Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Klage gegen Verkehrszeichen. Durchfahrtsverbot zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Verkehrslärm durch Mautausweichverkehr, § 45 IX 3 StVO. Bekanntmachung von Verkehrsregelungen; Sichtbarkeitsgrundsatz bei Verkehrszeichen. Ausnahmeregelung nach § 46 StVO. § 45 IV 1 StVO als abschließende Regelung

BVerwG
Urteil vom 13. 3. 2008 (3 C 18/07) NVwZ 2008, 2867

Fall
(Mautausweichverkehr auf der B 25)

Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 21. Juni erließ die zuständige B-Behörde für die B 25 im Gebiet der Landkreise Ansbach und Donau-Ries ein Durchfahrtsverbot für Lkw durch die Gemeinden G1 und G2. In einer Allgemeinverfügung vom 19. Juli wurden Ausnahmen zugelassen für Fahrten zum Be- und Entladen bei Unternehmen in einem Korridor von ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2 zwischen der Kreisgrenze Donau-Ries (nördliche Grenze) und der Autobahn A 8 (südliche Grenze). Die Allgemeinverfügung wurde im Amtsblatt und den örtlichen Zeitungen bekannt gemacht.

Zum Zwecke des Durchfahrtsverbots wurde von Norden aus an der Einmündung der Landstraße 1066 und von Süden aus an der Einmündung der Landstraße 1076 Verkehrszeichen nach § 41 StVO Nr. 253 aufgestellt (rundes Schild mit rotem Rand und einem Lkw im weißen Mittelteil), darunter die Zusatzzeichen „Durchgangsverkehr“, „12 to“ und „22:00 Uhr bis 6:00 Uhr“. Außerdem wurde in Fahrtrichtung Süd ein Zusatzzeichen mit der Angabe „B 25 Zufahrt Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei“ und in Fahrtrichtung Nord ein Zusatzzeichen mit der Angabe „B 25 Zufahrt Landkreis Ansbach frei“ angebracht. Auf die Durchfahrverbote wurde vorab durch Hinweisschilder mit den genannten Verkehrszeichen sowie weiteren Zusatzzeichen aufmerksam gemacht. Die B-Behörde begründete die Maßnahmen damit, seit der Einführung der Lkw-Maut habe der Lkw-Verkehr auf der - mautfreien - B 25 deutlich zugenommen. An mehreren Stellen in den Ortsdurchfahrten von G1 und G2 habe die nächtliche Lärmbelastung schon bisher mehr als 60 db (A) betragen. Der Mautfluchtverkehr habe bei vorsichtiger Schätzung zu einem Anstieg um 1,1 db (A) geführt, so dass ein Einschreiten zum Schutz der Wohnbevölkerung geboten sei. Die Ausnahmen dienten dem Schutz der örtlichen Wirtschaft.

Firma K ist ein Speditionsunternehmen in einem Nachbarkreis und hat ihre Lkw bisher stets über die B 25 und durch die Gemeinden G1 und G2 fahren lassen, was ihr seit dem Inkrafttreten des Durchfahrtsverbots nicht mehr möglich ist. Sie hat verwaltungsgerichtliche Klage mit dem Antrag erhoben, die Maßnahmen der B-Behörde als rechtswidrig aufzuheben. Wie ist zu entscheiden ? Das Gebiet gehört zum Lande L, in dem ein Widerspruchsverfahren nicht mehr vorgesehen ist.

A. Zulässigkeit der Klage

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 I VwGO gegeben, weil eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Das Durchfahrtsverbot und die damit im Zusammenhang stehenden Regelungen richten sich nach der StVO, einer öffentlich-rechtlichen (hoheitlichen) Regelung des Straßenverkehrs. Klagen gegen Maßnahmen, die eine öffentlich-rechtliche Grundlage haben, sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten.

II. Der Klageart nach könnte es sich um eine Anfechtungsklage handeln. Dann müsste sich die Klage gegen einen Verwaltungsakt richten (§§ 42 I VwGO, 35 VwVfG).

