Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Anfechtungsklage; erneuter VA; Erledigung. Straßenverkehrsrecht; Verbot von Hindernissen auf der Straße, § 32 StVO; Begriff der öffentlichen Straße. Einschreiten durch unselbstständige Verfügung. Abgrenzung der Zuständigkeit von allgemeiner Ordnungsbehörde und Straßenverkehrsbehörde bei unselbstständiger Verfügung, die auf die Generalklausel gestützt ist, aber eine Vorschrift der StVO vollzieht. § 44 StVO, Auslegung von „Ausführung der StVO“.

BVerwG Urteil vom 20. 10. 2015 (3 C 15.14) DVBl 2016, 192

Fall (Nachbar gegen Warnbaken)

E ist seit dem Jahre 2002 Eigentümer des Hausgrundstücks Mühlstraße 4 in der kreisangehörigen Gemeinde G. Die Gemeinde G liegt im Lande L und gehört zum Kreis K. Das Grundstück des E liegt am Anfang einer Stichstraße. Die Fläche vor dem Haus des E, über die die Stichstraße verläuft, steht im Eigentum des E. Im Jahre 1998 hatte die Gemeinde die Mühlstraße ohne förmliches Verfahren ausgebaut und dabei auch die Fläche vor dem später von E erworbenen Hausgrundstück bepflastert. Sie ist optisch nicht von der im Eigentum der Gemeinde stehenden Straße abgegrenzt.

Im Jahre 2010 stellte E auf der ihm gehörenden Fläche massive Warnbaken auf; außerdem lagerte er Bauschutt vor seinem Haus. Nachbar N des E, der ebenso wie seine Familienangehörigen die Stichstraße als Zufahrt zu seinem Grundstück nutzt, konnte sein Anwesen nur noch unter Schwierigkeiten erreichen und wandte sich an die Gemeinde. Diese forderte noch 2010 den E durch Verfügung auf, Warnbaken und Schutt zu entfernen. Obwohl die Verfügung bestandskräftig wurde, verringerte E lediglich den Schutt, entfernte die Warnbaken aber nicht. Im Jahre 2016 gab die Gemeinde G dem E nach Anhörung erneut die Entfernung der Warnbaken auf, ordnete die sofortige Vollziehung an, drohte ein Zwangsgeld an und setzte eine Verwaltungsgebühr fest. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass sie örtliche Ordnungsbehörde ist und dass nach §§ 1, 3 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) die örtliche Ordnungsbehörde für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig und ermächtigt ist. Die abzuwehrende Gefahr folge daraus, dass nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) der Verkehr auf der Straße nicht behindert werden dürfe. Die Warnbaken behinderten nicht nur die Nachbarn, sondern auch Rettungs-, Feuerwehr- und Polizeifahrzeuge. E sei zuzumuten, den geringen Verkehr vor seinem Hausgrundstück zu dulden.

E entfernte die Warnbaken, will sich aber gegen die Verfügung zur Wehr setzen. Er beruft sich darauf, dass die Grundfläche vor seinem Hause lediglich faktisch von anderen benutzt werde, jedoch niemals gewidmet worden und deshalb keine öffentliche Straße sei. Auf die StVO könne sich die Gemeinde schon deshalb nicht berufen, weil zu deren Ausführung die Straßenverkehrsbehörde zuständig sei und nach einer Rechtsverordnung des Landes L die kreisfreien Städte und die Kreise Straßenverkehrsbehörden sind. Im übrigen werde die StVO bekanntlich durch Bußgelder vollzogen und nicht durch Verfügungen.

E bittet um ein Gutachten zu der Frage, ob eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die Verfügung von 2016 Aussicht auf Erfolg hat. Das Land L hat von der Ermächtigung in § 68 I 2, 1. Fall, VwGO Gebrauch gemacht und das Widerspruchsverfahren grundsätzlich abgeschafft.

Vorbemerkung zur Fallbearbeitung: Im Vergleich zu dem in Baden-Württemberg spielenden Originalfall wurden im Sachverhalt die Behördenbezeichnungen und die Bezeichnung des einschlägigen Gesetzes geändert, um die bundesweite Verwendung des Falles zu erleichtern. Diese Änderungen werden auch in die Originalzitate übernommen, ohne dass sich dadurch etwas am sachlichen Inhalt ändert.

