► Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen für Auskunftsansprüche der Presse gegenüber Behörden, Art. 70 ff. GG. ► Presserecht als Gesetzesmaterie, Abgrenzung. ► Annexkompetenz des Bundes. ► Auskunftsansprüche aus Landespressegesetz, aus dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst, aus § 1 Informationsfreiheitsgesetz, aus § 29 VwVfG. ► Auskunftsanspruch aus der Garantie der Pressefreiheit, Art. 5 I 2 GG. ► Art. 10 EMRK
BVerwG Urteil vom 20. 2. 2013 (6 A 2.12) NVwZ 2013, 1006-
Fall (NS-Vergangenheit des BND)
K ist Chefreporter der Bild-Zeitung. Er beabsichtigt eine Veröffentlichung zur NS-Vergangenheit des Bundesnachrichtendienstes (BND). Zu diesem Zweck hat er eine Anfrage an den BND gerichtet und um Auskunft darüber gebeten, wie viele Mitarbeiter des BND in den Anfangsjahren und bis etwa 1980 Mitglied der NSDAP, der SS und der Gestapo (Geheimen Staatspolizei des NS-Staates) waren. Es sei Aufgabe der Presse, die Allgemeinheit über die Geschichte des BND aufzuklären, auch um geschehenes Unrecht aufzuarbeiten und künftigen Fehlentwicklungen vorzubeugen. Insoweit habe er als Journalist die Funktion eines „public watchdog“. Die verlangten Informationen ließen sich mit moderner Bürotechnik ohne größeren Aufwand aus den Personalakten zusammenstellen. Sein Anspruch ergebe sich u. a. aus § 4 des Berliner Landes-Pressegesetzes (BlnPrG). Danach sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Der BND hat auch einen Standort in Berlin.
Der BND lehnte die Auskunftserteilung ab. Als Bundesbehörde unterliege er nicht der landesrechtlichen Vorschrift des § 4 BlnPrG. Auch aus anderen Vorschriften könne sich keine Verpflichtung ergeben, aufwändige Ermittlungen durchzuführen. Entgegen der Behauptung des K ließen sich die gestellten Fragen nicht einfach beantworten, insbesondere weil etwaige Mitgliedschaften in Organisationen des NS-Regimes nicht zentral erfasst worden seien.
K will Klage auf Auskunftserteilung erheben. Hätte eine Klage Erfolg? Nach § 50 I Nr. 4 VwGO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über Klagen, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen.
A. Zulässigkeit einer Klage
I. Für die Klage könnte der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO eröffnet sein. Die Klage des K ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weil sich ein Auskunftsanspruch nur aus einer Vorschrift ergeben kann, die den BND als Träger öffentlich-rechtlicher Aufgaben verpflichtet. Insbesondere ist § 4 BlnPrG (gleichlautend die Vorschriften der anderen Landes-Pressegesetze) eine öffentlich-rechtliche Vorschrift, weil sie Behörden als solche verpflichtet. Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, weil jedenfalls die primären Anspruchsgrundlagen sich aus dem Verwaltungsrecht ergeben und auch weder K noch der BND Verfassungsorgane sind. § 50 I Nr. 4 VwGO ist keine Zuweisung an ein anderes Gericht, sondern regelt für den Fall, dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, die instanzielle Zuständigkeit. Folglich ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
II. Der Klageart nach handelt es sich um eine Verpflichtungsklage (§ 42 I VwGO), wenn über den Auskunftsanspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Das hat das BVerwG aber verneint, [15]: Das Begehren ist in der Form der allgemeinen Leistungsklage statthaft. Es ist auf ein tatsächliches Handeln der Beklagten [der BRD} gerichtet. Anders als bei Auskunftsklagen nach § 7 BNDG… [richtet sich auf Auskunft über die zu einer Person gespeicherten Daten] geht der Erteilung der Auskunft keine davon gesonderte und als Verwaltungsakt zu qualifizierende Entscheidung des Behördenleiters oder einer von ihm beauftragten Person voraus (… BVerwGE 130, 29 Rn. 13).
