Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung, Art. 34 GG, § 839 BGB. ► Ausübung unmittelbaren Zwanges durch die Polizei; Einsatz eines Dienstfahrzeugs als Hilfsmittel. ► Entschädigungsanspruch aus Polizei- und Ordnungsrecht wegen Inanspruchnahme eines Nichtstörers und wegen Beeinträchtigung eines unbeteiligten Dritten. ► Enteignender Eingriff als Anspruchsgrundlage für Entschädigungsanspruch; Sonderopfer
BGH Urteil vom 3. 3. 2011 (III ZR 174/10)
Fall (Von der Polizei gerammt)
K, der spätere Kläger, ist Inhaber eines Autohandelsunternehmens. In sein Geschäft wurde von den Tätern T ein Einbruch verübt und dabei ein VW Touran zusammen mit dem Autoschlüssel gestohlen. Die Täter brachten das Fahrzeug in die Niederlande, ließen es dort mit niederländischem Kennzeichen versehen und kehrten nach Deutschland zurück, wo sie weitere Einruchsdiebstähle verübten. Am 8. November wurden sie bei einem Einbruchsdiebstahl entdeckt, konnten aber zunächst flüchten. Die Polizei nahm mit mehreren Streifenwagen und unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn die Verfolgung auf. Zweimal wurden Straßensperren eingerichtet, durch die T aber nicht gestoppt werden konnten. Dabei fuhren T mit hoher Geschwindigkeit auf die Polizeibeamten zu, die sich erst im letzten Augenblick in Sicherheit bringen konnten. Auch gefährdeten die Täter durch rücksichtsloses Fahren mit stark überhöhter Geschwindigkeit mehrfach andere Verkehrsteilnehmer. Nachdem ein Streifenwagen der Polizei sich vor das Fahrzeug der T gesetzt hatte, forderte der Polizeibeamte P die T durch Zeichen zum Anhalten auf, ohne dass T dem nachkamen. In einem Kreisverkehr gelang es dem von P gesteuerten Streifenwagen, das Fahrzeug der T kontrolliert zu rammen und T dadurch zu stellen. Erst danach wurde festgestellt, dass es sich bei dem Fluchtfahrzeug um das gestohlene Fahrzeug des K handelte. Durch die Aktion der Polizei entstand an dem Fahrzeug ein Schaden von 12.000 €. Aus dem sichergestellten Vermögen der Täter erhielt K 6.600 €. Den weitergehenden Schaden von 5.400 € verlangt K vom Land als dem für die Polizei verantwortlichen Träger ersetzt. Zu Recht ?
Hinweis: Der Originalfall ereignete sich in Niedersachsen, so dass der BGH das nds SOG anzuwenden hatte. In der nachfolgenden Bearbeitung wird der Fall nach NRW-Recht gelöst, so dass die Vorschriften des NRW-POR herangezogen und auch in den Originalzitaten das BGH eingefügt werden. Am Ergebnis ändert sich dadurch nichts.
A. K könnte gegen das Land NRW einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung haben. Hierfür müssten die in Art. 34, 1 GG, § 839 I BGB enthaltenen Voraussetzungen erfüllt sein.
I. Amtshaftung in der Form der Staatshaftung hat ein hoheitliches Handeln zur Voraussetzung. Das Rammen des Fahrzeugs des K durch die Polizei hatte den Zweck, das Anhaltegebot gegenüber T durchzusetzen, und zwar durch Anwendung unmittelbaren Zwanges. Eine solche Maßnahme ist nur kraft öffentlichen Rechts, d. h. hoheitlich, möglich. Somit hat die Polizei bei dem den Schaden bewirkenden Rammen hoheitlich gehandelt.
II. Die Polizei müsste eine Amtspflichtverletzung begangen haben. Diese liegt vor, wenn das Handeln rechtswidrig war. Hat die Polizei dagegen rechtmäßig gehandelt, fehlt es an der Amtspflichtverletzung.
