Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Gewerberecht; Aufstellen von Geldspielgeräten. ► Widerruf von Verwaltungsakten, § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG unmittelbar; analoge Anwendung bei Rechtswidrigkeit des VA. ► Rücknahme eines VA, § 48 I VwVfG. ► Nachholen der Begründung, § 45 I Nr. 2 VwVfG. ► Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage durch VG. ► Nachschieben von Gründen. ► Umdeutung eines VA, § 47 VwVfG
B VerwG Urteil vom 19. 9. 2018 (8 C 16/17) BeckRS 2018, 28295
Fall (Spielgeräte in Tankstelle)
K betreibt eine Tankstelle mit einem Tankstellenshop. An diesen angegliedert ist ein Bistrobereich, für den es kein eigenes Personal gibt, sondern der von der Kasse aus überwacht wird. Im Bistrobereich hat K zwei Geldspielgeräte aufgestellt. Nach § 33 c Abs. 3 der Gewerbeordnung (GewO) darf ein Gewerbetreibender ein Spielgerät, das mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet ist und die die Möglichkeit eines Gewinnes bietet, nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde bestätigt hat, dass der Aufstellungsort hierfür geeignet ist. K beantragte bei der zuständigen Gewerbebehörde B der Stadt S eine derartige Geeignetheitsbestätigung (künftig: Bestätigung). Am 1. 2. 2017 besichtigte Mitarbeiter M der Behörde den Betrieb und wies K darauf hin, dass die aufgrund des § 33 f GewO wirksam erlassene „ Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (SpielV)“ folgende Vorschriften enthält: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV dürfen Geldspielgeräte außerhalb von Spielhallen nur aufgestellt werden in Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, sowie in Beherbergungsbetrieben. Nicht zulässig ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV die Aufstellung in Betrieben, in denen die Verabreichung von Speisen oder Getränken nur eine untergeordnete Rolle spielt. M erklärte, danach sei im Betrieb des K eine Aufstellung von Spielgeräten nur zulässig, wenn K Tankstellenraum und Bistro deutlich trennt. Nachdem K zusagte, dass im Zuge des ohnehin kurzfristig geplanten Umbaus des Bistrobereichs eine Trennung erfolge, erteilte M dem K noch am 1. 2. 2017 die Bestätigung.
Nach mehrfachen Kontakten zwischen K und der B-Behörde führte Mitarbeiter M am 19. 4. 2018 eine Kontrolle durch und stellte fest, dass lediglich der Fußbodenbelag des Bistrobereichs erneuert wurde und sich von dem sonstigen Bodenbelag des Tankstellenraumes etwas abhob. Nachdem B dem K Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, von der K aber keinen Gebrauch machte, erließ B am 23. 7. 2018 einen Bescheid, in dem sie den Widerruf der Bestätigung vom 1. 2. 2017 erklärte. Zur Begründung führte sie aus, zwar sei die Bestätigung ursprünglich rechtmäßig gewesen, weil K glaubhaft eine Trennung von Tankstelle und Bistro zugesagt habe. Die Trennung sei aber nicht erfolgt, so dass nachträglich Tatsachen eingetreten seien, auf Grund derer die Bestätigung versagt werden müsse . Auch sei ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet, weil die verletzte Vorschrift des § 1 SpielV dem Spieler- und Jugendschutz diene. Bei der Abwägungsentscheidung werde dem Spieler- und Jugendschutz sowie dem Schutz rechtstreuer Wettbewerber Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse des K eingeräumt. B kündigte an, die Entfernung der Spielgeräte zu verlangen.
K hat gegen Bescheid vom 23. 7. 2018 form- und fristgerecht verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er beruft sich darauf, dass durch die zwei Spielgeräte niemand gefährdet werde. Die von B behauptete Tatsachenänderung liege nach ihrem eigenen Vortrag nicht vor. Auch habe M von Anfang an gewusst, dass Tankstelle und Bistro nicht getrennt seien, so dass ein Widerruf allenfalls innerhalb eines Jahres nach dem 1. 2. 2017 möglich gewesen sei. K macht auch geltend, dass er im Vertrauen auf die erhaltene Bestätigung Investitionen in den Bistrobereich vorgenommen habe, die schutzwürdig seien. Wie ist über die Klage - nach mündlicher Verhandlung - zu entscheiden?
Hinweise: Ein Widerspruchsverfahren ist nicht erforderlich. Das VwVfG des Landes hat bei den für den Fall relevanten Vorschriften denselben Inhalt wie das BVwVfG.