III. Wird bei einer Leistungsklage eine Klagebefugnis analog § 42 II VwGO verlangt (so von BVerwGE 101, 159), ergibt sich diese im vorliegenden Fall daraus, dass K einen Anspruch auf Auskunft geltend macht und dieser Anspruch nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Durch die Ablehnung der Auskunft kann der Anspruch verletzt sein.
IV. BVerwG [14]: Über die Klage hat erstinstanzlich das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden, denn ihr liegen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zu Grunde (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO).
V. Somit ist eine beim BVerwG zu erhebende Klage zulässig. Sie ist gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin des BND zu richten (§ 61 Nr. 1 VwGO).
B. Begründetheit der Klage
Die Leistungsklage ist begründet, wenn der Kläger einen Anspruch auf die beantragte und abgelehnte Leistung hat. K müsste also einen Anspruch auf Auskunft über die NS-Vergangenheit von BND-Mitarbeitern haben.
I. Wie bereits erwähnt, gewährt § 7 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendient (BNDG)einen Anspruch des Betroffenen auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten; einen solchen Anspruch macht K aber nicht geltend. Einen allgemeineren Auskunftsanspruch regelt das BNDG nicht.
II. Anspruchsgrundlage könnte § 4 BlnPrG sein, weil K für die Presse tätig ist und der BND auch einen Standort in Berlin hat (und in Berlin derzeit auch die neue Zentrale gebaut wird). Dann müsste diese Vorschrift auf das Verhältnis des K zum BND anwendbar sein. Eine Unanwendbarkeit der Vorschrift könnte sich aus verfassungsrechtlichen Gründen ergeben.
1. Einer Anwendung des § 4 BlnPrG könnte die verfassungsrechtliche Begrenzung auf bestimmte Verwaltungstypen in Art. 83 ff. GG entgegen stehen. Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung gehört der BND zur Verwaltung, der zweiten, der vollziehenden Gewalt. Außerdem ist er Bundesverwaltung. Es ist das Verhältnis der Verwaltung zu den von ihr anzuwendenden Gesetzen näher zu bestimmen.
a) Das GG regelt den Vollzug der Gesetze durch die Verwaltung mit Hilfe von vier Verwaltungstypen: Ausführung der Bundesgesetze durch die Landesbehörden (Art. 83, 84 GG, Normalfall); Auftragsverwaltung der Länder für den Bund (Art. 85 GG); Bundesverwaltung, d. h. Ausführung der Bundesgesetze durch die „bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten“ (Art. 86 ff. GG); reine Landesverwaltung (Art. 30 GG); hinzu kommen die in Art. 91 a ff. GG geregelten Fälle der Gemeinschaftsaufgaben und der Verwaltungszusammenarbeit. Grundsätzlich nicht vorgesehen und nicht zulässig ist eine Ausführung von Landesgesetzen durch Bundesbehörden. Dagegen könnte es verstoßen, wenn ein Landesgesetz wie der § 4 BlnPrG auf eine Bundesbehörde wie den BND angewendet wird. Die insoweit geltende Ausnahme, dass bei der Unterstützung der Länder durch die Bundespolizei gemäß Art. 35 II, 91 I GG sich das Handeln der Bundespolizei nach Landesrecht richtet (§ 11 II BPolG), greift im vorliegenden Fall nicht ein.
b) Jedoch würde es sich im Falle einer Auskunftsgewährung nach § 4 BlnPrG durch den BND nicht um den Vollzug dieser Vorschrift durch eine Verwaltungsbehörde handeln. Der BND würde diese Vorschrift lediglich - wie jeder aus einem Gesetz Verpflichtete - befolgen, indem er die sich daraus ergebende Verpflichtung erfüllt. Dass Bundesbehörden das zuständigkeitsgemäß erlassene Landesrecht zu beachten haben, widerspricht dem GG nicht. Andernfalls würden bei einem Handeln von Bundesbehörden, für das es keine bundesrechtlichen Vorgaben gibt, für diese Behörden entgegen Art. 20 III GG keine rechtlichen Grenzen gelten. Beispielsweise unterliegt die Bundeswehr als Eigentümerin eines im Walde gelegenen Munitionsdepots der im Landesforstgesetz für den Fall eines Waldbrandes vorgesehenen Meldepflicht (BVerwGE 29, 52).
