Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Verkehrszeichen (Haltverbot) als Allgemeinverfügung, § 35, 2 VwVfG. ► Von Privaten auf Anordnung der Behörde angebrachte Verbotsschilder. ► Bekanntgabe des Verkehrszeichens; Sichtbarkeitsgrundsatz. ► Abschleppenlassen von Kraftfahrzeugen durch die Polizei; Ersatzvornahme; Kostenbescheid gegenüber Fahrer
BVerwG Urteil vom 6. 4. 2016 (3 C 10.15) NJW 2016, 2353
Fall (Haltverbot für Straßenfest)
In der nordrhein-westfälischen Großstadt S veranstaltete der V-Verein am Samstag, den 11. 9. ein Straßenfest. Dafür wurde ein längerer Abschnitt der Kreuzstraße in Anspruch genommen. Die Straße brauchte nicht für den Autoverkehr gesperrt zu werden, weil die Gehwege breit genug waren und wenig Autoverkehr erwartet wurde. Ausgeschlossen werden sollte aber das dort normalerweise erlaubte Parken, weil parkende Autos den Aufbau der Stände und Pavillons und die Durchführung der Veranstaltung stark behindern würden. V legte bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde B zusammen mit dem Antrag auf die nötigen Genehmigungen einen Verkehrszeichenplan vor, der auf jeder Straßenseite die Anbringung von drei Schildern vorsah, durch die ein absolutes Haltverbot angeordnet wurde (Zeichen 283 nach Anlage 2 zu § 41 StVO mit dem Zusatz „Sa. 11. 9. 6 - 22 Uhr“), und bat die B um Zustimmung. B erteilte die notwendigen Genehmigungen und fügte ein Exemplar des Verkehrszeichenplans bei, das die B mit dem Stempel „Verkehrszeichenplan straßenverkehrsrechtlich angeordnet“ und der Unterschrift eines Mitarbeiters der B versehen hatte. Am Mittwoch, den 8. 9. nahm V die Beschilderung vor. Am Freitag, den 10. 9. gegen 23:45 Uhr parkte der aus einem anderen Stadtteil kommende K einen großen SUV an einer Stelle zwischen den Verbotsschildern. Dort stand das Auto noch am Samstagmorgen und behinderte die Vorbereitungen für das Straßenfest erheblich. Nachdem V bei der Stadtverwaltung niemanden erreichen konnte, wurde die Polizei (P) um Hilfe gebeten. Ein Polizeibeamter versuchte vergeblich, den Halter des Autos zu erreichen, und veranlasste gegen 9:00 Uhr das Umsetzen des Fahrzeugs durch das Abschleppunternehmen A. Andere parkende Autos standen nicht im Weg. Für das Umsetzen berechnete A der P den üblichen Betrag von 125 Euro. Nach Anhörung des K wurde dieser vom zuständigen Polizeipräsidium mit Kostenbescheid vom 1. 11. zur Zahlung von 125 Euro herangezogen.
K hat gegen den Kostenbescheid verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er macht geltend, er habe sich am Freitagabend umgeschaut, aber kein Schild gesehen. Die Straße sei nur schwach beleuchtet gewesen. Am Samstag habe er festgestellt, dass das nächste Schild ca. 30 m von seinem Parkplatz entfernt und parallel zur Straße angebracht war. Im Übrigen seien Verkehrsschilder, die von Privaten angebracht wurden, nicht verbindlich; dass B dem Anbringen zugestimmt hat, reiche nicht aus. In der Begründung des Kostenbescheids wird ausgeführt - teilweise unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der B - , die Schilder seien seit dem 8. 9. gut erkennbar gewesen. Der Polizeibeamte habe am Morgen des 11. im Umsetzungsprotokoll vermerkt: „Haltverbot auf beiden Seiten deutlich erkennbar.“ Auch bestehe bei Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, eine Nachschaupflicht, kraft derer der Fahrer gehalten sei, vom Abstellort aus eine gewisse Strecke nach beiden Richtungen abzuschreiten; hätte K sich so verhalten, hätte er eines der Schilder sehen müssen. Eine weitere Möglichkeit, die Sichtbarkeit der Schilder, die noch am Abend des 11. 9. entfernt worden waren, aufzuklären, besteht nicht. Fotos sind nicht gemacht worden. Wie ist über die verwaltungsgerichtliche Klage zu entscheiden?
