Bearbeiter: RA Prof. Dieter Schmalz
► Ermittlungsbefugnisse im Verwaltungsverfahren; §§ 24, 26 VwVfG; 86 AufenthG. ► Datenschutz über Persönlichkeitsrecht und Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I i. V. mit 1 I GG. ► Observation; Videoüberwachung. ► § 6b Bundes-DatenschG; Landes-DatenschG als Ermächtigungsgrundlage. ► Grenzen für die Übertragung von Ermittlungsbefugnissen an Private. ► Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Erkenntnisse
OVG Hamburg Beschluss vom 21. 3. 2007 (3 Bs 396/05) NJW 2008, 96
Fall (Detektive im Verwaltungsverfahren)
Frau A stammt aus Bosnien-Herzegowina und hat dessen Staatsangehörigkeit. Sie ist vor einigen Jahren in die Bundesrepublik gekommen und lebt seitdem in der Stadt S im Lande L, wo sie vor drei Jahren den deutschen Staatsangehörigen E geheiratet hat. Ihr wurde eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AufenthG erteilt, deren Geltung demnächst abläuft. Sie hat bei der zuständigen B-Behörde eine Verlängerung zum Zweck der Fortführung ihrer Ehe in S beantragt (§ 28 I Nr. 1 AufenthG). Bei einer Befragung des E ergab sich, dass dieser den Hochzeitstag nicht genau kannte, die Telefonnummer der als gemeinsame eheliche Wohnung benannten Wohnung nicht angeben konnte und als Geburtsdatum der A den 6. 4. 1957 statt richtig den 4. 6. 1958 benannte. Die B-Behörde vermutete deshalb eine Scheinehe, bei deren Vorliegen die Aufenthaltserlaubnis zu versagen wäre (§ 27 Abs. 1a AufenthG). Als A und E dies bestritten und ihre Auskünfte keine weitere Klarheit brachten, wandte sich B an die Detektei D. Es wurde eine Vereinbarung“ unterschrieben, in der das Honorar „für diese Dienstleistung“ festgelegt und „die Maßnahmen und Dauer der Observation in die Entscheidung der Beauftragten gestellt“ wurden. D nahm daraufhin folgende Ermittlungsmaßnahmen vor: Verdeckte Videoüberwachung der Wohnung der A während einer Dauer von acht Tagen; Ermitteln der Handynummer des E durch Befragen eines Familienangehörigen und telefonische Kontaktaufnahme mit E unter einer Legende; Anbringen eines GPS-Peilsenders am Pkw des E zum Zwecke einer neuntägigen Bewegungsüberwachung sowie die längere Video-Beobachtung einer von E genutzten Wohnung. D übersandte die Ergebnisse dieser Maßnahmen, die nach ihrer Auffassung den Scheinehe-Verdacht bestätigten, der B.
Waren die vorgenommenen Ermittlungen zulässig ? Dürften die danach gewonnenen Erkenntnisse von der Behörde im Verfahren über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und im anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren verwendet werden ?
A. Waren die vorgenommenen Ermittlungen zulässig ?
I. Die Gewinnung der Erkenntnisse war kein Selbstzweck, sondern erfolgte im Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren, das durch den Antrag der A auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis ausgelöst wurde, und sollte der Aufklärung des für die zu treffende Entscheidung gemäß §§ 7, 27, 28 AufenthG maßgebenden Sachverhalts dienen.
1. Nach den grundlegenden Vorschriften der §§ 24, 26 VwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen (§ 24 I 1) und bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 26 I 1). Im vorliegenden Fall kommt in Betracht, dass bestimmte Umstände, aus denen sich in Anwendung des § 27 (1a) AufenthG ein Hindernis für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ergeben könnte, in Augenschein genommen wurden (§ 26 I Nr. 4 VwVfG).
2. §§ 24, 26 VwVfG sind aber keine Rechtsgrundlage für selbstständige Eingriffe in Grundrechte (OVG S. 98 unter (5) m. w. Nachw. auf Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 26 Rdnr. 44; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 26 Rdnr. 38; Ziekow, VwVfG, 2006, § 26 Rdnr. 7).
a) Es ist deshalb zu prüfen, ob hier ein Eingriff in Grundrechte erfolgt ist.
