Berufsfreiheit, Art. 12 I GG; Altersgrenze für deutsche Notare und Tätigkeitsbeschränkungen für ausländische Notare. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV. Bereichsausnahme staatliche Tätigkeit, Art. 51 AEUV. EU-Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 15 GRCh; Anwendbarkeit, Art. 51 GRCh. Vorlage an BVerfG (Art. 100 GG) und an EuGH (Art. 267 AEUV)


BGH Beschluss vom 20. 7. 2015 (NotZ 13/14) NJW 2015, 3034

Fall
(Notary in Deutschland)

K ist Rechtsanwalt in Berlin, wo er auch Notar war. Er ist kürzlich 70 Jahre alt geworden. Nach § 47 Nr. 1 Bundesnotarordnung (BNotO) erlischt das Amt des Notars durch Erreichen der Altersgrenze. § 48 a BNotO setzt die Altersgrenze auf 70 Jahre fest. In einem Schriftwechsel zwischen K und der zuständigen Notarkammer hat diese bestätigt, dass das Notaramt des K erloschen sei. K ist überwiegend international tätig und hat auch ein Büro in einer Londoner Anwalts- und Notariatspraxis. Er ist von der zuständigen englischen Behörde zum Notar nach englischem Recht (Notary Public und Scrivener Notary ) bestellt worden. Diese Stellung hat er bis heute inne.

K will seine Dienste seinem Mandantenkreis weiterhin umfassend anbieten können und zu diesem Zweck auch als Notar in Deutschland tätig sein. In einem - zulässigerweise vor den Zivilgerichten (OLG und BGH) durchgeführten - Klageverfahren macht er geltend, dass es mit seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht vereinbar sei, wenn er trotz uneingeschränkter Leistungsfähigkeit nicht mehr in seinem Beruf als Notar tätig sein dürfe; gerade die bei älteren Notaren vorhandene Erfahrung müsse genutzt werden können. K beruft sich außerdem auf seine Zulassung als englischer Notar. In dieser Eigenschaft müsse er auch in Deutschland Beurkundungen vornehmen dürfen; das gewährleiste ihm das Grundgesetz und das EU-Recht. Die zuständige Notarkammer verweist in dem Verfahren auf §§ 10 I 1, 10 a II BNotO, wonach dem Notar ein bestimmter Amtssitz zugewiesen wird und er seine Beurkundungstätigkeit nur innerhalb dieses Bereichs ausüben soll, ferner auf § 11 a Satz 3 BNotO, wonach ein ausländischer Notar nur auf Ersuchen eines inländischen Notars in Deutschland kollegiale Hilfe leisten darf. Die von K erstrebte darüber hinausgehende notarielle Tätigkeit in Deutschland sei nicht zulässig. Diese Regelung stehe sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit EU-Recht in Einklang.

Nach dem Vorbringen des K In dem Klageverfahren stellen sich folgende Fragen: D arf K weiterhin als deutscher Notar in Deutschland tätig sein? Darf er als in England zugelassener Notar in Deutschland Beurkundungen vornehmen? Bedarf es zur Entscheidung dieser Fragen einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder an den Europäischen Gerichtshof? Es ist ein Gutachten zu erstatten, in dem diese Fragen beantwortet werden. Vorschriften des sekundären EU-Rechts (Verordnungen, Richtlinien) bleiben unberücksichtigt.

Vorbemerkung: Das Originalverfahren betrifft eine Notarsache. Bei Notarsachen gilt im Verwaltungsverfahren das VwVfG (§ 64 a BNotO). Im gerichtlichen Verfahren entscheiden OLG und BGH (§ 111 I BNotO) in Anwendung der VwGO (§ 111 b BNotO). Es handelt sich um verwaltungsrechtliche Notarsachen (§ 111 I BNotO), bei denen es Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gibt, die aber wegen des Sachzusammenhanges der Notariatsaufgaben mit dem Zivilrecht den Zivilgerichten zugewiesen sind.

Frage 1: Darf K weiterhin als deutscher Notar in Deutschland tätig sein?

Da K inzwischen die Altersgrenze nach § 48 a BNotO überschritten hat, ist sein Notaramt gemäß § 47 Nr. 1 BNotO erloschen. K darf deshalb nur dann weiterhin als Notar tätig sein, wenn diese Regelung verfassungswidrig und nichtig ist. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 74 I Nr. 1 GG („Notariat“; ohne Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 II GG).

