Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 I 4 VwGO, und allgemeine Feststellungsklage, § 43 VwGO. Polizeiverfügung nach § 8 PolG. Gefahr für die öffentliche Sicherheit; Unterscheidung von betroffenem Schutzgut und konkreter Gefahr. Berücksichtigung der Pressefreiheit bereits bei Prüfung der Gefahr. Pflicht der Polizei zur Kooperation mit der Presse


BVerwG Urteil vom 28. 3. 2012 (6 C 12.11) NJW 2012, 2676

Fall
(Fotografierverbot)

In der - in NRW gelegenen - Großstadt S erhielten die für den Zeitungsverlag V arbeitenden Journalisten J1 und J2 Kenntnis davon, dass acht Beamte eines Spezialeinsatzkommandos einen Gefangenen in eine Augenarztpraxis gebracht hatten. Während des Arztbesuchs blieben zwei Beamte bei dem Gefangenen, die anderen Beamten bezogen vor dem Praxisgebäude Stellung. Währenddessen trafen J1 und J2 dort ein. Sie wiesen sich gegenüber P, dem Leiter des Einsatzes, als Pressevertreter aus und fragten ihn nach dem Grund des Einsatzes. Zugleich begannen sie zu fotografieren. P erklärte, dass der SEK-Einsatz wegen der Gefahr eines Befreiungsversuchs für erforderlich gehalten wurde. Zugleich untersagte er J1 und J2 die Anfertigung von Bildaufnahmen. Das Verbot sei erforderlich, um die Einsatzfähigkeit des SEK bei verdeckten Maßnahmen zu gewährleisten und die SEK-Kräfte vor Repressalien durch Mitglieder der organisierten Kriminalität zu schützen; deshalb müssten diese anonym bleiben. Auch verbiete das Recht der Beamten am eigenen Bild die Aufnahmen und ihre Veröffentlichung. Im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot würden die Kamera und das Speichermedium beschlagnahmt. J1 und J2 befolgten das Fotografierverbot und beobachteten lediglich den Vorgang, der kurze Zeit später beendet war. Am folgenden Tage erschien in der Zeitung des V ein Textbericht über den Polizeieinsatz.

Nach einem vorprozessualen Schriftwechsel, in dem die Polizei die Berechtigung ihrer Maßnahmen verteidigte, erhob V verwaltungsgerichtliche Klage gegen das Fotografierverbot und die Beschlagnahmeandrohung. Beide Maßnahmen verstießen gegen die Pressefreiheit. Wie ist über die Klage zu entscheiden ?

A. Zulässigkeit der Klage

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 I VwGO gegeben. V wendet sich gegen zwei hoheitlich getroffene Maßnahmen der Polizei, so dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Die Polizei ist bei den Maßnahmen des P gegenüber J1 und J2 nicht zum Zwecke der Strafverfolgung tätig geworden, so dass die abdrängende Zuständigkeitszuweisung des § 23 I EGGVG nicht eingreift.

II. Bei der Feststellung der Klageart ist zwischen den beiden Maßnahmen zu unterscheiden.

1. Das Fotografierverbot war ein Verwaltungsakt i. S. der §§ 42 I VwGO, 35 VwVfG. Er hat sich aber mit dem Ende des polizeilichen Einsatzes erledigt, so dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I 4 VwGO vorliegt. Der sich unmittelbar nur auf eine Erledigung während des Prozesses beziehende § 113 I 4 (nachträgliche FF-Klage) wird auf den Fall der Erledigung vor Klageerhebung (ursprüngliche FF-Klage) analog angewendet.

2. Die Beschlagnahmeandrohung war lediglich die Androhung eines VA und enthielt noch nicht selbst eine Regelung. Deshalb scheidet eine Anwendung des § 113 I 4 aus. Es kommt aber eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht. Insoweit verweist BVerwG [43] auf das Berufungsurteil: Dieses hat zu Recht angenommen, dass zwischen den Beteiligten das Bestehen eines Rechtsverhältnisses streitig ist. Ob aufgrund des konkret gegebenen Sachverhalts ein Recht des Beklagten bestand, die Kamera einschließlich des Speichermediums zu beschlagnahmen, stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO dar. Da V der Polizei dieses Recht bestreitet, handelt es sich um eine Klage auf Feststellung, dass ein Rechtsverhältnis nicht bestand. Eine andere Klageart (§ 43 II 1 VwGO) steht nicht zur Verfügung.

