Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit. ► Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eines unterlegenen Bewerbers; Verfahren nach § 123 VwGO. ► Auswahlentscheidung als VA mit Doppelwirkung. ► Grundsatz der Ämterstabilität. ► Rechtslage bei Rechtsschutzvereitelung durch Dienstherrn. ► Stellenvergabe nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 II GG)
BVerwG Urteil vom 4. 11. 2010 (2 C 16./09) DVBl 2011, 228
Fall (Kampf um die OLG-Präsidentschaft)
Im Lande L war die Stelle des OLG-Präsidenten frei und zur Neubesetzung ausgeschrieben worden. Um sie bewarben sich K, bisher Präsident eines Landgerichts, und B, bisher Präsident des Landessozialgerichts. Beide haben Zeugnisse vorgelegt, die aus Anlass der Bewerbung von ihnen selbst erstellt wurden und die die bestmögliche Beurteilung enthielten. Der für die Ernennung zuständige Justizminister J entschied sich für B. Zur Begründung führte er an, B sei nach dem Zeugnis für die Stelle geeignet; vor allem sei er bereits mehrere Jahre lang Präsident eines Obergerichts gewesen und habe besondere Erfahrungen bei der Leitung eines solchen Gerichts. Dies teilte er K und B mit. K stellte beim zuständigen Verwaltungsgericht den Antrag, J im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig die Ernennung des B zu untersagen. Das VG wies den Antrag ab, weil die Auswahlentscheidung des J nicht zu beanstanden sei. Unmittelbar nach Zustellung dieses Beschlusses ernannte J den B und händigte ihm die Ernennungsurkunde aus. K fragt, welche Rechtsschutzmöglichkeiten ihm jetzt zur Verfügung stehen und ob sie Aussicht auf Erfolg haben.
Eine Weiterführung des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz verspricht keinen Erfolg. Das Verfahren war darauf gerichtet, dem Land die Ernennung des B zu untersagen. Nachdem die Ernennung aber erfolgt ist, könnte eine Untersagung keine Rechtsfolge mehr haben; insoweit hat sich der Streit erledigt. Zu prüfen ist eine verwaltungsgerichtliche Klage.
A. Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage
I. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ergibt sich aus § 54 BeamtStG, auf den in § 71 DRiG verwiesen wird. Die Streitigkeit betrifft die Vergabe einer Richterstellung, so dass der Verwaltungsrechtsweg kraft einer aufdrängenden Spezialzuweisung gegeben ist.
II. Für die Bestimmung der Klageart ist vom Klagebegehren auszugehen (§ 88 VwGO).
1. Letztlich erstrebt K seine eigene Ernennung zum Präsidenten des OLG. Durch diese Ernennung würde K dem K ein anderes Amt zugewiesen, was den Begriff des Verwaltungsakts (§ 35, 1 VwVfG) erfüllt. Die Regelung besteht darin, dass sich mit dem Amt eines OLG-Präsidenten die Rechte und Pflichten des K ändern. Da K somit einen VA erstrebt, den das Land durch Entscheidung des J abgelehnt hat, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage (§ 42 I VwGO).
2. Die Verfolgung des Klagebegehrens des K nur mit Hilfe einer Verpflichtungsklage könnte deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben, weil das erstrebte Amt des OLG-Präsidenten inzwischen vergeben worden ist. Es würde aber wieder frei, wenn K außerdem durch eine Anfechtungsklage die Ernennung des B rückgängig machen könnte.
a) Für eine Anfechtungsklage ist erforderlich, dass die Klage auf Aufhebung eines VA gerichtet ist (§ 42 I VwGO). Die erfolgte Ernennung des B ist ebenso ein VA wie es die von K erstrebte eigene Ernennung wäre. Dabei handelt es sich aber um einen gegenüber dem B ergangenen VA. Es wird die Auffassung vertreten, in solchem Fall ergingen zwei Entscheidungen: die Ernennung des B und die Ablehnung der Ernennung des K; gegenüber K ergehe nur die ablehnende Entscheidung.
