Bearbeiter: RA Prof. Dieter Schmalz

Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einer Beschäftigungsstelle für Zivildienstleistende. Schadensersatzanspruch analog § 280 I BGB. Drittschadensliquidation. Verantwortung für Schadenszufügung durch Zivildienstleistenden

BVerwG Urteil vom 29. 4. 2004 (2 C 2.03) DVBl 2004, 1369

Fall (Zivi bei Rot über die Kreuzung)

Z war Zivildienstleistender beim A-Verband, einer anerkannten Beschäftigungsstelle für Zivildienstleistende. Auf einer Dienstfahrt mit einem Fahrzeug des A fuhr Z bei Rot über eine Kreuzung und verschuldete einen Unfall, bei dem an dem Fahrzeug ein Schaden in Höhe von 5.300 € entstand. Der Schaden wurde alsbald dem für die Bundesrepublik Deutschland (B) handelnden Bundesamt für den Zivildienst mitgeteilt. In der Folgezeit wurde eine anderweitige Regulierung des Schadens versucht, die aber nicht gelang. Danach machte B den Schaden gegenüber Z geltend und berief sich auf § 34 I 1 ZivildienstG = ZDG, wonach ein Zivildienstleistender dem Dienstherrn den Schaden zu ersetzen hat, der durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten entstanden ist (vgl. auch die grundsätzliche Regelung in Art. 34 Satz 2 GG). Es stellte sich heraus, dass die Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 34 II 1 ZDG) inzwischen abgelaufen und der Anspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar war. Allerdings hätte eine Inanspruchnahme des Z nach einer auf die Fürsorgepflicht des Staates gestützten und intern verbindlichen Einziehungsrichtlinie (Einziehungs-RL) wegen des ganz geringen Einkommens des Z nur zu einem Anspruch in Höhe von 76 € geführt. A verlangt von B Ersatz der 5.300 €, was B verweigert. Hätte eine von A gegen B in zulässigerweise Weise vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage Aussicht auf Erfolg ?

Im Originalfall war der Schaden von einer Versicherung des A reguliert worden, die den nach § 67 VersicherungsvertragsG (VVG) auf sie übergegangenen vermeintlichen Anspruch des A gegen B einklagte. Die damit verbundene Komplikation wurde in obigem Sachverhalt vermieden, und es wird von A, um dessen Anspruch es geht, als Kläger ausgegangen. Dem werden auch die Originalzitate angepasst.

A. A könnte gegen B einen Anspruch wegen Verletzung eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses (§ 280 I BGB analog) haben.

I. BVerwG S. 1370 unter 1: Mit der Anerkennung des Kl. als Beschäftigungsstelle gemäß § 4 Abs. 1 ZDG entstand zwischen dem Kl. und der Bekl. ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis (vgl. BVerwGE 106, 272, 274 f.; BGHZ 135, 341, 344 f.).

Hauptfälle der verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse sind Versorgungsverhältnisse im kommunalen Bereich, z. B. der Anschluss an die gemeindliche Kanalisation, so dass der Anschlussnehmer, der ätzende Giftstoffe in die Kanalisation einleitet, analog § 280 I BGB Schadensersatz zu leisten hat (BaWü VGH NJW 2003, 1066 und OVG Münster NWVBl 2003, 104 = JurTel 2004 Heft 3 S. 63).

II. Das BVerwG prüft als Pflichtverletzung der B aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zunächst das Verjährenlassen eines Anspruchs gegen Z.