Lösung
Vorbemerkung: Der Originalfall spielte in Berlin. Nachdem der obige Sachverhalt den Fall in eine nrw-Stadt verlegt hat, wurde die Lösung auf nrw-Recht umgestellt. Die wesentlichen Ausführungen betreffen aber Bundesrecht und gelten für alle Bundesländer.
A. Zulässigkeit der Klage
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weil sich die streitentscheidenden Vorschriften aus dem öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrsrecht (StVO) und dem Polizeirecht einschließlich der verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften ergeben. Die Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art und keinem anderen Gericht zugewiesen.
II. Der Klageart nach handelt es sich um eine Anfechtungsklage (§ 42 I VwGO). Der auf Zahlung von 125 Euro gerichtete Bescheid der P vom 1. 11., dessen Aufhebung K begehrt (§ 88 VwGO), enthält als Gebot im Einzelfall einen Verwaltungsakt i. S. des § 35, 1 VwVfG.
III. K hat die Klagebefugnis nach § 42 II VwGO, weil er geltend machen kann, die Zahlungspflicht verletze ihn in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG).
IV. Nach § 68 I VwGO bedarf es vor Erhebung der Anfechtungsklage der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, sofern nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist; dabei kann „Gesetz“ auch ein Landesgesetz sein.
1. Eine solche anderweitige Bestimmung enthält § 110 I 1 JustizG NRW, wodurch das Widerspruchsverfahren in NRW für VAe der Landes- und Kommunalbehörden grundsätzlich abgeschafft wurde (in anderen Bundesländern gibt es teilweise gleiche Regelungen).
2. Zu den Ausnahmen, bei denen es nach wie vor eines Widerspruchverfahrens gegen den VA bedarf, gehören nach § 110 II Nr. 5 JustizG Verwaltungsakte, durch die Geldforderungen nach §§ 1, 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) beigetrieben werden. Durch den hier angefochtenen Kostenbescheid vom 1. 11. wird keine Geldforderung im Sinne einer Vollstreckung beigetrieben, sondern die Geldforderung wird erst einmal schlicht geltend gemacht. Eine Vollstreckung des Kostenbescheids könnte allenfalls angedroht worden sein, was aber noch keine Beitreibung ist. Eine Vollstreckung ist voraussichtlich durch das Umsetzen des Autos erfolgt. Dabei handelt es sich aber nicht um die Vollstreckung einer Geldforderung, sondern um die eines Handlungsgebots (Wegfahrgebots). Die Ausnahme des § 110 II Nr. 5 JustizG trifft deshalb auf den vorliegenden Fall nicht zu. Es bleibt dabei, dass ein Widerspruch nicht erforderlich war.
V. Klagegegner ist das Land (§ 78 I Nr. 1 VwGO, Rechtsträgerprinzip). Der Kostenbescheid wurde vom Polizeipräsidium erlassen, einer unmittelbaren Landesbehörde (§§ 1, 2 I Nr. 1 PolizeiorganisationsG, POG NRW). Bei Klagen, die sich gegen einen von einer Landesbehörde erlassenen VA richten, ist das Land NRW Beklagter.
VI. Da von einer form- und fristgerechten Erhebung auszugehen ist, ist die Anfechtungsklage zulässig.
B. Die Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO begründet, wenn der angefochtene VA rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Es ist deshalb die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids als eines belastenden VA zu prüfen.
