Bearbeiter: RA Prof. Dieter Schmalz

Verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage (§ 43 VwGO) zur Abwehr schlichten Verwaltungshandelns. Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG; Datenschutz. Datenübermittlung als Eingriff; Rechtfertigung durch Gesetz. Grundrechtsprüfung bei Eingriff durch Verwaltungsmaßnahme (Einzelakt). Sachliche Zuständigkeit der handelnden Behörde. Erheblichkeit oder Unbeachtlichkeit eines Zuständigkeitsfehlers

BVerwG Urteil vom 9. 3. 2005 (6 C 3/04) NJW 2005, 2330

Fall (Scientology-Mitglied und der bayerische Verfassungsschutz)

A ist bei der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt München beschäftigt. In seinen Bewerbungsunterlagen hatte er angegeben, dass er etwa vier Jahre bei der „Scientology Kirche Bayern e. V.“ beschäftigt war. Er war auch Mitglied von Scientology. Unabhängig von den Angaben des A bei seiner Arbeitgeberin sammelte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz Informationen über die Beziehungen des A zu Scientology, u. a. über verschiedene Kurse, die A dort absolviert hat. Über diese Erkenntnisse berichtete das Landesamt mit Schreiben vom 1. 7. dem Bayerischen Staatsministerium des Inneren. In diesem Schreiben bat es auch darum, nicht als Informationsgeber genannt zu werden. Das Ministerium leitete die Erkenntnisse ohne Offenlegung der Informationsquelle an den Oberbürgermeister der Stadt München weiter und empfahl gegenüber A ein Vorgehen gemäß den von der Bayerischen Staatsregierung beschlossenen „Hinweisen zur Vereinbarkeit von Beziehungen zur Scientology-Organisation mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst“. Das Personalamt der Stadtverwaltung München übersandte dem A einen „Fragebogen zur Scientology-Organisation“, teilte mit, dass das Ministerium entsprechende Erkenntnisse übermittelt habe, und bat um Rücksendung des ausgefüllten Fragebogens. Nachdem A gegenüber dem Ministerium dessen Verhalten beanstandet hat, allerdings ohne eine Antwort zu erhalten, erwägt er gerichtliche Schritte. Wäre eine Klage zulässig ? Hätte diese in der Sache Aussicht auf Erfolg ?

Hinweis: Nach Art. 14 I des bayerischen Gesetzes über den Verfassungsschutz (BayVerfSchG) darf das Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Strafverfolgung benötigt.

1. Frage: Zulässigkeit einer Klage

I. Es könnte eine verwaltungsgerichtliche Klage zulässig sein. Dann müsste der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 I VwGO gegeben sein. Dem vorliegenden Streit liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zu Grunde: A wendet sich gegen die Weitergabe von Informationen durch das Ministerium, die dieses nur in Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgeben vorgenommen haben kann. Wendet sich der Kläger gegen ein öffentlich-rechtliches Handeln, ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur (BVerwGE 50, 282).

II. Es ist die statthafte Klageart zu bestimmen.

1. Im Fall des BVerwG hatte A die Feststellung beantragt, dass die Weitergabe der seine Mitgliedschaft in der Scientology-Kirche betreffenden Informationen durch das Innenministerium rechtswidrig war. Die Klage mit diesem Antrag wurde vom VGH, dem das BVerwG folgt (S. 2330 unter II), als Feststellungsklage (§ 43 VwGO) für zulässig erachtet. Allerdings begründet der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens gerichtete Antrag noch keinen Streit um ein Rechtsverhältnis. Jedoch lässt sich der Antrag des A wie folgt auslegen: Durch die Zuleitung der Informationen über A an die Stadtverwaltung München hat das Ministerium dem davon betroffenen A gegenüber das Recht in Anspruch genommen, in dieser Weise verfahren und dabei ggfs. auch in die Rechtssphäre des A eingreifen zu dürfen. Dieses Recht würde ein Rechtsverhältnis zwischen A und dem Ministerium begründen. A bestreitet dieses Recht, so dass es sich um eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses handelt (negative Feststellungsklage). Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Weiterleitung der Informationen an seine Arbeitgeberin für A negative Nachwirkungen hat, und dass auch eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann.

2. Der Feststellungsantrag wäre aber nach der in § 43 II VwGO festgelegten Subsidiarität der Feststellungsklage nicht zulässig, wenn A eine Anfechtungsklage (als Unterfall der Gestaltungsklage) erheben könnte. Dann müsste die Weitergabe der Informationen durch das Ministerium ein Verwaltungsakt sein (§§ 42 I VwGO, 35 VwVfG). Die Weitergabe von Informationen hat jedoch keine Regelungswirkung. Sie zielt nicht auf eine Rechtsfolge, sondern lediglich auf den Transfer von Wissen. Sie ist ein (schlicht hoheitlicher) Realakt. Eine Anfechtungsklage wäre somit nicht zulässig.