Lösung
A. Die verwaltungsgerichtliche Klage müsste zulässig sein.
I. Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 I VwGO) ist eröffnet, weil der angegriffene Bescheid vom 23. 7. 2018 dem Vollzug gewerberechtlicher Vorschriften dient und diese öffentlich-rechtlicher Natur sind, so dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.
II. Der für eine Anfechtungsklage als Klageart (§ 42 I VwGO) erforderliche Verwaltungsakt könnte der Bescheid vom 23. 7. 2018 sein, in dem die Bestätigung vom 1. 2. 2017 widerrufen wird. Der Widerruf einer Maßnahme ist ein VA, wenn die Maßnahme selbst ein VA war. Die Bestätigung nach § 33 c III GewO hebt dem Antragsteller gegenüber das dem § 33 c III GewO zugrunde liegende Verbot auf und enthält damit eine Regelung im Einzelfall, vergleichbar mit einer Erlaubnis; sie ist somit ein VA. Der Widerruf vom 23. 7. 2018 macht diese Regelung rückgängig, setzt das Verbot des § 33 c III GewO wieder in Kraft und bewirkt damit die für eine Einzelfallregelung erforderliche Rechtsfolge. Also ist auch der Widerruf ein VA, die Klage ist eine Anfechtungsklage.
III. Klagebefugt (§ 42 II VwGO) ist K, weil er geltend machen kann, in einem durch die Bestätigung begründeten Recht sowie in seinem Recht auf freie gewerbliche Betätigung (Art. 12 I GG) verletzt zu sein.
IV. Ein Widerspruch (§ 68 VwGO) ist nicht erforderlich. Die Klage wurde form- und fristgerecht erhoben. Sie ist zulässig.
B. Begründet ist die Anfechtungsklage, wenn der Widerruf vom 23. 7. 2018 rechtswidrig ist und K in einem Recht verletzt (§ 113 I 1 VwGO). Als belastender VA ist der Widerruf nur rechtmäßig, wenn eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden ist und die formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen.
I. Der Widerruf könnte in Anwendung des § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG rechtmäßig sein.
1. Dann müsste diese Vorschrift die anwendbare Ermächtigungsgrundlage sein. In Abgrenzung zum Absatz 1 des § 49 VwVfG muss ein begünstigender VA ergangen sein; das ist die Bestätigung vom 1. 2. 2017. Weitere Anwendbarkeitsvoraussetzung könnte in Abgrenzung zu § 48 VwVfG sein, dass die Bestätigung rechtmäßig war. Jedoch reicht es für die Anwendbarkeit einer Vorschrift aus, dass die Behörde den VA auf diese Vorschrift hat stützen wollen, denn dann kann sie erwarten, dass die Vorschrift auch geprüft wird. B hat in ihrem Bescheid vom 23. 7. 2018 ausgeführt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten seien, auf Grund derer die Bestätigung hätte versagt werden müssen, und dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet sei. Damit hat sie § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG angewendet, so dass diese Vorschrift die primär zu prüfende Ermächtigungsgrundlage ist.
2. Für den Bescheid vom 23. 7. 2018 gelten formelle Anforderungen.
a) Die B-Behörde war laut Sachverhalt für die Bestätigung und damit auch für einen Widerruf zuständig. Da B dem K Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, hat sie ihn angehört (§ 28 VwVfG). Auch die Einhaltung der Jahresfrist nach §§ 49 II 2, 48 IV VwVfG könnte als formelle Voraussetzung angesehen werden. Da sie aber auf die für den Widerruf oder die Rücknahme erforderlichen Tatsachen Bezug nimmt, kann sie erst geprüft werden, wenn diese Tatsachen bekannt sind, d. h. nach Bejahung der Ermächtigungsgrundlage.
b) Nach § 39 VwVfG ist ein schriftlicher VA zu begründen. Davon, dass die Bestätigung schriftlich erfolgt ist, ist auszugehen. Die tatsächlichen Gründe hat B im Bescheid vom 23. 7. 2018 angegeben. Zu den rechtlichen Gründen gehört die Rechtsgrundlage. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, ob B § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG zitiert hat. Wäre das nicht der Fall, wäre der VA derzeit formell fehlerhaft. Jedoch kann der Vermerk im Sachverhalt „nach mündlicher Verhandlung“ so verstanden werden, dass in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch eine mündliche Verhandlung so wie in § 103 VwGO vorgeschrieben erfolgt. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Begründungsfehler in dieser Verhandlung zur Sprache kommt (vgl. § 104 I VwGO) und B dann wie in § 45 I Nr. 2, II VwVfG vorgesehen sich noch ausdrücklich auf § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG beruft, d. h. die Begründung nachholt. Folglich führt dieser Fehler nicht zur Rechtswidrigkeit nach § 113 I 1 VwGO.
3. Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG sind, dass der VA, dessen Widerruf erklärt wurde, (begünstigend und) rechtmäßig war und dass eine der Nrn. 1 - 5 eingreift.
a) Widerrufen wurde die Bestätigung vom 1. 2. 2017. Nach § 33 c III GewO war sie rechtmäßig, wenn der Aufstellungsort für die beiden Spielgeräte für die Aufstellung geeignet war. Ob das der Fall war, ergibt sich aus einer Anwendung des § 1 I SpielV. Danach d ürfen Geldspielgeräte außerhalb von Spielhallen nur aufgestellt werden in Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, sowie in Beherbergungsbetrieben. Da jedenfalls am 1. 2. 2017 keine Trennung zwischen Tankstellenraum und Bistrobereich vorhanden war, standen die Geräte in dem Tankstellenraum und weder in einer Spielhalle noch in einer Schank- oder Speisewirtschaft, in der Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, und auch nicht in einem Beherbergungsbetrieb. Beurteilt man das anders, weil in einem Tankstellenshop auch belegte Brötchen angeboten werden, wird die Geeignetheit des Aufstellungsortes durch § 1 II Nr. 2 SpielV ausgeschlossen, weil in einer Tankstelle die Verabreichung von Speisen oder Getränken nur eine untergeordnete Rolle spielt. Folglich war der Aufstellungsort nach den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften nicht geeignet, die erteilte Bestätigung verstieß gegen § 33 c III GewO und war rechtswidrig.
b) Daran ändert die Zusage des K nichts. Allein eine Zusage, bauliche Veränderungen vorzunehmen, führt nicht dazu, dass ein Standort bereits vor der Vornahme dieser Baumaßnahme geeignet ist. Auch die subjektive Erwartung des M, K werde den geplanten Umbau vornehmen, führt nicht zur Geeignetheit des Standorts und damit zur Rechtmäßigkeit der Bestätigung.
Unmittelbar greift § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG wegen der Rechtswidrigkeit der Bestätigung nicht ein.
II. Der Bescheid vom 23. 7. 2018 könnte analog § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG rechtmäßig sein.
1. BVerwG [14] In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 49 Abs. 2 VwVfG auf ursprünglich rechtswidrige Verwaltungsakte entsprechend angewendet werden kann, wenn die übrigen Widerrufsvoraussetzungen gegeben sind. Unter den Bedingungen, unter denen ein begünstigender rechtmäßiger VA widerrufen werden kann, darf er - erst recht - bei ursprünglicher Rechtswidrigkeit widerrufen werden. Das Vertrauen des Betroffenen ist in diesem Fall nicht schutzwürdiger als bei ursprünglicher Rechtmäßigkeit der Begünstigung (…BVerwGE 112, 80, 85;…). Insbesondere ermöglicht diese Auffassung in Fällen, in denen nicht klar ist, ob der ursprüngliche VA rechtmäßig oder rechtswidrig war, diese Frage offen zu lassen. Wird beispielsweise eine Subvention zweckwidrig verwendet, ist ein Widerruf analog § 49 III Nr. 1 oder 2 VwVfG unabhängig davon zulässig, ob ihre Gewährung rechtmäßig war.
2. § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG hat zur Voraussetzung, dass sich Tatsachen nachträglich geändert haben.
a) Im Fall des K haben sich die für die Bestätigung und ihre rechtliche Beurteilung wesentlichen Tatsachen, dass K Spielgeräte vorschriftswidrig in einer Tankstelle aufgestellt hat, gerade nicht geändert. Die Veränderung des Fußbodenbelags des Bistrobereichs war keine relevante Tatsachenänderung, sondern verstärkte lediglich eine optische Trennung zwischen Bistro und dem sonstigen Tankstellenbereich, die aber zur Erfüllung der Anforderungen des § 1 SpielV nicht ausreichte. Dass K sich nicht an seine Zusage gehalten hat, ist keine Tatsachenänderung.