I. Eine anwendbare Ermächtigungsgrundlage könnte sich daraus ergeben, dass P eine Vollstreckung in Form einer Ersatzvornahme vorgenommen hat und K die Kosten dieser Ersatzvorname tragen soll. Nach § 20 II Nr. 7 der Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VO VwVG NRW) hat der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckungsbehörde ihre Auslagen zu erstatten. Zu den Auslagen gehören „Beträge, die bei der Ersatzvornahme…an Beauftragte und an Hilfspersonen zu zahlen sind.“
1. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist erforderlich, dass eine Vollstreckungsmaßnahme vorgenommen wurde. Denn würde es sich etwa um eine Sicherstellung handeln, käme nicht § 20 II Nr. 7 VO VwVG zur Anwendung, sondern § 46 III 1 PolG. In den Normalfällen, in denen ein Fahrzeug abgeschleppt und zu einem Abstellplatz gebracht wird, wird teilweise vertreten, dass es sich um eine Sicherstellung handelt (Möstl JURA 2011, 851). Die überwiegende Auffassung geht aber bereits in diesen Fällen dahin, dass ein Wegfahrgebot im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt wird (BGH MDR 2014, 589 [6]; Waldhoff JuS 2010, 92; Hong JURA 2012, 474; Kugelmann/Alberts JA 2013, 908). Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, nur um die Umsetzung des Fahrzeugs zum nächsten freien Parkplatz, scheidet eine Sicherstellung von vornherein aus, und es handelt sich um eine Vollstreckungsmaßnahme. (Das BVerwG brauchte zu dieser Frage nichts zu sagen, weil in Berlin eine Vorschrift über die - vollstreckungsähnliche - „unmittelbare Ausführung“ zur Anwendung kam; im Ordnungs- und Polizeirecht von NRW gibt es keine „unmittelbare Ausführung“.)
2. § 20 II Nr. 7 VO VwVG müsste auch beim Handeln der Polizei anwendbar sein.
a) Die VO VwVG ist eine Ausführungsvorschrift zum VwVG und findet ihre Ermächtigungsgrundlage, soweit es um Kosten geht, in § 77 I 1 VwVG. Sie ist also ohne weiteres anwendbar, wenn eine Vollstreckung nach dem VwVG erfolgt, etwa wenn das Ordnungsamt Autos abschleppen lässt.
b) Die Vollstreckung durch die Polizei richtet sich dagegen nach §§ 50 ff. PolG, zu denen es keine AusführungsVO gibt. Jedoch verweist die die Ersatzvornahme regelnde Vorschrift des § 52 PolG in Abs. 1 Satz 2 auf § 77 VwVG und damit auch auf § 20 II Nr. 7 VO VwVG.
3. Folglich ist § 20 II Nr. 7 VO VwVG die anwendbare Ermächtigungsgrundlage und enthält auch eine VA-Befugnis (Poscher/Rusteberg JuS 2012, 30).
II. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids bestehen keine Bedenken:
1. Als Vollzugsbehörde (§ 20 II VO VwVG) und Kostengläubiger (§ 77 I VwVG) war das für das Land handelnde Polizeipräsidium die zuständige Behörde.
2. K wurde angehört (§ 28 I VwVfG; die Ausnahme des § 28 II Nr. 5 greift nicht ein, weil der Erlass des Kostenbescheids keine Maßnahme „in“ der Verwaltungsvollstreckung ist). Auch enthält der Bescheid eine Begründung (§ 39 I VwVfG).
III. In materieller Hinsicht sind die Voraussetzungen des § 20 II Nr. 7 VO VwVG zu prüfen. Dabei muss der im Anschluss an eine Vollstreckung ergehende Kostenbescheid im Zusammenhang mit der vorangegangenen Vollstreckung gesehen werden. Deshalb ist ungeschriebene Voraussetzung des § 20 II Nr. 7 VO VwVG, dass eine rechtmäßige Verwaltungsvollstreckung stattgefunden hat (Poscher/Rusteberg JuS 2012, 31). War die Vollstreckung dagegen rechtswidrig, dürfen dem Bürger keine dabei entstandenen Kosten auferlegt werden. Die Rechtmäßigkeit ist allerdings nicht mehr zu prüfen, soweit ein VA, insbesondere eine Grundverfügung, vorausgegangen und unanfechtbar geworden ist (BVerwGE 122, 296/7); das scheidet im vorliegenden Fall, in dem die Schilder nur wenige Tagen hingen, von vornherein aus.
