Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Verhältnis zwischen einem völkerrechtlichen Vertrag (Doppelbesteuerungsabkommen) und einem dazu in Widerspruch stehenden späteren Bundesgesetz - Treaty Override. Regeln für Normenkollisionen: Geltungsvorrang, Anwendungsvorrang, Lex spezialis, Lex posterior. Völkerrecht und deutsches Recht. Allgemeine Regeln des Völkerrechts, Art. 25 GG. Zustimmungsgesetz nach Art. 59 II GG. ► Demokratieprinzip, Völkerrechtsfreundlichkeit des GG, Rechtsstaatsprinzip

BVerfG
Beschluss vom 15. 12. 2015 (2 BvL 1/12) NJW 2016, 1295

Fall ( Doppelbesteuerungsabkommen)

Nach dem - im Einkommensteuergesetz (EStG) normierten - deutschen Einkommensteuerrecht müssen Personen, die in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, grundsätzlich alle Einkünfte versteuern, auch wenn diese im Ausland erzielt wurden; das deutsche Recht folgt damit dem Welteinkommensprinzip. Um zu vermeiden, dass dadurch Einkommen doppelt besteuert werden, schließen die Staaten sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Durch Vertrag von 1985 wurde auch zwischen Deutschland und der Türkei ein solches DBA geschlossen (DBA-Türkei). Durch Gesetz von 1989 stimmten Bundestag und Bundesrat dem Abkommen zu. Nach dem DBA-Türkei sind Einkünfte, die ein in dem einen Vertragsstaat ansässiger Steuerpflichtiger in dem anderen Staat erzielt, von der in dem einen Vertragsstaat zu zahlenden Einkommensteuer befreit, d. h. ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger braucht Einkommen, das er durch Arbeit oder unternehmerische Tätigkeit in der Türkei erzielt, in Deutschland nicht zu versteuern.

In den folgenden Jahren zeigten die Erfahrungen mit derartigen DBA, dass vornehmlich im Verkehrssektor tätige Personen (Piloten, Kraftfahrer, Seeleute) unter Berufung auf im Ausland erzieltes Einkommen in Deutschland keine Einkommensteuer gezahlt, die Einkünfte aber auch im Ausland nicht versteuert hatten. Um eine solche „Keinmalbesteuerung“ zu verhindern, wurde im Jahre 2003 in das EStG ein § 50 d eingefügt. Danach wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit „ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens“ die Freistellung von der in Form der Lohnsteuer erhobenen Einkommensteuer nur gewährt, „soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass eine in dem zur Besteuerung berechtigten Staat geschuldete Steuer entrichtet wurde.“

A lebt in Deutschland und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowohl in Deutschland als auch in der Türkei. Er war zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet und gab in dieser an, er brauche das Türkeieinkommen in Deutschland nicht zu versteuern. Nachweise über in der Türkei gezahlte Steuern legte er auch nach Aufforderung durch das Finanzamt nicht vor. Er machte geltend, ein solcher Nachwies sei in dem DBA-Türkei nicht vorgesehen. Auch könne die Nichterfüllung einer bloßen Formalität nicht ausreichen, um eine derartige Benachteiligung gegenüber denjenigen zu rechtfertigen, die von der Steuer freigestellt seien. Das Finanzamt folgte dieser Argumentation nicht und behandelte den in der Türkei erzielten Lohn als steuerpflichtig. Zu Recht?

I. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen der Einkommen-(Lohn-) Steuer (§§ 2 I Nr. 4, 19, 38 EStG). Aus § 2 I EStG sowie aus der dahingehenden Feststellung im Sachverhalt ergibt sich, dass darunter auch im Ausland erzielte Einkünfte fallen, im vorliegenden Fall also das von A in der Türkei erzielte Einkommen. Danach hat das Finanzamt das von A in der Türkei erzielte Einkommen zu Recht als in Deutschland einkommensteuerpflichtig behandelt.