1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns könnte das PolG anwendbar sein. Dieses setzt ein Handeln zur Gefahrenabwehr, d. h. ein präventives Handeln, voraus (§ 1 I 1 PolG). Ist die Polizei dagegen ausschließlich zum Zwecke der Strafverfolgung der T, d. h. repressiv, tätig geworden, gilt nicht das PolG, sondern die StPO. Zwar hatte die Verfolgung der T auch den Zweck, diese wegen ihrer Einbrüche festzunehmen. Das Rammen des Fluchtfahrzeugs diente aber primär dem Zweck, ein weiteres die Verkehrsteilnehmer und die Polizeibeamten erheblich gefährdendes Verhalten der T zu verhindern, war also primär auf Gefahrenabwehr gerichtet (vgl. den Hinweis des BGH bei Rdnr. 5 auf die dahingehende Feststellung des OLG). Somit ist das PolG anwendbar.
2. Es ist die anwendbare Ermächtigungsgrundlage zu bestimmen.
a) Bei dem Rammen des Pkw des K hat die Polizei unmittelbaren Zwang nach § 55 PolG angewendet. Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen (§ 58 I PolG). Bei dem Rammen wurde auf eine Sache und letztlich auf Personen eingewirkt. Hilfsmittel sind auch Dienstfahrzeuge (§ 58 III PolG). Die Einwirkung erfolgte somit durch die Verwendung des Streifenwagens als Hilfsmittel zur Ausübung unmittelbaren Zwanges.
b) Für die Anwendung von Verwaltungszwang reicht die Heranziehung einzelner Vorschriften, in denen ein Zwangsmittel für zulässig erklärt wird, nicht aus. Vielmehr ergibt sich die Rechtmäßigkeit von Verwaltungszwang aus einer Mehrzahl von Vorschriften, insbesondere muss der Einsatz von Verwaltungszwang grundsätzlich zulässig sein (§ 50 PolG). Im vorliegenden Fall könnte sich die Zulässigkeit des Verwaltungszwanges aus § 50 I PolG ergeben. Außerdem sind bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges die §§ 57 ff. PolG zu beachten. Somit ergibt sich die anwendbare Ermächtigungsgrundlage aus §§ 50 I, 55 I, 57 ff. PolG.
3. Die formellen Voraussetzungen für das Handeln der Polizei lagen vor: Die Polizei war nach § 1 I 1, 3 PolG zuständig. Eine Androhung des unmittelbaren Zwanges nach §§ 56, 61 PolG war entbehrlich, weil zumindest aus der Sicht der Polizei die Flucht und die Gefährlichkeit der T die sofortige Anwendung von Maßnahmen, durch die T aufgehalten wurden, als notwendig erschienen ließen (§ 61 I 2 PolG).
4. In materieller Hinsicht müssen zunächst die Voraussetzungen des § 50 I PolG vorliegen.
a) Das Anhaltegebot, das P den T durch Zeichen kundgetan hat, war ein auf Handeln gerichteter VA. Er wurde „auf andere Weise“ i. S. des § 37 II 1 VwVfG erlassen.
b) Der VA war vollstreckbar, weil Rechtsmittel gegenüber unaufschiebbaren Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten keine aufschiebende Wirkung haben (§ 80 II Nr. 2 VwGO).
Die Voraussetzungen des § 50 I PolG lagen somit vor. Es ist deshalb nicht nötig, die Vorschrift des § 50 II über den Sofortvollzug anzuwenden.