Die verfassungsrechtliche Begrenzung auf bestimmte Verwaltungstypen in Art. 83 ff. GG steht somit einer Anwendung des § 4 BlnPrG auf den BND nicht entgegen.
2. Der Anwendung des § 4 BlnPrG könnte entgegen stehen, dass dem Land für die Begründung einer Auskunftspflicht für Bundesbehörden die Gesetzeskompetenz fehlt. Nach Art. 70 I GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 70 I GG). Deren Anwendung wiederum richtet sich nach dem Sachgebiet, zu dem die zu regelnde Materie gehört (vgl. dazu die Kataloge der Art. 73, 74 GG).
a) Obwohl das Sachgebiet „Presserecht“ nicht mehr in den Kompetenzvorschriften enthalten ist, geht die Rspr. davon aus, dass es ein solches Rechtsgebiet gibt (BVerfGE 7, 29, 38; BVerwG [19]). Dafür spricht insbesondere, dass dieses Rechtsgebiet bis zur Föderalismusreform 2006 in Art. 75 I Nr. 2 GG (a. F.) enthalten war. Seit dem Wegfall des Art. 75 fällt das Presserecht unter Art. 70 I GG und damit in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder. BVerwG [19, 20]: Das Presserecht ist als Materie weder im Katalog der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 GG) noch der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG) aufgeführt…. Das BVerfG geht in seiner Rspr. davon aus, dass die Zuständigkeitskataloge der deutschen bundesstaatlichen Verfassungen eine besondere Materie „Presserecht“ kennen… Die Länder sind demnach entsprechend dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG für gesetzliche Regelungen auf dem Gebiet des Pressewesens zuständig (BVerfGE 36, 193, 201). Für dieses Ergebnis war es zwar nicht notwendig, das Presserecht als eigenes Rechtsgebiet anzuerkennen, vielmehr hätte ein Verweis auf Art. 70 I GG und darauf, dass dem Bund hierfür keine Zuständigkeit eingeräumt ist, ausgereicht; die Anerkennung eines eigenen Rechtsgebiets Presserecht erleichtert aber die nachfolgende Abgrenzung.
b) Es fragt sich, ob die Normierung einer Auskunftspflicht des BND gegenüber der Presse zum Presserecht gehört. Nicht alles, was sich auf die Presse bezieht, ist Presserecht. BVerwG [21]: So verleiht den Ländern die uneingeschränkte Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des Pressewesens zwar die Befugnis, die Verjährung von Pressedelikten zu regeln (BVerfGE 7, 29), nicht aber diejenige, das Zeugnisverweigerungsrecht der Presse im Strafverfahren zu normieren; denn bei letzterem handelt es sich nicht um einen Gegenstand des Presserechts, sondern um eine Materie, die Teil des gerichtlichen Verfahrens ist und darum gemäß Art. 74 Nr. 1 GG in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fällt (BVerfGE 36, 193).
c) Die Erteilung von Auskünften durch den BND könnte unter das in Art. 73 I Nr. 1 GG als ausschließliche Bundeskompetenz geregelte Sachgebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung fallen. Nach § 1 II BNDG sammelt der BND „zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“
aa) Allerdings fällt das Erteilen von Auskünften gegenüber der Presse nicht unter die Begriffe der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung, was gegen eine Bundeszuständigkeit spricht. (So Huber NVwZ 2013, 1010 in einer - ablehnenden - Anmerkung zu dem Urteil des BVerwG. Wenn Huber für seine Auffassung allerdings darauf verweist, dass die Berliner Baubehörde Baugenehmigungen auch für Bauten des Bundes erteilt, passt diese Überlegung nicht, weil das keine Frage der Gesetzeskompetenz ist.)
