Ver­fah­ren“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu­zu­ord­nen, näm­lich der Sicherung von Be­weis­mit­teln für ein künf­ti­ges Straf­ver­fah­ren (BVerfGE 113, 348, 369; vgl. auch Schen­ke, a.a.O. § 2 Rn. 30)… Zwar fehlt es im Zeit­punkt der Über­wa­chungs­maß­nah­me, an­ders als bei der Strafver­fol­gung im her­kömm­li­chen Sinne, an einer bereits be­gan­ge­nen Straf­tat. Die Ver­fol­gungs­vor­sor­ge er­folgt in zeitlicher Hin­sicht prä­ven­tiv, be­trifft aber ge­gen­ständ­lich das re­pres­siv aus­ge­rich­te­te Strafverfah­ren. Die Daten wer­den zu dem Zweck der Verfolgung einer in der Zu­kunft mög­li­cher­wei­se verwirk­lich­ten konkreten Straf­tat und damit letzt­lich nur zur mög­li­chen Ver­wer­tung in einem künf­ti­gen Straf­ver­fah­ren erho­ben…. Es geht - jen­seits eines kon­kre­ten An­fangs­ver­dachts - um die Beweisbeschaf­fung zur Verwendung in künftigen Straf­ver­fah­ren, nicht um eine prä­ven­ti­ve Datenerhebung zur Ver­hü­tung von Straf­ta­ten… Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ent­hält keine Ein­schrän­kun­gen dahingehend, dass vorsorgen­de Maß­nah­men, die sich auf die Durch­füh­rung künf­ti­ger Straf­ver­fah­ren bezie­hen, von der Zuwei­sung zur kon­kur­rie­ren­den Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz nicht er­fasst sein sol­len (vgl. BVerfGE 103, 21,30). § 15 a PolG fällt somit für den Anwendungsbereich Strafverfolgungsvorsorge unter das gerichtliche Verfahren i. S. des Art. 74 I Nr. 1 GG (vgl. auch Waldhoff JuS 2013, 96). Unmittelbare Folge ist, dass der Bund diese Frage regeln könnte.

cc) Ein Ausschluss des Landes von der Gesetzgebungskompetenz hat aber weiter zur Voraussetzung, dass der Bund für diesen Bereich der Strafverfolgungsvorsorge von seiner konkurrierenden Kompetenz i. S. des Art. 72 I GG auch Gebrauch gemacht hat. Eine inhaltlich dem § 15 a PolG entsprechende Vorschrift gibt es im Bundesrecht nicht. BVerwG [35, 36]: Der Bund macht von sei­ner Kom­pe­tenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Re­ge­lung ge­trof­fen hat. Viel­mehr kann auch das absichts­vol­le Un­ter­las­sen eine Sperr­wir­kung für die Län­der er­zeu­gen (BVerfGE 32, 319, 327; 98, 265, 300)… Ein absichtsvolles Unterlassen liegt vor bei der abschließenden Regelung eines Sachgebiets (sog. Ko­di­fi­ka­ti­ons­prin­zip). Das Kodifikationsprinzip gilt nach § 6 StPO nur für die Strafverfolgung nach Vorliegen eines Anfangsverdachts i. S. des § 152 II StPO. Auf die Strafverfolgungsvorsorge erstreckt es sich nicht. Für diese hat der Bundesgesetzgeber nur einzelne Regelungen getroffen, z.B. in § 81 b Alt. 2 StPO, § 81 g StPO und § 484 StPO. Der Bun­des­ge­setz­ge­ber hat aber keine all­ge­mei­ne abschließen­de Re­ge­lung hinsichtlich der Straf­ver­fol­gungs­vor­sor­ge ge­trof­fen. So be­stimmt denn auch § 484 Abs. 4 StPO aus­drück­lich, dass sich die Ver­wen­dung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten, die für Zwe­cke künf­ti­ger Strafverfahren in Da­tei­en der Po­li­zei ge­spei­chert sind oder wer­den, grund­sätz­lich nach den Polizeigesetzen rich­tet…