II. Der Steuerpflicht des Türkeieinkommens des A könnte das DBA-Türkei entgegen stehen.

1. Das DBA-Türkei wurde durch Vertrag zwischen Deutschland und der Türkei, also durch einen völkerrechtlichen Vertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag bedurfte nach Art. 59 II 1 GG der Zustimmung in Form eines Gesetzes, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorlagen.

a) Das Gesetz nach diesem Artikel wird als teilweise als Vertragsgesetz, Ratifikationsgesetz oder - so durchgehend vom BVerfG [26, 37, 51, 53, 54, 59, 85, 88] - als Zustimmungsgesetz bezeichnet. (Es darf aber nicht mit dem Zustimmungsgesetz i. S. des Art. 77 II a GG verwechselt werden, also einem Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf; Zustimmungsgesetze i. S. des Art. 59 II GG sind i. d. R. gerade keine Zustimmungsgesetze i. S. des Art. 77 II a GG.) Zweck des Art 59 II 1 GG ist, eine parlamentarische Kontrolle der Regierung bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen zu gewährleisten und zu verhindern, dass ein Vertrag eine völkerrechtliche Bindungswirkung erzeugt, die durch eine spätere parlamentarische Missbilligung nicht mehr beseitigt werden kann. Außerdem soll bei Verträgen, die einer Transformation durch Gesetz bedürfen, diese Transformation bereits im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages erfolgen (vgl. BVerfG [44, 45]). Dementsprechend sind Voraussetzungen für ein Gesetz nach Art. 59 II 1 GG:

aa) Verträge, die „die politischen Beziehungen des Bundes regeln“. Das sind i. d. R. hochpolitische Verträge, die die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit, seine Stellung oder sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft berühren (BVerfGE 1, 372, 380 ff; 90, 286, 359) wie Bündnisverträge und Friedensverträge.

bb) Ein Gesetz ist ferner erforderlich bei Verträgen, die „sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen“. Nach dem Sinn dieser Vorschrift kommt es darauf an, ob zur Vollziehung des Vertrages ein Gesetz erforderlich ist, Maßnahmen der Exekutive also nicht ausreichen. Art 59 II 1 muss deshalb als „Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland“ gelesen werden und nicht als Gesetzgebung in der Zuständigkeit des Bundes. Ein Gesetz gemäß Art 59 II ist deshalb auch dann erforderlich, wenn für die Transformation die Landesgesetzgeber zuständig sind.

b) Ein Zustimmungsgesetz hat zwei Rechtswirkungen : 1. Es ermächtigt den Bundespräsidenten, den Vertrag gemäß Art. 59 I 1 GG abzuschließen (Ermächtigungsfunktion). 2. Bei Verträgen, die der Transformation in innerstaatliches Recht bedürfen, hat es Umsetzungs- bzw. Transformationsfunktion.

c) Das DBA-Türkei war zwar kein (hoch)politischer Vertrag. Es fiel aber unter den Fall oben bb). Für die in dem DBA geregelte Steuerbefreiung bedurfte es einer Änderung des EStG, weil dadurch Einkünfte aus dem Geltungsbereich der §§ 2 I Nr. 4, 19, 38 EStG herausfielen. Deshalb war ein Gesetz erforderlich, das in Form des DBA-Türkei-Gesetzes von 1989 auch erlassen wurde und durch seine Transformationswirkung das EStG abänderte.

2. Nach dem DBA-Türkei-Gesetz brauchte A als ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger das Einkommen, das er durch Arbeit in der Türkei erzielt hat, in Deutschland nicht zu versteuern. Dieser Rechtslage zufolge durfte das Finanzamt das von A in der Türkei erzielte Einkommen nicht als einkommensteuerpflichtig behandeln.

III. Die Freistellung des A von der Steuerpflicht könnte aber durch § 50 d EStG wieder aufgehoben worden sein.

1. Nach § 50 d EStG hängt die Freistellung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von dem Nachweis ab, dass der Steuerpflichtige eine in dem zur Besteuerung berechtigten Staat geschuldete Steuer entrichtet hat. Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass die von A in der Türkei erzielten Einkünfte nach türkischem Steuerrecht steuerpflichtig waren. A hat den Nachweis, dass er die Einkünfte in der Türkei versteuert hat, nicht erbracht. Das Argument des A, es handle sich um eine bloße Formalität, ist auf der Ebene der Anwendung des § 50 d unerheblich. Selbstverständlich kann das Gesetz formelle Voraussetzungen aufstellen, und diese müssen dann auch beachtet werden.