I. In materieller Hinsicht kommt eine Verletzung des Grundrechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) in Betracht. Hierfür müsste ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG vorliegen.

1. Die Tätigkeit als Notar ist grundsätzlich eine berufliche Tätigkeit, fällt also unter den Schutzbereich des Art. 12 I GG. Allerdings nehmen Notare hoheitliche Beurkundungsfunktionen wahr, woraus sich Besonderheiten ergeben können.

a) Grundsätzlich erstreckt sich die Berufsfreiheit auch auf Tätigkeiten im Staatsdienst (z. B. auf die Berufe der Richter, Polizeibeamten, Lehrer). Es ist also gewährleistet, einen solchen Beruf zu wählen und auszuüben. Jedoch gelten mit Rücksicht darauf, dass die Zahl der Stellen beschränkt ist und eine besondere Pflichtenbindung besteht, die Sonderregelungen des Art 33 II, IV, V. Insbesondere die Freiheit der Berufswahl reduziert sich auf den in Art 33 II gewährleisteten Zugang zu öffentlichen Ämtern nach sachlichen Kriterien. Art 12 I gilt also nur mit den Modifikationen des Art 33 II, IV, V (BVerfGE 39, 34, 369; 84, 133, 147).

b) Der Notar übt keine Tätigkeit im Staatsdienst aus, sondern wird selbstständig tätig und übt einen freien Beruf aus. Für ihn gilt also Art. 12 I GG erst recht. Da er aber hoheitliche Funktionen wahrnimmt - als mit hoheitlichen Aufgaben Beliehener -, wird diese Art Beruf als staatlich gebundener Beruf bezeichnet. BGH [13] Nach st. Rspr. des BVerfG handelt es sich bei der Tätigkeit des Notars um einen staatlich gebundenen Beruf, bei der der Notar als selbstständiger Berufsträger Aufgaben wahrnimmt, die der Gesetzgeber auch dem eigenen Verwaltungsapparat vorbehalten könnte (BVerfGE 73, 280, 292; BVerfGE 131, 130, 139 m. w. N.).… Zwar fällt auch ein solcher Beruf… in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG (st. Rspr.: BVerfGE 73, 280, 292; 131, 130, 139). Allerdings lässt die sachliche Nähe staatlich gebundener Berufe zum öffentlichen Dienst Sonderregelungen zu (BVerfGE…110, 304, 321; 131, 130, 139 m. w. N.). Zu den Sonderregelungen ist noch im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Eingriffs Stellung zu nehmen.

2. Ein Eingriff ergibt sich daraus, dass bei Überschreiten der Altersgrenze die Erlaubnis zur Ausübung des Berufs erlischt.

II. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Den in Art. 12 I 2 GG auf Eingriffe in die Berufsausübung beschränkten Gesetzesvorbehalt hat das BVerfG auch auf die Berufswahl ausgedehnt und dabei der unterschiedlichen Eingriffsintensität Rechnung getragen. Das hat zu der Stufentheorie geführt, die eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, indem bei Art 12 I die Verhältnismäßigkeit stufenspezifisch geprüft wird (BVerfGE 7, 377; 46, 120,138; 77, 84, 105 ff).

1. Zunächst ist zu prüfen, ob der Eingriff das Ob der beruflichen Tätigkeit betrifft und deshalb eine Regelung der Berufswahl ist, oder ob er nur das Wie und damit die Berufsausübung regelt. Die Altersgrenze beendet die Berufstätigkeit, betrifft daher das Ob dieser Tätigkeit und bedeutet eine Regelung der Berufswahl. BGHZ 185, 30 [7] Die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren für die Ausübung des Notarberufs beschränkt die Berufswahlfreiheit….

2. Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl erfolgen in der Regel durch Zulassungsvoraussetzungen, die zu Zulassungsbeschränkungen führen.

a) Zu unterscheiden sind objektive und subjektive Zulassungsbeschränkungen. Subjektiv sind Anforderungen, die von persönlichen Eigenschaften abhängen. Dazu gehören bestimmte Fähigkeiten, das Bestehen von Prüfungen, die persönliche Zuverlässigkeit. Andere Anforderungen sind als objektive Beschränkungen einzuordnen. Hauptfall ist, dass die Zulassung von einem Bedürfnis abhängig gemacht wird. (BVerfGE 7,377,406/7)

b) Das Alter ist zwar keine typische Zulassungsvoraussetzung, hängt aber von persönlichen Umständen ab. BGHZ 185, 30 [7] Die Vorschriften der §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO kommen daher einer subjektiven Zulassungsbeschränkung gleich (BVerfG DNotZ 1993, 260, 261; NJW 2008, 1212 Tz. 13; BVerfGE 64, 72, 82).