Die Feststellungsklage ist die statthafte Klageart.

III. Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht: Die Klagebefugnis analog § 42 II VwGO (BVerwGE 100, 262,271) steht A zu, weil er geltend machen kann, er werde durch die Weitergabe der Informationen über ihn in seinem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) verletzt. Ein Widerspruchsverfahren ist bei der Feststellungsklage nicht vorgeschrieben. Richtiger Beklagter ist das Land (Rechtsträgerprinzip: § 61 Nr. 2 VwGO; konkret: der Freistaat Bayern, als dessen Organ das Ministeriums gehandelt hat). Die Klage ist vor dem örtlich zuständigen VG zu erheben (§ 45 VwGO, im konkreten Fall: VG München).

2. Frage: Hätte die Klage in der Sache Aussicht auf Erfolg ?

Die negative Feststellungsklage ist begründet, wenn das Ministerium gegenüber A kein Recht zur Weitergabe von Informationen über dessen Beziehungen zu Scientology hatte. Das ist wiederum der Fall, wenn das Ministerium durch die Weitergabe das Grundrecht des A auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG) verletzt hat.

A. Der eigentlichen Prüfung stellt das BVerwG auf S. 2330 unter a) grundsätzliche Erwägungen zur Ableitung und zum Inhalt dieses Rechts (Schutzbereich und Eingriffe) voran.

1.Das durch Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet unter anderem die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, das heißt über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung).

(Also lässt sich folgende Ableitungsreihe aufstellen: Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I → Allgemeines Persönlichkeitsrecht (neben der durch Art. 2 I geschützten allg. Handlungsfreiheit) → Informationelle Selbstbestimmung (neben anderen geschützten Bereichen der Persönlichkeit) durch → Datenschutz.)

Dabei sind unter personenbezogenen Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 [42]- Volkszählungsurteil - unter Verweis auf das Bundes-DatenschutzG), also alle Informationen über eine natürliche Person, unabhängig davon, welcher Aspekt der Person angesprochen wird.

2. In dieses Recht wird nicht nur eingegriffen, wenn der Staat von Einzelnen die Bekanntgabe persönlicher Daten verlangt oder diese der automatischen Datenverarbeitung zuführt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vielmehr generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich staatlicher Datenübermittlung (vgl. BVerfGE 65, 1 [41 f.]; 84, 239 [279 f.: „grundrechtlicher Datenschutz“]; 103, 21 [33]; BVerwGE 84, 375 [378]; NJW 1990, 2768 [2769]). Die übliche Erfassung der möglichen Eingriffe lautet: Erheben, Speichern, Verwenden einschließlich Weitergabe (BVerfG NVwZ 2005, 571/2 sowie 682).

B. Ob dieses Grundrecht verletzt ist, wird wie bei einem Freiheitsrecht nach „Eingriff in Schutzbereich“ und „Rechtfertigung“ geprüft (BVerwG S. 2330 unter 1 und S. 2331 unter 2).

I. Eingriff in Schutzbereich

1. Unter den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung fallen personenbezogene Daten i. S. der Ausführungen oben A 1. BVerwG S. 2331 vor b): Zu diesen Daten gehören auch die Informationen, die beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz über den Kl. gespeichert waren und vom Bayerischen Ministerium des Inneren an die Landeshauptstadt München weitergegeben worden sind. Der Kl. hat sich der Scientology-Organisation angeschlossen, weil er deren Gedankengut teilt, und sieht darin einen Ausdruck seiner religiösen Überzeugungen. Da seine Kontakte zur Scientology-Organisation und die von ihm dort absolvierten Kurse seiner privaten Lebensgestaltung unterfallen, werden die Informationen hierüber von seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erfasst (vgl. BVerfG NJW 1997, 2669 [2670]).

2. In den Schutzbereich wird eingegriffen (oben A 2) u. a. durch eine hoheitliche Weitergabe der Daten. BVerwG S. 2331 unter b): Die Schutzwirkung des Grundrechts erstreckt sich auch auf den Informations- und Datengebrauch, der sich an die Datenerhebung anschließt. Der Einzelne soll nicht nur vor einer nicht gerechtfertigten Datenerhebung geschützt werden, sondern ebenso davor, dass ihn betreffende personenbezogene Daten einem anderen Verwendungszweck zugeführt werden… Unabhängig davon liegt allein schon in der schlichten Datenübermittlung von einer Stelle an eine andere ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff, weil sich damit der Kreis derjenigen erweitert, die die Daten kennen und von dieser Kenntnis Gebrauch machen können (vgl. BVerfGE 100, 313 [360, 367, 384]; 110, 33 [70], jew. zu Art. 10 GG). Hiernach erfüllt die Unterrichtung der Landeshauptstadt München über die Kontakte des Kl. zur Scientology-Organisation und die dort absolvierten Kurse die Merkmale eines Grundrechtseingriffs. Die Eingriffsqualität hängt nicht von der Rechtsform des hoheitlichen Handelns ab; schlicht-hoheitliches Handeln reicht dafür aus (BVerwGE 90, 112 [120 f.]).

