Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Feststellungsklage, § 43 VwGO. Rechtswirksamkeit des VA, § 43 VwVfG. Regelungsgegenstand des VA, § 35 VwVfG. Allgemeinverfügung, § 35, 2 VwVfG. Bekanntgabe des VA, § 41 VwVfG. Nichtigkeit, § 44 VwVfG

BVerwG Urteil vom 22. Januar 2021 (6 C 26.19)

Fall
(Löschwasser)

Frau K hat im Jahr 2015 von V ein Anwesen mit Reitanlagen und einem Wohnhaus erworben, das im Außenbereich der Gemeinde G, etwa 5 km vom Ortsrand entfernt liegt. Es hat keinen Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung, sondern wird über einen Brunnen versorgt. Am Rande des Anwesens befindet sich ein Löschwasserteich, der mit Regenwasser vom Dach des Wohnhauses beschickt wird. Im Jahre 2019 erhielt K im Zusammenhang mit einem zivilrechtlichen Streit Einsicht in eine ihr bisher nicht bekannte „Allgemeinverfügung“, die die Gemeinde G am 25.11.2009 im Amtsblatt verkündet und auf § 3 Satz 2 des Landes-Feuerschutzgesetzes (FSG) gestützt hatte. Nach § 3 Satz 1 FSG obliegt die Aufgabe der Löschwasserversorgung grundsätzlich der Gemeinde. Nach Satz 2 kann die Gemeinde die Aufgabe bei abgelegenen Gebäuden auf Eigentümer und Besitzer übertragen und die hierfür erforderlichen Regelungen treffen. In der Verfügung, die zusammen mit der Feuerwehr erarbeitet worden war, wurde den Eigentümern und Besitzern von 72 einzeln aufgeführten Gebäuden im Gemeindegebiet die Aufgabe der Löschwasserbereitstellung übertragen; auch das Anwesen des V wurde aufgeführt. Die Wasserbereitstellung könne bei Vorhandensein einer Wasserleitung durch Installation eines Hydranten erfolgen, andernfalls könne der Zugang zu einem Fließgewässer geschaffen oder das Wasser in einem Behälter oder Löschteich vorgehalten werden. Es wurde näher bestimmt, wieviel Wasser jeweils zur Verfügung stehen müsse. Der Nachweis zu Art und Menge des bereitstehenden Löschwassers sei innerhalb eines Jahres zu führen. In der Begründung wurde auf einen Beschluss im Rat der G verwiesen, wonach die Löschwasserversorgung zum Schutz von Leben und Eigentum unverzichtbar sei, von der Gemeinde aber aus Kostengründen nicht für das ganze Gemeindegebiet angeboten werden könne. Es sei sachgerecht, den Aufwand von denjenigen tragen zu lassen, in deren Interesse die Einrichtungen geschaffen werden.

Als K auf Anfrage bei G erfuhr, dass für die Löschwasserbereitstellung auf ihrem Anwesen derzeit weder der Löschwasserteich noch der Brunnen ausreicht, will sie gegen die Verfügung im Wege einer verwaltungsgerichtlichen Klage vorgehen. Nach anwaltlicher Beratung verzichtet sie auf eine Anfechtung, weil die Verfügung eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und wahrscheinlich unanfechtbar ist. Jedoch soll die Feststellung beantragt werden, dass die Verfügung ihr gegenüber keine Rechtswirkung erlangt hat. Mit einem Hilfsantrag soll die Nichtigkeit der Verfügung festgestellt werden. Zur Begründung macht K geltend, eine Bekanntgabe der Verfügung sei weder gegenüber V noch ihr gegenüber erfolgt; die Verkündung im Amtsblatt reiche nicht aus. Auch sei der damalige Eigentümer V vor Erlass der Verfügung nicht beteiligt worden, so dass die Verfügung den besonderen Verhältnissen ihres Anwesens nicht Rechnung trage. Eine Nachweispflicht sei in der Rechtsgrundlage nicht vorgesehen. Was die Löschwasserversorgung betrifft, zeige die Verfügung zwar verschiedene Möglichkeiten auf, lasse aber nicht erkennen, was in ihrem Fall von ihr verlangt werde. Da K bisher nur eine Kopie des Amtsblatts besitzt, verlangte sie Einsicht in das Original der Verfügung. Es stellte sich heraus, dass dieses nicht auffindbar ist. Der damalige Bürgermeister kann sich aber daran erinnern, dass er den in schriftlicher Form vorgelegten Text der Verfügung unterschrieben hat und dass die Fassung im Amtsblatt damit übereinstimmt. Nach Ansicht der K hat sich die Verfügung durch den Verlust des Textes erledigt. Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Hinweis zur Bearbeitung: Das VwVfG ist in der Fassung des Bundes-VwVfG anzuwenden.

