Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Erledigung der Verpflichtungsklage. ► Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I 4 VwGO. ► Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit, insbesondere wegen Schadensersatzforderung und wegen Rehabilitationsinteresse. ► Fahrerlaubnis, Entziehung und Ablehnung der Wiedererteilung wegen fehlender Eignung (Alkohol); §§ 2 StVG, 11, 13 FeV. ► Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens
BVerwG Urteil vom 21. 3. 2013 (AZ. 3 C 6.12) NVwZ 2013, 1550
Fall (Verspätetes Fahreignungsgutachten)
F war Inhaber einer Fahrerlaubnis. Diese war ihm wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1, 3 Promille durch Urteil des Amtsgerichts entzogen worden. Nach Wiedererteilung erhielt die zuständige Fahrerlaubnisbehörde B glaubhafte Hinweise der Polizei, wonach der Verdacht bestand, dass F in größerem Umfang Alkohol konsumiere und danach auch wieder Auto fahre. Die B-Behörde richtete an F die Aufforderung, ein Gutachten beizubringen. Dieser kam F jedoch nicht nach, so dass ihm B die Fahrerlaubnis wieder entzog. Einige Zeit später stellte F einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die B-Behörde forderte ihn zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens auf und begründete das mit der früheren Trunkenheitsfahrt, mit dem sich aus den Hinweisen der Polizei ergebenden Verdacht auf Alkoholmissbrauch und damit, dass er das in dem früheren Entziehungsverfahren geforderte Gutachten nicht beigebracht habe; aus diesen Umständen ergäben sich Zweifel an der Fahreignung des F, die durch das Gutachten abgeklärt werden müssten. B wies auch F darauf hin, dass bei Nichtbeibringung des Gutachtens von einer fehlenden Eignung ausgegangen werde. F hielt sich aber nicht für ungeeignet und ließ die Frist zur Beibringung des Gutachtens verstreichen. Daraufhin lehnte B den Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung des Gutachtens ab.
Dagegen erhob F Verpflichtungsklage, die vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurde. Die Kammer begründete die Klageabweisung damit, die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens sei rechtmäßig gewesen; F habe das Gutachten nicht beigebracht, so dass die Ablehnung nach § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gerechtfertigt sei. F legte beim Oberverwaltungsgericht - die vom VG zugelassene - Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens ließ F sich untersuchen und erhielt ein medizinisch-psychologisches Gutachten, das seine Fahreignung bejahte. Nachdem F das Gutachten der B vorgelegt hatte, wurde ihm die Fahrerlaubnis erteilt. F bittet um eine Stellungnahme dazu, welches Klagebegehren er im Berufungsverfahren noch verfolgen könne. Er hält die ursprüngliche Ablehnung nach wie vor für rechtswidrig, zumal das Gutachten seine Fahreignung bestätigt habe, und möchte unbedingt eine gerichtliche Entscheidung über diese Rechtswidrigkeit erhalten. Die B-Behörde meint, mit der Erteilung der Fahrerlaubnis sei das Rechtsschutzbedürfnis des F entfallen.
A. Die ursprünglich erhobene und noch anhängige Verpflichtungsklage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis kann F nicht weiter verfolgen.
I. Sie hat sich durch die Erteilung der Fahrerlaubnis erledigt. Nach BVerwG DVBl 2009, 1576 erledigt sich die Hauptsache, „wenn dem Klagebegehren rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen ist, wenn also das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erreichen ist, weil es entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht worden ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann.“ Wegen der Erteilung der Fahrerlaubnis durch B ist das Rechtsschutzziel des F bereits außerhalb des Prozesses erreicht worden, so dass es durch den Prozess nicht mehr erreicht werden kann. Wie obige Begriffsbestimmung des BVerwG zeigt, gilt im Verwaltungsprozess ein weiter Erledigungsbegriff, bei dem es nicht darauf ankommt, ob die Klage ursprünglich begründet war (anders als nach ZPO).