Zwar berührt nach BVerwG [37] die polizeirechtliche Regelung der Videoüberwachung den Regelungs­be­reich des § 81 b Alt. 2 StPO, der die Auf­nah­me von Licht­bil­dern eines Be­schul­dig­ten für Zwe­cke künf­ti­ger Straf­ver­fol­gung er­mög­licht. § 81 b Alt. 2 StPO re­gelt aber nicht ab­schlie­ßend, unter welchen Vor­aus­set­zun­gen Bil­der für Zwe­cke künf­ti­ger Straf­ver­fol­gung an­ge­fer­tigt wer­den dür­fen… Dassel­be gilt mit Blick auf § 100 h und § 163 f StPO. Bei der Ob­ser­va­ti­on nach die­sen Be­stim­mun­gen han­delt es sich um eine ver­deck­te, auf be­stimm­te Ziel­per­so­nen fo­kus­sier­te Er­mitt­lungs­maß­nah­me, die im Hin­blick auf ihr äu­ße­res Ge­prä­ge, ihren Ein­satz­zweck und die grund­recht­li­che Be­trof­fen­heit der observier­ten Per­son be­deut­sa­me Un­ter­schie­de zur of­fe­nen Be­ob­ach­tung von Kriminalitätsschwerpunkten mit­tels Bild­über­tra­gung und -auf­zeich­nung auf­weist.

Folglich fällt § 15 a PolG, auch soweit danach eine Videoaufzeichnung zum Zweck der Strafverfolgungsvorsorge möglich ist, unter die Gesetzgebungskompetenz des Landes NRW (Art. 70 I GG). § 15 a PolG ist formell verfassungsmäßig.

(2) § 15 a PolG ist hinreichend bestimmt gefasst. Insbesondere lässt sich die Frage, ob ein Kriminalitätsbrennpunkt im Sinne des § 15 a I 1 gegeben ist, anhand der Statistik und durch Augenschein vor Ort feststellen. (Vgl. auch BVerwG [39 - 41])

(3) Die Regelung des § 15 a PolG müsste auch verhältnismäßig sein (ausführlich zur Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung Siegel NVwZ 2012, 740/1). BVerwG [43 - 52]:

aa) Die an­lass­lo­se Vi­deo­über­wa­chung…dient einem le­gi­ti­men Zweck. Die damit be­ab­sich­tig­te Gefahren­vor­sor­ge dient dem Schutz von Per­so­nen und Sa­chen… Dass eine Vi­deo­über­wa­chung dazu ge­eig­net ist, die Ab­wehr dro­hen­der Straf­ta­ten der Stra­ßen­kri­mi­na­li­tät vor­zu­be­rei­ten, liegt…auf der Hand. Durch das auf­ge­zeich­ne­te und ge­spei­cher­te Bild­ma­te­ri­al kön­nen Straf­ta­ten er­kannt und ggf. Täter ermittelt wer­den. Durch die of­fe­ne Aus­ge­stal­tung der Über­wa­chungs­maß­nah­me kön­nen po­ten­ti­el­le Straftä­ter wirk­sam ab­ge­schreckt wer­den.

bb) Das ein­ge­setz­te Mit­tel ist auch er­for­der­lich. Ins­be­son­de­re ist ein mil­de­res, glei­cher­ma­ßen wirksames Mit­tel als die Vi­deo­über­wa­chung des öf­fent­li­chen Raums zur Ge­fah­ren­vor­sor­ge nicht ersichtlich. Der statt­des­sen er­wä­gens­wer­te grö­ße­re Per­so­nal­ein­satz der Po­li­zei trifft auf Finanzierungsgren­zen…