III. Da die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen das Fotografierverbot an die Stelle einer Anfechtungsklage tritt, könnten die für diese Klageart vorgeschriebenen Sachurteilsvoraussetzungen erforderlich sein.

1. V braucht eine Klagebefugnis i. S. des § 42 II VwGO. Er war zwar nicht Adressat des Fotografierverbots, macht aber zu Recht geltend, er werde durch das an seine Mitarbeiter gerichtete Fotografierverbot in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG) verletzt. Ihm steht die Klagebefugnis zu.

2. Ein Vorverfahren (§ 68 VwGO) ist bereits nach der VwGO bei einem kurz nach Erlass erledigten VA nicht erforderlich. Im Übrigen ist es in NRW durch § 110 JustizG generell abgeschafft.

3. Eine Klagefrist ist bei einer FF-Klage nicht vorgesehen.

IV. Für beide Klagen ist ein Feststellungsinteresse erforderlich.

1. Das nach § 113 I 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Wiederholungsgefahr. BVerwG [15]: Denn nach der Auffassung des Beklagten besteht generell ein Interesse an der Wahrung der Anonymität von SEK-Beamten, damit diese vor Repressalien geschützt und für getarnte Einsätze verwendungsfähig bleiben. Die Klägerin muss deshalb befürchten, in vergleichbaren Fällen wie dem vorliegenden wieder einem Fotografierverbot ausgesetzt zu werden. Darüber hinaus kann sich die Klägerin auf ein Rehabilitationsinteresse berufen, weil solche Verbote ihr Grundrecht auf Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berühren.

2. Das Feststellungsinteresse gemäß § 43 I VwGO ergibt sich ebenfalls daraus, dass in einem vergleichbaren Fall wiederum die Beschlagnahme der Kamera droht und V deshalb ein schutzwürdiges Interesse an einer Feststellung der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme hat (BVerwG [43]).

V. Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht, so dass die Klage mit beiden Anträgen zulässig ist. Richtiger Klagegegner ist das Land NRW (§ 78 I Nr. 1 VwGO).

B. Begründetheit der Klage gegen das Fotografierverbot

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn das Fotografierverbot vor Erledigung rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzt hat (§ 113 I1 analog).

I. Es ist die anwendbare Ermächtigungsgrundlage für das Fotografierverbot zu bestimmen.

1. Da eine spezielle Regelung, insbesondere in Form einer Standardmaßnahme, nicht eingreift, kommt die Generalklausel des § 8 PolG in Betracht.

2. Allerdings greift ein Fotografierverbot gegenüber Pressevertretern in die Pressefreiheit ein. Nach § 1 II LaPresseG unterliegt die Presse nur den Beschränkungen, die durch dieses Gesetz und das GG zugelassen sind. Außerdem kann die Anwendung durch Spezialnormen ausgeschlossen sein.

a) BVerwG [19]: So ist z.B. die präventivpolizeiliche Beschlagnahme von Presseerzeugnissen in den Landespressegesetzen abschließend geregelt. Diese Regelungen betreffen jedoch nur den geistigen Inhalt der Presseerzeugnisse und die davon ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und entfalten deshalb auch nur insoweit abschließende Wirkung. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Beschlagnahme, so dass die Beschlagnahmevorschriften hier keine abschließende Wirkung entfalten.

b) Das LaPresseG sieht ein Fotografierverbot nicht vor.

c) Nach Art. 5 II GG wird die Pressefreiheit durch die allgemeinen Gesetze beschränkt. Dazu gehören auch die Gesetze des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts. Eine absolute Schranke ist allerdings das Zensurverbot des Art. 5 I 3 GG. Das Fotografierverbot bedeutet aber keine Zensur, weil dadurch nicht ein Presseerzeugnis von einer vorherigen Kontrolle durch den Staat abhängig gemacht wird. BVerwG [20]: Vielmehr geht es um die Vorfrage, ob etwas zum Inhalt einer Presseinformation werden kann (BVerfG NJW 2001, 503 Rn. 15).