A. Eine verwaltungsgerichtliche Klage müsste zulässig sein.

I. Für den Verwaltungsrechtsweg verlangt § 40 I VwGO eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Sie liegt vor, wenn die streitentscheidenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind. Als streitentscheidend kommen im vorliegenden Fall §§ 1, 3 OBG und Vorschriften aus der StVO in Betracht; sie gehören zum öffentlichen Recht. Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlich und keinem anderen Gericht zugewiesen. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben.

II. Als Klageart kommt eine Anfechtungsklage (§ 42 I VwGO) in Betracht.

1. Für sich genommen erfüllt die Verfügung der G von 2016 die Begriffsmerkmale für einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG). Regelung im Einzelfall ist das gegenüber E ausgesprochene Gebot zur Entfernung der Warnbaken. Hierzu akzessorische VAe sind die Zwangsandrohung und die Gebührenfestsetzung.

2. Wegen der im Jahre 2010 ergangenen Verfügung mit dem im Kernpunkt gleichen Inhalt könnte es sich um die bloße Wiederholung eines VA handeln, die selbst kein VA ist. Jedoch hat die G den Fall erneut geprüft, erneut ein Gebot ausgesprochen und dieses begründet. Damit handelt es sich um einen erneuten VA, der die Anfechtungsmöglichkeit erneut auslöst. BVerwG [9] Der Zulässigkeit der Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass die Beklagte bereits im Jahr 2010 eine Beseitigungsanordnung erlassen hatte, die auch bestandskräftig wurde; bei der hier angegriffenen Anordnung handelt es sich nicht um eine wiederholende Verfügung, sondern um einen selbstständig anfechtbaren Bescheid.

3. Eine Anfechtungsklage ist nicht mehr zulässig, wenn sich der VA erledigt hat; dann kommt nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO) in Betracht. Die Verfügung könnte sich dadurch erledigt haben, dass E die Warnbaken entfernt hat.

a) Wesentliche Erledigungsfälle sind: Rücknahme, Widerruf oder anderweitige Aufhebung des VA durch die Behörde (§ 43 II VwVfG); der Zeitablauf bei einem zeitgebundenen VA (z. B. dem Verbot einer Versammlung an einem bestimmten Tag); der Wegfall des Objekts, auf das sich der VA bezieht (sichergestellte Sache wird zerstört); der Wegfall des Subjekts (Tod des Berechtigten oder Verpflichteten beim höchstpersönlichen VA). Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Dass der Adressat eines belastenden VA diesen befolgt, ist der normale Ablauf und kein Fall der Erledigung. Auch wird E nach wie durch die Verfügung beschwert, weil er die Warnbaken nicht wieder aufstellen darf.

b) BVerwG [9] kommt zum selben Ergebnis, allerdings mit einer prozessualen Begründung: Ebenso wenig ist allein dadurch, dass der Kläger die Warnbaken entfernt und damit die für sofort vollziehbar erklärte Beseitigungsanordnung befolgt hat, sein Rechtsschutzbedürfnis entfallen, zumal er sich mit seiner Klage ausdrücklich auch gegen die ihm in den angegriffenen Bescheid auferlegte Verwaltungsgebühr wendet.

III. Die Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) steht E zu. Er kann geltend machen, in seinem Eigentum an der Grundstücksfläche, die er durch die Warnbaken sichern will, verletzt zu sein. Auch ist er Adressat eines ihn belastenden VA.

IV. Ein Widerspruchsverfahren ist im Lande L nicht mehr erforderlich. Davon, dass die Klagefrist von einem Monat (§ 74 VwGO) eingehalten werden kann, ist auszugehen. Die Klage ist gegen die Gemeinde G zu richten (§ 78 I Nr. 1 VwGO). Eine Anfechtungsklage wäre zulässig.