5. Zwar braucht für die Anwendung von Verwaltungszwang der zugrunde liegende VA nicht rechtmäßig zu sein; vielmehr ist grundsätzlich dessen Rechtswirksamkeit ausreichend. Jedoch könnte ausnahmsweise eine Amtspflichtverletzung bereits dann angenommen werden, wenn die Polizei einen rechtswidrigen VA vollstreckt hat. Dafür könnte auch sprechen, dass die hier vorgenommene Maßnahme einem sofortigen Vollzug nach § 50 II PolG ähnlich ist und im Falle des § 50 II die Polizei im Rahmen ihrer Befugnisse handeln muss. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil das Anhaltegebot rechtmäßig war:
a) Als Ermächtigungsgrundlage greift die Generalklausel des § 8 I PolG ein. Das Anhaltegebot konnte nicht als Standardmaßnahme erlassen werden; insbesondere diente es nicht der Sicherstellung des von T gefahrenen Fahrzeugs (§ 42 PolG), weil die Polizei gar nicht wusste, dass das Fahrzeug gestohlen war. Damit sollte aber die Gefahr abgewendet werden, die von einer weiteren Menschen und Sachen gefährdenden Flucht der T ausging. T waren auch Handlungsstörer und damit verantwortlich für die Gefahr (§ 4 I PolG).
b) Das Anhaltegebot war notwendig und angemessen, mithin verhältnismäßig (§ 2 PolG). Ermessensfehler der Polizei sind nicht ersichtlich.
6. Es bleibt zu prüfen, ob die Anwendung des unmittelbaren Zwanges den §§ 55, §§ 57 ff. entsprach.
a) Nach § 55 I PolG darf die Polizei unmittelbaren Zwang nur anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Um rasende Straftäter aufzuhalten, sind weder ein Zwangsgeld noch eine Ersatzvornahme geeignet, kommen also nicht in Betracht.
b) Ob gerade das Rammen des Fluchtfahrzeugs zulässig war, richtet sich nach dem Gebot zur Verhältnismäßigkeit des Mittels (§ 2 PolG). Straßensperren waren zwar ein milderes Mittel, hatten sich aber als ungeeignet erwiesen. Ein Schusswaffengebrauch kann nicht als milderes Mittel betrachtet werden, zumal dieser zu einem Verkehrsunfall mit weitergehenden Folgen als einer Beschädigung des Fluchtfahrzeugs führen konnte. Somit war das Rammen erforderlich. Das kontrollierte Rammen war auch trotz des dabei angerichteten Schadens in Höhe von 12.000 € noch angemessen, da angesichts der großen von T ausgehenden Gefahren für Menschen und Sachen andernfalls mit einem weit größeren Schaden gerechnet werden musste.
7. Somit war das Handeln der Polizei rechtmäßig. Eine Amtspflichtverletzung liegt nicht vor. K hat keinen Anspruch aus Art. 34 GG, § 839 BGB.
B. K könnte einen Entschädigungsanspruch aus Polizeirecht haben.
I. § 67 PolG NRW verweist auf eine entsprechende Anwendung der §§ 39 ff. OBG. Danach besteht ein Entschädigungsanspruch im Falle einer Inanspruchnahme als Nichtstörer (§ 39 I a) OBG - Der weitere Fall einer Entschädigung nach § 39 I b) wegen einer rechtswidrigen Maßnahme liegt nicht vor, weil die Polizei rechtmäßig gehandelt hat).
1. Für § 39 I a) ist erforderlich, dass die Polizei den K als Nichtstörer gemäß § 6 PolG in Anspruch genommen hat. Jedoch hat die Polizei den K überhaupt nicht in Anspruch genommen. Ihre Maßnahmen richteten sich ausschließlich gegen T.
Dazu BGH Rdnrn. 7, 8 (in Anwendung des nds. SOG, das hier aber durch das PolG NRW ersetzt wird): § 6 PolG, der mit „Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen" überschrieben ist, sieht vor, dass die Polizeibehörden unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen gegen andere Personen als die nach §§ 4 oder 5 Verantwortlichen richten können. Bei diesen handelt es sich um Verhaltens- und Zustandsstörer, die im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeit ihre polizeiliche Inanspruchnahme ohne eine Entschädigung hinnehmen müssen (vgl. BGHZ 45, 23, 25). Die Bestimmungen der §§ 4 bis 6 PolG gehen davon aus, dass wegen einer Gefahr Maßnahmen gegen eine (verantwortliche oder nichtverantwortliche) Person zu richten sind. Das waren in der vorliegenden Situation die Täter, die nach § 4 PolG als Verhaltensstörer von der Polizei in Anspruch genommen wurden. Dass die Polizei…durch kontrolliertes Rammen, also gezielt, auf das Fahrzeug des Klägers eingewirkt hat, bedeutet nicht, dass sie den Kläger nach § 4 PolG als Zustandsstörer oder nach § 6 PolG als nichtverantwortliche Person in Anspruch genommen hätte. Von dem Zustand des Fahrzeugs ging keine Gefahr aus, sondern nur von seiner konkreten Verwendung als Fluchtmittel durch die Täter, deren Inanspruchnahme im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 PolG möglich war.