BVerwG [19]: Die in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Grundrechte können durch die Polizei- und Ordnungsgesetze beschränkt werden und sind nicht generell polizeifest, d.h. sind auf der Basis der allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze einschränkbar… Beschränkungen, die den äußeren Rahmen der Pressetätigkeit betreffen, sind nach Polizeirecht zulässig, so etwa ein Platzverweis (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, Rn. 347). Wenn im vorliegenden Fall das Fotografieren zum Schutze der öffentlichen Sicherheit beschränkt werden soll, wird der Pressetätigkeit eine äußere Grenze gesetzt. Also ist die Anwendbarkeit des § 8 PolG nicht von vornherein ausgeschlossen. Rechnung getragen wird der Pressefreiheit im Rahmen der Anwendung des § 8 PolG.

II. In formeller Hinsicht war das Fotografierverbot rechtmäßig: Die Zuständigkeit der Polizei folgte daraus, dass sie zur Gefahrenabwehr eingeschritten ist und dafür nach § 1 I 1, 3 PolG zuständig war. Da P das Fotografierverbot im Gespräch mit J1 und J2 ausgesprochen hat, konnten diese dazu Stellung nehmen, so dass eine Anhörung nach § 28 VwVfG zu bejahen ist. Der mündliche Erlass war nach § 37 II 1 VwVfG zulässig. Obwohl § 39 VwVfG eine Begründung nur bei schriftlichem VA vorschreibt, hat P im vorliegenden Fall eine Begründung gegeben.

III. In materieller Hinsicht müssen die Voraussetzungen des § 8 PolG vorliegen. Das Fotografierverbot könnte zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlassen worden sein.

1. BVerwG [23]: Das…polizeirechtliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit…umfasst neben der Unverletzlichkeit der Normen der Rechtsordnung die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des Einzelnen sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen. Geschützt werden sowohl Individual- wie auch Gemeinschaftsrechtsgüter (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, Rn. 53).

a) BVerwG [24 - 26]: Die vom Beklagten mit dem Fotografierverbot unternommene Sicherung des Polizeieinsatzes gehört zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit i.S.d. polizeilichen Generalermächtigung. Es handelt sich bei der polizeilichen Eskortierung eines Häftlings zu einem Arztbesuch um eine Rechtshandlung, die in Ausübung staatlicher Sicherheitsgewährleistung erfolgte und folglich dem Schutz der staatlichen Funktionsordnung diente. Es gehört also zum Funktionieren der Einrichtungen des Staates, dass gewährleistet ist, dass ein Häftling nicht entkommt.

b) Die zur Begründung des Fotografierverbotes außerdem angeführte Bedrohung der Funktionsfähigkeit des SEK durch Enttarnung seiner Angehörigen betrifft ebenfalls das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit… Die Einsatzfähigkeit der Polizeiorganisation ist Teil der Sicherheit des Staates und seiner Einrichtungen. Es ging dem Einsatzleiter bei der fraglichen Polizeiverfügung darum, dass die eingesetzten Beamten nicht abgelichtet werden sollten, um ihre Identität zu schützen und um mögliche Sanktionen der Gegenseite auszuschließen. Er sah somit die Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein könnten.

c) Schließlich ist als weiteres Schutzgut der öffentlichen Sicherheit das Recht der eingesetzten Beamten am eigenen Bild betroffen. Dieses Recht wird durch §§ 22, 23, 33 KunsturheberG (KUrhebG) geschützt und steht den Beamten auch im Zusammenhang mit ihrem Dienst zu.

2. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, hat das BVerwG - im Einklang mit dem BerGer. - zunächst geprüft, ob ein Schutzgut betroffen ist, d. h. ob die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schutzguts erfüllt sind (ähnlich wie bei einem Grundrecht zwischen der Betroffenheit des Schutzbereichs und dem Eingriff unerschieden wird). Daran schließt es die weitere Frage an, ob für dieses Schutzgut auch eine konkrete Gefahr besteht (so ausdrücklich auch BVerwG [22]).

BVerwG [27]: Eine Gefahr liegt vor, wenn ein bestimmter Sachverhalt, d.h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes. Diese „Je-desto-Formel“ hat also zwei Ausprägungen: Je höher der Rang des Schutzguts ist, desto geringer braucht die Wahrscheinlichkeit zu sein. Und: Je höher der Rang des Rechtsguts ist, in das durch den Staat eingegriffen wird, desto größer muss die Wahrscheinlichkeit sein.

a) Im Hinblick auf das Schutzgut „Polizeieinsatz zur Bewachung eines Häftlings“ bestand keine Wahrscheinlichkeit, dass dieser durch das Fotografieren selbst oder durch die beabsichtigte Veröffentlichung der Aufnahmen konkret gefährdet gewesen wäre, vielmehr kann eine Gefährdung ausgeschlossen werden. Denn auch wenn J1 und J2 Fotos gemacht hätten, wäre der Einsatz so abgelaufen wie geschehen.

b) Anders liegt es bei den Schutzgütern, die durch Enttarnung und mögliche Repressalien gefährdet waren. Spätestens durch die Veröffentlichung der Fotos könnten Einsatzfähigkeit und Sicherheit der Beamten Schaden nehmen. Auch das Recht am eigenen Bild kann durch Pressefotos verletzt werden. Das BVerwG nimmt aber bereits beim Gefahrbegriff, also auf der Tatbestandsseite des § 8 PolG, eine Interessenabwägung vor; vgl. [32]: Auf eine Gefahr für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit des SEK durch Enttarnung seiner Angehörigen sowie das Schutzgut des Rechts der SEK-Beamten am eigenen Bild konnte das…Fotografierverbot nicht gestützt werden, insbesondere aber auch nicht auf eine drohende Schutzgutverletzung wegen der Gefahr der Veröffentlichung von Fotos. Dabei…geht es um die Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechtspositionen der Presse und der Gefahrenabwehr sowie deren angemessenen Ausgleich. Innerhalb dieser Abwägung verlangt das BVerwG, dass die Polizei nicht etwa vorsorglich so früh wie möglich eingreift, sondern erst wenn die Gefahr wirklich akut eintritt, und dass auch eine Kooperation mit den Betroffenen versucht werden muss. Methodisch handelt es sich dabei um eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 PolG. BVerwG [33 - 35]:

aa) Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit gewährleistet nicht nur die Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen; sie schützt vielmehr auch den gesamten Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen gehört (BVerfG NJW 2001, 503 Rn. 13), wie sie u.a. mit der Herstellung von Bildaufnahmen durch Fotojournalisten verbunden ist. Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175). Die Gerichte ihrerseits müssen bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen und ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall diese grundgesetzliche Wertentscheidung berücksichtigen (BVerfG NJW 2001, 503 Rn. 16). Dem hat die Auslegung von Rechtsnormen Rechnung zu tragen, soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken die Pressefreiheit beeinträchtigen können.