b) Das BVerwG hat in dem hier zu Grunde gelegten Urteil aber klargestellt, dass die Auswahlentscheidung, nach der B die Stelle erhält und nicht K, ein einheitlicher VA ist, der B begünstigt und eine belastende Drittwirkung bzw. Doppelwirkung gegenüber K hat. BVerwG [18, 19]: Einer Ernennung bedarf es, um einem Richter oder Beamten auf Lebenszeit ein höherwertiges, nämlich einer höheren Besoldungsgruppe zugeordnetes Amt im statusrechtlichen Sinne zu verleihen (Beförderung; vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG). Die Ernennung erfolgt durch Aushändigung der Ernennungsurkunde…Dadurch wird der Richter oder Beamte Inhaber des höherwertigen Amtes mit den daran geknüpften Rechten und Pflichten aus dem Richter- oder Beamtenverhältnis… Darüber hinaus ist die Ernennung nach ihrem Regelungsgehalt auf unmittelbare Rechtswirkungen für diejenigen Bewerber gerichtet, die sich erfolglos um die Verleihung des Amtes beworben haben. Die Ernennung greift in deren Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG ein, weil sie in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Entscheidung des Dienstherrn über die Bewerberauswahl steht und deren rechtliches Schicksal teilt.
[25, 26}: Mit der Auswahl eines Bewerbers geht zwangsläufig die Ablehnung der Mitbewerber einher. Hat der Dienstherr die Auswahl in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG vorgenommen, so sind die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber erfüllt. Die gesonderten Mitteilungen der Auswahlentscheidung an jeden Bewerber, einmal positiven, ansonsten negativen Inhalts, stellen keine inhaltlich eigenständigen Entscheidungen dar, sondern geben die einheitliche, rechtlich untrennbare Auswahlentscheidung bekannt… Der Regelungsgehalt der Ernennung stimmt inhaltlich mit der Auswahlentscheidung überein. Die Ernennung folgt der Auswahlentscheidung, setzt diese rechtsverbindlich um und beendet das Auswahlverfahren.
3. Da Verpflichtungsklage und Anfechtungsklage sich gegen die einheitliche Auswahlentscheidung richten, könnten sie nicht statthaft sein, wenn die Auswahlentscheidung nach der Ernennung des B nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
a) Nach dem Grundsatz der Ämterstabilität muss ein einmal verliehenes Amt Bestand behalten und kann nicht deshalb wieder entzogen werden, weil es in anderer Weise hätte besetzt werden müssen. BVerwG [30]: Der Grundsatz der Ämterstabilität steht zwar der Aufhebung einer Ernennung nicht entgegen, wenn ein herkömmlicher gesetzlicher Rücknahmetatbestand erfüllt ist. Diese Tatbestände erfassen vor allem Fallgestaltungen, in denen der Gesetzgeber die Aufrechterhaltung der Ernennung als unerträglich ansieht (vgl.… § 12 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG). Ansonsten soll aber das Amt mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers unwiderruflich vergeben sein, ohne dass es darauf ankommt, ob die Ernennung mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang steht (BVerwGE 80, 127, 130 f.; …vgl. auch BGHZ 165, 139, 142 f). Die Rechtswidrigkeit einer Ernennung reicht somit für ihre Aufhebung nicht aus; insofern werden § 113 I 1 VwGO und § 48 VwVfG durch den spezielleren Grundsatz der Ämterstabilität verdrängt.
b) Mit der bedingungslosen Anwendung dieses Grundsatzes würde der Rechtsschutz unterlegener Bewerber entgegen Art. 19 IV GG vereitelt. Es muss deshalb ein Verfahren geben, mit dessen Hilfe dem unterlegenen Bewerber ein primärer Rechtsschutz ermöglicht wird. Zu diesem Zweck hat die Praxis folgendes Verfahren entwickelt (beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit; vgl. den Überblick bei Kirsch JURA 2010, 491 m. w. N. in Fn. 76 - 84): Der Dienstherr hat dem abgelehnten Bewerber die Ablehnungsentscheidung mitzuteilen. Dagegen kann der abgelehnte Bewerber klagen. Um die zwischenzeitliche Besetzung der Stelle zu verhindern, muss er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO stellen, durch die dem Dienstherrn die Besetzung der Stelle untersagt wird. Die einstweilige Anordnung bekommt der abgelehnte Bewerber naturgemäß nur dann, wenn die Auswahlentscheidung zu seinem Nachteil rechtswidrig war.