c) Subjektive Voraussetzungen für einen Beruf sind zulässig, wenn sie für die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs erforderlich sind oder dem Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes dienen und im Übrigen verhältnismäßig sind (BVerfGE 7, 378 LS 6 c; NJW 1998,1777). Diese Voraussetzungen werden von BGHZ 185, 30 [8-10] im Hinblick auf die Altersgrenze für Notare bejaht:

aa) Das Regelungsziel der §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO besteht vorrangig darin, im Interesse einer funktionstüchtigen Rechtspflege eine geordnete Altersstruktur (vgl. § 4 Satz 2 BNotO) innerhalb des Notarberufs zu erreichen. Rechtsuchenden, die auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege auf die Inanspruchnahme notarieller Leistungen (§ 1 BNotO) angewiesen sind, sollen Notare unterschiedlichen Lebensalters zur Verfügung stehen, die aufgrund der Anzahl und Art ihrer Amtsgeschäfte auf allen Gebieten des Notariats über ein Mindestmaß an Berufserfahrung verfügen. Das ist nur gewährleistet, wenn hinreichend Stellen für alle Altersgruppen vorhanden sind. Die Zulassungspraxis muss somit Bedürfnisgesichtspunkten Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 73, 280, 293). Einer beliebigen Vermehrung von Notarstellen steht dabei entgegen, dass immer nur so viele Stellen geschaffen werden dürfen, wie sie dem jeweiligen Amtsinhaber ein solches Maß an finanzieller Unabhängigkeit gewährleisten, dass er sich nötigenfalls wirtschaftlichem Druck widersetzen kann (BGHZ 67, 348, 351; 73, 54, 57;…). Daher ist es zwingend geboten, dass lebensältere Notare die von ihnen eingenommenen Stellen mit Erreichen der Höchstaltersgrenze für lebensjüngere Amtsinhaber freimachen…. Die Regelung in den §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO dient damit einem Gemeinschaftsgut von besonderem Gewicht, das Einschränkungen auch in der Freiheit der Berufswahl rechtfertigt..

bb) Die Einführung eines Höchstalters für amtierende Notare von 70 Jahren, das deutlich über der allgemeinen (Renten-)Altersgrenze von 65 bzw. 67 Jahren liegt, erweist sich zudem als verhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat für die bei Inkrafttreten des Gesetzes amtierenden Anwaltsnotare - so auch für den Antragsteller - eine Übergangsregelung geschaffen. Diese ermöglichte es jedem damals bestellten Notar, der das 58. Lebensjahr bereits vollendet hatte, für weitere 12 Jahre im Amt zu bleiben. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine Amtstätigkeit von nochmals 12 Jahren genügte, um die im Hinblick auf die Amtsübernahme getätigten Investitionen zu erwirtschaften und eine Umstellung der für das Alter in Aussicht genommenen Vorsorge vorzunehmen.

(In diesem Sinne auch BVerfG NJW 1993, 1575; NJW 2011, 1131; vom 27. 6. 2014, 1 BvR 1313/14. - Zulässige Altersgrenzen gibt es auch für Schornsteinfeger, Prüfingenieure, Hebammen, Vertragsärzte und Piloten; dazu Epping/Hillgruber/Ruffert, GG, 2. Aufl., Art. 12 Rdnr. 122).

cc) Wenn K demgegenüber auf seine fortbestehende Leistungsfähigkeit verweist, kann das an dem gewonnenen Ergebnis nichts ändern. Eine Altersgrenze kann nicht von den Fähigkeiten im Einzelfall abhängig gemacht werden; andernfalls müsste man die älteren Notare einer Art Prüfung unterziehen, was unpraktikabel wäre und wahrscheinlich auch kein zuverlässiges Ergebnis liefern würde. Im Übrigen bleibt das Ziel, dass lebensältere Notare ihre Stellen für jüngere frei machen, auch für den Fall sinnvoll, dass betroffene lebensältere Notare noch leistungsfähig sind.

3. Folglich enthalten §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO eine zulässige subjektive Berufszulassungsbeschränkung. Der Eingriff durch diese Vorschriften in Art. 12 I GG ist gerechtfertigt. Art. 12 I GG ist nicht verletzt.