II. Würde F gleichwohl den Verpflichtungsantrag weiter verfolgen, müsste dieser abgewiesen werden. Denn F kann keinen Anspruch auf eine (weitere) Fahrerlaubnis haben. F muss deshalb auf die Erledigung reagieren. In Betracht kommt, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Diese Möglichkeit hat der Kläger aufgrund der im Verwaltungsprozess - ebenso wie im Zivilprozess - geltenden Dispositionsmaxime. Danach kann der Kläger über seine Klage verfügen: Er brauchte sie nicht zu erheben, kann sie zurücknehmen (§ 92 VwGO) und auch für erledigt erklären. Auf eine solche Erklärung müsste auch die beklagte Behörde reagieren. Da im vorliegenden Fall die Erledigung offensichtlich ist, kann davon ausgegangen werden, dass die B-Behörde zustimmen würde. Dann liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen vor, die - ebenso wie im Zivilprozess - den mit dem erledigten Antrag geführten Rechtsstreit beenden.
III. Nach § 161 II 1 VwGO entscheidet das Gericht nach Erledigung des Rechtsstreits durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens. Zwar ist bei diesem Beschluss „ der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.“ Gleichwohl kann F nicht damit rechnen, dass in diesem Beschluss die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Ablehnung der Fahrerlaubnis verbindlich festgestellt wird. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass das OVG daran anknüpfen würde, dass das VG die Klage für unbegründet gehalten hat und F als Kläger sich dem erstinstanzlichen Urteil insofern unterworfen hat, als er das von der Behörde geforderte Gutachten eingeholt hat. Diese Gesichtspunkte ermöglichen eine Kostenentscheidung, durch die dem F zumindest ein größerer Teil der Kosten auferlegt wird. Einer genaueren Prüfung der Ablehnungsentscheidung bedarf es dann nicht mehr. Somit kann F eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung weder über den Verpflichtungsantrag noch über eine Erledigungserklärung erreichen.
B. In Betracht kommt, dass F zu einem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung übergeht.
I. Diese prozessuale Möglichkeit könnte sich aus § 113 I 4 VwGO analog ergeben.
1. Nach dem unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift kann der Kläger bei einer Anfechtungsklage, bei der sich der angegriffene Verwaltungsakt während des Prozesses erledigt hat, zu dem Antrag übergehen, das VG möge die Rechtswidrigkeit des VA feststellen (nachträgliche Fortsetzungsfeststellungsklage). Die Vorschrift wird analog auf den - weit häufigeren - Fall angewendet, bei dem sich der VA bereits vor Klageerhebung erledigt hat (ursprüngliche Fortsetzungsfeststellungsklage). Beide Fälle scheiden im vorliegenden Fall aus, weil F keine Anfechtungs-, sondern eine Verpflichtungsklage erhoben hat.
2. Bei der Verpflichtungsklage ist § 113 I 4 analog anwendbar (BVerwGE 106, 295/6; im vorliegenden Fall bei [11]). Es kann also auch hier zu einer nachträglichen Fortsetzungsklage oder zu einer ursprünglichen FFKlage kommen; im letzteren Fall handelt es sich um eine doppelte Analogie. Der Kläger kann analog § 113 I 4 die Feststellung verlangen, zu einem bestimmten Zeitpunkt habe ein materieller Anspruch bestanden (so BVerwG NVwZ 2010, 1565), oder die Feststellung, die Ablehnung des beantragten VA sei rechtswidrig gewesen (OVG Münster NWVBl 2011, 14). Danach ist ein Antrag des F statthaft, der darauf gerichtet ist, dass F bereits vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis während des Berufungsverfahrens einen Anspruch auf Erteilung hatte, so dass die Ablehnungsentscheidung rechtswidrig war.
II. F müsste ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung haben. BVerwG [11): Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr; vgl. u.a. BVerwGE 53, 134, 137). Für die Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses als Sachentscheidungsvoraussetzung kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung, sondern im Regelfall auf den Schluss der letzten mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf den Entscheidungszeitpunkt an (…).
1. Von den anerkannten vier Fallgruppen des Feststellungsinteresses scheidet ein Fall von vornherein aus: der Grundrechtseingriff, dessen Belastung sich auf einen Zeitraum beschränkt, in dem der Betroffene primären Rechtsschutz praktisch nicht erlangen kann (Beispiel: kurzfristiges Versammlungsverbot). Die anderen drei Fälle werden vom BVerwG sorgfältig geprüft.