B. Für die Begründetheit der Klage ist erforderlich, dass die Verfügung von 2016 rechtswidrig ist (§ 113 I 1 VwGO).

I. Es ist die anwendbare Ermächtigungsgrundlage zu bestimmen.

1. Eine für den vorliegenden Fall möglicherweise geeignete Spezialvorschrift ist der mit „Verkehrshindernisse“ überschriebene § 32 I 1 StVO. Danach ist es verboten, (die Straße zu beschmutzen oder zu benetzen oder) Gegenstände auf die Straße zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Jedoch enthält die Vorschrift lediglich Verbote für diejenigen, die der Vorschrift zuwiderhandeln. Sie räumt keine VA-Ermächtigung ein. In der StVO werden ganz überwiegend die Verbote und Gebote an die Verkehrsteilnehmer gerichtet. Ermächtigungsgrundlagen zugunsten der Behörden finden sich nur ausnahmsweise, so in § 36 zugunsten von Weisungen der Polizeibeamten und in § 45 zum Aufstellen von Verkehrszeichen. BVerwG [14] § 32 Abs. 1 StVO kann keine Ermächtigungsgrundlage entnommen werden; diese Regelung enthält in ihrem Satz 1 lediglich Verbote und in Satz 2 damit korrespondierende Gebote. Auch ansonsten weisen die StVO und das ihr zugrunde liegende Straßenverkehrsgesetz für die hier zu beurteilende Fallgestaltung keine eigenständige Eingriffsgrundlage auf, auch nicht in Form einer Generalklausel. § 32 StVO ist also keine Ermächtigungsgrundlage.

2. Spezielle, zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung erlassene Handlungsgebote oder -verbote werden über die ordnungs- und polizeirechtliche Generalklausel durchgesetzt.

a) In der Verletzung des speziellen Handlungsgebots oder -verbots liegt ein Verstoß gegen die Rechtsordnung, die sich als „Schutzgut positives Recht“ darstellt, und der zu der Feststellung führt, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gegeben ist. Diese Vorgehensweise hat auch den Vorteil, dass nicht nur auf die spezielle Vorschrift abgestellt werden muss, sondern dass weitere Argumente im Zusammenhang mit der Prüfung der Gefahr für die öffentliche Sicherheit herangezogen werden können und dass die weiteren Anforderungen an Verhältnismäßigkeit und Ermessensausübung anhand der Vorschriften des OBG oder des PolG geprüft werden können.

b) Dieser Betrachtung steht nicht entgegen, dass, wie E geltend macht, die Vorschriften der StVO lediglich durch die Verhängung von Bußgeldern vollzogen würden. Für eine solche Einschränkung der behördlichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr ist kein Grund ersichtlich.

BVerwG [15,16] In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass bei einer Zuwiderhandlung gegen die Verhaltenspflichten aus § 32 StVO als Ermächtigungsgrundlage für ein ordnungsrechtliches Einschreiten gegen den dafür Verantwortlichen auf im Landesrecht enthaltene polizei- und ordnungsrechtliche Generalklauseln zurückgegriffen werden kann (vgl.…VGH München NuR 2005, 463; OVG Frankfurt (Oder) NVwZ 1997, 202/3; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 32 StVO Rn. 25). Weder der StVO noch dem StVG lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es bei einem Verstoß gegen sich aus § 32 StVO ergebende Verhaltenspflichten bei der Ahndung als Ordnungswidrigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO) bleiben soll, diese Pflichten…also nicht auch im Wege einer Beseitigungs- oder Handlungsanordnung durchsetzbar sein sollen. § 32 StVO ist rechtssystematisch als spezialrechtliches Gefahrenabwehrrecht einzuordnen, das hinsichtlich erforderlicher Eingriffsermächtigungen einen Rückgriff auf die allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Befugnisnormen offen lässt (ebenso zur Durchsetzung von Verbotsvorschriften nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, das selbst keinen entsprechenden Maßnahmenkatalog enthielt: BVerwGE 77, 102, 107… )… Eine Verletzung der sich aus § 32 StVO ergebenden Verhaltenspflichten begründet zugleich einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne…

c) Wird - aus der Sicht des Spezialvorschrift - die Spezialvorschrift in Anwendung der Generalklausel vollzogen und - aus der Sicht der Generalklausel - die Generalklausel durch eine Spezialvorschrift ausgefüllt, spricht man von einer unselbstständigen Verfügung.

d) Im vorliegenden Fall führt das dazu, dass sich die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer unselbstständigen Verfügung aus §§ 1, 3 OBG i. V. mit § 32 StVO ergibt. Dabei bedarf es an dieser Stelle noch keiner Klärung der umstrittenen Frage, ob die Fläche, auf der E die Warnbaken aufgestellt hat, zur öffentlichen Straße gehört. Diese Frage betrifft die Voraussetzungen des § 32 StVO und ist im Zusammenhang mit der materiellen Rechtmäßigkeit der Verfügung zu prüfen.

II. Was die formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung betrifft, sind die Verfahrensanforderungen Anhörung (§ 28 VwVfG) und Begründung (§ 39 VwVfG) laut Sachverhalt beachtet. Zu prüfen bleibt die sachliche Zuständigkeit der Gemeindebehörde.