2. Somit scheitert ein unmittelbar auf §§ 67 PolG, 39 I a) OBG gestützter Anspruch daran, dass es an einer Inanspruchnahme des K fehlt.
II. § 39 I a) OBG könnte analog anwendbar sein.
1. BGH Rdnrn. 9, 10:
a) Allerdings hat der BGH zu § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW… entschieden, es liege auch dann eine Inanspruchnahme nach § 19 OBG NRW - also wie bei § 6 PolG die einer nicht verantwortlichen Person - vor, wenn sich bei der Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer oder einer Person als Handlungsstörer nachträglich herausstellt, dass die zu beseitigende Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden hat (vgl. BGHZ 117, 303, 307 f; 126, 279, 283 f;…NJW 1996, 3151, 3152). Dabei hat er es im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs für erforderlich angesehen, wenn ein Einschreiten der Ordnungsbehörde bereits aufgrund eines durch Tatsachen begründeten Verdachts oder Anscheins einer Gefahr hingenommen werden müsse, die Entschädigungsvorschrift des § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW entsprechend weit zu verstehen und den wegen der Anscheinsgefahr in Anspruch genommenen Betroffenen wie einen Nichtstörer zu entschädigen, wenn sich entgegen der Annahme beim Eingriff nachträglich herausstellt, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden hat.
b) Jedoch passt diese Analogie nicht auf den vorliegenden Fall, weil hier K weder als Anscheins- noch als Verdachtsstörer, sondern überhaupt nicht in Anspruch genommen worden ist. BGH: Von der vorerwähnten Konstellation, in der der Geschädigte als Störer in Anspruch genommen wurde, unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall dadurch, dass der Kläger…im Sinne des Polizeirechts unbeteiligter Dritter gewesen ist. Denn er ist weder Verhaltens- noch Zustandsstörer noch hat ihn die Polizei als Nichtverantwortlichen unter den besonderen, engeren Eingriffsvoraussetzungen des § 6 PolG in Anspruch genommen.
2. Die Vorschrift über die Entschädigung einer als Nichtstörer in Anspruch genommenen Person könnte auch auf den Fall ausgedehnt werden, in dem anlässlich einer rechtmäßigen Maßnahme der Ordnungs- oder Polizeibehörde einem unbeteiligten Dritten ein Schaden zugefügt wird, der sich als besonderes Opfer erweist.
a) BGH Rdnr. 11: Einige Polizeigesetze der Länder sehen ausdrücklich einen Entschädigungs- oder Ausgleichsanspruch vor, wenn ein unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Ordnungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet (vgl. Art. 70 Abs. 2 BayPAG, § 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG Bln, § 73 SOG M-V, § 222 LVwG SH; vgl. auch § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG). Dabei sind diese Ansprüche im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet. Eine solche Vorschrift findet sich aber im NRW-Recht nicht (auch nicht im nds. SOG).
b) BGH Rdnr. 12, 13: Fehlt es…an einer ausdrücklichen Regelung, folgt hieraus nicht, dass ein unbeteiligter Geschädigter die nachteiligen Auswirkungen einer rechtmäßigen Maßnahme entschädigungslos hinnehmen müsste. Die Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder gehen auf den aus § 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten entwickelten und von § 70 Preuß. PVG aufgenommenen Aufopferungsgedanken zurück, dass bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen der Staatsgewalt, die für den Betroffenen mit einem Sonderopfer verbunden sind, ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat gegeben ist (vgl. eingehend hierzu Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 649 ff; Rachor in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, L 32, 40; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 691; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 15 Rn. 4 ff; 27; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2009, Rn. 468).