1. Das Durchfahrtsverbot vom 21. 6. ist die öffentlich-rechtliche Maßnahme (vgl. I) einer Verwaltungsbehörde, der B-Behörde. Als Verbot enthält es auch eine Regelung. Einer Prüfung nach § 35 Satz 1 VwVfG, ob eine Einzelfallregelung vorliegt, bedarf es nicht, weil § 35 Satz 2 eingreift. Das Durchfahrtsverbot wird durch Verkehrszeichen in Kraft gesetzt. Ein Verkehrszeichen, das ein Verbot enthält, unterfällt als Regelung der Benutzung einer öffentlichen Sache dem § 35 Satz 2 Fall 3 und ist damit ein VA in der Form einer Allgemeinverfügung (umfangreiche Nachw. bei Beaucamp, Verwaltungsrechtliche Fragen rund um das Verkehrszeichen, JA 2008, 612 Fn. 2).

2. Die Ausnahmegenehmigung vom 19. 7. ist eine Regelung, die sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis richtet, und ist damit eine Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 Fall 1. Es handelt sich um eine begünstigende Regelung gegenüber allen Personen, die Fahrten zum Be- und Entladen bei Unternehmen in einem Korridor von ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2 durch führen wollen. Durch die Beschränkung der Maßnahme auf ein bestimmtes, begrenztes Gebiet bleibt die Maßnahme eine konkrete Regelung und wird nicht zu einer abstrakt-generellen Regelung, die als Rechtsnorm erlassen werden müsste. Dem entspricht die Bezeichnung der Maßnahme durch die B-Behörde.

3. Fraglich ist, ob es sich bei den Maßnahmen 1. und 2. um zwei verschiedene Maßnahmen handelt und damit auch zwei Anfechtungsklagen angenommen werden müssten, oder ob eine einzige, einheitliche Maßnahme vorliegt. Das BVerwG nimmt eine einheitliche Maßnahme an. Rdnr. 22, 23: Bei den hier von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erlassenen Durchfahrverboten handelt es sich um eine einheitliche Lenkung und Regelung des Verkehrs im Sinne von §45 Abs. 4 Satz 1 StVO. Die getroffene Gesamtregelung ergibt sich erst aus dem Zusammenwirken von Verbot und Ausnahmen, zu denen auch die Korridorregelung gehört. Die einzelnen Elemente des Gesamtkonzepts waren schon deshalb zu einer Einheit verklammert, weil die Beklagte eine einheitliche Ermessensentscheidung getroffen und die Ausnahmen beigefügt hatte, um Einwänden gegen die Verhältnismäßigkeit des Durchfahrverbotes Rechnung zu tragen….

Somit handelt es sich um einen VA und um eine gegen diesen gerichtete Anfechtungsklage.

III. K müsste die Klagebefugnis nach § 42 II VwGO zustehen. Hierfür ist Voraussetzung, dass sie geltend macht, in einem Recht verletzt zu sein.

1. Dann müsste K von dem Verbot überhaupt betroffen sein. In erster Linie richten sich die Verkehrsverbote gegen die die B 25 benutzenden Fahrer. Da diese aber im Auftrag der Firma K fahren und die Firmenleitung die Fahrtrouten festlegt, richten sich die Durchfahrtsverbote auch gegen K.

2. Als betroffenes Recht kommt die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) der F in Betracht. Allerdings fehlt den Verkehrszeichen die berufsregelnde Tendenz, die vom BVerfG für einen Eingriff in Art. 12 verlangt wird (BVerfGE 95, 267, 302; 98, 218, 258); Verkehrszeichen haben ausschließlich eine verkehrsregelnde Funktion. Deshalb ist Art. 2 I GG unter dem Aspekt der allgemeinen Handlungsfreiheit anzuwenden. Zur allgemeinen Handlungsfreiheit gehört auch die Freiheit zur Teilnahme am Straßenverkehr. Diese kann durch beschränkende Verkehrsregelungen, wenn diese rechtswidrig erfolgen, verletzt sein (Beaucamp JA 2008, 614 unter II). K steht somit die Klagebefugnis zu.

IV. Ein Widerspruch (§ 68 VwGO) ist im Lande L nicht mehr erforderlich. Weitere Zulässigkeitsbedenken sind nicht ersichtlich. Die Anfechtungsklage der K ist zulässig.

B. Begründetheit der Klage (§ 113 I 1 VwGO)

I. Als insgesamt belastende Regelung bedürfen die Durchfahrtsverbote vom 21. 6., eingeschränkt durch die Ausnahmen vom 19. 7., einer Ermächtigungsgrundlage.