cc) Der vom Ge­setz­ge­ber er­mög­lich­te Ein­griff ist auch nicht un­ver­hält­nis­mä­ßig im en­ge­ren Sinn… Die an­lass­lo­se Über­wa­chung des öf­fent­li­chen Stra­ßen­raums stellt zwar einen er­heb­li­chen Grundrechtseingriff dar, ins­be­son­de­re für Men­schen, die aus per­sön­li­chen oder be­ruf­li­chen Grün­den gezwun­gen sind, sich die­ser Be­ob­ach­tung häu­fig aus­zu­set­zen. Der damit ver­folg­te Ge­set­zes­zweck der Gefah­ren­vor­sor­ge und der Straf­ver­fol­gungs­vor­sor­ge dient je­doch in eben­so gro­ßem Maße nicht nur dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se an der Si­cher­heit, son­dern auch dem In­di­vi­du­al­rechts­schutz, in­so­fern damit Eingriffe in hoch­wer­ti­ge Rechts­gü­ter wie Leben und kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit ab­ge­wehrt wer­den sol­len. Die engen Voraussetzungen des § 15 a I 1 sorgen dafür, dass die Videoüberwachung ein Ausnahmefall bleibt. Schließlich wird das Gewicht des Eingriffs dadurch gemildert, dass die Beobachtung offen erfolgt.

§ 15 a I PolG ist somit verfassungsmäßig und rechtswirksam.

b) Die konkreten Aktivitäten der Polizei, die sich auf F auswirken, müssten auch durch § 15 a I 1 PolG gedeckt sein. Die Reeperstraße war ein Ort, an dem wiederholt Straftaten begangen wurden. Dabei war nicht notwendig, dass es sich um Straftaten von erheblicher Bedeutung handelt (diese strengere Voraussetzung findet sich z. B. in § 17 I Nr. 2 PolG). Dass die Zahl der Straftaten derzeit zurückgegangen ist, ist ohne Bedeutung, weil sich die Polizei für den Fall ihrer Zunahme die Wiederaufnahme vorbehält und F ihr dies auch für einen solchen Fall untersagen lassen will. Da die Straße unübersichtlich ist, werden dadurch die Straftaten begünstigt. In dem Fall, in dem die Polizei die Videoüberwachung wieder aufnimmt, bildet die Reeperstraße einen Kriminalitätsbrennpunkt. In solchem Fall liegt auch die weitere Voraussetzung vor, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort weitere Straftaten begangen werden. Die Videoüberwachung insgesamt ist somit durch § 15 a PolG gerechtfertigt. Insoweit bestehen auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (§ 2 PolG).

c) Von der generellen Zulässigkeit der Videoüberwachung zu unterscheiden ist die Frage, ob die Kamera die Wohnung der F erfassen darf. Der Sachverhalt enthält keine Hinweise darauf, dass hierfür eine Notwendigkeit i. S. des § 2 PolG besteht. Das macht auch die Polizei nicht geltend. Vielmehr hat diese erklärt, zum Schutz privater Bereiche gebe es die Möglichkeit, die Bilder zu verpixeln. Dadurch kann zumindest verhindert werden, dass die Wohnung der F auf den Bildschirmen in der PEZ sichtbar und dass sie aufgezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine im Verhältnis zu F mildere Maßnahme, die die Wirkung der Videoüberwachung insgesamt aber nicht beeinträchtigt. Folglich ist der in der bildlichen Erfassung der Wohnung der F liegende Eingriff in deren informationelle Selbstbestimmung nicht gerechtfertigt. In diesem Sinne hatte auch das OVG Hamburg als Vorinstanz des BVerwG, das diese Frage nicht mehr zu entscheiden hatte, geurteilt (dazu auch Siegel NVwZ 2012, 741: „Der grundsätzlichen Untersagung der staatlichen Videoüberwachung von Privatgelände ist zuzustimmen“).

Ergebnis: F kann von der Polizei verlangen, dass im Falle der Wiederaufnahme der Videoüberwachung in der Reeperstraße die Wohnung der F nur mit der Einschränkung erfasst wird, dass die Sichtbarkeit der Wohnung als Folge der Videoüberwachung durch technische Mittel verhindert wird. Das Unterlassungsbegehren der F hat im Wesentlichen Erfolg.


Zusammenfassung