OVG S. 97 unter aaa): Die von der Ag. veranlassten Ermittlungsmaßnahmen - bestehend aus der achttägigen verdeckten Videoüberwachung der Wohnung der Ast., dem verdeckten Ermitteln einer Handynummer bei einem Dritten, der telefonischen Kontaktaufnahme unter einer Legende, der neuntägigen verdeckten Überwachung durch Anbringen eines GPS-Peilsenders an dem Pkw des Ehemanns und dessen Beobachtung im Bereich des Hauses X-Straße - stellen erhebliche Eingriffe in das durch Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und das davon umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Denn das Persönlichkeitsrecht schützt gegen das amtliche Zur-Kenntnis-Nehmen wesentlicher persönlicher Aktivitäten, die zur Privatsphäre gehören. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt gegen die Kenntnis des Staates von den personenbezogenen Daten, die durch die Observierung ermittelt wurden.
b) OVG: Für behördliche Eingriffe in dieses Grundrecht bedarf es einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht; ferner hat der Gesetzgeber dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (st. Rspr. des BVerfG, vgl. grundlegend BVerfGE 65, 1 [44 ff.] ; vgl. zuletzt zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum BVerfG NVwZ 2007, 688).
Somit reicht eine Berufung auf §§ 24, 26 VwVfG nicht aus, sondern es bedarf es einer (spezielleren) Ermächtigungsgrundlage, nach der im Folgenden zu suchen ist.
II. Nach § 86 S. 1 AufenthG dürfen die Ausländerbehörden „personenbezogene Daten erheben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz…erforderlich ist.“
1. Das OVG prüft auf S. 97 unter (1) zunächst, ob sich daraus eine Ermächtigung zu Eingriffen ergibt, wie sie hier vorgenommen worden sind.
a) Das AufenthG enthält einige spezielle Ermächtigungen zu Informationseingriffen: zur Feststellung der Identität von Ausländern (§ 49 IV und V), zu Untersuchungen zur Feststellung der Reisefähigkeit (§ 82 IV), zum Austausch mit anderen öffentlichen Stellen (§ 87 I, II, IV).
b) Daraus ist zu schließen, dass § 86, 1 noch keine Ermächtigungsgrundlage ist. Nach OVG ist sie nur ein Grundtatbestand der Befugnis zur Datenerhebung ist, eine Art Grundsatzbestimmung. Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung personenbezogener Daten durch längerfristige Observation (vgl. dazu etwa § 28 I und II Nr. 1 BPolG), den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen (vgl. § 28 I und II BPolG), die Verwendung von GPS-Peilsendern (vgl. § 100 f I Nr. 2 StPO) oder den Einsatz verdeckter Ermittler mit einer Legende (vgl. § 110 a II StPO) enthält das AufenthG dagegen nicht.
2. Soweit nicht bereichsspezifische Regelungen der Datenerhebung oder des Datenschutzes eingreifen, bedeutet § 86, 1 eine Verweisung auf die allgemeinen Vorschriften der Datenerhebung und des Datenschutzes (OVG a.a.O. unter Hinweis auf Hailbronner, AuslR, § 86 AufenthG Rdnr. 26; Amtl. Begründung BT-Dr 15/420, S. 97).
III. Eine Ermächtigungsgrundlage könnte sich aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht ergeben.
1. Sämtliche Polizeigesetze der Länder enthalten Vorschriften, nach denen die Polizei eine längerfristige Observation auch zu präventiven, d. h. zu nicht-strafprozessualen Zwecken vornehmen darf (für NRW: § 16 PolG; die in Hamburg geltenden Vorschriften werden vom OVG auf S. 98 li. Sp. oben wiedergegeben).
Diese Vorschriften gelten jedoch nicht für Ordnungsbehörden, zu denen die Ausländerbehörden gehören (für NRW: § 24 OBG, der nicht auf § 16 verweist; für HH: § 1 III HbgDVPolG, OVG a. a. O.). Sie liegen auch tatbestandlich nicht vor, weil im vorliegenden Fall keine Straftaten von erheblichem Gewicht aufzuklären sind (OVG S. 98 li. Sp. 3. Absatz).