1. Als solche kommt § 45 IX 3 StVO in Betracht. BVerwG Rdnr. 32: Nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO…dürfen abweichend von Satz 2 zum Zwecke des Absatzes 1 Satz 1 oder 2 Nr. 3 Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs auch angeordnet werden, soweit dadurch erhebliche Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge hervorgerufen worden sind, beseitigt oder abgemildert werden. Der Verordnungsgeber sah es wegen der nach Einführung der Autobahnmaut zu verzeichnenden Zunahme des Schwerlastverkehrs auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen als geboten an, die Eingriffsschwelle für Verkehrsbeschränkungen speziell für Mautausweichverkehre abzusenken, da das nach dem geltenden Recht zur Verfügung stehende verkehrsrechtliche Instrumentarium zu deren wirksamer Eindämmung in einigen Fällen nicht ausreiche (BR-Drucks 824/05 S. 7 f.).

a) Zu dem in § 45 I 2 Nr. 3 StVO enthaltenen Zweck gehört der „Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“. Der Durchgangsverkehr mit schweren Lkw auf der B 25 führt in den Gemeinden G1 und G2 zu einer Belastung der Bevölkerung in erster Linie mit Lärm, aber auch zu Abgasen (bei dieselbetriebenen Lkw vor allem zu gesundheitsschädlichem NO 2). Der Zweck des § 45 IX 3, I 2 Nr. 3 StVO greift somit ein.

b) Die Zunahme der Belastungen durch den Verkehr muss eine Folge der Mauterhebung sein. Dabei wird der von der B-Behörde gegebenen Begründung gefolgt, dass wegen der Einführung der Lkw-Maut auf der Autobahn der Verkehr auf der B 25 deutlich zugenommen hat, d. h. dass ein Teil der Verkehrszunahme Mautausweichverkehr ist. Somit liegen zunehmende Belastungen der Bevölkerung von G1 und G2 durch Mautausweichverkehr vor.

c) BVerwG Rdnr. 33, 34: § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO setzt voraus, dass die Auswirkungen des Mautausweichverkehrs „erheblich“ sind. Soweit es um den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm geht…, können Orientierungspunkte für eine nähere Bestimmung, wann eine Lärmzunahme „erheblich“ ist, der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV)…entnommen werden (vgl. zur Heranziehung im Rahmen von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO u.a. BVerwG NJW 1994, 2037).

aa) § 1 Abs. 2 16. BImSchV legt unter anderem fest, welche Lärmzunahme dazu führt, dass die Änderung einer öffentlichen Straße als „wesentlich“ im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG anzusehen ist. Damit erfüllt die Vorschrift eine ähnliche Funktion wie § 25 Abs. 9 Satz 3 StVO: Beidesmal geht es darum, die Zunahme des Verkehrslärms als solche zu bewerten. Die Vorschriften unterscheiden sich zwar hinsichtlich der Ursache der Veränderung (Straßenausbau dort, Mautausweichverkehr hier), aber nicht hinsichtlich der Veränderung selbst; diese muss hier wie dort in einer Lärmzunahme bestehen, die in ihrem Ausmaß „wesentlich“ oder „erheblich“ ist. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 16. BImSchV liegt eine „wesentliche“ Lärmzunahme vor, wenn der Beurteilungspegel des Verkehrslärms um mindestens 3 dB (A) oder auf mindestens 70 dB (A) am Tage oder mindestens 60 dB (A) in der Nacht erhöht wird. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV gilt dasselbe, wenn der Beurteilungspegel von mindestens 70 dB (A) am Tage oder 60 dB (A) in der Nacht weiter erhöht wird…Dem vorgenannten § 1 Abs. 2 Satz 2 liegt die Wertung zugrunde, dass auch eine geringere Lärmzunahme erheblich ist, wenn dadurch ein Beurteilungspegel von 70 dB (A) am Tage oder 60 dB (A) in der Nacht erreicht oder überschritten wird. Dann nämlich droht eine ohnehin bereits unzumutbare Situation noch verschlechtert oder jedenfalls verfestigt zu werden.

bb) Im vorliegenden Fall wird nach Angabe der Behörde der nächtliche Wert von 60 dB (A) um 1,1 überschritten; das wäre nach § § 1 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV eine erhebliche Auswirkung.