1. Dann müsste ein Anspruch der B gegen Z bestanden haben. Er könnte auf Ersatz des Schadens an dem von Z gefahrenen Dienstfahrzeug gerichtet sein.

a) Dem Grunde nach ergab er sich aus § 34 I 1 ZDG. BVerwG S. 1370 unter a): Nach der zutreffenden Wertung des OVG hat Z seine Dienstpflicht gemäß § 27 Abs. Satz 1 ZDG, das ihm zu dienstlichen Zwecken überlassene Fahrzeug des Kl. pfleglich zu behandeln und im Straßenverkehr vor Schäden zu bewahren, grob fahrlässig verletzt (zur vergleichbaren Dienstpflicht des Beamten oder Soldaten vgl. BVerwG DVBl 1999, 1425). Die grob fahrlässige Pflichtverletzung des Z bestand darin, bei Rot über die Kreuzung zu fahren und dabei die Gefahr eines Unfalls in Kauf zu nehmen.

b) Allerdings gehörte das beschädigte Fahrzeug dem A und nicht der B, so dass B kein Schaden entstanden ist. B könnte aber berechtigt gewesen sein, den Schaden des A im Wege einer Drittschadensliquidation geltend zu machen.

aa) Nach den im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen kann ein Schaden im Wege der Drittschadensliquidation geltend gemacht werden, wenn

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Anspruchsinhaber den Schaden geltend machen („der Schaden wandert zum Anspruch“). Auf Verlangen des Geschädigten muss er den Anspruch an diesen nach § 285 BGB oder notfalls nach § 242 BGB abtreten. Hat er den Anspruch durchgesetzt, muss er das Erlangte an den Geschädigten herausgeben.

bb) Diese Grundsätze sind auch auf den Schadensersatz bei verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen anzuwenden. Im vorliegenden Fall hatte B einen Anspruch gegen Z aus § 34 ZDG, aber keinen Schaden. Der Schaden ist bei A eingetreten. Dieser hat aber keinen Anspruch gegen Z, weil der Anspruch der B gegen Z aus § 34 ZDG abschließend ist. BVerwG S. 1370 unter c): Deshalb sind anderweitige Ansprüche des Trägers der Beschäftigungsstelle gegen den Dienstleistenden ausgeschlossen (…). Obwohl hier keine der im Zivilrecht anerkannten Fallgruppen eingreift, ist ein Fall der zufälligen Schadensverlagerung gegeben, weil es für Z ein Zufall war, dass das beschädigte Fahrzeug dem A gehörte und dieser gegen ihn keinen Anspruch hat, der Anspruch vielmehr seinem Dienstherrn B zusteht. BVerwG S. 1370 unter c): Die Bekl. hat als Dienstherr des Dienstleistenden Schäden der Beschäftigungsstelle nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation geltend zu machen.

Somit war ein Anspruch der B gegen Z entstanden.

2. Die Verpflichtung der B zur rechtzeitigen Geltendmachung dieses Anspruchs begründet das BVerwG auf S. 1371 unter e) mit den Pflichten aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis: Nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Verpflichtung der Bekl., Z in Regress zu nehmen, ergibt sich aus dem zwischen der Bekl. und dem Kl. bestehenden verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis. B hat A als Beschäftigungsstelle anerkannt und dadurch auch mit hoheitlichen Aufgaben beliehen. Dadurch ist ein gemeinsamer organisatorischer Verantwortungsbereich entstanden, der den Bund und den Träger der Beschäftigungsstelle zur Kooperation verpflichtet. Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses hat der Bund den Dienstleistenden für Schäden, die er verursacht, die aber nicht beim Dienstherrn, sondern bei der Beschäftigungsstelle eintreten, auf dem Wege der Drittschadensliquidation in Anspruch zu nehmen.

3. Dass das Bundesamt für den Zivildienst den Anspruch gegen Z hat verjähren lassen, war gegenüber A schuldhaft, nach BVerwG S. 1371 unter e) sogar grob fahrlässig.

4. Danach muss B dem A den entstandenen Schaden ersetzen (§ 249 BGB). B hat den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Ohne dieses hätte B den Anspruch gegen Z geltend gemacht. Dabei hätte sie aber den Z nach der intern und über Art. 3 I GG auch gegenüber Z verbindlichen Einziehungs-RL nur in Höhe von 76 € in Anspruch nehmen dürfen (BVerwG S. 1371 unter f). Folglich besteht ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses nur in Höhe von 76 €.