2. Ein Feststellungsinteresse kann bestehen, wenn die Klage bereits erhoben war (Fall der nachträglichen Fortsetzungsfeststellungsklage) und der Kläger eine Schadensersatz oder Entschädigungsforderung beabsichtigt. Im vorliegenden Fall war die Klage bereits erhoben. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass F einen Schadensersatzanspruch geltend machen will. Jedoch darf die Schademsersatzforderung nicht aussichtslos sein. Zum vorliegenden Fall BVerwG [12]: Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann der Kläger nicht daraus herleiten, dass er wie er beim Übergang auf den Feststellungsantrag vorgetragen hat einen Schadensersatzanspruch u. a. wegen der für die Begutachtung entstandenen Kosten geltend machen will. Ein möglicher Amtshaftungsanspruch würde schon daran scheitern, dass das Verwaltungsgericht in Kammerbesetzung und damit ein Kollegialgericht die Aufforderung des Klägers zur Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens für rechtmäßig gehalten hat. Damit kann der Kläger das Vorliegen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung nicht dartun, der beabsichtigte Zivilprozess wäre offensichtlich aussichtslos. Sowohl vom BVerwG (st. Rspr…) als auch von den für die Durchführung von Amtshaftungsprozessen zuständigen Zivilgerichten (vgl. etwa BGH NVwZRR 2003, 166) wird als Regel angenommen, dass einen Beamten kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. KollegialgerichtsRichtlinie).… Sonstige, verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche des Klägers sind nicht ersichtlich.
3. Ein Feststellungsinteresse kann sich aus einer Wiederholungsgefahr ergeben. BVerwG [13]: Sie setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie in dem für die Beurteilung der erledigten Maßnahme maßgeblichen Zeitpunkt (st. Rspr…). Eine solche unverändert fortbestehende Sachlage gibt es hier nicht. Nachdem der Kläger die begehrte Fahrerlaubnis erhalten hat, ist die erneute Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht zu erwarten, es sei denn, es sollten sich neue Anhaltspunkte für einen Eignungsmangel ergeben. Der Fall, dass die Ablehnung wegen Nichtbeibringung eines Gutachtens aus den hier aufgeführten Gründen erfolgt, wird so nicht wieder eintreten. Aus einer Wiederholungsgefahr ergibt sich somit kein Feststellungsinteresse.
4. Ein Feststellungsinteresse besteht bei einem Grundrechtseingriff, der diskriminierend wirkt und ein Rehabilitationsinteresse auslöst. Das hatte das BerGer. im vorliegenden Fall bejaht, vgl. BVerwG [6]: Der Kläger habe ein Rehabilitierungsinteresse. In der Rspr. des BVerwG sei anerkannt, dass die Aufforderung zu einer psychiatrischen Untersuchung ein solches Interesse begründen könne. Außerdem habe die Behauptung der Fahrerlaubnisbehörde, beim Kläger bestünden Fahreignungszweifel im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch, im Hinblick auf sein Persönlichkeitsrecht eine diskriminierende Wirkung.
Das BVerwG folgt dem jedoch nicht; [15 - 20]: Das Verlangen nach Rehabilitierung begründet nach st. Rspr. ein Feststellunginteresse nur dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen der Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns wirksam begegnet werden könnte (…).