cc) Allerdings wurde dieser Wert nur geschätzt. Dazu BVerwG Rdnr. 36: Für die Feststellung, ob eine mautfluchtbedingte Verkehrslärmzunahme erheblich ist, bedarf es nicht der sonst im Immissionsschutzrecht üblichen Lärmmessungen. Vielmehr darf sich die Behörde mit fundierten Schätzungen begnügen…In der Normbegründung wird ausgeführt, dass keine Lärmberechnung oder Abgasmessung vorausgesetzt werde; selbstverständlich sei aber, dass vor der Anordnung verkehrsbeschränkender oder -verbietender Maßnahmen insbesondere die Verkehrsbelastung und die Verkehrsstrukturen auf der Ausweichstrecke erhoben und auf dieser Grundlage die Auswirkungen des Mautausweichverkehrs auf die Umwelt und die Gesundheit der Anlieger abgeschätzt würden (BR-Drucks 824/05 S. 8). Mehr als solche Schätzungen zu verlangen, ließe die Neuregelung ins Leere laufen. Für den gebotenen Vergleich der Verkehrs- und Belastungssituation vor und nach der Einführung der Autobahnmaut fehlt es nämlich regelmäßig an genauen Zahlen über das Aufkommen an Lkw über 12 t für die Zeit vor Einführung der Autobahnmaut, weil diese Kategorie bis 2005 von den Dauerzählstellen nicht isoliert erfasst wurde.

dd Danach war die hier festgestellte Erhöhung des Lärms erheblich. BVerwG Rdnr. 37: Zwar betrug der Anstieg des Lärmpegels, der zudem auf alle Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t zurückzuführen ist, hiernach nur 1,1 dB (A). Doch hatte der Lärmpegel schon im Jahr 2000 an fünf Stellen des betroffenen Streckenabschnitts die Grenze von 60 dB (A) in der Nacht deutlich… überschritten. Die mithin schon bislang für die Anwohner unzumutbare Situation wurde durch den Mautausweichverkehr verfestigt und noch weiter verschlechtert. Rdnr. 38: Daher lagen hier die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür vor, zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Verkehrslärm Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs…anzuordnen…Im Übrigen ist die Behörde nicht darauf beschränkt, lediglich den mautfluchtbedingten Mehrverkehr herauszufiltern. Derart selektive Maßnahmen könnte sie praktisch nicht treffen. Die Ermächtigung in § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, „soweit“ dadurch die Auswirkungen des Mautausweichverkehrs beseitigt oder abgemildert werden können, ist daher dahin aufzufassen, dass die Behörde derartige Maßnahmen auch dann treffen darf, wenn diese im Ergebnis über eine bloße Mautfluchtbekämpfung hinausgehen, dass sie ihre Maßnahmen aber nach Möglichkeit auf die Mautfluchtbekämpfung zu beschränken hat.

Somit lagen die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Durchfahrtsverbote (§ 45 IX 3 StVO) vor.

2. Die Ausnahmen in der Korridorregelung vom 19. 7. sind nach § 46 I 1 Nr. 11 StVO möglich. Abgesehen davon, dass ein Verbot vorhanden sein muss, von dem eine Freistellung erfolgt, enthält die Vorschrift keine Voraussetzungen, sondern stellt die Erteilung der Ausnahme in das Ermessen der Behörde.

II. Es müssten auch die formellen Voraussetzungen erfüllt sein.

1. Dass die zuständige Straßenverkehrsbehörde gehandelt hat, ergibt sich aus dem Sachverhalt.

2. Die getroffenen Verkehrsregelungen müssten ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sein.

a) Das gilt in erster Linie für die Durchfahrtsverbote.

aa) BVerwG Rdnr. 11, 12: Da Verkehrszeichen sofort befolgt werden müssen, muss eine durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelung klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (st. Rspr., vgl. u.a. BVerwGE 102, 316 [318]; BGH NJW 1970, 1126 f., jeweils m. w. N.). Dementsprechend wird in Abschnitt III Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung vom 22. Oktober 1998 (VwV-StVO) vorgegeben, dass Häufungen von Verkehrszeichen zu vermeiden sind.

bb) Rdnr. 13: Danach ergibt sich hier ein Verstoß gegen die Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes bereits aus der Vielzahl der gleichzeitig verwendeten Verkehrszeichen. Die angegriffenen Verkehrsverbote wurden durch eine Kombination aus fünf Einzelzeichen, nämlich dem Zeichen 253 und vier Zusatzzeichen umgesetzt. Bei dieser Vielzahl war das Gebot einer raschen und zuverlässigen Erfassbarkeit der Regelung nicht mehr erfüllt…Die Grenze des Erfassbaren wird durch das vierte Zusatzzeichen überschritten. Dieses vierte Zeichen („B 25 Zufahrt Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei“ bzw. „B 25 Zufahrt Landkreis Ansbach frei“) lässt sich ohnehin nicht auf einen Blick erfassen, sondern muss erst verstanden werden.