2. In Anwendung des § 50 d EStG musste das Finanzamt davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vorlagen, und durfte die Türkeieinkünfte des A als steuerpflichtig behandeln.

IV. Die Türkeieinkünfte des A blieben aber dann nach dem DBA-Türkei-Gesetz steuerfrei (oben II 2), wenn § 50 d EStG nichtig oder unanwendbar wäre.

1. Nichtig oder unanwendbar könnte § 50 d EStG deshalb sein, weil er gegen eine vorrangige Norm verstößt.

a) Vorrang einer Norm gegenüber einer anderen gibt es in zwei Formen: Hauptfall ist der Geltungsvorrang. Ihn hat insbesondere die Verfassung, das Grundgesetz, so dass nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes Vorschriften, die im Range unter dem GG stehen und gegen dieses verstoßen, verfassungswidrig und nichtig sind. Normalfälle einer solchen Verfassungswidrigkeit sind, dass Gesetze gegen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 70 ff. GG, gegen Verfahrensvorschriften (Art. 76 ff. GG) oder gegen Grundrechte verstoßen. Zu einem praktisch gleichen Ergebnis kommt der Anwendungsvorrang, der zwar nicht zur Nichtigkeit der nachrangigen Norm führt, aber zu deren Unanwendbarkeit. So hat das EU-Recht Anwendungsvorrang vor dem nationalen, deutschen Recht.

b) Im Verhältnis zu den unter a) dargestellten allgemeinen Regeln ergeben sich im vorliegenden Fall Besonderheiten daraus, dass das DBA-Türkei-Gesetz das DBA-Türkei als völkerrechtlichen Vertrag umgesetzt hat, und sich deshalb die Frage nach dem Verhältnis des deutschen Rechts (§ 50 d EStG) zum Völkerrecht (DBA-Türkei) stellt.

2. Grundsätzlich sind Völkerrecht und das nationale deutsche Recht zwei getrennte Rechtsordnungen (Dualismus). Ihr Verhältnis zueinander ergibt sich aus verschiedenen Regelungen des Grundgesetzes, wobei nach BVerfG [34] folgende Fälle und Fallgruppen zu unterscheiden sind (die Nummerierungen der Fallgruppen sind vom Bearbeiter des Falles eingefügt):

a) Das Grundgesetz (1) bekennt es sich in Art. 1 Abs. 2 GG zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Diese unveräußerlichen Rechte liegen ihm voraus und sind selbst der Disposition des Verfassunggebers entzogen (vgl. BVerfGE 111, 307, 329; 112, 1, 27; 128, 326, 369). Sollte also eine Norm oder ein Vertrag des Völkerrechts gegen eines dieser Menschenrechte verstoßen, könnte die Norm oder der Vertrag in Deutschland keine Anerkennung finden. (2) In Art. 23 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 und Abs. 1 a GG ermöglicht das Grundgesetz dem Gesetzgeber, Hoheitsrechte auf die Europäische Union, andere zwischenstaatliche und grenznachbarschaftliche Einrichtungen zu übertragen und dem von diesen Organisationen gesetzten Recht einen Anwendungsvorrang vor dem innerstaatlichen Recht einzuräumen (vgl. BVerfGE 37, 271, 280; 73, 339, 374 f.). (3) In Art. 24 Abs. 2 GG ermöglicht es, sich einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit anzuschließen und in eine entsprechende Beschränkung der Hoheitsrechte einzuwilligen (vgl. BVerfGE 90, 286, 345 ff.). (4) In Art. 25 GG bestimmt es, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind und den Gesetzen vorgehen (vgl. BVerfGE 23, 288, 300; 31, 145, 177; 112, 1, 21 f.). (5) Gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG schließlich bedürfen völkerrechtliche Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes.