Lösung

Vorbemerkung: Der Originalfall ist kompliziert und wurde hier vereinfacht. Auch wurde er in zeitlicher Hinsicht übersichtlicher gestaltet. Diesen Änderungen werden auch die Originalzitate angepasst.

A. Antrag auf Feststellung, dass die Verfügung vom 25.11.2009 K gegenüber keine Rechtswirkung erlangt hat

I. Eine verwaltungsgerichtliche Klage mit diesem Antrag müsste zulässig sein.

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I VwGO eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, weil Streitgegenstand die Verfügung vom 25.11.2009 ist, die auf der Grundlage des zum öffentlichen Recht gehörenden § 3 FSG erlassen wurde und somit eine öffentlich-rechtliche Maßnahme ist. Die für die Streitentscheidung wesentliche Frage, ob eine wirksame Bekanntgabe erfolgt ist, richtet sich nach dem VwVfG. Weiterhin handelt es sich um eine verwaltungsrechtliche und keine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Sie ist auch keinem anderen Gericht zugewiesen.

2. Klageart könnte eine Feststellungsklage nach § 43 I VwGO sein. Dann müsste die zu erhebende Klage auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet sein.

a) Ein Rechtsverhältnis erfordert rechtliche Beziehungen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwG NJW 2018, 716 [12]; BVerwGE 157, 8 [12]; 129, 199 [21]; Wöckel JA 2015, 205 mit Beispielen). Wesentlich für ein Rechtsverhältnis sind also ein Sachverhalt und die Anwendung von Rechtsvorschriften auf diesen Sachverhalt, so dass Rechtsfolgen zwischen Personen begründet werden.

b) Im vorliegenden Fall ist Sachverhalt die Löschwasserversorgung auf dem Grundstück der K und die Frage, wer für sie verantwortlich ist. Rechtsnorm ist § 3 FSG. Die von G behauptete und von K bestrittene Rechtsfolge ist, dass die Löschwasserversorgung durch die Verfügung vom 25.11.2009 auf V übertragen wurde und nunmehr der K obliegt. Somit ist dieses sich aus der Verfügung ergebende Rechtsverhältnis Gegenstand des Streits. Weil die Klägerin K das Rechtsverhältnis bestreitet, handelt es sich um eine negative Feststellungsklage.

3. Es müssen die für die Klageart Feststellungsklage geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

a) § 43 I VwGO erfordert ein berechtigtes Feststellungsinteresse. Hierfür reicht jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art aus (BVerwG NJW 2018, 716 Rn. 20; BVerwGE 100, 262, 271). K hat sowohl ein rechtliches als auch ein wirtschaftliches Interesse an der Klärung der Frage, ob die Verfügung vom 25.11.2009 für sie verbindlich ist.

BVerwG [16] zu vorstehend 2 und 3a): K macht geltend, die Verfügung beanspruche ihr gegenüber keine Geltung, weil sie nicht wirksam geworden sei. Dieses Rechtsschutzziel kann im Wege der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO verfolgt werden. K hat auch ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung, weil die Verfügung nach ihrem Regelungsinhalt im Falle ihrer Wirksamkeit die durch Art. 14 Abs.1 GG geschützte Rechtsstellung der K als Eigentümerin des Grundstücks beeinträchtigt. Damit wird zugleich bejaht, dass K - wie von BVerwGE 100, 217 gefordert - die Klagebefugnis analog § 42 II VwGO zusteht.

b) Nach § 43 II 1 VwGO ist die Feststellungsklage nicht zulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (Subsidiarität der Feststellungsklage). Da K geltend macht, ihr gegenüber sei ein VA gar nicht erlassen worden, hätte sie widersprüchlich gehandelt, wenn sie gegen diesen eine Anfechtungsklage gerichtet hätte. E ine Verpflichtungs- oder Leistungsklage scheidet ebenfalls aus. Somit steht § 43 II 1 VwGO der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen.

4. Bei der Feststellungsklage ist weder ein Vorverfahren noch die Einhaltung einer Klagefrist erforderlich.

Folglich ist die Klage zulässig. Sie ist gegen die Gemeinde G zu richten (vgl. § 61 Nr. 1 VwGO).