III. Es könnte eine Vorschrift eingreifen, die eine Diskriminierung wegen des Alters verbietet.

1. Die Verhinderung von Benachteiligung wegen des Alters ist eines der Ziele des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 1 AGG). Dieses Gesetz hat jedoch keinen Geltungsvorrang vor der BNotO und kann dieser nicht entgegenstehen. Nach BGHZ 185, 30 [10] hindert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§§ 1, 24 AGG) die Anwendung der §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO nicht. Als einfaches Bundesgesetz steht es mit der Bundesnotarordnung in der Normenhierarchie auf derselben Stufe. Dabei erweisen sich die Vorschriften der Bundesnotarordnung über das Erlöschen des Notaramtes als spezieller und sind damit gegenüber den §§ 1, 24 AGG vorrangig.

2. Art. 21 der EU-Grundrechte-Charta verbietet Diskriminierungen wegen des Alters. Die Grundrechte-Charta ist jedoch im Zusammenhang mit §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO nicht anwendbar, weil bei den genannten Vorschriften kein EU-Recht durchgeführt wird, was nach Art. 51 I GRCh Voraussetzung für die Anwendung der GRCh ist.

(Die Richtlinie 2000/78/EG zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf war nach der Aufgabenstellung nicht zu prüfen. Sie steht der Einführung einer Altersgrenze für Notare nicht entgegen, wie in BGHZ 185, 30 [13-30] ausführlich begründet wird.)

3. Art. 3 III GG erfasst nicht Benachteiligungen wegen des Alters. Es bleibt der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, der aber nicht verletzt ist, weil für die Ungleichbehandlung der älteren im Vergleich mit den jüngeren Notare die oben II 2 c) dargestellten sachlichen Gründe bestehen (BGHZ 185, 30 [10]).


Eine Benachteiligung wegen des Alters kann also nicht zur Rechtswidrigkeit der Altersgrenze für Notare führen.

IV. Folglich sind die §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO verfassungsmäßig. Das kann vom Gericht so entschieden werden, ohne dass das BVerfG angerufen wird. Eine Vorlage an das BVerfG ist nach Art. 100 I GG nur zulässig und geboten, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein; Zweifel genügen nicht. Da OLG und BGH §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO für verfassungsmäßig halten, scheidet eine Vorlage nach Art. 100 GG aus.

V. §§ 47 Nr. 1, 48 a BNotO sind also auf den Fall des K anzuwenden und führen dazu, dass das Notaramt des K seit dem Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren erloschen ist.

Ergebnisse zu Frage 1 und zu Frage 3, soweit diese auf Frage 1 bezogen ist: Als deutscher Notar darf K nicht mehr in Deutschland tätig sein. Das wird entschieden, ohne dass das BVerfG angerufen wird.

Frage 2:
Darf K als in England zugelassener Notar in Deutschland Beurkundungen vornehmen?

I. Ein Notar, der in Deutschland Beurkundungen vornimmt, wird hoheitlich tätig. BGHZ 185, 30 [17] Der Notar nimmt…staatliche Funktionen wahr (vgl. BVerfGE 17, 371, 377 f.); die Vorschrift des § 1 BNotO bezeichnet ihn mit Recht als „Träger eines öffentlichen Amtes“. (Nach Waldhoff NJW 2015, 3039 stehen Notare Richtern nahe.)

1. Daran anknüpfend könnte argumentiert werden, dass diese Befugnis auch von einem deutschen, im Sinne des Art. 20 II GG legitimierten Staatsorgan zugewiesen sein muss und dass die Zuweisung durch eine englische Behörde nicht ausreicht. Grundsätzlich darf auf deutschem Staatsgebiet nur deutsche Staatsgewalt ausgeübt werden und keine, die von einem ausländische Staat abgeleitet wird. Ebenso darf deutsche Staatsgewalt nicht auf fremdem Staatsgebiet ausgeübt werden. (Dazu auch Waldhoff NJW 2015, 3039 a. E.)

2. Letztlich ist aber auch hier das speziellere, mit Anwendungsvorrang ausgestattete einfache Gesetz anzuwenden. Es kann den unter 1. dargestellten Grundsatz bestätigen oder modifizieren oder Ausnahmen davon gestatten. Deshalb ist im vorliegenden Fall von § 11 a Satz 3 BNotO auszugehen, wonach ein ausländischer Notar nur auf Ersuchen eines inländischen Notars in Deutschland kollegiale Hilfe leisten darf. Daraus ergibt sich, dass ein im Ausland zugelassener Notar in Deutschland keine Beurkundungstätigkeit vornehmen darf (was die Überlegungen unter 1. bestätigt).