a) Die Ablehnung wurde damit begründet, dass F das geforderte Gutachten nicht fristgemäß beigebracht hat und dass nach § 11 VIII FeV deshalb auf seine Nichteignung geschlossen werden musste. Eine diskriminierende Wirkung ergibt sich regelmäßig nicht allein aus dem Umstand, dass ein Antrag auf Fahrerlaubniserteilung auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV abgelehnt wurde. Voraussetzung für eine solche Ablehnung ist lediglich, dass ein zu Recht angefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht wurde. Die Prüfung des Vorliegens einer rehabilitierungsbedürftigen Diskriminierung verlagert sich damit im Wesentlichen auf die Gründe, aufgrund derer die Behörde vom Betroffenen die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens fordert… Im Fall des Klägers waren nach der Einschätzung der Fahrerlaubnisbehörde Eignungszweifel wegen eines bei ihm möglicherweise vorliegenden Alkoholmissbrauchs abzuklären. Dieser Begriff ist, wie Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen) zu entnehmen ist, im Zusammenhang mit § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV dahingehend zu verstehen, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können… Die Behauptung, beim Kläger liege Alkoholmissbrauch vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde weder bei der Anforderung des Gutachtens noch in ihrem die Erteilung der Fahrerlaubnis ablehnenden Bescheid aufgestellt. Sie hat im Ablehnungsbescheid lediglich die Umstände aufgezählt, aus denen sich aus ihrer Sicht Zweifel an der Fahreignung des Klägers im Hinblick auf den Eignungsmangel des Alkoholmissbrauchs ergeben… Die bloße Benennung der zu dieser Schlussfolgerung führenden Tatsachen lässt schon deswegen keinen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers erkennen, weil sie unstreitig sind. Eine rehabilitationsbedürftige Diskriminierung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde aus einer Zusammenschau dieser Tatsachen Eignungszweifel im Hinblick auf einen möglicherweise vorliegenden Alkoholmissbrauch herleitet; denn dieser Schluss liegt keineswegs so fern, dass er den Verdacht auf eine unsachgemäße oder gar willkürliche, die persönlichen Belange des Klägers missachtende Sachbehandlung begründen könnte. Auch im Ton ist der Bescheid nicht etwa beleidigend, sondern sachlich gehalten.
b) Ebensowenig ist ersichtlich, dass durch die Anforderung des Fahreignungsgutachtens und den auf dessen Nichtvorlage gestützten Ablehnungsbescheid die Gefahr einer Herabsetzung des Klägers in der Öffentlichkeit besteht. Adressat der Beibringungsanordnung und des Ablehnungsbescheides mit den dort geäußerten Eignungszweifeln war allein der Kläger. Es fehlt an einer auf die Fahrerlaubnisbehörde zurückgehenden Bekanntgabe oder Verbreitung des Verdachts des Alkoholmissbrauchs, die zu einer Ausgrenzung des Klägers in der Öffentlichkeit führen könnte. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, es sei nach außen aber erkennbar gewesen, dass er über eine längere Zeit keine Fahrerlaubnis mehr gehabt habe. Dieser Umstand ist in erster Linie auf die dem Ablehnungsbescheid vorangegangene Fahrerlaubnisentziehung zurückzuführen… Im übrigen ist anzunehmen, dass eventuelle nachteilige Wirkungen der Ablehnung durch die mittlerweile erfolgte Erteilung der Fahrerlaubnis ihr Gewicht verloren haben.
c) Zu Unrecht beruft sich das BerGer. für ein Rehabilitierungsinteresse des Klägers auf das Urteil BVerwG 2 A 4.78 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14. In jener Entscheidung ist das Rehabilitierungsinteresse eines Beamten anerkannt worden, der sich aufgrund einer dienstlichen Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung seiner Dienstfähigkeit unterziehen musste, wobei dieser Umstand anderen Kollegen bekannt geworden war. Es liegt auf der Hand, dass der damit geäußerte Verdacht einer tiefgreifenden psychischen Erkrankung mit weitreichenden Folgen für das Berufsleben insbesondere dann die Gefahr einer wiedergutmachungsbedürftigen Herabwürdigung begründen kann, wenn das Wissen darüber nicht auf die unmittelbar Verfahrensbeteiligten beschränkt bleibt. So verhält es sich hier gerade nicht. Abgesehen davon, dass nach außen nicht mehr erkennbar geworden ist, als dass die Neuerteilung der Fahrerlaubnis einige Jahre in Anspruch nahm, ist das sachlich begründete Verlangen, eine medizinisch-psychologische Klärung der Fahreignung vornehmen zulassen, in seiner Wirkung für die Persönlichkeit des Betroffenen nicht vergleichbar.
5. Somit hat F kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, dass die zwischenzeitliche Ablehnung der Fahrerlaubnis rechtswidrig war. (Schübel-Pfister JuS 2013, 994/5 schließt aus dieser und einer weiteren dort behandelten Entscheidung, dass das BVerwG die Anforderungen an das Feststellungsinteresse i. S. des § 113 I 4 VwGO verschärft hat und inzwischen eher restriktiv entscheidet.)