II. Die Feststellungsklage ist begründet, wenn die Verfügung vom 25.11.2009 gegenüber K keine Rechtswirkung erlangt hat.

1. Hierfür gelten die Anforderungen an das Wirksamwerden eines Verwaltungsakts, wenn die Verfügung vom 25.11.2009 ein Verwaltungsakt ist (§ 35 VwVfG). Die Verfügung ist die Maßnahme der Gemeindebehörde G. Sie ist auf die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 3 FSG gestützt, ist somit eine Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Sie enthält zwei Regelungen: die Übertragung der Pflicht zur Löschwasserbereitstellung auf die Eigentümer und Besitzer bestimmter Gebäude (eine Rechtsgestaltung) und die Verpflichtung zum Nachweis (ein Gebot). Dadurch hat sie Außenwirkung gegenüber den Eigentümern und Besitzern. Ob sie eine Einzelfallregelung i. S. des § 35, 1 VwVfG ist oder eine das Anwesen der K erfassende Allgemeinverfügung i. S. des § 35, 2 VwVfG, ist zweifelhaft, braucht an dieser Stelle aber noch nicht entschieden zu werden (dazu unten 4a). Denn sie ist jedenfalls keine allgemeine, d. h. abstrakt-generelle Regelung i. S. einer Rechtsnorm. Sie hat nicht die für eine Rechtsnorm typische „Jedesmal-wenn“-Fassung, sondern betrifft eine begrenzte Zahl bestimmter Gebäude (ist insoweit konkret) und verpflichtet deren Eigentümer und Besitzer (ist insoweit individuell), enthält also eine Umsetzung des abstrakt-generellen § 3 FSG in eine konkret-individuelle Regelung, was für die Bejahung eines VA ausreicht.

2. Grundvoraussetzungen für das Wirksamwerden eines VA sind - parallel zur Willenserklärung des BGB - die Abgabe der behördlichen Erklärung und ihr durch Bekanntgabe zu bewirkender Zugang. BVerwG [18, 19] Ein VA wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 VwVfG). Damit ist der Geltungsanspruch eines VA an zwei Voraussetzungen geknüpft: Zum einen muss die erlassende Behörde den VA in dem Bewusstsein aus ihrem internen Bereich herausgegeben haben, den Geltungsanspruch des VA gegenüber dem Empfänger (Adressaten) zu begründen (st. Rspr, vgl. BVerwGE 22, 14, 15). Maßgebend für das erforderliche „Wissen und Wollen" ist der für die Behörde zeichnungsbefugte Amtswalter (Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 41 Rn. 7b m. w. N.). Liegt diese Voraussetzung nicht vor, handelt es sich um einen „“abhanden gekommenen VA“, der der Behörde nicht zugerechnet wird. Zum andern muss der VA dem Adressaten zugegangen sein.

3. Eine Abgabe der VA-Erklärung ist im Jahre 2009 dadurch erfolgt, dass der frühere Bürgermeister die Urschrift der Verfügung unterschrieben und zur Veröffentlichung weitergeleitet hat. Gegen die Glaubwürdigkeit seiner dahingehenden Bestätigung bestehen keine Bedenken, zumal ohne Unterschrift und Weiterleitung in aller Regel keine Veröffentlichung im Amtsblatt erfolgt (BVerwG [21]). Dass die Urschrift der Verfügung nicht mehr auffindbar ist, führt nicht zur Annahme eines abhanden gekommenen VA, weil das spätere Vorhandensein einer Original-Urkunde keine Voraussetzung für einen früheren VA-Erlass ist. Auch ist der spätere Verlust der Urkunde kein Erlöschensgrund für einen VA und führt auch - entgegen dem Vorbringen der K - nicht zu einer Erledigung des VA.

4. Eine Bekanntgabe der Verfügung könnte im Jahr 2009 mit Wirkung gegenüber V erfolgt sein. Diese Rechtswirkung wäre durch die Veräußerung des Grundstücks im Jahre 2015 auf K übergegangen. Denn die Verfügung bezog sich auf das Grundstück, war also ein dinglicher VA, der mit dem Grundeigentum auf den neuen Eigentümer übergeht (so die vom BerGer. VGH Mannheim AZ. 1 S 450/17 Rn. 9 a. E. wiedergegebenen Ausführungen des VG 1. Instanz; vgl. auch noch unten a cc). Also würde eine im Jahre 2009 erfolgte Bekanntgabe auch gegenüber K wirken. Das gilt auch dann, wenn dem neuen Eigentümer als Rechtsnachfolger der gegenüber dem Vorgänger wirksam erlassene VA nicht bekannt war (BVerwG [44]; BVerwGE 125, 325 Rn. 20).