bb) Der Bund könnte für die Regelung der Auskunftserteilung aber kraft einer Annexkompetenz zuständig sein. Die Verwendung der Rechtsfigur Annexkompetenz ist bereits für die Auskunftspflicht der Landesbehörden anerkannt. BVerwG [21]: Die Kompetenz der Länder zum Erlass der jeweils in § 4 ihrer Pressegesetze enthaltenen Auskunftspflichten von Landesbehörden folgt nicht aus der Gesetzesmaterie „Presserecht“, sondern als Annex zu der jeweiligen Sachkompetenz, beispielsweise in den Bereichen „Schule“, „Hochschulen“, „Justiz“, „Polizei“; die Bestimmungen über die Auskunftspflichten von Landesbehörden hätten daher statt in den Pressegesetzen auch in anderen - verwaltungs- oder organisationsrechtlichen - Gesetzen der Länder aufgenommen werden können. Ebenso argumentiert das BVerwG jetzt für den Bereich der Bundesverwaltung, [23, 24]:
(1) Kennzeichnend für die Annexkompetenz ist ihr dienender, im Verhältnis zur geschriebenen materiellen Kompetenz, zu der sie hinzutritt, akzessorischer Charakter. Sie deckt den Erlass von Vorschriften, die in einem funktionellen Zusammenhang zur geschriebenen Kompetenzmaterie stehen (vgl. Rozek, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 70 Rn. 48; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 70 Rn. 38; Heintzen, in: BK, Grundgesetz, Stand: Dezember 2003, Art. 70 Rn. 120; Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: November 2012, Art. 70 Rn. 71). Das BVerfG hebt in seiner Rspr. insbesondere darauf ab, ob ein „notwendiger Zusammenhang zu der in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Materie“ besteht oder die Annexregelungen „für den wirksamen Vollzug der Bestimmungen erforderlich sind“ (BVerfGE 109, 190, 215;…).
(2) Die Annexkompetenz des Bundes zum Erlass von Regelungen über die Erteilung von Presseauskünften durch den Bundesnachrichtendienst begründet sich aus dem Umstand, dass die öffentliche Zugänglichkeit der dort vorhandenen Informationen die gesetzliche Aufgabenerfüllung beeinflussen kann. Einerseits erhöht sie die Nachvollziehbarkeit der Gesetzesausführung durch den Bürger und vermag so sein Vertrauen in deren Rechtsstaatlichkeit und Sachangemessenheit zu stärken; zugleich verbreitert sie den Informationsstand der Öffentlichkeit und befördert damit die politische Teilhabe. Andererseits birgt sie die Möglichkeit, dass Schutzinteressen Dritter oder aufgabenbezogene Vertraulichkeitsinteressen beeinträchtigt werden. Mit der Entscheidung über Umfang und Grenzen der öffentlichen Zugänglichkeit von Verwaltungsinformationen wird somit indirekt über den normativen Stellenwert oder das praktische Gewicht bestimmter von einer Sachmaterie erfasster materieller Belange bestimmt und insgesamt eine zentrale, auf die behördliche Umsetzung der fachgesetzlichen Regelungsanliegen einwirkende Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns gesetzt. Der notwendige Ausgleich zwischen Transparenz- und Vertraulichkeitsinteressen muss von dem für die Sachmaterie zuständigen Gesetzgeber in enger Abstimmung auf die Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Materie und deren spezifische Problemlagen und Regelungsnotwendigkeiten vorgenommen werden.
d) Folglich fällt die Auskunftserteilung durch den BND unter eine Annexkompetenz zu Art. 73 I Nr. 1 GG und damit in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes. Das Land Berlin hatte für eine Ausdehnung des § 4 BlnPrG auf Bundesbehörden keine Gesetzgebungskompetenz.