Die einzelnen Fallgruppen zeigen, dass das GG teilweise dem Völkerrecht Vorrang einräumt, dass es aber auch Beschränkungen des Völkerrechts zugunsten des deutschen Rechts enthält. BVerfG [35] In ihrem Geltungsbereich bestimmt die Verfassung auch über Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Völkerrecht sowie über die Auflösung von Kollisionen. Sie kann dabei auch dem staatlichen Recht Vorrang einräumen.

b) Im vorliegenden Fall scheiden die Fallgruppen (1) - (3) von vornherein aus. Art. 23 GG ist schon deshalb nicht einschlägig, weil die Türkei kein Mitglied der EU ist. Auch werden durch das DBA keine Hoheitsrechte übertragen. In Betracht kommen die Fallgruppen (4), dazu nachfolgend 3., und (5), dazu V.

3. § 50 d EStG könnte gegen Art. 25 GG i. V. mit dem DBA-Türkei verstoßen.

a) Die wichtigsten Rechtsquellen des Völkerrechts sind (vgl. Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs): völkerrechtliche Verträge (bilaterale und multilaterale = Konventionen), das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Das DBA-Türkei als völkerrechtlicher Vertrag ist somit eine für die BRD und die Türkei verbindliche Norm des Völkerrechts.

b) BVerfG [39-42] Art. 25 Satz 1 GG bestimmt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. Er verschafft den allgemeinen Regeln des Völkerrechts unmittelbar, das heißt ohne dass ein sonstiger (einfachrechtlicher) Rechtsakt hinzukommen müsste, Wirksamkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 6, 309, 363). Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Gesetzen vor. Er räumt diesen Regeln damit Vorrang vor den Gesetzen ein. Andererseits ist Art. 25 GG zu entnehmen, dass er den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung einräumt (Zwischenrang) (vgl. BVerfGE 6, 309, 363; 111, 307, 318;…; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 25 Rn. 42; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 25 Rn. 11; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 25 Rn. 55).

c) Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts (…), das heißt diejenigen Normen des Völkerrechts, die unabhängig von vertraglicher Zustimmung für alle oder doch die meisten Staaten gelten (…). Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen nehmen daher grundsätzlich nicht an dem in Art. 25 Satz 2 GG vorgesehenen Vorrang teil (…). Anders als andere Rechtsordnungen (…) sieht das GG einen generellen Vorrang völkerrechtlicher Verträge vor dem einfachen Gesetzesrecht nicht vor. Folglich fallen die Vorschriften des DBA-Türkei nicht unter Art. 25 GG. Mit dieser Vorschrift lässt sich eine Nichtigkeit des § 50 d EStG nicht begründen.

dS) BVerfG [47] Aus dem Grundsatz pacta sunt servanda, der eine allgemeine Regel des Völkerrechts ist (…), ergibt sich nichts anderes. Der Grundsatz beschreibt zwar eine besondere (völkerrechtliche) Pflichtenstellung des Staates gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner, sagt jedoch nichts über die innerstaatliche Geltung und den Rang völkerrechtlicher Verträge (…). Er bewirkt insbesondere nicht, dass alle Bestimmungen völkerrechtlicher Verträge zu allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG werden (vgl. BVerfGE 31, 145, 178;…).

V. Art. 59 II GG i. V. mit dem DBA-Türkei-Gesetz wurde bereits oben II. zur Begründung der Freistellung des A von der Steuerpflicht herangezogen. Nachdem aber die Freistellung durch Anwendung des § 50 d EStG entfallen ist (oben III.), könnte sich nunmehr aus Art. 59 II GG i. V. mit dem DBA-Türkei-Gesetz ergeben, dass § 50 d EStG nichtig oder unanwendbar ist, so dass es bei der Freistellung bleibt.