Eine individuelle Bekanntgabe gegenüber V nach § 41 I VwVfG ist nicht erfolgt. In Betracht kommt aber eine öffentliche Bekanntgabe im Amtsblatt. Die in § 41 III 1 VwVfG geregelte Zulassung durch Rechtsvorschrift greift im vorliegenden Fall nicht ein. Nach § 41 III 2 VwVfG darf eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

a) Dann müsste die Verfügung von 2009 eine Allgemeinverfügung sein. Dafür reicht die dahingehende Bezeichnung nicht aus, sondern es müssen die Voraussetzungen des § 35, 2 VwVfG vorliegen. § 35, 2 VwVfG enthält drei Fälle. Die grundlegende erste Variante ist ein VA, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet und als personenbezogene Allgemeinverfügung bezeichnet wird. Im Vergleich zur konkret-individuellen Regelung durch einen VA nach Satz 1 muss, weil ein „Verwaltungsakt“ Voraussetzung ist, auch bei Satz 2 der geregelte Fall konkret sein; dadurch erfolgt eine Abgrenzung zur Rechtsnorm. Die Besonderheit betrifft die Adressaten. Dabei ermöglicht „bestimmt oder bestimmbar“ keine Abgrenzung, denn das ist bei jeder Regelung erforderlich; ist der Adressat einer Regelung weder bestimmt noch bestimmbar, ist die Regelung nichtig. Anzuknüpfen ist an den „Personenkreis“. Wird von dessen Wortsinn ausgegangen, könnten die 72 Gebäudeeigentümer durchaus als „Personenkreis“ verstanden werden. Dementsprechend haben im Originalfall die Vorinstanzen eine Allgemeinverfügung bejaht.

Das BVerwG hat aber eine schärfere Abgrenzung zu Satz 1 vorgenommen und den Adressatenkreis bei Satz 2 enger gefasst. [26-28] Personenbezogene Allgemeinverfügungen weisen in Bezug auf den Regelungsgegenstand einen konkreten, in Bezug auf die betroffenen Personen einen generellen Charakter auf… Personenbezogene Allgemeinverfügungen sind in Abgrenzung zur konkret-individuellen Regelung dadurch gekennzeichnet, dass bei ihrem Erlass nicht festgestellt werden kann, welche Personen von ihrem Geltungsanspruch erfasst werden. Das ist der Fall, wenn es objektiv unmöglich ist, die betroffenen Personen individuell zu bestimmen. So lässt sich bei dem Verbot einer Versammlung ohne Veranstalter vorab nicht abschließend feststellen, welche Personen teilnehmen wollen. Auch kann die Feststellung der betroffenen Personen vor Erlass des VA daran scheitern, dass die Behörde hierfür einen Ermittlungsaufwand betreiben müsste, der den Regelungszweck der Maßnahme vereiteln oder gefährden würde. Dies kommt vor allem bei konkreten Gefahrenlagen in Betracht, die rasches Handeln erfordern.

aa) Die im vorliegenden Fall getroffene Regelung, dass bei 72 Gebäuden die Eigentümer und Besitzer Löschwasser bereitstellen müssen, ist konkret, weil sie konkrete, einzeln aufgeführte Gebäude betrifft und eine Verpflichtung ohne eine „Jedesmal-Wenn“-Regelung ausgesprochen wird. Das bedeutet aber auch, dass sie 72 Fälle regelt. Jedes Gebäude, für das eine Übertragung der Löschwasserversorgung und eine Nachweispflicht angeordnet wird, ist ein eigener Fall. Die Gemeinsamkeit, dass die 72 Gebäude unter § 3, 2 FSG fallen und sich in abgelegener Lage befinden, reicht nicht aus, um sie zu einem Fall zusammen zu fassen. BVerwG [31] Die angeordnete Nachweispflicht für die Löschwasserversorgung hat sich nicht auf einen einheitlichen konkreten Lebenssachverhalt bezogen.