Ein Antrag des F nach § 113 I 4 VwGO analog hat danach wegen Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung (BVerwG [21]) keine Aussicht auf Erfolg. F ist deshalb zu raten, lediglich den Verpflichtungsantrag für erledigt zu erklären.
III. Da der Antrag analog § 113 I 4 unzulässig ist, könnte die weitere Prüfung in einem Hilfsgutachten erfolgen. Dabei ist die Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags zu unterstellen und dessen Begründetheit zu prüfen. Begründet ist der Antrag, wenn die Ablehnungsentscheidung rechtswidrig war, weil F einen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis hatte.
1. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, auch einer Neuerteilung (§ 20 FeV), ergeben sich aus § 2 StVG, ergänzend §§ 7 ff. FeV. Danach muss der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein (§ 2 II Nr. 3 StVG). Geeignet ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. (§ 2 IV 1 StVG). Nicht geeignet ist ein Bewerber nach § 11 I 2 FeV, wenn ein dahingehender Mangel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegt. Als einen solchen Mangel bezeichnet Nr. 8.1 einen „Alkoholmissbrauch“ mit dem Zusatz: „Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden.“
2. Nach § 2 VII StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde zu ermitteln, ob Eignung vorliegt. Im Fall des F bestand Anlass zu solchen Ermittlungen wegen der früheren Verurteilung des F, der Hinweise der Polizei und der Nichtbeibringung eines Gutachtens in dem früheren Entziehungsverfahren.
a) Nach § 2 VIII StVG kann die Behörde grundsätzlich die Vorlage eines Gutachtens verlangen. Wird das Gutachten nicht fristgemäß vorgelegt, darf nach § 11 VIII FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Diese Voraussetzungen treffen auf den Fall des F zu, was für die Rechtmäßigkeit der behördlichen Ablehnungsentscheidung spricht.
b) Andererseits ist die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens kein VA, sondern nur eine vorbereitende Verfahrenshandlung, die nicht selbständig anfechtbar ist. Sie wird deshalb auch nicht bestandskräftig, sondern ist im Ablehnungsverfahren - ebenso wie in einem Verfahren der Entziehung der Fahrerlaubnis - inzidenter auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BVerwG NJW 2002, 78; 2005, 3081; OVG Bremen NJW 2012, 473). Ob die Behörde bei möglichen Alkoholproblemen ein Gutachten verlangen darf, ist in § 13 FeV näher geregelt. § 13 Nr. 1 hat den Verdacht der Alkoholanhängigkeit zur Voraussetzung, von dem im Falle des F allerdings nicht ausgegangen werden kann. Auch Nr. 2 a) bis c) treffen auf F nicht zu. Es bleiben die Buchstaben d) und e).
aa) Nach ihrem Wortlaut greifen diese Vorschriften nicht ein:
Buchstabe d) nicht, weil die Entziehungen der Fahrerlaubnis des F nicht nach den vorangegangenen Vorschriften erfolgt waren; vielmehr beruhte die erste Entziehung auf § 69 StGB und die zweite auf §§ 3 StVG, 46 III, letztlich entscheidend auf § 11 VIII FeV.
Buchstabe e) passt nicht, weil bei F bisher weder Alkoholmissbrauch noch -abhängigkeit festgestellt wurde.
Wird dieser Auslegung der für den vorliegenden Fall maßgebenden Vorschriften gefolgt, war die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens rechtswidrig, § 11 VIII FeV rechtfertigte die Ablehnung nicht; die auf diese Vorschrift gestützte Ablehnung der Fahrerlaubnis war rechtswidrig. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag wäre begründet.
bb) Das BVerwG brauchte, weil es die Klage für nicht zulässig gehalten hat, diese Frage zwar nicht zu entscheiden. Es hat aber bei [22] ausgeführt: Der Senat neigt zu der Auffassung, dass der durch § 11 Abs. 8 FeV erlaubte Schluss auf die Nichteignung, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, zugleich bedeutet, dass auch im Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologischen Gutachten angefordert werden durfte, sei es nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d, sei es nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV. Danach wäre der Fortsetzungsfeststellungsantrag unbegründet.
Zusammenfassung