1. Zwischen dem nach Art. 59 II 1 GG erlassenen DBA-Türkei-Gesetz und § 50 d EStG könnte ein Widerspruch bestehen, der zugunsten des DBA-Türkei aufzulösen ist.

a) Nach dem DBA-Türkei-Gesetz sind die Türkeieinkünfte ohne Nachweis steuerfrei, nach § 50 d EStG bedarf es eines Nachweises; also besteht zwischen diesen Regelungen ein Widerspruch, eine Kollisionslage. Diese bedarf der Auflösung, wobei der Rang der kollidierenden Normen wesentlich ist (dazu bereits oben IV 1).

b) Art. 59 II 1 GG verweist auf ein Bundesgesetz, ohne diesem einen besonderen Rang zuzuweisen. Nach dem Wortlaut des Art. 59 II hat also das DBA-Türkei-Gesetz den Rang eines einfachen Gesetzes. Auch § 50 d EStG ist ein einfaches Bundesgesetz. Widersprüche zwischen ranggleichen Gesetzen sind nach zwei Prinzipien aufzulösen (BVerfGE 98, 106, 119): Vorrang hat das speziellere Gesetz (lex spezialis). Ist kein Gesetz spezieller, gilt das später erlassene Gesetz (lex posterior), das das frühere Gesetz aufhebt. BVerfG [50] Für ranggleiches innerstaatliches Recht gilt im Fall der Kollision der Grundsatz lex posterior derogat legi priori , es sei denn, die ältere Regelung ist spezieller als die jüngere…. ( lex specialis derogat legi generali).

c) Im vorliegenden Fall besteht zwischen den kollidierenden Gesetzen kein Spezialitätsverhältnis; das EStG schränkt lediglich das DBA-Türkei-Gesetz ein. Da in diesem Fall das später erlassene Gesetz Vorrang hat, kommt dieser Vorrang dem § 50 d EStG zu. Nach BVerfG [88] gilt das insbesondere auch deshalb, weil der Gesetzgeber durch die Formulierung „ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens“ seinen Willen zur Abweichung von diesem deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

Danach ist der Widerspruch nicht zugunsten des DBA-Türkei aufzulösen, so dass A die Türkeieinkünfte in Deutschland versteuern müsste (oben III).

2. Ein Vorrang des § 50 d EStG bedeutet allerdings, dass die steuerliche Behandlung von Türkeieinkünften in den Fällen, in denen der geforderte Nachwies nicht erbracht wird, gegen das DAB-Türkei verstößt und mithin völkerrechtswidrig ist. Es handelt sich um den Fall einer innerstaatlichen Abkommensüberschreibung des völkerrechtlichen Vertrages, die als Treaty Override bezeichnet wird und deren Behandlung umstritten ist.

(1) Die Auffassung vom Vorrang des Völkerrechts auch im Fall des Art. 59 II GG geht davon aus (vgl. BVerfG [51]), dass Zustimmungsgesetz und völkerrechtlicher Vertrag derart untrennbar miteinander verbunden seien, dass das Zustimmungsgesetz - abgesehen von seiner Aufhebung im Ganzen - durch Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG gegen inhaltliche Abänderungen geschützt sei (vgl. Wohlschlegel FR 1993, S. 48, 49) oder sich der Gesetzgeber von einem völkerrechtlichen Vertrag nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht lösen könne (vgl. Vöneky, in: Isensee/Kirchhof, HStR XI, 3. Aufl. 2013, § 236 Rn. 33). Dieser Auffassung hatte sich auch der BFH in dem Vorlagebeschluss, der zu der Entscheidung des BVerfG geführt hat, angeschlossen (vgl. BVerfG [12-15]; in diese Richtung zielt auch die abweichende Meinung König NJW 2016, 1305).

Zur Stützung dieser Auffassung wird auch der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG herangezogen (vgl. BVerfG [64] mit dem Verweis u. a. auf Vogel JZ 1997, 161; Becker NVwZ 2005, 289; Richter, in: Giegerich, Hrsg., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, 2010, 159, 177 f.).

Eine weitere Unterstützung erfährt diese Auffassung durch die These, dass es gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, wenn der deutsche Staat völkerrechtliche Verpflichtungen verletzen könnte (Frotscher IStR 2009, 593; Kempf/Bandl DB 2007, 1377; Vogel JZ 1997, 161).