BVerwG [31 - 33]: Auch wenn die Ernennung in die Rechte der unterlegenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift, ist deren Rechtsbeständigkeit aus Gründen der Ämterstabilität mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar, wenn unterlegene Bewerber ihren Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend machen können. Es muss sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG genügt. Hierfür hat sich eine Praxis der Verwaltungsgerichte herausgebildet, die den gerichtlichen Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen der Auswahlentscheidung und der Ernennung verlagert. Ein unterlegener Bewerber ist zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf verwiesen, eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu beantragen, durch die dem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untersagt wird. Erwächst eine einstweilige Anordnung dieses Inhalts in Rechtskraft, so muss der Dienstherr das Auswahlverfahren, wenn er es nicht zulässigerweise abbricht, je nach Inhalt und Reichweite des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG vollständig oder teilweise wiederholen und auf der Grundlage des wiederholten Verfahrens eine neue Auswahlentscheidung treffen (vgl. zum Abbruch BVerwGE 101, 112, 115). Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber erst ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. Ein Hauptsacheverfahren findet dann wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt.
Dieses von den Verwaltungsgerichten allgemein praktizierte Modell des vor die Ernennung gezogenen Rechtsschutzes im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO wird den sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen nur dann gerecht, wenn das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernimmt. Das Verfahren darf nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben. Dies bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen. Vielmehr ist eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl verfassungsrechtlich geboten. Auch dürfen die Verwaltungsgerichte die Anforderungen an einen Erfolg des unterlegenen Bewerbers nicht überspannen. Stellen sie eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs fest, muss die Ernennung des ausgewählten Bewerbers bereits dann durch einstweilige Anordnung untersagt werden, wenn die Auswahl des Antragstellers bei rechtsfehlerfreier Auswahl jedenfalls möglich erscheint (st. Rspr.; vgl. BVerfG…NVwZ 2008, 194; BVerwGE 124, 99, 106 f.).
Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes vor der Ernennung hängt davon ab, dass der Dienstherr die gerichtliche Nachprüfung seiner Auswahlentscheidung ermöglicht. Er muss mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers warten, bis die unterlegenen Bewerber ihre Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Daher ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG Mitteilungs- und Wartepflichten des Dienstherrn, mit denen Ansprüche der unterlegenen Bewerber korrespondieren…
c) Im vorliegenden Fall hat K diesen Weg beschritten, den ihm möglichen Rechtsschutz aber noch nicht ausgeschöpft. Er konnte noch Beschwerde gegen die Entscheidung des VG zum OVG sowie nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtsweges Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erheben. BVerwG [37]: Verstößt der Dienstherr vor der Ernennung gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG, so muss der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz nach der Ernennung nachgeholt werden. Der Dienstherr kann sich auf die Ämterstabilität nicht berufen, um Verletzungen des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu decken. Ansonsten hätte er es in der Hand, die Grundrechte unterlegener Bewerber durch vorzeitige Ernennungen auszuschalten. Gefährdungen der Funktionsfähigkeit von Justiz oder Verwaltung kann der Dienstherr vermeiden, indem er die Anforderungen der Rechtsschutzgarantie beachtet.
d) Nach bisheriger Rspr. hatte ein solcher Tatbestand nur zur Folge, dass sich die Verpflichtungsklage nicht erledigt, die Anfechtungsklage blieb wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität ausgeschlossen. Dadurch entstand die Frage, worauf die Verpflichtungsklage zu richten ist, wenn die Stelle unwiderruflich vergeben ist. Diese Frage stellt sich jetzt nicht mehr, weil das BVerwG die bisherige Rspr. aufgegeben hat (BVerwG [40]). Dazu führt es unter [39] aus: Nach der Ernennung des ausgewählten Bewerbers kann unterlegenen Bewerbern gerichtlicher Rechtsschutz nur im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden. Eine andere Möglichkeit zur Durchsetzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs besteht nicht.
Das Prinzip der Ämterstabilität hat im Konkurrentenstreit folglich nur noch Auswirkungen, wenn dem unterlegenen Bewerber die Gelegenheit zum vorläufigen Rechtsschutz gewährt wurde, er davon keinen Gebrauch gemacht hat oder ohne Erfolg geblieben ist, der ausgewählte Bewerber inzwischen ernannt wurde und der unterlegene Bewerber noch im Hauptsacheverfahren klagt. Im vorliegenden Fall hatte K diese Gelegenheit nicht in dem möglichen Umfang, so dass ihm das Prinzip der Ämterstabilität nicht entgegen gehalten werden kann.