Rdnr. 15, 16: Auch konnte dem Gebot einer sofortigen Erkennbarkeit und Erfassbarkeit der Verkehrszeichen nicht dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass die Durchfahrverbote vorab durch Hinweiszeichen angekündigt wurden. Die eingesetzten Vorwegweiser wiesen dieselbe Zahl von Einzelzeichen auf, sie enthielten darüber hinaus sogar noch weitere Zusatzzeichen. Damit war aber auch hinsichtlich dieser Vorwegweiser die nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz erforderliche rasche und beiläufige Erfassbarkeit nicht gewährleistet. Auch die Wiederholung dieser Verkehrszeichen beseitigte die bestehenden Unsicherheiten nicht, da sich für die Verkehrsteilnehmer bei einer Mehrfachbeschilderung zusätzlich die Frage stellt, ob es sich tatsächlich um inhaltlich identische Regelungen handelt. Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Zahl der Verkehrszeichen hier ausnahmsweise deshalb höher sein dürfe, weil sie sich an die Fahrer von schweren Nutzfahrzeugen und damit einen besonders erfahrenen und qualifizierten Kreis von Verkehrsteilnehmern richteten. Sie verkennt dabei, dass Maßstab für die Erfüllung der Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes grundsätzlich der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer ist (vgl. BVerwG NJW 1997, 1021, und BGH NJW 1970, 1126). Das gilt auch hier.

cc) Rdnr. 17 - 19: Die Zusatzzeichen „B 25 Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei“ bzw. „B 25 Landkreis Ansbach frei“ genügten zudem deshalb nicht den Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes, weil sie von den Fahrern nicht ohne einen Rückgriff auf Hilfsmittel, wie etwa eine Karte mit eingezeichneten Landkreisgrenzen, sofort umgesetzt werden konnten. Ortsunkundige Fahrer, die bei der Durchfahrt unvermutet auf diese Beschilderung trafen, konnten ihr Verhalten daran nicht ohne Weiteres ausrichten, da ihnen regelmäßig geeignete Hilfsmittel zur Lokalisierung der Landkreisgrenzen gefehlt haben dürften. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auf der Strecke…auch internationaler Speditionsverkehr abgewickelt wird. Da sich die verwendeten Zusatzzeichen nicht nur an Ortskundige richten, ist unerheblich, ob jedenfalls den Fahrern im Regionalverkehr die Landkreisgrenzen bekannt sind.

Zwar wirft auch die Legaldefinition des Durchgangsverkehrs in § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung auf; das führt jedoch zu keiner anderen Bewertung. Von den Verkehrsteilnehmern kann erwartet werden, dass sie sich vorab die erforderliche Kenntnis vom Inhalt von Rechtsnormen als abstrakt-generellen Regelungen und deren Anwendungsbereich verschaffen. Anders verhält es sich bei Verkehrszeichen, die dem Fahrer erst vor Ort begegnen.

Somit waren die Durchgangsverbote vom 21. 6. nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und sind deshalb rechtswidrig.

b) Bei der Korridorregelung vom 19. 7. stellt sich die Frage, ob es ausreichte, dass sie nur im Amtsblatt und in den Zeitungen, aber nicht durch Verkehrszeichen bekannt gemacht wurde.

aa) BVerwG Rdnr. 21: Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 StVO dürfen…die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Damit wird das den Behörden zu diesem Zweck zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium im Hinblick auf die Form der Regelung und die Art der Bekanntgabe beschränkt. Das gilt auch für eine Ausnahmeregelung, wenn diese, wie hier (oben A II 3), Bestandteil einer einheitlichen Verkehrsregelung ist.