bb) Demzufolge hat jeder geregelte Fall auch einen eigenen Adressaten, den jeweiligen Eigentümer oder Besitzer. Dieser kann je nach Lage seines Grundstücks zu einer unterschiedlichen Versorgung seines Anwesens mit Wasser und dementsprechend auch zu einem unterschiedlichen Nachweis verpflichtet sein. Deshalb bilden die von der Verfügung angesprochenen Eigentümer und Besitzer keinen einheitlichen Personenkreis, der ihre generelle Ansprache durch die Behörde ermöglicht. Insofern unterscheidet sich die Verfügung von dem klassischen Fall der Allgemeinverfügung, bei der generell „allen Personen“ die Teilnahme an einer Versammlung verboten werden kann. BVerwG [30] Die Verfügung ist keine personenbezogene Allgemeinverfügung, weil sie sich nicht an einen nach einem allgemeinen Merkmal bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis gerichtet hat. Die betroffenen Personen waren individuell bestimmt, weil sie abschließend festgestanden haben und von G ohne erheblichen Aufwand vor Erlass der Verfügung hätten ermittelt werden können, soweit sie ihr nicht bereits bekannt waren. Es hat sich um die damaligen Eigentümer und Besitzer der Grundstücke der erfassten 72 Wohnplätze gehandelt. Der Nachweis der Löschwasserversorgung war auch kein Eilfall und wurde von G auch nicht als solcher behandelt. G hatte Zeit, um vor dem Erlass der Verfügung Grundbuch und Melderegister einzusehen sowie Erkundigungen vor Ort anzustellen. Auf diese Weise konnten die Adressaten individuell angesprochen werden, was für die Effektivität des behördlichen Handels deutliche Vorteile hatte.

cc) Eine generelle Bestimmung der Adressaten ergibt sich auch nicht daraus, dass die Verfügung Rechtswirkungen gegenüber späteren Erwerbern hat. BVerwG [29] Der Geltungsanspruch eines solchen VA richtet sich an die gegenwärtigen Eigentümer oder Besitzer. Die Bindung nachfolgender Eigentümer und Besitzer ergibt sich aus den Grundsätzen der Rechtsnachfolge (st. Rspr, BVerwGE 64, 105, 110; 125, 325 Rn. 20). Somit liegt keine Allgemeinverfügung nach der ersten Variante des § 35, 2 VwVfG vor.

b) BVerwG [32] Nach der zweiten Variante des § 35 Satz 2 VwVfG ist eine Allgemeinverfügung ein VA, der die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft. Die getroffene Regelung muss darin bestehen, die Sache in den Dienst eines öffentlich-rechtlichen Zwecks zu stellen (Widmung). Das ist hier nicht der Fall. Die von der Verfügung betroffenen 72 Wohnplätze werden weder zu öffentlichen Sachen gewidmet noch auf sonstige Weise einem öffentlichen Benutzungsregime unterworfen.

c) Schließlich zählt nach der dritten Variante des § 35 Satz 2 VwVfG zur Allgemeinverfügung ein VA, der die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit betrifft. Damit sind vor allem Verkehrszeichen, die Verbote oder Gebote enthalten, gemeint. Die Verfügung der G betrifft jedoch nicht die Nutzung der erfassten Grundstücke durch die Allgemeinheit, sondern ordnet gegenüber den Eigentümern bzw. Besitzern an, die Löschwasserversorgung sicherzustellen.

Somit scheitert die Anwendung des § 41 III 2 VwVfG daran, dass die Verfügung vom 25.11. keine Allgemeinverfügung nach § 35, 2 VwVfG, sondern ein VA nach § 35, 1 VwVfG ist.

d) Nach Auffassung des BVerwG [34-37] greift § 41 III 2 VwVfG auch deshalb nicht ein, weil eine individuelle Bekanntgabe nicht untunlich ist. Bei der Auslegung des unbestimmten gesetzlichen Begriffs der Untunlichkeit ist zu berücksichtigen, dass der Bekanntgabe eines VA an jeden in seiner Rechtsstellung Betroffenen aus Gründen des rechtlichen Gehörs und des wirkungsvollen Rechtsschutzes Vorrang zukommt. Nur eine individuelle Bekanntgabe bietet die Gewähr, dass ein Betroffener die gesicherte Möglichkeit erhält, den VA zur Kenntnis zu nehmen und sich darüber klar zu werden, ob er Rechtsschutz in Anspruch nimmt. Dagegen nimmt die öffentliche Bekanntgabe in Kauf, dass Betroffene den VA gegen sich gelten lassen müssen und die Rechtsschutzmöglichkeit genommen wird… Aufgrund dessen muss der Begriff der Untunlichkeit restriktiv ausgelegt werden. Untunlichkeit liegt vor, wenn bei Erlass des VA objektiv nicht feststeht, für welche Personen er Geltung beanspruchen wird. Das ist bei den 72 von der Verfügung Betroffenen nicht der Fall, wie oben 4 a bb) ausgeführt wurde.