1. Für eine rechtmäßige Verwaltungsvollstreckung bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage, die sich beim Handeln der Polizei aus § 50 PolG ergeben kann: entweder aus Abs. 1 bei einer Vollstreckung im gestreckten Verfahren (im VwVG: § 55 I) oder aus Abs. 2 im Falle eines sofortigen Vollzugs (im VwVG: § 55 II). Im vorliegenden Fall kommt § 50 I PolG in Betracht. Hierfür muss ein auf eine Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichteter VA ergangen sein („HDU-Verfügung“ als Grundverfügung).
a) Die am 11. 9. an dem Straßenabschnitt der Kreuzstraße, wo K das Auto geparkt hatte, angebrachten Verkehrsschilder wiesen das Zeichen 283 nach Anlage 2 zu § 41 StVO auf, durch das ein absolutes Haltverbot ausgesprochen wird. Solche Verkehrszeichen sind begrifflich VAe in der Form der Allgemeinverfügung (§ 35, 2, 3. Fall VwVfG: Regelung der Benutzung der Straße durch die Allgemeinheit). Handelt eine Person dem Verbot zuwider, wandelt sich das Haltverbot in ein Wegfahrgebot um (BVerwG NJW 2014, 2888 [13]; BGH MDR 2014, 589; Hong JURA 2012, 475). Also kann e in Verkehrszeichen, das ein Haltverbot ausspricht, eine Grundverfügung für die Vollstreckung eines Handlungsgebots über § 50 I PolG (§ 55 I VwVG) sein. Eine Anwendung der Vorschrift über den Sofortvollzug (§§ 50 II PolG; 55 II VwVG), die mit der Voraussetzung „Handeln innerhalb der Befugnisse“ die Prüfung verlangt, ob eine fiktive Grundverfügung rechtmäßig hätte erlassen werden können, wird dadurch entbehrlich.
b) Die am 8. 9. in der Kreuzstraße angebrachten Verkehrszeichen waren nur dann vollstreckbare VAe, wenn es sich um Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde gehandelt hat (§ 35 VwVfG). Insoweit ist K zuzustimmen, dass Verkehrsschilder, die von - nicht beliehenen - Privaten angebracht wurden, nicht verbindlich sind. Ihm ist auch darin zu folgen, dass es nicht ausreicht, wenn die Behörde der Maßnahme eines Privaten nur zustimmt. Vielmehr muss sie den VA selbst erlassen. Das hat B aber getan, indem sie den das Haltverbot enthaltenden Verkehrszeichenplan „straßenverkehrsrechtlich angeordnet“ hat.
BVerwG [11-13] Nach dem Sachverhalt wurde die Aufstellung der Haltverbotszeichen…von B als Straßenverkehrsbehörde angeordnet und von dem privaten Veranstalter des Straßenfestes lediglich ausgeführt. Der von K gerügte Verstoß gegen § 1 Abs. 4 und § 35 Satz 1 VwVfG und der von ihm daraus hergeleitete Wirksamkeitsmangel des Haltverbots liegen daher nicht vor… Dem steht das Urteil BVerwGE 35, 334 nicht entgegen. Dort heißt es, dass die verbindliche Entscheidung über eine Verkehrsbeschränkung oder - wie dort - ein Verkehrsverbot von der zuständigen Behörde getroffen werden muss und sie nicht einem privaten Dritten - in jenem Fall einem Bauunternehmer - überlassen werden darf. Das schließt aber nicht aus, dass der Dritte einen Vorschlag machen und dabei - wie hier - auch einen konkreten Verkehrszeichenplan vorlegen darf. Die Behörde ist nicht gehindert, eine entsprechende Anordnung zu treffen. § 45 Abs. 6 StVO sieht ausdrücklich vor, dass Bauunternehmer vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, einen Verkehrszeichenplan vorzulegen haben… Den Unterschied zwischen einer „Zustimmung" und der „Anordnung“ eines Verkehrsverbots sieht das BVerwG darin, dass sich die Behörde bei der „Zustimmung" einer eigenen Entscheidung enthält und lediglich die von einer anderen Stelle getroffene Entscheidung überprüft (BVerwG a.a.O. S. 342). Im vorliegenden Fall hat die B das Anbringen der Verkehrszeichen selbst angeordnet. Das Aufhängen durch V kann als Handeln eines Verwaltungshelfers betrachtet werden. (Nach Kümper NJW 2016, 2356 in einer Anmerkung zur Entscheidung des BVerwG ist das Aufstellen durch Private eine „bloße (Erklärungs-) Botenhandlung“.) Die Verkehrszeichen waren somit Maßnahmen der B-Behörde.