BVerwG Rdnr. 24, 25: Für eine Anwendung der allgemein für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen bleibt kein Raum. Ein Rückgriff auf § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG, wonach eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gemacht werden darf, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist, ist ausgeschlossen. Dass § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO insoweit abschließend ist, folgt schon aus dem Wortlaut der Regelung („nur“)… Eine Abweichung wäre zudem mit dem Sinn und Zweck von § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO nicht vereinbar. Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen, die für jedermann gelten sollen, müssen auch für alle Verkehrsteilnehmer erkennbar sein, die den betroffenen Streckenabschnitt durchfahren. Dies ist nur durch standardisierte Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen hinreichend gewährleistet. Dabei müssen sich die Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit dieser Regelungen verlassen können. Dass auch ortsfremde Verkehrsteilnehmer von einer nur in örtlichen Bekanntmachungsblättern und Zeitungen bekannt gegebenen Regelung ausreichend Kenntnis erlangen könnten, ist zudem lebensfremd.

bb) Die B-Behörde hatte sich darauf berufen, nach § 46 I Nr. 11 StVO könnten die Straßenverkehrsbehörden „in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller“ Ausnahmen von den Verboten oder Beschränkungen genehmigen. Dazu BVerwG Rdnr. 27: In der Rspr. des BVerwG ist geklärt, dass Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden können, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen… Gerade darum ging es aber im vorliegenden Fall. Begünstigt werden sollten nicht nur die im Korridor ansässigen Unternehmen, sondern auch deren Geschäftspartner. Erstreckt sich aber die einem Gewerbetreibenden erteilte Ausnahmegenehmigung von einem Verkehrsverbot auch auf Fahrzeuge seiner „Kunden“, so betrifft sie einen unbestimmten Personenkreis, nicht aber, wie von § 46 Abs. 1 StVO vorausgesetzt, „bestimmte Einzelfälle“ oder „bestimmte Antragsteller“. Somit rechtfertigt § 46 I Nr. 11 StVO nicht, die vorliegend gewollte Regelung ohne Verkehrszeichen zu erlassen. Folglich enthält die von der B-Behörde für die Ausnahmen gewählte Form einen Verstoß gegen das Gebot, Verkehrsregelungen durch Verkehrszeichen bekannt zu gegeben, so dass ein weiterer Rechtswidrigkeitsgrund vorliegt.

3. Die Korridorregelung könnte auch wegen mangelnder Bestimmtheit (§ 37 I VwVfG) rechtswidrig sein. BVerwG Rdnr. 30: In den Allgemeinverfügungen der Beklagten wird die Begrenzung des Korridors mit „ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2“ angeben. Einen Maßstab dafür, welche räumliche Ausdehnung infolge der Relativierung durch die Angabe „ca.“ noch erfasst ist, geben weder die Allgemeinverfügung selbst noch deren Begründung an die Hand. Bei einer solch vagen Abgrenzung ergeben sich Unklarheiten sowohl für die Verkehrsteilnehmer selbst, die nicht genau wissen, wann ihnen eine Durchfahrt noch erlaubt ist, als auch für die das Durchfahrverbot kontrollierenden Polizeibeamten. Somit ist die Ausnahmeregelung vom 19. 7. auch mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig.

Ergebnis zu B I, II: Das Durchfahrtsverbot ist rechtswidrig wegen Fehlers bei der Bekanntgabe. Zunächst verstößt es wegen der Häufung von Einzelzeichen gegen den Sichtbarkeitsgrundsatz. Ferner verstößt das auf die Landkreise hinweisende Zusatzschild gegen den Sichtbarkeitsgrundsatz, weil es nicht ohne Hilfsmittel verständlich ist. Die Ausnahme in Form der Korridorregelung wurde nicht, wie erforderlich, durch Verkehrszeichen bekannt gemacht und ist außerdem zu unbestimmt. Jeder Fehler wirkt sich auf die Gesamtregelung aus, weil diese eine einheitliche Regelung darstellt und kein Teil ohne den anderen erlassen worden wäre (vgl. § 44 IV VwVfG).

III. In materieller Hinsicht gelten das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Verbot von Ermessensfehlern. Insoweit sind allerdings Bedenken nicht ersichtlich, weil einerseits die Verkehrsbeschränkungen dem Schutz von Nachtruhe und Gesundheit der Wohnbevölkerung, einem Gut von hohem Rang, dienen, andererseits dem Interesse der örtlichen Wirtschaft Rechnung getragen wird.

IV. Durch die formell fehlerhafte Umsetzung der - nach § 45 IX 3 StVO an sich zulässigen - Verkehrsregelung wird K in ihrem Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) verletzt. Die Anfechtungsklage ist begründet.


Zusammenfassung