II. Jedoch könnte diese Vorschrift gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) verstoßen. Zuvor ist zu überlegen, ob ein Verstoß des § 11 a 3 BNotO gegen Art. 12 I GG allgemein, d. h. für alle davon betroffenen ausländischen Notare, geprüft wird, oder ob die Prüfung auf den Fall des K zu beschränken ist. Normalerweise wird ein Gesetz allgemein auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft. Prüfungsgegenstand ist also das abstrakte Gesetz; als Eingriffe kommen sämtliche Anwendungsfälle des Gesetzes in Betracht. In diesem Sinne wurde oben bei Frage 1 unter I. - III. geprüft, ob die Altersgrenze für Notare generell zulässig ist, unabhängig vom Fall des K. Der Fall des K wurde zu Beginn der Prüfung und zum Schluss unter V. behandelt. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um einen atypischen Anwendungsfall des § 11 a BNotO, weil K zugleich ein deutscher Rechtsanwalt ist und seinen Beruf auch in Deutschland ausübt. Er ist nicht der typische ausländische Notar, den § 11 a BNotO primär im Blick hat. Deshalb wird die Prüfung hier auf den Fall des K beschränkt und gefragt, ob eine Anwendung des § 11 a 3 BNotO auf den Fall des K das Grundrecht des K aus Art. 12 I GG verletzt.

1. K ist Deutscher, der in Deutschland tätig werden will, und fällt deshalb unter den persönlichen Schutzbereich dieses Grundrechts. Dass er sich auf eine Berechtigung beruft, die eine ausländische Behörde erteilt hat, ist kein Grund dafür, ihm das Grundrecht aus Art. 12 I GG vorzuenthalten. Es stellt sich also nicht die Frage, ob ein Notar, der englischer Staatsbürger ist und in Deutschland beruflich tätig werden will, sich auf Art. 12 I GG berufen kann. (Diese Frage wird überwiegend dahin beantwortet, dass eine Nichtanwendung des Art. 12 I GG auf ausländische EU-Bürger eine nach Art. 18 AEUV verbotene Diskriminierung wäre und dass deshalb bei EU-Bürgern die Beschränkung auf Deutsche entfällt, d. h. es wird wegen des Vorrangs des EU-Rechts Art. 12 I GG auch auf nichtdeutsche EU-Bürger angewendet; Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 19 Rdnr. 12; Epping/Hillgruber/Ruffert, GG, 2. Aufl., Art. 12 Rdnrn. 35-37 m. w. N.; vgl. auch BVerfG NJW 2011, 3428 zur Ausdehnung des Art. 19 III GG auf ausländische Gesellschaften mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat.)

2. § 11 a 3 BNotO enthält einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts: K will in Deutschland Beurkundungen vornehmen und sich auf diese Weise beruflich betätigen. Das wird ihm durch § 11 a 3 BNotO untersagt.

3. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein.

a) Im Anschluss an die Überlegungen zur 1. Frage oben II. 1. ist zunächst festzustellen, dass das Verbot des § 11 a BNotO keine bloße Berufsausübungsregelung ist, sondern die selbstständige Tätigkeit als Notar in Deutschland untersagt, somit das Ob der Tätigkeit des K in Deutschland betrifft, und deshalb als Berufswahlregelung einzuordnen ist. Ob es sich um eine objektive oder eine subjektive Beschränkung handelt, ist zweifelhaft. Für eine subjektive Beschränkung spricht, dass das berufliche Betätigungshindernis des K letztlich darauf zurückzuführen ist, dass er nicht über eine Notarzulassung in Deutschland verfügt, was Folge seines Alters, also einer subjektiv begründeten Beschränkung ist. Andererseits ist das sich aus § 11 a BNotO ergebende Hindernis eine nicht von subjektiven Umständen abhängige, objektive und von K nicht zu überwindende Beschränkung. Es handelt sich im Ergebnis um ein Berufsverbot in Deutschland. Es wird deshalb von einer objektiven Beschränkung ausgegangen. (Der BGH hat keine Einordnung vorgenommen. Waldhoff NJW 2015, 3039 geht in seiner Anmerkung zu der BGH-Entscheidung offenbar von einer objektiven Beschränkung aus.)