c) Die Verkehrszeichen als VAe bedurften einer Bekanntgabe (§ 41 VwVfG). Da Verkehrszeichen keine normalen schriftlich, mündlich oder elektronisch erlassenen VAe sind, gilt bei ihnen ein straßenverkehrsrechtlicher Bekanntgabebegriff. Danach ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (BVerwGE 102, 316, 318; Weidemann/Barthel JA 2014, 117).
BVerwG [16] Nach st. Rspr. ist das Haltverbot nach Zeichen 283, wie andere Verkehrsverbote und -gebote, ein Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG (…)…Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen (Spezial-)Vorschriften der StVO durch Aufstellen des Verkehrszeichens (vgl. insbesondere § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO). Dies ist eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe. Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen kann (BGH NJW 1970, 1126 f.), äußern sie nach dem so genannten Sichtbarkeitsgrundsatz ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (st. Rspr; BVerwGE 102, 316, 318, 130, 383 Rn. 11 und 138, 21 Rn. 15).
[17-19] Für die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, gelten weniger strenge Anforderungen als an solche, die den fließenden Verkehr regeln… Verkehrszeichen, die den fließenden Verkehr betreffen, müssen insbesondere bei höherer Geschwindigkeit innerhalb kürzester Zeit wahrgenommen und erfasst, also in ihrem Regelungsgehalt verstanden werden können… Anders liegt es bei Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr regeln. Hier hat der Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit, sich auch noch beim Abstellen und Verlassen seines Fahrzeugs ohne eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer Klarheit über das Vorhandensein und/oder den Inhalt eines Halt- oder Parkverbots zu verschaffen… Eine einfache Umschau nach dem Abstellen des Fahrzeugs, ob ein Halt- oder Parkverbot besteht, gehört zu der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt des Fahrers.
d) Fraglich ist, ob in der hier gegebenen Situation eine Anwendung dieser Überlegungen ausreicht oder ob eine Modifikation geboten ist, wonach auch eine individuelle Erkennbarkeit des Haltverbotsschildes durch K erforderlich war.
(1) Wird allein auf die Überlegungen unter c) abgestellt, kommt es darauf an, ob die Haltverbotsschilder so angebracht waren, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer am 8. 9. und den folgenden Tagen mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennen konnte, dass für den 11.9. ein Haltverbot angeordnet wurde. Dagegen ist unerheblich, ob K am Abend des 10. 9. ein Schild gesehen hatte oder sehen musste. Diese Ausgangsüberlegung stimmt mit der Auffassung überein, wonach die in der Aufstellung liegende öffentliche Bekanntgabe zur Wirksamkeit des Schildes jedermann gegenüber führt (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rdnr. 138: „weltweite“ Geltung; Stelkens NJW 2010, 1186; Kümper NJW 2016, 2356). Der Sachverhalt gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Haltverbotsschilder am 8. 9. und den folgenden Tagen für den normalen Verkehrsteilnehmer, der tagsüber die Kreuzstraße in der Absicht zu parken entlang gefahren und dabei seiner Umschaupflicht nachgekommen ist, hinreichend sichtbar waren. Allein dass ein Schild parallel zur Straße angebracht war, macht die Beschilderung nicht unsichtbar. Für Sichtbarkeit sprechen auch der Protokollvermerk der Polizei und der Umstand, dass andere Autos nicht im Weg standen, das Haltverbot also erkannt und beachtet wurde. Die Einwände, die K erhebt, betreffen vorwiegend die Situation des K am späten Abend des 10. 9 und am konkreten Abstellort, nicht jedoch die Verhältnisse am 8. bis 10. tagsüber.