bb) Die mit einer Bildaufnahme verbundene Möglichkeit eines rechtsverletzenden Gebrauchs, insbesondere einer gegen Rechte von Dritten verstoßenden Veröffentlichung, muss nicht notwendig auf der ersten Stufe abgewehrt werden; dies kann in vielen Fällen vielmehr auch auf der zweiten Stufe des Gebrauchs des entstandenen Bildes geschehen. Wird ein Journalist daran gehindert, eine Fotoaufnahme zu tätigen, wird insoweit irreversibel in sein Recht auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen. Dies kann in der Regel nicht hingenommen werden… Verhältnismäßig ist es in einem solchen Fall daher in der Regel nicht, die durch den Journalisten beabsichtigte Fotoaufnahme selbst zu verhindern, sondern nur, Vorkehrungen für die befürchtete anschließende Verletzung eines Rechtsgutes durch den Gebrauch des Bildes zu treffen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Polizei ihren Rechtsstandpunkt dem Journalisten oder dem ihn beschäftigenden Presseunternehmen mitteilt und auf eine Verständigung über „ob“ und „wie“ der Veröffentlichung drängt. (Eine solche Kooperation ist seit BVerfGE 69, 315, Brokdorf, beim Versammlungsrecht allgemeine Praxis.) Dabei wird sich aus dem Zusammenspiel von Landespolizei- und Landespresserecht ergeben, ob ein etwaiger daran anschließender Konflikt durch den Erlass einer Polizeiverfügung mit der Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durch den Journalisten oder das Presseunternehmen ausgetragen wird oder durch die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes vor den ordentlichen Gerichten durch die Polizei. Ein solches Vorgehen hätte vorliegend nahe gelegen, weil die Journalisten…sich durch ihre Presseausweise gegenüber dem Einsatzleiter ausgewiesen haben und kooperationsbereit gewesen sind. Nur wenn es aus ex-ante-Sicht des polizeilichen Einsatzleiters aus zeitlichen oder anderen Gründen von vornherein keinen Erfolg verspricht, gegenüber Pressevertretern auf konsensualem Weg die Beachtung rechtlicher Beschränkungen bezüglich der Veröffentlichung angefertigter Bildaufnahmen sicherzustellen, ist dieser befugt, durch Nutzung polizeirechtlicher Anordnungsbefugnisse bereits die Bildanfertigung zu unterbinden. Ein solcher Ausnahmefall war hier aber nicht gegeben.

c) Somit konnte wegen des hohen Gewichts der Pressefreiheit für keines der betroffenen Schutzgüter eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt festgestellt werden. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit war nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 8 PolG liegen nicht vor.

IV. Für den Fall, dass obige Überlegungen nicht bereits auf der Tatbestandsseite berücksichtigt wurden, ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Polizeiverfügung aus einem Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit (§ 2 PolG).

1. Zum Schutze der Einsatzfähigkeit des SEK und der Beamten persönlich hätte es als milderes Mittel ausgereicht, J1 und J2 aufzugeben, die Gesichter der Polizeibeamten durch Pixeln unkenntlich zu machen, d. h. die Gesichter durch Verwenden eines Pixel-Filters auf größere farbige Blöcke zu reduzieren.

2. Aus den Ausführungen oben bb), innerhalb derer das BVerwG ausdrücklich auf die Verhältnismäßigkeit Bezug genommen hat, folgt auch, dass das Fotografierverbot als Eingriff in die Pressefreiheit unangemessen war.

V. Somit war der VA vor seiner Erledigung rechtswidrig. Dadurch wurde V in seiner Pressefreiheit verletzt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegenüber dem Fotografierverbot ist begründet.

C. Begründetheit der Feststellungsklage gegenüber der Androhung, die Kamera zu beschlagnahmen

Die Feststellungsklage ist begründet, wenn P die Beschlagnahme nicht androhen durfte, weil sie nicht rechtmäßig gewesen wäre.

I. Die Beschlagnahme wäre eine Sicherstellung nach § 43 PolG. Nach § 43 Nr. 1 ist sie zulässig, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine solche Gefahr lag aus den oben B dargelegten Gründen nicht vor. Da die Beschlagnahme aus denselben Gründen erfolgte wie das Fotografierverbot, greift auch für sie keine Ermächtigungsgrundlage ein.

II. Demgegenüber kommen das BerGer. und das BVerwG zwar zum selben Ergebnis, nehmen aber einen Ermessensfehler an. [43]: Das als Feststellungsklage statthafte Begehren ist begründet, weil die Annahme einer vom Beklagten angenommenen rechtlich zulässigen Beschlagnahmeandrohung ermessensfehlerhaft war. Die Ermessensfehlerhaftigkeit beruhte… darauf, dass der Beklagte erwogen hat, eine Beschlagnahmeandrohung zur Durchsetzung eines rechtswidrigen Fotografierverbotes einzusetzen.


Zusammenfassung