b) Allerdings hatte das vorinstanzliche BerGer. (OVG Münster NWVBl 2017, 148, LS 1 und S. 150) die Auffassung vertreten, bei der analogen Anwendung erübrige sich eine Prüfung, ob die Behörde erst aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen zur Nichterteilung der Geeignetheitsbestätigung berechtigt war. Das Tatbestandsmerkmal der nachträglich eingetretenen Berechtigung zur Nichterteilung könne nur erfüllt sein, wenn ein ursprünglich rechtmäßiger VA aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Sachlage rechtswidrig wird und deshalb eine Widerrufsbefugnis der Behörde auslöst, nicht dagegen bei einem ursprünglich rechtswidrigen VA. Deshalb sei nur zu prüfen, ob die Behörde im Zeitpunkt des Widerrufs berechtigt war, den VA nicht zu erlassen.
Dem ist das BVerwG nicht gefolgt, [15-17] Die Analogie überbrückt nur das Fehlen ursprünglicher Rechtmäßigkeit des VA und nicht auch das Erfordernis eines Widerrufsgrundes gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 VwVfG NW. Sie erlaubt daher nicht, einzelne gesetzliche Voraussetzungen eines Widerrufsgrundes zu übergehen oder zu modifizieren. Dies gilt auch für das Erfordernis nachträglich eingetretener Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Seine Anwendung auf ursprünglich rechtswidrige VAe ist nicht denklogisch ausgeschlossen. Nachträgliche Änderungen der Sachlage können nämlich dazu führen, dass Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen entfallen, die bei Erlass des - bereits aus anderen Gründen rechtswidrigen - VA noch vorlagen (BVerwGE 112, 80, 82). Denkbar ist beispielsweise, dass ein VA von Anfang an rechtswidrig war, weil er an erheblichen formellen Mängeln litt oder weil eine seiner tatsächlichen Voraussetzungen fehlte, und dass eine nachträgliche Änderung der Sachlage zum Wegfall einer weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzung führt. Dann sind nachträglich Tatsachen eingetreten, derentwegen die Behörde auch unabhängig von den ursprünglichen Mängeln des VA berechtigt wäre, diesen nicht zu erlassen. In einem solchen Fall kann der ursprünglich rechtswidrige VA analog § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG widerrufen werden.
Die im Berufungsurteil befürwortete entsprechende Anwendung der Norm auch in Fällen, in denen die tatsächlichen Voraussetzungen für den Erlass des VA von Anfang an und (noch) im Zeitpunkt des Widerrufs fehlten, überschreitet die Grenzen zulässiger Analogie. Sie erstreckt die entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG auf alle Fälle ursprünglicher und fortdauernder materieller Rechtswidrigkeit aus tatsächlichen Gründen, obwohl insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliegt und die Interessenlage nicht mit derjenigen zu vergleichen ist, die bei nachträglicher Änderung für den VA maßgeblicher Tatsachen besteht. Die fortdauernde ursprüngliche Rechtswidrigkeit ist der klassische Fall der Rücknahme gemäß § 48 VwVfG. Deren Voraussetzungen hat der Gesetzgeber bewusst anders geregelt als die des Widerrufs ursprünglich rechtmäßiger VAe, um den Abstufungen schutzwürdigen Vertrauens im einen wie im anderen Fall Rechnung zu tragen… Eine Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage können danach nur in Bezug auf rechtswidrige begünstigende VAe bestehen, bei denen zugleich Widerrufsgründe nach § 49 VwVfG vorliegen. Ohne das Hinzutreten eines Widerrufsgrundes ist eine Gleichbehandlung rechtswidriger mit rechtmäßigen begünstigenden VAen nicht zu rechtfertigen… Einen Widerrufsgrund fortdauernder Rechtswidrigkeit anzuerkennen, würde den in § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 VwVfG geregelten Vertrauensschutz verkürzen und fände im Gesetz keine Grundlage.
Somit scheitert die analoge Anwendung des § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG daran, dass keine nachträgliche Tatsachenänderung vorliegt. § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigt weder unmittelbar noch analog den Bescheid vom 23. 7. 2018.