Wird dem gefolgt, ist die Voraussetzung des § 50 I PolG, dass ein VA als Grundverfügung ergangen ist, erfüllt. Die Grundverfügung braucht nicht rechtmäßig zu sein, es reicht ihre Wirksamkeit (BVerwGE 122, 297; Muckel/Ogorek JA 2013, 852; Poscher/Rusteberg JuS 2012, 28/9). Im Übrigen ergab sich die Rechtmäßigkeit der Verkehrszeichen aus § 45 I 1 StVO, weil parkende Autos das genehmigte Straßenfest und damit die öffentliche Ordnung gestört hätten (BVerwG [12]).
Die Verkehrszeichen waren auch vollstreckbar, weil ein Rechtsmittel gegenüber einem Verkehrszeichen, das ein Verbot oder Gebot enthält, analog § 80 II Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat (BVerwG NJW 2014, 2888/9 [13]; Weidemann/Barthel JA 2014, 118; Hong JURA 2012, 476). Die Voraussetzungen des § 50 I PolG liegen vor.
Die Zuständigkeit der Polizei zur Vollstreckung durch Anwendung des § 50 I PolG ergab sich aus § 1 I 1, 2 PolG, weil das verbotswidrig parkende Auto eine Gefahr bedeutete und die primär zuständige Straßenverkehrsbehörde nicht erreichbar war. Das gebotene Wegfahren des Autos war eine vertretbare Handlung und konnte durch das Zwangsmittel der Ersatzvornahme in der Form der Fremdvornahme (§ 52 I 1 PolG) durchgesetzt werden. Eine Androhung gegenüber K war nicht möglich und deshalb nach § 56 I 3 PolG entbehrlich. An der ungestörten Durchführung des Straßenfestes bestand ein hohes öffentliches Interesse, so dass das Umsetzen des Autos verhältnismäßig (§ 2 PolG) war und ermessensfehlerfrei (§ 3 PolG) angeordnet werden konnte. Die Anforderungen des PolG an eine rechtmäßige Zwangsanwendung sind erfüllt.
In dem Fall, in dem das mobile Haltverbotsschild erst nach dem Parken aufgestellt und das Fahrzeug später abgeschleppt wurde, wird zwischen dem Dulden des Abschleppens (Primäreben) und der Kostentragung (Sekundärebene) unterschieden. Da der Autobesitzer sich nicht ständig um sein abgestelltes Fahrzeug zu kümmern braucht, ist das Abschleppen erst nach einer Vorlauffrist von drei Tagen, also ab dem vierten Tag nach Aufstellen des Schildes für ihn kostenpflichtig (SächsOVG NJW 2009, 2551; VGH Mannheim NJW 2007, 2058; BayVGH DÖV 2008, 732; Hong JURA 2012, 478). Da das Parken in diesem Fall aber ursprünglich rechtmäßig, im vorliegenden Fall dagegen von vornherein verbotswidrig war, lässt sich die Ausnahme von der Kostenpflicht nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Vielmehr sind nach den Überlegungen (1) die Verwaltungsvollstreckung und der Kostenbescheid rechtmäßig; die Anfechtungsklage ist unbegründet.
(2) Demgegenüber verlangt das BVerwG eine Sichtbarkeit für den Betroffenen auch in der konkreten Situation. Auf die Situation des konkret Betroffenen hatte bereits BVerwGE 138, 21 abgestellt, indem es den Beginn der Anfechtungsfrist (i. d. R. ein Jahr, § 58 II VwGO) auf den Zeitpunkt festsetzte, in dem der Verkehrsteilnehmer, der später klagen will, erstmals auf das Verkehrszeichen trifft. Auch im vorliegenden Fall stellt es auf K ab. BVerwG [30] Im vorliegenden Fall kommt es darauf an, ob die Haltverbotszeichen für den Kläger schon während der Anfahrt oder spätestens bei einem Rundumblick nach dem Aussteigen entweder bereits ohne Weiteres erkennbar waren oder ob zumindest Anlass für eine Nachschau bestand und das Haltverbot dabei für ihn erkennbar geworden wäre. Allerdings nimmt das BVerwG nicht dazu Stellung, dass nach den oben B III 1 c) wiedergegebenen Ausführungen unerheblich ist, ob ein Verkehrsteilnehmer das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht, während es an dieser Stelle auf die Erkennbarkeit durch K ankommen soll (nach Kümper NJW 2016, 2356 ein „dogmatischer Bruch“). Vom Ergebnis her lässt sich allerdings der Auffassung gut zustimmen, dass ein Autofahrer nur dann für einen Parkverstoß verantwortlich gemacht werden kann, wenn gerade er das Verbotsschild durch einen einfachen Rundumblick erkennen konnte. Ein Ansatz, einen Widerspruch in den Überlegungen des BVerwG aufzulösen, könnte auch die Überlegung sein, dass das Verkehrszeichen ein DauerVA ist, der dauernd erkennbar sein muss, so dass bei einem Wegfall der Erkennbarkeit am Freitagabend auch die Wirksamkeit des ursprünglich wirksam erlassenen Haltverbots entfallen wäre.