Umstritten ist lediglich, ob ein solcher Entschädigungsanspruch eines unbeteiligten Dritten seine Grundlage in einer erweiternden Anwendung der für Nichtstörer geltenden Vorschriften…findet (so Drews/Wacke/Vogel/Martens, a. a. O. S. 666 f zu § 45 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes; im Ergebnis wohl auch Schenke a.a.O. Rn. 691…) oder auf die Anwendung der allgemeinen Aufopferungsgrundsätze zu stützen ist (so Rachor a.a.O. Rn. L 40).
Der Senat hält das letztere für vorzugswürdig. Zwar wird die „Sonderopfersituation" eines Nichtstörers und eines unbeteiligten Dritten vielfach vergleichbar sein. Es besteht jedoch ein grundlegender Unterschied in der Vorgehensweise der Polizei, ob sie im Sinne des § 6 PolG eine nicht verantwortliche Person zur Beseitigung einer Gefahr heranzieht oder ob jemand betroffen wird, der außerhalb dieser durch die Polizei wahrnehmbaren Zusammenhänge steht. Somit scheidet eine weitere analoge Anwendung der POR-Vorschriften über die Entschädigung des Nichtstörers aus. Statt dessen ist nachfolgend auf die aus dem Aufopferungsgedanken entwickelten Grundsätze abzustellen.
C. K könnte ein Anspruch aus enteignendem Eingriff zustehen.
I. Diese Anspruchsgrundlage ist aus dem Aufopferungsgrundsatz entwickelt worden. Der Aufopferungsgrundsatz hat zunächst einen weiten Inhalt, insofern er sämtliche Fälle eines Sonderopfers umfasst; in diesem Sinne versteht ihn § 40 II 1 VwGO. Später wurde die Aufopferung enger verstanden und auf Eingriffe in Nichtvermögensrechte, insbesondere Körper und Gesundheit, beschränkt. Bei Eingriffen in Vermögensrechte wurde dagegen weiter unterschieden: Sind sie rechtswidrig, kann ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff bestehen. Sind sie rechtmäßig, kommt ein Anspruch aus enteignendem Eingriff in Betracht. In beiden Fällen passen allerdings die Begriffe - seit dem Nassauskiesungsbeschluss BVerfGE 58, 300 - nicht mehr. Denn da die Enteignung auf den zielgerichteten Entzug des Eigentums durch Rechtsakt beschränkt ist, liegt weder dem enteignungsgleichen Eingriff noch dem enteignenden Eingriff eine Enteignung oder ein der Enteignung vergleichbarer Fall zu Grunde, sondern die Auferlegung eines Sonderopfers.
II. Voraussetzungen für einen Anspruch aus enteignendem Eingriff sind, dass durch eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme eine Beeinträchtigung eines vermögenswerten Rechts erfolgt ist und dem Betroffenen dadurch ein Sonderopfer auferlegt wurde. In der Regel sind die Rechtsbeeinträchtigung und das Sonderopfer atypische Nebenfolgen der rechtmäßigen Maßnahme.
1. Das Rammen des Fahrzeugs des K war eine hoheitliche rechtmäßige Maßnahme, deren Nebenfolge zu der Beeinträchtigung des Eigentums des K an dem Kraftfahrzeug geführt hat.