Danach hat der völkerrechtliche Vertrag Vorrang. Sieht der deutsche Staat den Bedarf, sich davon zu lösen, muss er wegen der Änderung mit dem Vertragspartner verhandeln oder den Vertrag kündigen. Ein gegen den Vertrag verstoßendes Gesetz darf er nicht erlassen.

(2) Das BVerfG folgt dieser Auffassung nicht, sondern hält auch im Falle des Art. 59 II GG an dem Grundsatz fest, dass das spätere Gesetz Vorrang vor dem früheren Gesetz hat, auch wenn dabei gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen wird.

a) Primär stützt es dieses Ergebnis auf das Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG) und auf den daraus folgenden Grundsatz der parlamentarischen Diskontinuität. [53, 54] Demokratie ist Herrschaft auf Zeit (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20, Demokratie Rn. 79). Dies impliziert, dass spätere Gesetzgeber - entsprechend dem durch die Wahl zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes - innerhalb der vom Grundgesetz vorgegebenen Grenzen Rechtsetzungsakte früherer Gesetzgeber revidieren können müssen (…). Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein Parlament die Gesetzgeber späterer Legislaturperioden binden und in ihren Möglichkeiten beschränken könnte, gesetzgeberische Entscheidungen der Vergangenheit aufzuheben oder zu korrigieren, weil dadurch politische Auffassungen auf Dauer festgeschrieben würden (vgl. Hofmann, DVBl. 2013, 215, 219; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 184;…). Das Zustimmungsgesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG soll einem innerstaatlich anwendbaren völkerrechtlichen Vertrag ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau vermitteln (…), nicht dieses absenken. Es soll die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers schützen (…). Dem widerspräche es, aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG eine „Änderungssperre“ für die Zukunft ableiten zu wollen (vgl. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, 261).

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber im Unterschied zu Exekutive und Judikative gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nur an die verfassungsmäßige Ordnung, nicht jedoch an einfachrechtliche Regelungen gebunden ist. Diese soll er - innerhalb der verfassungsrechtlichen Bindungen - durchaus ändern und neu gestalten können. Für ihn sollen daher gerade keine einfachgesetzlichen Bindungen bestehen (…). Würde der Gesetzgeber seine Normsetzungsbefugnis in dem Umfang verlieren, in dem er in der Form eines Bundesgesetzes völkerrechtliche Vereinbarungen gebilligt hat, führte dies im Ergebnis zu einer Art. 20 Abs. 3 GG widersprechenden Bindung (vgl. Hofmann, DVBl 2013, S. 215, 219).


b) Die Anwendung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG führt zu keinem anderen Ergebnis.

aa) BVerfG [65] Der ungeschriebene Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit hat Verfassungsrang. Er ergibt sich aus einer Zusammenschau der verfassungsrechtlichen Vorschriften, die das Verhältnis Deutschlands zur internationalen Staatengemeinschaft zum Gegenstand haben. Dabei verweist das BVerfG auf Art. 243, 24, 59 GG. [71] Er dient als Auslegungshilfe für die Grundrechte und die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verfassung sowie das einfache Recht (vgl. zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfe BVerfGE 74, 358, 370; 83, 119, 128; 111, 307, 315 f., 317, 324, 325, 329, Görgülü… ). Er gebietet, die nationalen Gesetze nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der BRD nicht entsteht.

bb) [72-74] Jedoch gilt dieser Grundsatz nicht absolut und ungeachtet der methodischen Grenzen der Gesetzesauslegung. Er verlangt keine schematische Parallelisierung der innerstaatlichen Rechtsordnung mit dem Völkerrecht, sondern eine möglichst vollständige Übernahme der materiellen Wertungen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des GG vereinbar ist (…). Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit entfaltet Wirkung nur im Rahmen des demokratischen und rechtsstaatlichen Systems des Grundgesetzes… Eine Auslegung entgegen eindeutig entgegenstehendem Gesetzes- oder Verfassungsrecht ist methodisch nicht vertretbar (…). Das Grundgesetz hat sich in Art. 59 Abs. 2 GG dafür entschieden, völkerrechtliche Verträge innerstaatlich (nur) mit dem Rang eines (einfachen) Bundesgesetzes auszustatten (…). Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit - der seinerseits keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG ist - vermag an dieser Einordnung und an der daran anknüpfenden Geltung des lex-posterior-Grundsatzes nichts zu ändern. Eine Auslegung von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach völkerrechtlichen Verträgen zumindest im Regelfall ein Rang über den (einfachen) Gesetzen zukäme, ist methodisch nicht vertretbar. (Zu den damit aufgezeigten „Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit“ Payandeh NJW 2016, 1279 in einer Besprechung des BVerfG-Beschlusses.)