1. Für die von der unselbstständigen Verfügung vollzogenen Vorschriften könnten verschiedene Zuständigkeiten bestehen.

a) Für den Vollzug der ordnungsrechtlichen Generalklausel ist nach §§ 1, 3 OBG die örtliche Ordnungsbehörde zuständig; das ist die Gemeinde G.

b) Für den Vollzug des § 32 StVO gilt § 44 I 1 StVO. Danach sind sachlich zuständig zur Ausführung dieser Verordnung, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Straßenverkehrsbehörden. Eine abweichende Regelung für die Ausführung des § 32 StVO besteht nicht. Straßenverkehrsbehörden sind nach landesrechtlicher Zuständigkeitsregelung (in Bad-Württ. § 1 StVO-ZustG; in NRW § 1 StVO-ZustVO) die Behörden auf der Kreisebene, für das Gebiet der Gemeinde G also die Kreisverwaltung K (Behördenbezeichnung in NRW: Landrat).

2. Es handelt sich somit um den Fall einer unselbstständigen Verfügung, bei der zwei Regelungen zur Anwendung kommen und bei der für die beiden Regelungen unterschiedliche Zuständigkeiten gelten. Da letztlich nur eine Zuständigkeitsvorschrift maßgebend sein kann, muss entschieden werden, welche Vorschrift für die Bestimmung der Zuständigkeit verbindlich ist. Wird von § 44 I 1 StVO als der spezielleren Regelung ausgegangen, stellt sich die Frage, ob eine Ausführung der StVO bereits dann vorliegt, wenn die spezielle Handlungsnorm, also das spezielle Gebot oder Verbot, aus der StVO stammt; dann würde die Zuständigkeit für den Vollzug der Generalklausel dadurch verdrängt. Das BVerwG hat diese Frage sorgfältig geprüft und bejaht. [19-23]:

a) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO sind die Straßenverkehrsbehörden zuständig „zur Ausführung dieser Verordnung". Diese Regelung weist ihrem Wortlaut nach keine Beschränkung dahingehend auf, dass das nur dann gelten soll, wenn auch eine für das Handeln der Straßenverkehrsbehörde erforderliche Ermächtigungsgrundlage in der StVO selbst enthalten ist. Vielmehr genügt danach auch eine Verknüpfung des behördlichen Eingriffs mit der StVO in der Weise, dass jedenfalls die mit der Anordnung durchzusetzenden Verhaltenspflichten in der StVO begründet sind. Auch dann handelt es sich dem natürlichen Wortsinne nach um eine Maßnahme „zur Ausführung" der StVO. Solche, insbesondere Verhaltenspflichten enthaltende und damit ausführungsfähige Vorschriften finden sich…keineswegs nur im Teil III der StVO (§§ 44 bis 47). Vielmehr enthalten gerade die Teile I (Allgemeine Verkehrsregeln) und II (Zeichen und Verkehrseinrichtungen) vielfältige Gebote und Verbote, die sich an die Verkehrsteilnehmer richten und im Falle eines Verstoßes der straßenverkehrsbehördlichen Durchsetzung bedürfen.

b) Für eine umfassende Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde spricht die systematische Einbettung des § 44 I 1 StVO in die Gesamtregelung der StVO. Die StVO weist außer der weit gefassten Zuständigkeitszuweisung in § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO mit § 44 Abs. 2 bis 5 StVO sowie den Regelungen in § 45 StVO weitere enger eingegrenzte Zuständigkeitsregelungen auf. Dort werden vielfach ebenfalls die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörden, in einigen Fällen aber auch die Zuständigkeit - und/oder teilweise außerdem Befugnisse und Pflichten - anderer Behörden oder Dritter festgelegt (vgl. den bereits genannten § 44 Abs. 2 StVO: Polizei; § 45 Abs. 2 StVO: Straßenbaubehörde; § 45 Abs. 5 StVO [Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen]: Straßenbaulastträger oder Eigentümer der Straße). Dass der Verordnungsgeber ungeachtet dieser speziellen Regelungen mit § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO noch eine übergreifende, inhaltlich nur mit der Ausführung der StVO umschriebene Zuständigkeitsregelung zugunsten der Straßenverkehrsbehörden getroffen hat, spricht dafür, dass er…grundsätzlich die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde als einer fachlich spezialisierten Behörde für sachgerecht hält.

Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber hinsichtlich der in § 32 Abs. 1 StVO geregelten Verhaltenspflichten den Straßenverkehrsbehörden in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO die Entscheidung über die Erteilung von Ausnahmen von den Verboten des § 32 Abs. 1 StVO zugewiesen hat, und den Straßenverkehrsbehörden außerdem die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten obliegt, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO mit einem Verstoß gegen die Verhaltenspflichten des § 32 Abs. 1 StVO verbunden sind. Angesichts dessen wäre es geradezu systemwidrig, wenn die Straßenverkehrsbehörden nicht auch für die Durchsetzung solcher Verhaltenspflichten im Wege behördlicher Anordnung zuständig wären.

c) Auch der für die teleologische Auslegung maßgebende Zweck der Vorschrift spricht für eine weite Auslegung des § 44 I 1 StVO. Zur Zweckbestimmung bei § 44 gehört, dass die zum Handeln berufene Behörde zu beurteilen hat, ob und inwieweit der davon Betroffene gegen in der StVO auferlegte Verhaltenspflichten verstoßen hat und welche Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist, um wieder einen im straßenverkehrsrechtlichen Sinne ordnungsgemäßen Zustand herbeizuführen, also insbesondere die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wiederherzustellen oder aufrechtzuerhalten. Würde diese Aufgabe nicht einheitlich der Straßenverkehrsbehörde übertragen, käme es je nach Ermächtigungsgrundlage und anderweitiger Zuständigkeitsregelung zu einer unnötigen Aufsplitterung der Zuständigkeiten. Nicht gefolgt werden kann dem Argument der Gemeinde G, dem Gebot einer effektiven Gefahrenabwehr könne durch eine Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörde besser Rechnung getragen werden, weil sie in der Regel mit größerer Orts- und Sachnähe als die Straßenverkehrsbehörde eingreifen könne… Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass sich der Verordnungsgeber von diesen von der Beklagten angeführten Erwägungen hat leiten lassen. Vielmehr hat er mit der umfassenden Zuständigkeitszuweisung des § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO deutlich gemacht, dass bei der Ausführung der StVO grundsätzlich die mit entsprechendem Fachpersonal und Fachwissen ausgestattete Spezialbehörde tätig werden soll.

d) BVerwG [24] Nach all dem hat der Verordnungsgeber mit § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO eine umfassende Regelung der sachlichen Zuständigkeit getroffen, die, soweit es um die Ausführung der StVO geht, keine Lücke lässt. Das schließt die Durchsetzung von in der StVO wurzelnden Verhaltenspflichten ein. Damit lässt § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO, auch wenn die Ermächtigungsgrundlage für das behördliche Handeln der Generalklausel entnommen werden muss, keinen Raum für die Anwendung der Zuständigkeitsregelungen des Ordnungs- oder Polizeigesetzes (entsprechend für eine Anwendbarkeit von § 44 Abs. 1 StVO zur Durchsetzung des Verbots verkehrsgefährdender Werbung nach § 33 StVO, OVG Frankfurt (Oder) NVwZ 1997, 202, 203;… Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 44 StVO Rn. 3;…). [12] Ein Handeln zur Ausführung der StVO im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO liegt also auch dann vor, wenn sich nur das Verbot oder Gebot, das mit einer behördlichen Anordnung durchgesetzt werden soll, aus der StVO selbst ergibt, nicht aber zugleich die für ein behördliches Einschreiten erforderliche Ermächtigungsgrundlage.

Für die Fallprüfung hat das die Konsequenz: Ist damit zu rechnen, dass sich die sachliche Zuständigkeit für eine unselbstständige Verfügung nicht nach der Zuständigkeit für die Anwendung der Generalklausel, sondern nach der Zuständigkeit für die die Generalklausel ausfüllende Spezialnorm richtet, reicht es bei der Bestimmung der anwendbaren Ermächtigungsgrundlage nicht aus, lediglich die Generalklausel als anwendbare Ermächtigungsgrundlage zu bezeichnen. Denn falls diese eine spezielle Norm vollzieht, muss diese spezielle Norm bereits als Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage bezeichnet werden, weil es sonst nicht gelingt, die sachliche Zuständigkeit richtig zu bestimmen (vgl. oben B I 2 d).