2. Soweit D im Auftrage der B-Behörde eine Überwachung der Wohnungen der A und des E per Video vorgenommen wurde, könnten die eine Videoüberwachung regelnden Vorschriften eingreifen.
a) Vorschriften darüber finden sich in den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Bundesländer (Nachw. bei Saurer DÖV 2008, 17 und Fn 7). Hier kann auch bereits das Bundes-Datenschutzgesetz (BDSG) einbezogen werden, das in § 6b eine Regelung der Videoüberwachung enthält (vgl. Saurer DÖV 2008, 17 Fn 8).
b) Diese Vorschriften betreffen aber nur die noch nicht gegen bestimmte Personen gerichtete Raumüberwachung. OVG S. 98 unter (4): Die hier erfolgte Videoüberwachung lässt sich nicht auf § 6b (i. V. mit § 1 II Nr. 2a) BDSG stützen. Soweit diese Norm überhaupt von öffentlichen Stellen der Länderangewendet werden kann (vgl. Simitis [Hrsg.], BDSG, 5. Aufl. 2003, § 1 Rdnrn. 124 f., § 6b Rdnr. 22), ermächtigt sie jedenfalls nicht, wie im vorliegenden Fall erforderlich, zu verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung gegen einzelne Personen; die dort vorgesehene Videoüberwachung ist vielmehr raumbezogen, und der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind erkennbar zu machen (§ 6b II BDSG).
Somit lassen sich die Maßnahmen weder auf die Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts über Observationen noch auf die Vorschriften betreffend eine Videoüberwachung stützen.
IV. Es bleibt eine Anwendung der allgemeinen Datenschutzgesetze.
1. Für das BDSG stellt sich zunächst die Frage der Anwendbarkeit. Da hier eine Landesbehörde tätig geworden ist, kommt eine Anwendbarkeit nur über § 1 II Nr. 2 BDSG in Betracht. Ob danach das BDSG hier anwendbar ist, kann offen bleiben, denn nach § 4 I BDSG ist eine Datenerhebung nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift das erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung lag hier nicht vor. Eine gesetzliche Vorschrift des BDSG oder eines anderen Gesetzes, die die hier vorgenommenen Ermittlungsmaßnahmen gestattet, ist nicht ersichtlich. Dass § 6b BDSG nicht eingreift, wurde bereits oben III 2b ausgeführt.
2. Die Landesdatenschutzgesetze enthalten ähnliche Regelungen wie das BDSG. Nach OVG S. 98 unter (3) dürfen nach dem Hamburger DatSchG Daten bei Betroffenen ohne ihre Kenntnis - wie hier geschehen - nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder der Schutz von Leben oder Gesundheit oder die Abwehr einer erheblichen Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen dies erforderlich macht. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall offenkundig nicht gegeben. Das DatSchG NRW enthält als Grundvorschrift in § 12 I 1 die Regelung, dass das Erheben personenbezogener Daten nur insoweit zulässig ist, als ihre Kenntnis zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stelle erforderlich ist. Das ist zunächst eine Einschränkung der Befugnisse zur Erhebung und gestattet jedenfalls nicht die hier vorgenommenen weitgehenden Grundrechtseingriffe. Vgl. auch BVerfG DÖV 2007, 606 (mit Besprechung Sauer DÖV 2008, 17), wonach Art. 16 BayDatSchG keine Ermächtigungsgrundlage für die Videoüberwachung eines öffentlichen Raumes bietet.
(Es wäre auch verwunderlich, wenn die allgemeinen Datenschutzgesetze, die primär dem Datenschutz verpflichtet sind, eine Vorschrift enthielten, die die hier vorgenommenen Eingriffe in wichtige Persönlichkeitsrechte gestattet.)
Ergebnis zu I - IV: Für die hier vorgenommenen Überwachungsmaßnahmen gibt es keine Ermächtigung.
V. Selbst wenn die Ermittlungsmaßnahmen der B-Behörde gestattet wären, hätten sie nicht auf ein privates Detektivbüro übertragen werden dürfen.