c) Ähnliche Überlegungen führen auch dazu, dass das Rechtsstaatsprinzip keinen Vorrang des Gesetzes i. S. des Art. 59 II GG fordert.

aa) BVerfG [78-80] Das Rechtsstaatsprinzip ergibt sich aus einer Zusammenschau der Bestimmungen des Art. 20 Abs. 3 GG über die Bindung der einzelnen Gewalten und der Art. 1 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des GG (vgl. BVerfGE 2, 380, 403). Seine vornehmliche Verankerung findet das Rechtsstaatsprinzip allerdings in den in Art. 20 Abs. 3 GG ausgesprochenen Bindungen der Staatsgewalt (…).

bb) Es enthält aber keine bis in alle Einzelheiten gehenden, eindeutig bestimmten Ge- oder Verbote, sondern ist entsprechend den jeweiligen sachlichen Gegebenheiten zu konkretisieren (…). Angesichts dieser Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips ist bei der Ableitung konkreter Bindungen mit Behutsamkeit vorzugehen (vgl. BVerfGE 90, 60, 86…). Eine (vermeintlich) rechtsstaatliche Auslegung des GG findet jedenfalls an anderen Vorgaben des GG ihre Grenze. Das Rechtsstaatsprinzip ist daher auch kein Einfallstor für eine den differenzierten Regelungen des GG zur Bindungswirkung völkerrechtlicher Regelungen widersprechende schematische „Vollstreckung“ von Völkerrecht (vgl. bezogen auf die Durchführung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte BVerfGE 111, 307, Ls. 1; 323 f.). Wollte man die Verfassungswidrigkeit einer Abkommensüberschreibung (Treaty Override) aus ihrer Rechtsstaatswidrigkeit abzuleiten versuchen, liefe dies darauf hinaus, dem Völkervertragsrecht entgegen dem insbesondere Art. 25 Satz 2, Art. 59 Abs. 2 GG zu entnehmenden Konzept des GG zumindest einen begrenzten Vorrang vor dem (einfachen) Gesetz einzuräumen. Ein verfassungsrechtliches Verbot der Abkommensüberschreibung (Treaty Override) würde bedeuten, dass nicht nur das Abkommen selbst, das mitunter erst nach Ablauf mehrerer Jahre (vgl. Art. 30 Abs. 2 Satz 1 DBA-Türkei 1985) und nach der Kompetenzverteilung des GG gemäß Art. 59 Abs. 1 GG nicht vom Gesetzgeber gekündigt werden kann, sondern auch seine Auslegung durch die Fachgerichte korrigierenden Eingriffen des Gesetzgebers entzogen wäre (…). Das widerspräche nicht nur der in Art. 25 und Art. 59 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Entscheidung gegen eine Unterwerfung der Verfassung unter das Völkerrecht und für den einfachgesetzlichen Rang des Völkervertragsrechts, sondern auch dem Demokratieprinzip.

3. § 50 d EStG ist somit weder wegen eines Verstoßes gegen Art. 59 II GG i. V. mit dem DBA-Türkei-Gesetz nichtig noch ist es deshalb unanwendbar. Vielmehr bleibt § 50 d EStG trotz des Widerspruchs zum DBA-Türkei rechtswirksam und anwendbar.

VI. Der Einwand des A, für die in der Nichtfreistellung von der Steuer liegende Benachteiligung fehle es an einem hinreichenden Grund, gibt Anlass, noch die Vereinbarkeit des § 50 d EStG mit Art. 3 I GG zu prüfen.