b) Objektive Beschränkungen der Berufsfreiheit sind zulässig zur Abwehr von Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 7, 378 LS 6 c; 84, 133, 151).

aa) Aus den Überlegungen zu Frage 1 unter II 2 c aa) ergibt sich, dass ein funktionierendes Notariat für die Rechtspflege in Deutschland ein unverzichtbares und damit überragend wichtiges Gemeinschaftsgut ist. Zu einem funktionierenden Notariat gehört, dass es in jedem Bezirk genügend Notare gibt, deren wirtschaftliche Existenz gesichert ist. BGH [15] Wie der BGH in Bezug auf das Amtsbezirksprinzip des § 11 Abs. 2 Alt. 2 BNotO ausgeführt hat, dienen die dort enthaltenen Beschränkungen der Berufsausübung nach deutschem Recht bestellter Notare der Sicherung der Lebensfähigkeit und gleichbleibender Leistungsfähigkeit der Notarstellen und der insgesamt bedarfsgerechten und flächendeckenden Organisation des Notariats (BGHZ 196, 271, 279 Rn. 23 m. w. N.).

bb) Würde es ausländischen Notaren gestattet, in Deutschland Beurkundungen vorzunehmen, könnten dadurch die deutschen Notare verdrängt und in ihrer Existenz gefährdet werden. Es würden „Reisenotarfirmen“ entstehen, deren Angehörige sich die lukrativsten Geschäftsbereiche in Deutschland aussuchen. BGH [16] Mit einer nicht an das Zulassungswesen des inländischen Notarrechts geknüpften Urkundstätigkeit von nach ausländischem Recht zugelassener Notare im Inland ginge die Gefahr einer Überversorgung mit notariellen Leistungen in bestimmten, wirtschaftlich lukrativen Bezirken einher. Überversorgung ihrerseits bringt typischerweise Gefährdungen der Interessen der Rechtsuchenden und der geordneten vorsorgenden Rechtspflege mit sich. Die Erhöhung der Zahl notarielle Dienste anbietender Notare über die nach Bedarfsgrundsätzen (§ 4 BNotO) ermittelte Anzahl pro Amtsbezirk kann eine Wettbewerbssituation hervorbringen, die Notare dazu veranlassen kann, um im Wettbewerb bestehen zu können, die Amtstätigkeit nicht stets in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise zu erfüllen… Das gesetzgeberische Ziel der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen für die bestellten Notare würde grundlegend in Frage gestellt, wenn eine über § 11 a Satz 3 und 4 BNotO hinausgehende Urkundstätigkeit nach ausländischem Recht bestellter Notare zu gestatten wäre.

cc) BGH [18] In Bezug auf den Kläger gilt hinsichtlich der in § 11 a Satz 3 BNotO enthaltenen Beschränkung nach ausländischem Recht bestellter Notare nichts Anderes… Da er wegen Überschreitens der Altersgrenze für die Ausübung des inländischen Notaramts dieses nicht mehr ausüben kann, stützten mit Ausnahme des Erfordernisses der Befähigung zum (inländischen) Richteramt alle übrigen für die Begrenzung der Urkundstätigkeit ausländischer Notare im Inland bestehenden Gründe die Anwendung von § 11 a Satz 3 BNotO auch auf den Kläger in seiner Funktion als Notary Scrivener.

dd) BGH [15] Diese Gemeinwohlbelange legitimieren die Begrenzung der Berufsfreiheit des K in seiner Eigenschaft als Notary Scrivener englischen Rechts hinsichtlich der Ausübung von Urkundstätigkeit im Geltungsbereich der Bundesnotarordnung durch § 11 a Satz 3 BNotO. Folglich enthalt § 11 a 3 BNotO keine Verletzung des Art. 12 I GG.

4. Auch insoweit ist eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 I GG nicht zulässig. Das den Fall entscheidende Gericht ist nicht von der Verfassungswidrigkeit, sondern von der Verfassungsmäßigkeit des § 11 a 3 BNotO überzeugt.

III. § 11 a S. 3 BNotO könnte wegen der Zulassung des K als Notar in England, einem EU-Mitgliedstaat, gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 I AEUV verstoßen. K könnte kraft der Dienstleistungsfreiheit das Recht haben, in Deutschland Beurkundungen als Notar vorzunehmen. In solchem Fall würde § 11 a 3 BNotO durch den Anwendungsvorrang des EU-Rechts verdrängt.

1. Auf die Dienstleistungsfreiheit können sich alle Personen berufen, die in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind. K ist büroansässig in Deutschland (Berlin) und in England (London).