Ergebnis zu 3.: Im vorliegenden Fall ist wird weder die Verpflichtungsklage noch die Anfechtungsklage wegen des Prinzips der Ämterstabilität ausgeschlossen; sie sind vielmehr statthaft.
III. Die Klagebefugnis steht K wegen einer möglichen Verletzung des Art. 33 II GG zu.
IV. Ein Widerspruchsverfahren ist zwar nach §§ 68 VwGO, 71 DRiG, 54 II 1 BeamtStG grundsätzlich vorgeschrieben, entfällt aber in NRW nach § 104 I 1 LandesbeamtenG.
V. Die Klagefrist von einem Monat (§ 74 VwGO) kann eingehalten werden. Die Klage ist gegen das Land zu richten (§ 78 I 1 VwGO). B ist notwendig beizuladen (§ 65 II VwGO), weil die Entscheidung auch ihm gegenüber unmittelbare Rechtswirkung hat. Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag können im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) zusammen geltend gemacht werden.
B. Begründetheit der Anfechtungsklage
I. Ausgangsvorschrift ist § 113 I 1 VwGO. Die Ernennung des B müsste rechtswidrig sein. Sie hatte sich an Art. 33 II GG auszurichten, wonach Stellen im öffentlichen Dienst nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergeben sind.
1. Wie nach diesen Anforderungen zu entscheiden ist, richtet sich in erster Linie nach Leistungsbeurteilungen (Zeugnissen).
a) BVerwG [46]: Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Deren Eignung als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. So kann er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, besondere Bedeutung beimessen (…).
b) Im vorliegenden Fall hat J sich zunächst auf das Zeugnis des B gestützt. Das hat dieser aber selbst verfasst. J hat sich selbst keine Kenntnis über die Leistungen des B verschafft. BVerwG [48}: Danach erweist sich die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen schon deshalb als rechtsfehlerhaft, weil dessen Anlassbeurteilung nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht. Der für die Beurteilung zuständige Justizminister hat sich kein Bild über die dienstliche Tätigkeit des Beigeladenen als Präsident des .Landessozialgerichts verschafft.
2. Die weitere Begründung des J, dass B bereits Erfahrungen als Präsident eines Obergerichts hat, kann die Bevorzugung des B gegenüber K nicht rechtfertigen, weil der OLG-Präsident ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d. h. eines der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit leitet und innerhalb dieses Gerichtszweigs K als Präsident eines LG über größere Erfahrungen verfügt. BVerwG {54]: Das Amt des Beigeladenen als Präsident des Landessozialgerichts kann hier für sich genommen keinen entscheidenden Eignungsvorsprung gegenüber dem Kläger begründen… Denn das zu besetzende Amt ist in der ordentlichen Gerichtsbarkeit angesiedelt, in der nur der Kläger, nicht aber der Beigeladene über dienstliche Erfahrungen als Richter und Gerichtspräsident verfügt.
Somit war die Auswahlentscheidung des J wegen zweier Beurteilungsfehler rechtswidrig.
II. Dadurch wird K in seinem Recht aus Art. 33 II GG verletzt. BVerwG [43]: Die Klage ist begründet, weil die Auswahlentscheidung den Kläger in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt.…Die Ernennung verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers, weil es zumindest ernsthaft möglich erscheint, dass dieser bei rechtsfehlerfreiem Verlauf anstelle des Beigeladenen ausgewählt und ernannt worden wäre.
III. Somit ist die Ernennung des B aufzuheben. BVerwG [59]: Der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG gebietet nicht, im vorliegenden Fall von der Aufhebung der Ernennung abzusehen und es bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ernennung zu belassen. Eine Änderung der Rechtsprechung ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. BVerfGE 122, 248, 277 f.). Dies ist hier der Fall. Die Auffassung, die Aufhebung der Ernennung scheitere in den Fällen der Rechtsschutzverhinderung nicht bereits am Grundsatz der Ämterstabilität, schließt eine Entwicklung ab, die der Senat durch die Urteile BVerwGE 115, 89 und BVerwGE 118, 370 eingeleitet hat. Im Schrifttum ist die Anfechtbarkeit der Ernennung seit langem gefordert worden…(vgl. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 692 ff.…Battis, Kommentar zum BBG, 4. Auflage 2009, § 9 Rn. 30 f.; Höfling, in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: August 2007, Art. 33 Abs. 1 bis 3 Rn. 367 f.; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 325; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 42 Rn. 49).