Die Behörde hat die Erkennbarkeit der Haltverbotsschilder durch K mit der Begründung bejaht, der Verkehrsteilnehmer sei gehalten, vom Abstellort aus eine gewisse Strecke nach beiden Richtungen abzuschreiten. Das geht jedoch weit über das Gebot zu einem Rundumblick hinaus. BVerwG [21] zu den dahingehenden Ausführungen des BerGer.: Damit überspannt das BerGer. die den Verkehrsteilnehmer treffenden Sorgfaltspflichten… Zu einer Nachschau ist der Verkehrsteilnehmer nur verpflichtet, wenn hierfür nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein besonderer Anlass besteht. Im Fall des K am Freitagabend ist ein besonderer Anlass nicht ersichtlich. Die behördlicherseits gegebene Begründung reicht somit nicht aus, um die Erkennbarkeit der Schilder durch K zu bejahen.
Eine andere überzeugende Begründung für die Sichtbarkeit der Verbotsschilder lässt der Sachverhalt nicht erkennen. Das Vorbringen des K, er habe sich wie geboten umgeschaut, das nächste Schild aber nicht erkennen können, weil es 30 m entfernt und parallel zur Straße angebracht war, lässt sich nicht widerlegen. Gleiches gilt für sein Vorbringen, die Straße sei nur schwach beleuchtet gewesen, was gegen eine Erkennbarkeit der Schilder spricht. Das Protokoll des Polizeibeamten bestätigt lediglich die Sichtbarkeit für ihn am Morgen des 11. 9. und lässt keine zuverlässigen Schlüsse auf die Verhältnisse am Abend vorher zu. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten bestehen nicht. BVerwG [22] Es obliegt der Behörde, die nach § 45 StVO ein Park- oder Haltverbot anordnet, für deren ordnungsgemäße Bekanntgabe Sorge zu tragen… Die materielle Beweislast dafür, dass den Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes für die Aufstellung oder Anbringung der Verkehrszeichen genügt wurde, trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Behörde, die daraus Rechtsfolgen herleiten will. Das legt es für sie zugleich nahe, dass sie - um im Fall der Nichterweislichkeit eine Beweislastentscheidung zu ihren Lasten zu vermeiden - die ordnungsgemäße Aufstellung oder Anbringung der Verkehrszeichen und die Erfüllung der Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes in geeigneter Weise dokumentiert. Das ist aber nicht geschehen. Also ist - auf der Grundlage der Ausführungen des BVerwG - davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der Verbotsschilder gegenüber K nicht erfolgt ist. Dann waren die Haltverbotsschilder zumindest gegenüber K nicht wirksam.
2. Folglich fehlt es - im Anschluss an die Überlegungen oben (2) - an dem für § 50 I PolG erforderlichen wirksamen VA. Eine rechtmäßige Verwaltungsvollstreckung liegt nicht vor. Sie lässt sich auch nicht über § 50 II PolG (Sofortvollzug) begründen, weil P nur das Verbotsschild und keinen davon zu unterscheidenden fiktiven VA vollziehen wollte. Somit durfte K nicht nach § 20 II Nr. 7 VO VwVG auf Kostenerstattung in Anspruch genommen werden. Der Kostenbescheid vom 1. 11. ist rechtswidrig und verletzt K in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG). Die Anfechtungsklage ist begründet und führt zur Aufhebung des Kostenbescheids (§ 113 I 1 VwGO).
Zusammenfassung