Der Eingriffscharakter entfällt auch nicht deshalb, weil die Kontakte des A bereits aus seinen Bewerbungsunterlagen bekannt waren. Vielmehr enthielt das Schreiben vom 1. 7. zusätzliche Informationen und war dazu bestimmt, die Zugehörigkeit des A zu Scientology nachdrücklich in Erinnerung zu rufen und Maßnahmen ihm gegenüber zu veranlassen.

II. Rechtfertigung des Eingriffs

1. Hierfür bedarf es zunächst einer Schranke im GG. Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wesentlich auf Art. 2 I GG gestützt wird, steht es unter dem Vorbehalt einer Einschränkung durch die „verfassungsmäßige Ordnung“, die weit verstanden wird als „verfassungsmäßige Rechtsordnung“. BVerwG S. 2331 unter 2: Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfen zu ihrer Rechtfertigung einer verfassungsmäßigen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (vgl. BVerfGE 65, 1 [44, 54]; 91, 191 [197]). Bei Art. 2 I folgt aus dem Begriff der „verfassungsmäßigen“ Rechtsordnung, was aber auch allgemein gilt, so dass das den Eingriff gestattende Gesetz auch im Übrigen formell und materiell verfassungsmäßig sein muss (BVerfG NJW 2005, 2289, 2291 = JurTel 2005 Heft 11 S. S. 232/3,, Europäischer Haftbefehl; vgl. auch oben im Fall „Vorbeugende Telefonüberwachung nach niedersächsischem SOG“ unter B II).

2. Gesetz in diesem Sinne ist im vorliegenden Fall Art. 14 I BayVerfSchG. Gegen dessen Verfassungsmäßigkeit haben weder der BayVGH als Vorinstanz noch das BVerwG Bedenken erhoben. Art. 14 I BayVerfSchG verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I GG), weil er hinreichend klar ist und der Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes oder dem Schutz gewichtiger Rechtsgüter dient.

3. Ebenso wie das in ein Grundrecht eingreifende Gesetz formell und materiell verfassungsmäßig sein muss, muss auch der in ein Grundrecht eingreifende Einzelakt (Urteil, VA, schlichtes Verwaltungshandeln – so im vorliegenden Fall -) formell und materiell rechtmäßig sein (z. B. Berkemann DVBl 1996, 1029). In der Rspr. des BVerfG wird das nicht so deutlich, weil das BVerfG bei Verfassungsbeschwerden nur spezifische Verfassungsverletzungen prüft und die Prüfung der Vereinbarkeit des Einzelakts mit einfachem Recht grundsätzlich den Fachgerichten überlässt (vgl. dazu neuestens Kenntner DÖV 2005, 269 ff.). Diese Beschränkung gilt aber nur für das BVerfG, für das BVerwG als Fachgericht dagegen gerade nicht (vgl. BVerwG S. 2332 vor b). BVerwG S. 2332 vor 3: Ein Grundrechtseingriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine wirksame gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff vorhanden istund die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage sämtlich erfüllt sind. Fehlt es an einer solchen Rechtfertigung, so kann der Betroffene die Unterlassung des Eingriffs verlangen; kommt es dennoch zu dem Eingriff, so bewirkt er bei dem Betroffenen eine Grundrechtsverletzung. Wie sich aus den sonstigen Ausführungen des BVerwG (dazu noch nachfolgend) ergibt, meint das BVerwG damit nicht nur die Ermächtigung i. e. S. (Befugnisnorm), sondern die vollständige Rechtsgrundlage einschließlich der formellen Voraussetzungen. Somit ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Übermittlung der Daten des A vom Innenministerium an die Stadtverwaltung München formell und materiell rechtmäßig war.

a) Erste Voraussetzung für die formelle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns ist die Zuständigkeit der handelnden Behörde oder sonstigen Stelle. Nach Art. 14 I BayVerfSchG darf das Landesamt für Verfassungsschutz Daten übermitteln. Eine Zuständigkeit des Innenministeriums ergibt sich daraus nicht. Ein andere Vorschrift, die das Ministerium für zuständig erklärt, ist nicht ersichtlich. Zwar ist das Innenministerium Aufsichtsbehörde des Landesamts und kann auf dessen Entscheidungen Einfluss nehmen. Daraus ergibt sich aber noch nicht die Berechtigung, an Stelle des zuständigen Landesamtes selbst zu handeln; die Aufsichtsbehörde hat ohne ausdrückliche Gestattung kein Selbsteintrittsrecht (BVerwG S. 2331 unter 2). Somit war das Ministerium für die Übermittlung der Daten des A sachlich nicht zuständig.