3. In Anwendung der vorstehenden Überlegungen führt im vorliegenden Fall die Heranziehung des § 32 StVO innerhalb der Ermächtigungsgrundlage dazu, dass die hier streitige Verfügung in Ausführung der StVO ergangen ist.

a) Folglich ist § 44 I 1 StVO für die sachliche Zuständigkeit zum Einschreiten gegenüber E maßgeblich. Zuständig ist die Kreisbehörde K als Straßenverkehrsbehörde. In dieser Eigenschaft ist sie eine zur Abwehr spezieller Gefahren befugte (Kreisordnungs-)Behörde und kann sich auf §§ 1, 3 OBG i. V. mit § 32 StVO stützen. Die Gemeinde G ist nicht zuständig. Die Verfügung der G ist wegen Fehlens der sachlichen Zuständigkeit rechtswidrig.

b) Eine Heilung nach § 45 VwVfG kommt nicht in Betracht, weil diese Vorschrift die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften behandelt, nicht jedoch von Vorschriften über die Zuständigkeit.

c) Auch eine Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG scheidet aus, weil dort nur die Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit und nicht über die sachliche Zuständigkeit aufgeführt sind.

BVerwG [27] Der Mangel der sachlichen Zuständigkeit wird…weder nach § 45 VwVfG geheilt noch ist er gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich. Ein behördliches Handeln trotz fehlender sachlicher Zuständigkeit wird von diesen Regelungen nicht erfasst.

III. Die Verfügung könnte auch materiell rechtswidrig sein. Das ist jedoch nicht der Fall, vielmehr ist die Verfügung materiell rechtmäßig. Allerdings ergibt sich die Rechtmäßigkeit nicht schon daraus, dass E bereits im Jahre 2010 bestandskräftig zur Entfernung der Warnbaken verpflichtet worden ist. Ein belastender VA hat keine Bindungswirkung für einen nachfolgenden erneuten VA. Vielmehr ist bei einem erneuten VA auch die Rechtmäßigkeit erneut zu prüfen.

1. Die Voraussetzungen der §§ 1, 3 OBG liegen vor. Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt in der Verletzung des § 32 I 1 StVO („Schutzgut positives Recht“). Die Aufstellung der Warnbaken verstößt gegen § 32 I 1 StVO, wie sich aus dessen nachfolgender Prüfung ergibt (zum Inhalt oben B I 1):

a) Die Mühlstraße ist einschließlich der dem E gehörenden Fläche eine öffentliche Straße. BVerwG [3] unter Bezugnahme auf das Urteil der Vorinstanz: Um eine Straße im Sinne der StVO handelt es sich dann, wenn sie - wie hier - der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken zur Verfügung steht. Es reicht also aus, dass tatsächlich ein öffentlicher Verkehr auf der Fläche stattfindet, wie das bei der gesamten Mühlstraße der Fall ist. Eine Widmung zur öffentlichen Sache im Sinne des öffentlichen Sachenrechts ist dafür nicht erforderlich (so auch die Allg. Verwaltungsvorschrift zur StVO § 1: „Öffentlicher Verkehr findet auch auf nicht gewidmeten Flächen statt, wenn diese mit Zustimmung oder unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein benutzt werden“; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 2 StVO Rdn. 14).

b) Die Warnbaken sind Gegenstände, die E auf die Straße gebracht hat.

c) Durch die Warnbaken wird der Verkehr der Nachbarn, wenn diese ihr Grundstück erreichen wollen, erschwert, ebenso der Verkehr von Rettungs-, Feuerwehr- und Polizeifahrzeugen im Falle ihres Einsatzes, mit dem jederzeit gerechnet werden muss. Im übrigen ist nach § 32 StVO ausreichend, dass der Verkehr erschwert werden „kann“.

2. E ist Handlungsstörer, weil er den Verstoß gegen § 32 StVO durch seine Handlung herbeigeführt hat und nach § 32 I 2 StVO zur Beseitigung des Hindernisses verpflichtet ist.

3. Die Beseitigungsverfügung ist verhältnismäßig; es ist weder ein milderes Mittel noch sind überwiegende Interessen des E ersichtlich. Für einen Ermessensfehler (§ 114 VwGO) bestehen keine Anhaltspunkte.

IV. Die materielle Rechtmäßigkeit ändert nichts daran, dass die Verfügung wegen des Zuständigkeitsfehlers rechtswidrig ist. Sie verletzt auch E in seinem Eigentumsrecht (Art. 14 I GG), kraft dessen er verlangen kann, nur von der zuständigen Behörde in seinem Eigentum beschränkt zu werden. Somit liegen die Voraussetzungen des § 113 I 1 VwGO vor. Eine verwaltungsgerichtliche Klage des E hat Aussicht auf Erfolg. Das VG wird die Verfügung einschließlich Zwangsandrohung und Verwaltungsgebühr aufheben.


Zusammenfassung