BVerfG [93] Der allgemeine Gleichheitssatz…verbietet ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen (…). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (…). Differenzierungen sind damit nicht ausgeschlossen, bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind… Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (…). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund, die von auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (…).

1. Erforderlich ist eine Ungleichbehandlung.

a) Durch § 50 d EStG werden zunächst Personen, die Einkünfte im Ausland aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, ungleich gegenüber denen behandelt, die Einkünfte anderer Art haben, etwa als Unternehmer oder aus Vermietung. Nur die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit müssen einen Nachweis erbringen und werden, wenn sie ihn nicht erbringen, der Steuerpflicht unterworfen.

b) Weiterhin werden innerhalb der Gruppe der Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit diejenigen der Steuerpflicht unterworfen, die keinen Nachweis erbringen, während diejenigen, die den Nachweis erbringen, von der Steuerpflicht freigestellt werden.

c) Beide Fälle können allerdings dahin zusammengefasst werden, dass die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die keinen Nachweis erbringen, stärker belastet werden als alle anderen.

2. Die Ungleichbehandlung könnte gerechtfertigt sein.

a) Zum hierfür geltenden Maßstab führt BVerfG [100] aus: Die Vereinbarkeit der mit § 50 d EStG verbundenen Ungleichbehandlung mit Art. 3 Abs. 1 GG setzt einen hinreichend tragfähigen Differenzierungsgrund voraus. Dafür genügt hier ein vernünftiger, einleuchtender Grund im Sinne des Willkürverbots. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall eine intensivere gerichtliche Kontrolle stattfinden müsste, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist der mit der Nachweisobliegenheit verbundene Eingriff in andere Grundrechte so gering, dass die in der Rechtsprechung anerkannten Fälle einer intensivierten verfassungsgerichtlichen Kontrolle von mit Freiheitseingriffen einhergehenden Ungleichbehandlungen (…) hier nicht Platz greifen.

b) Ein hinreichender Grund könnte zunächst dafür bestehen, dass nur nichtselbständige Einkünfte erfasst werden. BVerfG [102,103] Dafür, dass § 50 d EStG nur für die Freistellung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, nicht jedoch für die Freistellung von sonstigen, nach den Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Steuer freigestellten Einkünften eine Nachweisobliegenheit vorsieht, gibt es…einen hinreichenden sachlichen Grund. Der Gesetzgeber wollte damit…der im Vergleich zu sonstigen Einkunftsarten erhöhten Gefahr des Missbrauchs der in einem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Freistellung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von der deutschen Steuer entgegenwirken. Dass die missbräuchliche Ausnutzung von Freistellungsregelungen in Doppelbesteuerungsabkommen bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aufgrund ihrer im Vergleich zu unternehmerischer Tätigkeit verringerten Wahrnehmbarkeit besonders einfach ist und daher insoweit besonderer Bedarf für eine Gegensteuerung besteht, ist nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als Auslöser für den Erlass von § 50 d die Tätigkeit von Piloten, Seeleuten und Berufskraftfahrern war, bei denen in der Regel nicht erkennbar ist, in welchem Land sie ihre Einkünfte erzielen, und die zudem oftmals zwischen mehreren Ländern unterwegs und behördlich daher nur schwer zu erfassen sind.

Diese Begründung rechtfertigt, dass in § 50 d EStG (nur) von den Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Nachweis einer Versteuerung im Ausland gefordert wird und dass bei fehlendem Nachweis die Freistellung entfällt.

Somit ist die Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Art. 3 I GG ist nicht verletzt.

Gesamtergebnis: § 50 d EStG ist nicht verfassungswidrig, sondern rechtswirksam und anwendbar. Dementsprechend lautet der Tenor des BVerfG-Beschlusses: § 50 d des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2003 (Steueränderungsgesetz 2003, BGBl I S. 2645) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Da A den nach § 50 d EStG erforderlichen Nachweis nicht erbracht hat, hat das Finanzamt den in der Türkei erzielten Lohn des A zu Recht als steuerpflichtig behandelt.


Zusammenfassung