1. OVG S. 98 unter (6): Eine Behörde darf sich im Grundsatz zwar Privater als sogenannter Verwaltungshelfer bedienen (vgl. etwa die Beauftragung von Abschleppunternehmen zur Umsetzung verbotswidrig geparkter Fahrzeuge)… Jedoch darf durch den Einsatz von Verwaltungshelfern die Letztentscheidungsverantwortung der Behörde nicht angetastet oder faktisch ausgehöhlt werden (vgl. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rdnr. 114); dies erfordert es, dass die Behörde dem Verwaltungshelfer einen hinreichend genauen Rahmen dessen vorgibt, was er konkret tun darf bzw. muss. Selbst diesem Gebot hat die B-Behörde nicht genügt, da sie…mit der Detektei lediglich die Höhe des Honorars „für diese Dienstleistung“ erörtert, die Dauer und die Maßnahmen der Observation dagegen „in die Entscheidung der Beauftragten gestellt“ hat.
2. Der „Privatisierung“ dieser Ermittlungen steht auch entgegen, dass die Sachverhaltsfeststellung im Verwaltungsverfahren zu den hoheitlichen Befugnissen der Behörde gehört, innerhalb derer die Behörde Ermessensentscheidungen zu treffen hat (§§ 26 I, 40 VwVfG). Die Übertragung hoheitlicher Befugnisse ist nur durch Beleihung möglich, für die es einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die hier nicht vorhanden ist.
B. Aus der Rechtswidrigkeit der Ermittlungen könnte sich ein Verwertungsverbot im Verwaltungsverfahren nach dem AufenthG sowie in dem im Originalfall noch anhängigen Widerspruchsverfahren oder im späteren Verwaltungsprozess (Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Klageverfahren) ergeben.
I. Eine ausdrückliche Regelung dieser Frage gibt es weder im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht noch im Datenschutzrecht (vgl. die Erörterung der Frage, ob sich eine Regelung dem Landes-DSchG entnehmen lässt, bei OVG S. 98/99 unter (1); das OVG lässt diese Frage letztlich offen). Auch das Verwaltungsprozessrecht regelt sie nicht.
II. Das OVG entnimmt die Grundsätze über Verwertungsverbote dem Rechtsstaatsprinzip und schließt sich der hierzu in der Literatur entwickelten Auffassung an.
1. Den Inhalt dieser Grundsätze beschreibt das OVG auf S. 99 unter (2) wie folgt:
a) Im verwaltungsverfahrensrechtlichen Schrifttum wird im Ergebnis weithin übereinstimmend angenommen, dass auf rechtswidrige Weise erlangte Erkenntnisse - sofern die Rechtswidrigkeit der Ermittlung auf einer Verletzung individueller Rechte und nicht bloß auf einem Verstoß gegen Normen beruht, die allein öffentliche (z. B. Geheimhaltungs-) Interessen schützen - grundsätzlich nicht (unmittelbar) zu Lasten des betroffenen Bürgers verwendet werden dürfen (vgl. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24 Rdnr. 32; Ziekow, VwVfG, § 24 Rdnr. 24…Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht Rdnr. 217). Für diesen Grundsatz spricht auch, dass andernfalls der Verstoß gegen Beweiserhebungsverbote ohne Folgen bliebe, so dass die Behörden geneigt sein könnten, Beweiserhebungsverbote zu missachten (OVG S. 99 unter 2.2).
b) Ausnahmen werden (neben dem hier nicht gegebenen Fall einer Einwilligung des Betroffenen) für möglich gehalten, sofern eine Abwägung im Einzelfall dazu führt, dass das öffentliche Verwertungsinteresse gegenüber dem Schutzzweck der Verbotsnorm überwiegt (folgen Nachw.), etwa wenn eine anders nicht auflösbare Interessenkollision mit dem höherwertigen Recht eines Dritten (z. B. Leben oder Freiheit) die Verwertung erfordert.