III. Der als Widerruf bezeichnete Bescheid vom 23. 7. 2018 könnte als Rücknahme nach § 48 VwVfG rechtmäßig sein.
1. Wie sich aus den Ausführungen oben I 3 a) ergibt, liegen die Voraussetzungen des § 48 I 1 VwVfG vor. Die Bestätigung vom 1. 2. 2017 verstieß gegen § 1 SpielV und war rechtswidrig. § 48 II VwVfG steht nicht entgegen, weil die Bestätigung keine Geldleistung oder Sachleistung gewährte. Die Ausgleichsregelung in § 48 III VwVfG ist keine Voraussetzung für die Rücknahme, sondern ihre Folge.
2. Jedoch ist fraglich, ob § 48 VwVfG ohne weiteres angewendet werden kann. Beim Erlass eines VA entscheidet die Behörde grundsätzlich über den VA, seinen Inhalt und seine Begründung. Im vorliegenden Fall hat B den Bescheid vom 23. 7. 2018 erkennbar als Widerruf nach § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG erlassen. Ihn als Rücknahme zu behandeln bedarf deshalb einer Rechtfertigung. Als Rechtfertigung kommen in Betracht: das Ersetzen (Auswechseln) einer falschen durch die richtige Rechtsgrundlage durch das VG (nachfolgend a); ein Nachschieben von Gründen durch die Behörde (b); eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme (c).
a) Zwar betrifft der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 VwGO nur die Erforschung des Sachverhalts, der tatsächlichen Gründe für den VA. Die richtige Anwendung des Rechts ist aber erst recht Aufgabe des Gerichts (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018: folgt aus Art. 20 III GG), so dass das VG unabhängig vom Vorbringen der Parteien die zutreffenden Rechtsvorschriften anzuwenden hat. Somit ist das VG g rundsätzlich berechtigt und verpflichtet, nicht nur unzutreffende Tatsachen, sondern auch falsche Rechtsvorschriften durch die richtigen zu ersetzen; letzteres trifft zunächst auf den gebundenen VA zu (Sodann/Ziekow/Wolff, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rdnr. 77; Posser/Wolff/Decker, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 113 Rdnr. 24). Bei diesem obliegt dem VG auch zu prüfen, „ob der VA aus anderen als den von der Behörde genannten Gründen rechtmäßig ist“ (BVerwG NVwZ 2014, 531; ebenso Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO 15. Aufl. 2019, § 113 Rdnr. 30).
Anders wird das aber beim Ermessensakt beurteilt (Sodann/Ziekow § 113 Rdnr. 86; Posser/Wolff § 113 Rdnr. 25). Bei diesem gehört die Ermessensausübung zum VA und ist ein der Behörde vorbehaltenes Handeln, das dem Zugriff des VG grundsätzlich entzogen ist (vgl. auch § 114, 2 VwGO, wonach die Ergänzung des Ermessens der Verwaltungsbehörde vorbehalten ist). Rücknahme und Widerruf sind Ermessenentscheidungen, bei denen die Ermessenserwägungen zwar ähnlich sein können, im Einzelfall aber zu unterscheiden sind. Im vorliegenden Fall hat B den Bescheid vom 23. 7. 2018 als Widerruf nach § 49 II Nr. 3 VwVfG erlassen und die Ermessensausübung daran ausgerichtet. Im Fall einer Rücknahme wäre das Ermessen an § 48 I VwVfG auszurichten. Die darin liegende Änderung geht über das bloße Auswechseln der Rechtsgrundlage hinaus und ist nur über das Rechtsinstitut des Nachschiebens von Gründen (Eyermann/Schübel-Pfister § 113 Rdnr. 31) oder über eine Umdeutung möglich. Wäre stets eine Heilung des rechtswidrigen VA dadurch möglich, dass das VG die Rechtsgrundlage auswechselt, bestünde weder für ein Nachschieben von Gründen noch für eine Umdeutung ein Bedürfnis.
b) Während das in § 45 I Nr. 3 VwVfG geregelte und oben unter B I 2 b) bereits angesprochene Nachholen der Begründung zu einer Unbeachtlichkeit der formellen Rechtswidrigkeit führt, betrifft das - abgesehen von § 114, 2 VwGO - gesetzlich nicht geregelte Nachschieben von Gründen durch die Behörde die materielle Seite des VA. Durch das Nachschieben geeigneter Gründe kann eine sachlich unzutreffende oder unzureichende Begründung durch zutreffende Erwägungen ersetzt werden, so dass die Rechtmäßigkeit des VA nicht an der fehlerhaften Begründung scheitert (zum Nachschieben von Gründen BVerwGE 38, 191, 195; Sodann/Ziekow/Wolff, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rdnrn. 70 ff.; Posser/Wolff/Decker, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 113 Rdnrn. 23 ff.; Erbguth/Guckelberger, Allg. VerwR, 9. Aufl. 2018, § 15 Rdnr. 18). Im vorliegenden Fall kommt ein Nachschieben der Gründe für eine Anwendung des § 48 VwVfG auf den Bescheid vom 23. 7. 2018 in Betracht.