b) Möglicherweise ist der Zuständigkeitsfehler unbeachtlich, insbesondere weil die materiellen Voraussetzungen für die Maßnahme vorliegen (was im vorliegenden Fall vom BayVGH bejaht worden war).

aa) BVerwG S. 2331 unter a): Entgegen den Ausführungen des VGH gibt es keinen bundesrechtlichen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar der handelnden Behörde die Zuständigkeit für den Eingriff in das Grundrecht fehlt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war. Im Gegenteil hat das BVerwG für den Bereich des Verwaltungshandelns mittels Verwaltungsakts wiederholt ausgesprochen, dass eine fehlende sachliche Zuständigkeit der Behörde zur Rechtswidrigkeit des VA führt und dieser bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsverfahrens aufzuheben ist, und zwar unabhängig davon, ob die Maßnahme materiell rechtmäßig ist (vgl. BVerwGE 30, 138 [139, 145]…). Darüber hinaus hat das BVerwG der in den Gesetzen enthaltenen Zuständigkeitsverteilung zwischen den Behörden ausdrücklich eine Schutzfunktion zu Gunsten der Bürger zugesprochen (vgl. BVerwGE 11, 195 [202]; ebenso Meyer, in: Knack u. a., VwVfG, 8. Aufl. 2004, Vorb. § 3 Rdnrn. 15, 21; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 3 Rdnr. 1; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 3 Rdnr. 4). Der Einhaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung kommt bei Grundrechtseingriffen in der Form schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandelns kein geringeres Gewicht zu als im Bereich der Verwaltungstätigkeit mittels Verwaltungsakts. Dem Einzelnen steht daher gegenüber schlicht-hoheitlichem Handeln ein grundrechtlicher Abwehranspruch auch dann zu, wenn es sich mangels sachlicher Zuständigkeit der handelnden Behörde als rechtswidrig erweist (vgl. BVerwGE 59, 319 [326]; …Wolff/Bachof/Stober, VerwR, Bd. 3, 5. Aufl. 2004, § 84 Rdnr. 34).

bb) Nach § 46 VwVfG (im konkreten Fall: Art. 46 BayVwVfG) kann die Aufhebung eines – nicht nichtigen – VA nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. In Rspr. und Lit. wird erwogen, den Rechtsgedanken dieser Vorschrift auch auf andere behördliche Maßnahmen als VAe anzuwenden (OVG Koblenz NVwZ-RR 1992, 370; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 45 Rdnr. 1). Im vorliegenden Fall würde die Vorschrift aber aus zwei Gründen nicht eingreifen (BVerwG S. 2332/3 unter c): Sie erstreckt sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur auf die Verletzung der örtlichen und gerade nicht der sachlichen Zuständigkeit. Auch kann im vorliegenden Fall nicht von einem offensichtlich fehlenden Einfluss des Zuständigkeitsfehlers auf die Sachentscheidung ausgegangen werden. Das Landesamt hätte möglicherweise die Daten nicht weitergegeben, denn es wollte lt. Schreiben vom 1. 7. nicht einmal als Informationsgeber genannt werden.

cc) Folglich ist der Zuständigkeitsfehler nicht unbeachtlich. Es bleibt dabei, dass die Weitergabe der Daten durch das Innenministerium mangels sachlicher Zuständigkeit rechtswidrig war. – Weitere formelle und materielle Anforderungen an das Handeln des Ministeriums hat das BVerwG nicht geprüft, weil einerseits bereits der festgestellte Fehler zur Entscheidung des Rechtsstreits ausreichte und andererseits der BayVGH als Vorinstanz festgestellt hatte, dass die sonstigen Voraussetzungen des Art. 14 I BayVerfSchG erfüllt waren; an die darin liegende Auslegung und Anwendung des Landesrechts war das BVerwG gebunden (§ 137 VwGO; BVerwG S. 2332 li. Sp. 2. Abs.).

4. Ergebnis: Die Weitergabe der Daten des A war rechtswidrig. Der darin liegende Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung ist nicht gerechtfertigt. Das Grundrecht des A auf informationelle Selbstbestimmung ist verletzt. Die auf Feststellung dieser Rechtsverletzung gerichtete Klage ist begründet.

 

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Zusammenfassung

BVerwG LS: Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG ist grundsätzlich auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Behörde zwar unter den materiell-rechtlichen Voraussetzungen, aber unter Verstoß gegen die gesetzliche Regelung über die sachliche Zuständigkeit handelt