e) Eine fehlende Gesetzgebungskompetenz führt grundsätzlich zur Verfassungswidrigkeit der Norm. Bei einer Norm, deren wesentlicher Anwendungsbereich aber verfassungsmäßig ist, kann diese Rechtsfolge dadurch vermieden werden, dass die Norm auf den Bereich, innerhalb dessen ihre Anwendung verfassungswidrig wäre, nicht angewendet wird. § 4 BlnPrG wird also auf Bundesbehörden nicht angewendet. BVerwG [25]: Landespressegesetzliche Auskunftsvorschriften wie § 4 BlnPrG bzw. § 4 BayPrG sind…verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Bundesnachrichtendienst nicht zu den von ihnen verpflichteten „Behörden“ zählt.
Somit hat K keinen Auskunftsanspruch aus § 4 BlnPrG.
(Aus Anlass dieses Falles hatte die SPD den Entwurf eines Presseauskunftsgesetzes im Bundestag eingebracht, der aber am 27. 6. 2013 nicht die nötige Mehrheit gefunden hat. Vgl. Huber NVwZ 2013, 1011.)
III. Das (Bundes-)Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz, IFG) bestimmt in § 1 I 1 IFG: Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Nach § 2 Nr. 1 IFG ist „amtliche Information“ jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Daraus, dass eine „Aufzeichnung“ vorliegen muss, ergibt sich, dass die Information vorhanden sein muss. K verlangt aber keine bloße Auskunft über vorhandene Informationen, sondern eine Aufarbeitung von Unterlagen. § 1 IFG gibt keinen Anspruch auf Beschaffung (BVerwG NJW 2013, 2538) oder Aufarbeitung von Unterlagen.
IV. § 29 VwVfG hat ein laufendes Verwaltungsverfahren und einen Beteiligten zur Voraussetzung; beides trifft auf den Fall des K nicht zu. Außerdem gibt auch § 29 VwVfG keinen Anspruch auf die Auswertung von Unterlagen.
V. Anspruchsgrundlage könnte die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG) sein.
1. Art. 5 I GG ist ein Freiheitsrecht und damit jedenfalls primär ein Abwehrrecht gegen Eingriffe. K wendet sich aber nicht gegen einen Eingriff in die Pressefreiheit, so dass Art. 5 I 2 in seiner primären Funktion nicht eingreifen kann.
2. Vielmehr verlangt K mit der geforderten Auskunft eine Leistung. Deshalb könnte sogleich die Frage aufgeworfen werden, ob Art. 5 I 2 auch auf eine Leistung gerichtet sein kann und ob die hierfür bestehenden Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind (dazu unten b).
a) Das BVerwG stellt jedoch zunächst auf die objektiv-rechtliche Funktion des Art. 5 I 2 ab und entnimmt ihr Normierungspflichten des Gesetzgebers. [27]: Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert darüber hinaus in seinem objektiv-rechtlichen Gehalt die institutionelle Eigenständigkeit der Presse (BVerfGE 20, 162, 175 f; BVerwGE 70, 310, 311). Der Gesetzgeber ist hieraus in der Pflicht, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von behördlichen Auskunftspflichten (…), die es der Presse erleichtern oder in Einzelfällen sogar überhaupt erst ermöglichen, ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktionen zu erfüllen, die in der repräsentativen Demokratie unerlässlich sind. Diese Pflicht des Gesetzgebers nützt K jedoch nichts, solange der Gesetzgeber ihr nicht nachgekommen ist. Auch richtet sich die Klage des K nicht auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers.
b) Nunmehr wirft das BVerwG die Frage eines Auskunftsanspruchs unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG auf und bejaht das Bestehen eines solchen Anspruchs. [29]: Bleibt der zuständige Gesetzgeber untätig, muss unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten zurückgegriffen werden. Ohne einen solchen Rückgriff, der den objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt des Grundrechts in einen subjektiv-rechtlichen Anspruch umwandelt, liefe die Pressefreiheit in ihrem objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt leer. Jedoch zwingt die Überlegung, dass es primär dem Gesetzgeber obliegt, einen solchen Anspruch einzuräumen und auszugestalten, dazu, den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch auf das Niveau eines „Minimalstandards“ zu begrenzen, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfte. Danach endet das verfassungsunmittelbare Auskunftsrecht von Pressevertretern dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen. Sind solche schutzwürdigen Interessen nicht erkennbar, wäre auch eine gesetzliche Bestimmung, welche der Presse die Auskunft verwehrte, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den hierin angelegten Ausgestaltungsdirektiven nicht vereinbar.