aa) Die Voraussetzungen für ein Nachschieben von Gründen sind: 1) Die Gründe müssen bereits bei Erlass des VA vorgelegen haben. 2) Sie dürfen den VA nicht in seinem Wesen verändern. 3) Die Rechtsverteidigung des Adressaten darf nicht beeinträchtigt werden. Diese Voraussetzungen treffen auf den Bescheid vom 23. 7. 2018 zu: Die Bestätigung verstieß die ganze Zeit und auch beim Erlass des VA am 23. 7. 2018 gegen § 1 SpielV. Widerruf und Rücknahme zielen auf die Beseitigung der Bestätigung im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Bestätigung gegen § 1 SpielV verstößt, und enthalten deshalb keine wesentlich anderen Regelungen. Die Rechtsverteidigung des K wird schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil die Behörde das Nachschieben von Gründen in den Prozess einführen muss und K dazu Stellung nehmen kann.
bb) Allerdings hat B sich bisher nicht auf § 48 VwVfG als Rechtsgrundlage berufen, sondern hält offenbar daran fest, dass der Bescheid ein Widerruf nach § 49 VwVfG ist. Ein Nachschieben ist also noch nicht erfolgt. Anders als beim bloßen Nachholen der Begründung (oben B I 2 b) kann nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung B auf diese Möglichkeit hinweist, da es dadurch Gefahr läuft, wegen Unterstützung einer Partei sich einem Befangenheitsantrag auszusetzen. Auch kann B Gründe dafür haben, an der Begründung des Bescheids als Widerruf festzuhalten, etwa weil sie diese Begründung nach wie vor für richtig hält, weil sonst die Ermessenerwägungen dem § 48 I VwVfG angepasst werden müssten oder weil Widerruf und Rücknahme unterschiedlich geregelte Entschädigungsansprüche auslösen können (einerseits § 49 VI, andererseits § 48 III). Im Originalfall war ein Nachschieben von Gründen nicht erfolgt, weshalb weder das OVG noch das BVerwG diese Frage angesprochen haben.
Somit liegen die Voraussetzungen für ein Nachschieben von Gründen zwar vor, es kann aber nicht hinreichend sicher festgestellt werden, dass ein Nachschieben von Gründen durch B erfolgt ist oder noch erfolgt. Somit kann dieses auch nicht zur Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23. 7. 2018 führen.
IV. Der Bescheid vom 23. 7. 2018 könnte nach einer Umdeutung (§ 47 VwVfG) als Rücknahme (§ 48 VwVfG) rechtmäßig sein.
1. Es müssten die Voraussetzungen des § 47 I VwVfG vorliegen.
a) Der Bescheid vom 23. 7. 2018 war fehlerhaft, weil er zwar auf § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG gestützt wurde, dessen Voraussetzungen aber nicht vorliegen (oben B I). Anders als bei der Willenserklärung nach § 140 BGB braucht der VA nicht nichtig zu sein, sondern es reicht die Rechtswidrigkeit aus.
b) Widerruf und Rücknahme sind auf das gleiche Ziel, die Aufhebung der Bestätigung gerichtet.
c) Die weiteren Voraussetzungen des § 47 I VwVfG lassen sich dahin zusammenfassen, dass der Rücknahme-VA, in den umgedeutet werden soll, rechtmäßig hätte erlassen werden dürfen.
aa) Die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme sind die gleichen wie für den Widerruf; sie liegen also vor (oben B I 2 a).
bb) Dass die materiellen Voraussetzungen des § 48 I VwVfG erfüllt sind, wurde oben B III 1 festgestellt.