2. Im vorliegenden Fall greift keine Ausnahme ein:
a) Zum einen handelt es sich bei den durchgeführten Maßnahmen um gravierende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der A und des deutschen Ehemanns … Die B-Behörde hat dabei nicht etwa „bloß“ eine sie im Prinzip berechtigende Befugnisnorm falsch ausgelegt oder angewendet, sondern sie hat sich Befugnisse angemaßt, die ihr von vornherein in keinem Fall zugestanden haben.
b) Zum anderen stehen hier keine derart hochwertigen Rechtsgüter (insbesondere Dritter) auf dem Spiel, dass deren Schutz hier ausnahmsweise die (unmittelbare) Verwertung der rechtswidrig erlangten Ermittlungsergebnisse erfordern würde.
c) OVG S. 100 unter 2.4.: Eine andere Bewertung lässt sich nicht etwa mit der Erwägung rechtfertigen, die Ag. habe keine andere Möglichkeit gehabt, die ihrerseits angenommene Scheinehe zu beweisen.
aa) Zwar ist es nach der höchstrichterlichen Rspr. in zivil-, familien- oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten im Prinzip möglich, dass das Gericht Erkenntnisse verwertet, die sich eine Prozesspartei durch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschafft hat, wenn die beweisbelastete Prozesspartei sich in einer gleichsam notwehrähnlichen Lage befunden hat und eine Abwägung der beteiligten Interessen ergibt, dass das Interesse an einer Verwertung dieser Beweise trotz des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schutzwürdig ist… (vgl. BVerfG NJW 2002, 3619; NVwZ 2007, 688 Rdnrn. 92 ff., 96; BGH NJW 2003, 1727 [1728 f. ]; BAG NJW 2003, 3436 [3437]).
bb) Damit lässt sich die Stellung einer Behörde jedoch nicht vergleichen. Diese hat weitgehende legale Ermittlungsbefugnisse, aber nur im Rahmen der Gesetze. OVG: Kann die Behörde damit einen von ihr angestrebten Beweis nicht führen, so hat sie (als Konsequenz der gesetzlichen Bestimmungen) die damit möglicherweise verbundenen, aus ihrer Sicht nachteiligen Folgen hinzunehmen.
3. Somit bleibt es bei dem oben 1a dargelegten Grundsatz. Die Verwertung der Ermittlungsergebnisse ist nicht zulässig. Das OVG hat daraus weitere Folgerungen gezogen:
a) Da nicht davon ausgegangen werden darf, A und E führten eine Scheinehe, hat das OVG dem Antrag der A auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung stattgegeben.
b) Es hat die Verwaltungsbehörde angewiesen, über den noch offenen Widerspruch der A ohne Heranziehung der rechtswidrigen Ermittlungsergebnisse zu entscheiden.
c) Das OVG hat auch die weitere Frage behandelt, ob die B-Behörde die ihr vorliegenden, rechtswidrig erlangten Erkenntnisse mittelbar dadurch nutzen darf (als sog. Spurenansätze), dass sie daran neue, rechtmäßig zu erlangende Ermittlungsergebnisse knüpft und damit den Verdacht der Scheinehe bestätigt, oder ob das Verwertungsverbot absolut wirkt und im Wege einer sog. Fernwirkung selbst einer bloßen Anknüpfung für weitere Ermittlungen entgegen steht. Das OVG (S. 100 li. Sp.) verweist auf das Strafverfahrensrecht, in dem ein so weitgehendes (absolutes) Verwertungsverbot nicht anerkannt wird (BGH NJW 2006, 1361, 1363 m. w. Nachw.: grundsätzlich keine Fernwirkung von Beweisverboten). Daraus schließt das OVG, dass im Verwaltungsverfahren ein absolutes Verwertungsverbot dann nicht besteht, wenn öffentliche Interessen von erheblichem Gewicht betroffen sind, die sich mit dem staatlichen Strafanspruch vergleichen lassen.
Ein absolutes Verwertungsverbot besteht allerdings dann, wenn die Informationen durch Eingriff in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung erlangt worden sind (OVG S. 101 unter Hinweis auf BVerfG NJW 2004, 999, 1007). Dieser Ausnahmefall liegt hier nicht vor, insbesondere erstreckte sich die Überwachung nicht auf den Intimbereich der Betroffenen. Andererseits stellt das OVG (auf S. 100 li. Sp. unten) das Interesse des Staates, die Rechtsordnung vor Scheinehen zu schützen, dem Interesse an der Verfolgung von Straftaten gleich. Folglich darf die B-Behörde die vorliegenden, rechtswidrig erlangten Erkenntnisse zum Anlass für weitere Ermittlungen nehmen, um doch noch den Vorwurf der Scheinehe zu beweisen.
Zusammenfassung