c) Das BVerwG nimmt jedoch eine weitere Beschränkung des Anspruchs vor. [30]: Der im vorstehend beschriebenen Umfang durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Informationszugang beschränkt sich auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen. Das sind diejenigen Informationen, die zum Zeitpunkt des begehrten Informationszugangs tatsächlich vorliegen. Aus der Pflicht der Behörde, die Pressetätigkeit ausschließlich durch Offenlegung bestimmter Fakten und Tatsachen aufgrund konkreter Fragen zu unterstützen, folgt eine Begrenzung des Auskunftsrechts der Presse… Das Auskunftsrecht führt also nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht zu Lasten der Behörde. Müssen Informationen erst durch Untersuchungen generiert werden, sind sie als Gegenstand eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs noch nicht vorhanden.
d) Wie bereits oben III zu § 1 IFG ausgeführt wurde, beschränkt sich die von K verlangte Auskunft nicht auf die Offenbarung vorhandener Informationen, sondern verlangt ihre Beschaffung durch die Auswertung von Akten. Damit geht sie über das hinaus, was K unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG verlangen kann. BVerwG [32]: Die streitgegenständlichen Fragen sind nicht auf „Auskünfte“ i.S.v. Minimalstandards von Informationen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gerichtet….Die vom Kläger begehrten Informationen liegen nach den glaubhaften Angaben der Beklagten weder EDV-technisch aufbereitet beim Bundesnachrichtendienst vor, noch lassen sie sich unter Zuhilfenahme des Arbeitsberichts „Org. 85“ sowie dazu gehöriger Karteikarten und Akten beantworten.
Praktisch hat das BVerwG damit den Anspruch der Presse nach Art. 5 I 2 GG dem allgemeinen Anspruch aus § 1 IFG gleichgestellt und zugleich entwertet (Huber NVwZ 2013, 1010; „ohne Not drastisch eingeschränkt“). Folge ist, dass K keinen Anspruch aus Art. 5 I 2 hat.
VI. Als letzte Anspruchsgrundlage ist Art. 10 I 2 EMRK in Betracht zu ziehen. Art. 10 I 1 und 2 bestimmt unter der Überschrift „Recht der freien Meinungsäußerung“: Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriff öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Was K verlangt, geht aber über den „Empfang und die Mitteilung von Nachrichten“ hinaus.
BVerwG [33]: Die Ableitung eines Auskunftsanspruchs des Klägers aus Art. 10 EMRK scheitert schon daran, dass diese Bestimmung nach dem Urteil des EuGH vom 14. 4. 2009 in der Rechtssache 37374/05 eine Herausgabe von Verwaltungsinformationen jedenfalls dann nicht gebietet, wenn diese nicht aufbereitet und unmittelbar verfügbar sind („ready and available“), sondern durch eigene Recherchen der Behörde erst zusammengestellt werden müssten („require the collection of any data by the Government“). Letzteres ist hier, wie dargelegt, der Fall.
Ergebnis: K hat keinen Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland/BND auf Erteilung der geforderten Auskunft. Die Klage ist unbegründet.
(Bei Huber NVwZ 2013, 1011 findet sich der Hinweis, dass der Prozessbevollmächtigte des unterlegenen Klägers Verfassungsbeschwerde angekündigt hat, so dass möglicherweise das BVerfG noch über den Fall entscheidet. - Zur Frage eines medienrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Bundesbehörden auch Cornils DÖV 2013, 657; Germelmann DÖV 2013, 667; Partsch NJW 2013, 2858.)
Zusammenfassung