2. K will Dienstleistungen i. S. des Art. 57 I, II d) AEUV erbringen, und zwar durch eine freiberufliche Tätigkeit. Der in Art. 57 I AEUV normierte Vorrang des freien Waren- und Kapitalverkehrs sowie der Freizügigkeit der Personen greift nicht ein.

3. Die Dienstleistung muss grenzüberschreitenden Charakter haben (Art. 57 III AUEV). K ist ein (auch) in England ansässiger und dort zugelassener Notar und will in dieser Eigenschaft in Deutschland, also grenzüberschreitend, Beurkundungen vornehmen.

4. Diese Tätigkeit wird ihm durch § 11 a 3 BNotO untersagt, wodurch ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit des K erfolgt.

5. Der Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein.

a) Nach Art. 62 AEUV gelten für die Dienstleistungsfreiheit einige Vorschriften aus dem Recht der Niederlassungsfreiheit, wozu auch Art. 51 AEUV gehört. Danach werden durch die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit nicht geschützt „Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“. Es handelt sich um eine Bereichsausnahme für den originären Funktionsbereich des Staates (vgl. auch Art. 45 IV AEUV: keine Anwendung der Grundfreiheit „Freizügigkeit der Arbeitnehmer“ auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung).

aa) Wie oben zu Frage 1 unter I 1 b) ausgeführt wurde, wird der Notar bei Beurkundungen hoheitlich tätig und nimmt Aufgaben staatlicher Rechtspflege wahr. Danach greift die Bereichsausnahme ein.

bb) Allerdings hat der EuGH in NJW 2011, 2941 entschieden, dass die Vergabe von Notarstellen nicht vom Innehaben der deutschen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden darf. Er hat aber hinzugefügt, dass dies nicht die Stellung des Notars in der deutschen Rechtsordnung betrifft und auch nicht für die Anwendung der Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit gilt (Rdnrn. 75, 76; dazu auch BGHZ 196, 271 [19]). Gleichwohl hat der BGH in BGHZ 196, 271 und auch im vorliegenden Fall unter [25] diese Frage offen gelassen und aufgrund der nachfolgend unter b) ausgeführten Überlegungen entschieden. In diesem Lösungsvorschlag wird aber daran festgehalten, dass das Notariat wegen der Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen unter die Bereichsausnahme des Art. 51 I AEUV fällt. Folglich greift zugunsten des K die Dienstleistungsfreiheit nicht ein.

b) Der BGH hat darauf abgestellt, dass die Dienstleistungsfreiheit Schranken unterliegt. Das sind einmal die Schranken aus Art. 62, 52 AUEV, die hier nicht eingreifen. Zum andern entspricht es der st. Rspr. des EuGH, dass auch zwingende Gründe des Allgemeininteresses Beschränkungen rechtfertigen (ebenso wie bei der Freiheit des Warenverkehrs in Ergänzung des Art. 36 AEUV; vgl. EuGH EuZW 2009, 173).

BGH [22] Grundfreiheiten dürfen zulässig beschränkt werden, wenn dies aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, die Begrenzung zu der Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet ist und sie nicht über das zur Zielerreichung Erforderliche hinausgeht (Tiedje in von der Gröben/Schwarze/Hatje, Art. 49 AEUV Rn. 115). In Bezug auf die notarielle Tätigkeit hat der EuGH in seinem…Urteil Slg. I-4355, 4385 festgestellt, dass mit notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt werden. Diese dienten insbesondere dazu, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Solche Ziele stellten einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar… Die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen vorsorgenden Rechtspflege durch notarielle Urkundstätigkeit ist damit ein zwingendes Allgemeininteresse, das die in § 11 a Satz 3 BNotO statuierten Beschränkungen der Urkundstätigkeit nach ausländischem Recht bestellter Notare auch unter dem Aspekt des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) unionsrechtlich zu rechtfertigen vermag. Aus diesen Überlegungen ergibt sich auch, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 IV EUV) nicht verletzt ist.

Somit ist primär Art. 56 AEUV wegen Art. 62, 51 AEUV nicht anwendbar, hilfsweise wird der Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit durch eine Schranke gedeckt. Im Ergebnis ist Art. 56 AEUV nicht verletzt.

IV. Zugunsten des K könnte Art. 15 I, II EU-GRCh eingreifen. Danach hat jede Person das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten Beruf auszuüben, sowie die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Dienstleistungen zu erbringen.