IV. Grundsätzlich führt eine erfolgreiche Anfechtungsklage zur rückwirkenden Aufhebung des VA. Im vorliegenden Fall ist davon aber eine Ausnahme zu machen. BVerwG [39]: Die Ernennung des B ist lediglich mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vornahme scheidet aus, weil die mit der Ernennung verbundene Statusänderung jedenfalls ohne gesetzliche Grundlage nicht nachträglich ungeschehen gemacht werden kann. Die insoweit auch für Richter geltenden Beamtengesetze sehen die Aufhebung für die Vergangenheit nur in den Fällen vor, in denen ein Rücknahmetatbestand erfüllt ist (vgl.…§ 12 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG). Zudem erklären sie die Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt für unzulässig und insoweit unwirksam (vgl.…§ 8 Abs. 4 BeamtStG). Gleiches muss für die Aufhebung der Ernennung gelten, zumal diese zeitliche Beschränkung Rechte übergangener Bewerber nicht berührt.
Ergebnis zur Begründetheit der Anfechtungsklage: Die Ernennung des B wird mit Wirkung ab Erlass des Urteils aufgehoben.
C. Begründetheit der Verpflichtungsklage
I. Grundlage hierfür ist § 113 V VwGO, wonach erste Voraussetzung die Rechtswidrigkeit der Ablehnung ist. Aus den Ausführungen oben B I ergibt sich, dass die Rechtswidrigkeit der zu Gunsten des B und zum Nachteil des K ergangenen Auswahlentscheidung zugleich die Rechtswidrigkeit der gegenüber K ergangenen Ablehnungsentscheidung bedeutet.
II. Dass diese Entscheidung K in seinen Rechten verletzt, wurde ebenfalls bereits dargelegt (B II).
III. Fraglich ist die Spruchreife (§ 113 V 1 VwGO).
1. Sie wäre gegeben, wenn die Rechtswidrigkeit der Ernennung des B gleichzeitig bedeuten würde, dass K ernannt werden musste. Das ist aber nicht der Fall, auch dann nicht, wenn berücksichtigt wird, dass es nur zwei Bewerber gab. Denn dass die von J zu Gunsten des B angeführten Gründe für dessen Ernennung nicht tragfähig sind, schließt nicht aus, dass es andere Gründe gibt, die eine Ernennung des B rechtfertigen könnten. Auch sind die Anforderungen des Art. 33 II GG im Hinblick auf K noch nicht abschließend geprüft. Das VG kann diese Prüfung nicht vornehmen, weil die Verwaltungsbehörde insoweit einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hat. BVerwG [45]: Wie dargelegt dürfen der Entscheidung über die Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne nur leistungsbezogene Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße die Bewerber den Anforderungen ihres Amtes genügen und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren werden. Die Entscheidung des Dienstherrn, welche Bedeutung er den einzelnen Gesichtspunkten beimisst, unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte (BVerwGE 115, 58, 60 f.; 122, 147,150 f.; 124, 99, 102 f).
2. Somit fehlt es an der Spruchreife. BVerwG [58]: Die dargestellten Defizite der Auswahlentscheidung haben zur Folge, dass der Beklagte ein neues Auswahlverfahren für die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts durchführen muss. Aus diesem Grund kann der Antrag des Klägers, den Beklagten zu seiner Ernennung anstelle des Beigeladenen zu verpflichten, keinen Erfolg haben. Für die erneute Bewerberauswahl müssen aktuelle Anlassbeurteilungen der Bewerber erstellt werden, wobei auch der seit 2007 verstrichene Zeitraum einzubeziehen ist. Dies bedeutet, dass auch die Amtsführung des Beigeladenen als Präsident des Oberlandesgerichts im Falle seiner erneuten Bewerbung zu beurteilen ist.
Das Ergebnis der Prüfung ergibt sich aus dem wesentlichen Teil des Tenors des BVerwG-Urteils, der wie folgt lautet: Die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 22. Juni 2007 und seine Einweisung in die Planstelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz werden mit Wirkung ab Zustellung dieses Urteils an den Beklagten aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Zusammenfassung