III. Eine Pflichtverletzung, die zu einem weitergehenden Anspruch führt, könnte in dem Verursachen des Unfalls selbst gelegen haben. Hierfür müsste B gegenüber A einstehen, wenn Z Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) der B im Verhältnis zu A gewesen wäre. BVerwG S. 1372 unter a): Hierfür ist erforderlich, dass Z mit dem Willen der Bekl. bei der Erfüllung der ihr obliegenden Verbindlichkeit als ihre Hilfsperson, also in ihrem Pflichtenkreis, tätig geworden ist (…BGHZ 152, 380, 383 m. w. Nachw.). Jedoch handelt der Zivildienstleistende bei der Wahrnehmung konkreter Aufgaben nicht im Aufgabenbereich des Bundes, sondern dem der Beschäftigungsstelle. Die Beschäftigungsstelle ist es auch, welche die Zeit, den Ort, die Art und die näheren Bedingungen des konkreten Einsatzes festlegt und damit den unmittelbaren Zugriff auf die daraus erwachsenden Risiken hat. Der Dienstleistende wird daher bei der Wahrnehmung der ihm durch die Beschäftigungsstelle übertragenen Aufgaben nicht als Erfüllungsgehilfe des Bundes tätig (vgl. BGHZ 135, 341, 349; 152, 380, 384).

Somit bedeutete die Unfallverursachung keine Pflichtverletzung der B gegenüber A. Ein weitergehender Anspruch aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis besteht nicht.

B. In Betracht kommt ein Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG).

I. Allerdings ist diese Anspruchsgrundlage im Verwaltungsrechtsweg nicht zu prüfen, weil sie zwingend den Zivilgerichten zugewiesen ist (§ 17 II 2 GVG i. V. mit Art. 34 Satz 3 GG; BVerwG S. 1373 unter c).

II. Hilfsweise sei darauf verwiesen, dass ein solcher Anspruch auch nicht besteht:

1. Zwar haftet die Bundesrepublik nach der Rspr. des BGH (BGHZ 152, 380, 381/2 = JurTel 2004 Heft 2 S. 41 m. w. Nachw.) für Schäden, die ein Zivildienstleistender in Ausübung seines Dienstes Dritten zufügt, nach Amtshaftungsgrundsätzen. Hier wirkt sich aus, dass der Zivildienstleistende Dienst innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Beziehung tut, zu der er zwangsweise verpflichtet worden ist, vergleichbar mit der Tätigkeit eines wehrpflichtigen Soldaten. Dies gilt auch in Fällen, in denen die anerkannte Beschäftigungsstelle privatrechtlich organisiert ist und privatrechtliche Aufgaben wahrnimmt. Haftende Körperschaft gegenüber geschädigten Dritten ist also nicht die Beschäftigungsstelle, sondern die BRD als Dienstherr des Zivildienstleistenden.

2. Jedoch hat Z keine Amtspflicht verletzt, die der B gegenüber A oblag. Das folgt aus den vom BVerwG S. 1372/3 unter a) in anderem Zusammenhang angestellten Überlegungen: Nach dem ZDG besteht keine Pflicht des Bundes, die Beschäftigungsstelle vor Schäden zu bewahren, die ihr daraus erwachsen können, dass sie dem Dienstleistenden Gegenstände aus ihrem Eigentum zur Ausführung der von ihr festgelegten Aufgaben anvertraut… Dementsprechend handelt es sich um eine allein dem Dienstleistenden obliegende Amtspflicht, das ihm dienstlich anvertraute Sacheigentum der Beschäftigungsstelle sorgsam zu behandeln und vor vermeidbaren Schäden zu bewahren… Der Dienstleistende wird auch und überwiegend im Interesse der Beschäftigungsstelle tätig und nicht zur Erfüllung einer der BRD gegenüber der Beschäftigungsstelle obliegenden Amtspflicht. – Es handelt sich um eine ähnliche Überlegung, wie sie bereits oben A III zur Ablehnung einer Anwendung des § 278 BGB geführt hat.

Ergebnis: A hat gegen B einen Anspruch lediglich in Höhe von 76 € und keinen weitergehenden Anspruch.

Zusammenfassung