cc) Die Rücknahme steht nach § 48 I 1 VwVfG im Ermessen. Zwischen dem von B ausgeübten Widerrufsermessen und einem Rücknahmeermessen bestehen zwar Unterschiede, sie sind im vorliegenden Fall aber nicht so erheblich, dass die Ermessenserwägungen aus dem Widerrufsbescheid nicht auf eine Rücknahme übertragen werden können. Denn auch eine Rücknahme lässt sich ermessensfehlerfrei damit begründen, dass den Zwecken des § 1 SpielV, dem Spieler- und Jugendschutz sowie dem Schutz rechtstreuer Wettbewerber Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse des K eingeräumt wird. Auch ist zu bedenken, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen, immateriellen VA der Normalfall einer Entscheidung nach § 48 I VwVfG ist. Somit liegt auch eine Ermessensbetätigung vor, die eine Rücknahme nach § 48 I VwVfG rechtfertigt.
dd) Es darf die Jahresfrist des § 48 IV VwVfG nicht abgelaufen sein. Nach h. M. ist die Frist keine Bearbeitungsfrist, sondern eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, wenn der Behörde alle Tatsachen, die die Rücknahmeentscheidung tragen, bekannt sind und auch die Ermessenserwägungen angestellt wurden, wenn also Entscheidungsreife eingetreten ist (BVerwGE 70, 356; 143, 230; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 48 Rdnrn. 152, 154; Hilliger JA 2019, 130, auch zur a. M.). Diese Überlegungen passen im vorliegenden Fall insofern nicht, als B nicht wegen einer Rücknahme ermittelt hat. Da aber auch beim Widerruf, wegen dessen B ermittelt hat, eine Jahresfrist läuft (§ 49 II 2 VwVfG), erscheint es sachgemäß, auf die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse abzustellen. Danach hat B erst abwarten wollen, ob K wie versprochen einen gesetzmäßigen Zustand herstellt. Dass das nicht der Fall war und deshalb ein Widerruf der Bestätigung in Betracht kam, ist B erst am 19. 4. 2018 bekannt geworden. Danach folgte noch die Anhörung des K. Erst nach Ablauf der für die Anhörung gesetzten Frist begann die Jahresfrist zu laufen und war deshalb am 23. 7. 2018 noch nicht abgelaufen. Dass M bereits am 1. 2. 2017 Kenntnis von dem gegen § 1 SpielV verstoßenden Zustand hatte, ist - entgegen der Auffassung des K - unerheblich, weil damals von B weder ein Widerruf noch eine Rücknahme in Betracht gezogen wurde und zumindest noch keine dahingehenden Ermessenserwägungen angestellt worden waren. Die Jahresfrist wurde somit beachtet.
Die Voraussetzungen des § 47 I VwVfG sind gegeben.
2. § 47 II und III VwVfG stehen nicht entgegen. Erkennbare Absicht der B ist, die Bestätigung aufzuheben. Diesem Ziel dient auch die Rücknahme. Dass B einen Widerruf für richtig hält, ändert nichts daran, dass, nachdem sich der Widerruf als rechtswidrig erwiesen hat, auch eine Rücknahme, dem Ziel der B dient. Die Rechtsfolgen der Rücknahme sind nicht ungünstiger als die des Widerrufs. Einen Entschädigungsanspruch hat K weder nach § 49 VI VwVfG noch nach § 48 III VwVfG, weil er nicht auf den Fortbestand der Bestätigung vertraut hat. Vielmehr hat er bei der Erneuerung des Fußbodens gewusst, dass diese nicht ausreicht, um die Anforderungen des § 1 SpielV zu erfüllen, so dass er auch wusste, dass die Bestätigung aufgehoben werden kann. Eine Regelung, wonach die Bestätigung nicht zurückgenommen werden durfte, gibt es nicht. Der Widerruf war keine gebundene Entscheidung, sondern stand im Ermessen, ebenso wie die Rücknahme.
3. Zwar geht das Gesetz davon aus, dass in erster Linie die Behörde die Umdeutung vornimmt (vgl. § 47 IV VwVfG). Nach überwiegender Auffassung ist die Umdeutung aber auch - als „Akt der Rechtserkenntnis“ - durch das VG möglich (BVerwG [24]; BVerwGE 126, 254 Rdnr. 101; Erbguth/Guckelberger, Allg. VerwR, 9. Aufl. 2018, § 15 Rdnr. 21; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 47 Rdnrn. 4, 8); andernfalls hätte die Umdeutung kaum eine praktische Bedeutung.
Ergebnis: Das VG wird den Bescheid vom 23. 7. 2018 in eine Rücknahme umdeuten, die rechtmäßig ist. Die Voraussetzungen für eine Begründetheit der Anfechtungsklage nach § 113 I VwGO liegen nicht vor. Die Klage wird abgewiesen.
Zusammenfassung