2. Dadurch müsste dem K ein Sonderopfer auferlegt worden sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es für dem Betroffenen unzumutbar ist, dass er den Schaden allein trägt.
a) Der BGH verweist zunächst auf die Ausführungen des OLG als Vorinstanz, Rdnr. 6: Ein Entschädigungsanspruch nach den daneben anwendbaren Grundsätzen zum enteignenden Eingriff stehe dem Kläger nicht zu. Denn ihm sei trotz der beträchtlichen Substanzverletzung am Fahrzeug kein Sonderopfer auferlegt worden, das die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite. Hierbei könne nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger durch den substanzverletzenden Eingriff die Sachherrschaft über das Fahrzeug, das seinem Zugriff gänzlich entzogen gewesen sei, erst wiedererlangt habe. Eine solche - im vergleichbaren Fall der Vorteilsausgleichung anerkannte - normative Beurteilung des Schadens sei auch hier angebracht.
b) Dem stimmt der BGH zu und ergänzt diese Überlegung, Rdnr. 14: Bereits durch den Diebstahl war ohne Zutun der Polizei eine Situation entstanden, in der das Eigentumsrecht des Klägers erheblich beeinträchtigt war. Es war in Frage gestellt, ob der Kläger jemals wieder in den Besitz des Fahrzeugs gelangen würde. Darüber hinaus bestand auch die gesteigerte Gefahr, dass die Diebe oder ein sonstiger unberechtigter Fahrer das Fahrzeug ohne jede Rücksichtnahme auf die Belange des Eigentümers gebrauchen würden. Diese Gefahr hatte sich bereits vor dem Rammen des Fahrzeugs verwirklicht, da die Täter ein rücksichtsloses, nicht nur Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch das Eigentum des Klägers gefährdendes Fahrverhalten an den Tag gelegt und so das Rammen (als ultima ratio) herausgefordert hatten.
Rdnr. 15: Das gezielte Rammen hatte zwar eine erhebliche Beschädigung des Fahrzeugs zur Folge. Zugleich aber wurde hierdurch erreicht, dass der Kläger sein Eigentum - wenn auch im Wert gemindert - zurückerlangte und seine gegen die Diebe bestehenden deliktischen Ansprüche geltend machen und teilweise auch realisieren konnte.
c) Somit ist K kein unzumutbares Sonderopfer auferlegt worden. Ein Anspruch aus enteignendem Eingriff steht ihm nicht zu.
D. Schließlich könnte K gegen das Land einen Anspruch aus straßenverkehrsrechtlicher Gefährdungshaftung haben (§ 7 I StVG). Diese Vorschrift bleibt auch dann anwendbar, wenn die Teilnahme am Straßenverkehr hoheitlich erfolgte (vgl. BGHZ 50,271,273; 121,161,168).
I. Es ist davon auszugehen, dass das Land Halter des Polizeifahrzeugs war, mit dem die Beamten das von T gefahrene Fahrzeug gerammt haben.
II. Die Beschädigung müsste bei dem Betrieb des Dienstfahrzeugs eingetreten sein. Rein begrifflich lässt sich das bejahen, weil das Rammen ohne einen Betrieb des Streifenwagens nicht möglich war. Jedoch soll § 7 StVG als Vorschrift der Gefährdungshaftung die Folgen ausgleichen, die der gefahrträchtige Betrieb eines Kfz. mit sich bringt. Es ist deshalb eine betriebsspezifische Gefahr als Ursache des Schadens erforderlich. Daran fehlt es, wenn Dienstfahrzeuge ähnlich wie Werkzeuge, Waffen, Diensthunde als Hilfsmittel beim unmittelbaren Zwang i. S. des 58 III PolG verwendet werden. Der Schaden des K ist also nicht bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs, sondern bei dem Einsatz eines Hilfsmittels der polizeilichen Zwangsanwendung entstanden. (Der BGH hat zu § 7 StVG nichts ausgeführt.)
III. Würden die Voraussetzungen des § 7 I StVG bejaht, stünde § 7 II StVG dem Anspruch entgegen. Der nach Polizeirecht gebotene und nicht vermeidbare Einsatz des Dienstfahrzeugs ist straßenverkehrsrechtlich wie eine höhere Gewalt zu werten (OLG Hamm NJW 1988, 1096, allerdings zur früheren weiteren Fassung des § 7 II).
Gesamtergebnis: K hat gegen das Land keinen Ersatzanspruch.
Zusammenfassung