1. Die GRCh müsste anwendbar sein, was in Art. 51 I GRCh geregelt ist. Soweit danach die GRCh für die Organe und Stellen der EU verbindlich ist, führt sie im Falle des K nicht zu einer Anwendung. § 11 a BNotO ist eine Vorschrift des deutschen Rechts, also eines Mitgliedstaats der EU. Hierbei ist die GRCh anwendbar „bei der Durchführung des Rechts der Union“. Es ist nicht ersichtlich, dass § 11 a BNotO der Durchführung von EU-Recht dient. Vielmehr wird über die Frage, wer in Deutschland als Notar tätig sein darf, nach deutschem Recht entschieden. BGH [26] Wie der BGH bereits in seinem Beschluss vom 17. März 2014 (NotZ(Brfg) 21/13) ausgeführt hat, dürfte der Anwendungsbereich der Charta selbst unter Berücksichtigung der Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh durch den EuGH in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 (C-617/10 - Akerberg Fransson, NJW 2013, 1415 Rn. 17 ff.) nicht eröffnet sein, weil die Zuständigkeit für das Berufsrecht der Notare nicht auf die Union übertragen ist (…).

(§ 11 a BNotO ist auch nicht zur Durchführung von EU-Richtlinien - sie haben nach der Aufgabenstellung unberücksichtigt zu bleiben - erlassen worden, wie von BGHZ 174, 273 Rdnr. 27 und BGHZ 185, 30 Rdnrn. 14 ff. näher begründet wird.)

2. BGH [27] Selbst wenn aber die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta auf den vorliegenden Sachverhalt…unterstellt wird, würde sich hieraus ein Widerspruch zu § 11 a Satz 3 BNotO nicht ergeben. Vielmehr beinhaltet diese Bestimmung eine nach Art. 52 Abs. 1 GRCh zulässige Einschränkung… Nach dieser Vorschrift muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, deren Wesensgehalt achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer entsprechen… Damit unterscheiden sich die unionsrechtlichen zulässigen Beschränkungen der durch die Charta gewährleisteten Grundrechte nicht von den für die Grundfreiheiten in Gestalt der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit maßgeblichen Voraussetzungen zulässiger Beschränkungen. Somit würde sich im Falle einer Anwendbarkeit des Art. 15 GRCh aus den Überlegungen oben III 5 b) auch ergeben, dass das Grundrecht in zulässiger Weise eingeschränkt wurde und nicht verletzt ist.

V. Nach Art. 267 I a), III AEUV ist eine Vorabentscheidung des EuGH im Wege einer Vorlage einzuholen „über die Auslegung der Verträge“.

1. Bei dem Gedankengang unter III. und IV. waren Art. 56, 51 AEUV und Art. 15, 51, 52 GRCh anzuwenden und teilweise auszulegen.

2. Jedoch schränkt die Rechtsprechung die Vorlagepflicht mit Hilfe der acte-clair-Doktrin ein. Eine Auslegungsfrage braucht dann nicht vorgelegt zu werden, wenn die Frage auch ohne Vorlage klar und eindeutig beantwortet werden kann. Einen solchen Fall hat der BGH hier angenommen, [29] Die für die Entscheidung über das Begehren des Klägers…maßgeblichen unionsrechtlichen Rechtsvorschriften sind im Sinne der acte-clair-Doktrin (dazu BVerfG NJW 2014, 2489, 2490; Gaitanides in von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUVV Art. 267 Rn. 66 m. w. N.) in ihren Inhalten eindeutig. Der Senat nimmt insoweit auf seine Ausführungen in den Beschlüssen NJW 2010, 3783 Rn. 32 ff.; … NJW-RR 2015, 310 Rn. 11 Bezug. Auch hat der EuGH bereits entschieden, dass mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt werden und es sich bei der Gewährleistung der Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen um einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses handelt, der Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann (EuGH EuZW 2013, 265). Die Einschränkbarkeit der Dienstleistungsfreiheit führt, wie dargelegt, auch zur Einschränkbarkeit des Art. 15 GRCh. Somit ist eine Vorlage an den EuGH nicht erforderlich.

Ergebnisse zu Frage 2 und zu Frage 3, soweit diese auf Frage 2 bezogen ist: K als ein in England zugelassener Notar darf in Deutschland keine Beurkundungen vornehmen. Das wird entschieden, ohne dass das BVerfG oder der EuGH angerufen werden.


Zusammenfassung