BVerwG [25] Somit war die öffentliche Bekanntgabe der Verfügung vom 25. November durch deren Bekanntmachung im Amtsblatt der G nicht geeignet, die Wirksamkeit der Verfügung herbeizuführen. Sie war ihrerseits unwirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine öffentliche Bekanntgabe nicht vorgelegen haben.

5. Eine Bekanntgabe könnte gegenüber K individuell erfolgt sein.

a) Von Seiten der G ist gegenüber K keine Bekanntgabe i. S. des § 41 I VwVfG vorgenommen worden. Die Einsichtnahme in die Unterlagen durch K ist aus Anlass eines zivilrechtlichen Streits erfolgt und wurde nicht durch G zum Zwecke der Kenntnisnahme veranlasst.

b) Möglicherweise ist die Einsichtnahme durch K im Jahre 2019 für eine Bekanntgabe ausreichend. Bei dieser Einsichtnahme hat K Kenntnis vom Inhalt der Verfügung und eine Kopie davon erhalten. Sie hat zu dem wesentlichen Inhalt, der Löschwasserversorgung und der Nachweispflicht Stellung genommen. Auf Einsicht in die Originalurkunde hat ein Adressat nach § 41 VwVfG keinen Anspruch, zumal wenn diese nicht mehr auffindbar ist. Unter diesen Umständen würde kein Sinn darin bestehen, die G (nochmals) zu einer Übersendung des Textes der Verfügung zu verpflichten. BVerwG [43-46] Ein schriftlicher VA kann gegenüber einem Adressaten auch wirksam werden, wenn dieser ohne Wissen und Wollen der erlassenden Behörde ein Schriftstück zur Kenntnis nimmt, das den vollständigen Inhalt des VA enthält. Allerdings setzt dies voraus, dass die Behörde ihren Willen, dem VA Geltung zu verschaffen, bereits vor dieser Kenntnisnahme unter Beweis gestellt hat. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn eine von der Behörde betriebene Bekanntgabe fehlgeschlagen ist, d.h. nicht zur Wirksamkeit des VA geführt hat… Ein VA, der wie die Verfügung vom 25. November an das Eigentum oder den Besitz eines Grundstücks grundstücksbezogene Pflichten knüpft, wird wirksam, wenn er dem aktuellen Eigentümer oder Besitzer bekannt wird… Danach ist die Verfügung vom 25. November gegenüber K mit Einsichtnahme wirksam geworden.

Ergebnis zu A: Die Verfügung vom 25.11.2009 ist gegenüber K wirksam geworden. Der Antrag auf Feststellung, dass die Verfügung keine Rechtswirkung erlangt hat, ist nicht begründet. Insoweit hat die Klage keine Aussicht auf Erfolg.

B. Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verfügung vom 25.11.2009

Nach dem Ergebnis zu A. hat der Hauptantrag keinen Erfolg, also ist der Hilfsantrag zu behandeln.

I. Die Zulässigkeit dieses Antrags ergibt sich primär aus § 43 I zweiter Fall VwGO, wonach die Feststellungsklage auf die Feststellung der Nichtigkeit eines VA gerichtet werden kann. Das Feststellungsinteresse besteht aus demselben Grund wie beim Hauptantrag. Subsidiarität steht bei dieser Klage nicht entgegen (§ 43 II 2 VwGO). BVerwG [48] In Bezug auf diesen Feststellungsantrag ist die Klage zulässig. Damit bestreitet K den Geltungsanspruch der Verfügung wegen besonders schwerwiegender und offensichtlicher inhaltlicher Mängel. Dieses Rechtsschutzziel kann im Wege der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO verfolgt werden. Als Eigentümerin des Grundstücks hat K ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung.

II. Die Klage ist begründet, wenn die Verfügung vom 25.11. nichtig ist. Die Nichtigkeit eines VA richtet sich nach § 44 VwVfG.

1. BVerwG [50] Ein spezieller Nichtigkeitsgrund nach § 44 Abs. 2 VwVfG ist nicht gegeben. Nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein VA nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei einer verständigen Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ein Fehler fällt besonders schwer ins Gewicht, wenn sich der VA als unvereinbar mit tragenden Verfassungsprinzipien oder grundlegenden Wertvorstellungen der Rechtsordnung erweist. Die an ein rechtsstaatliches Vorgehen zu stellenden Anforderungen müssen so drastisch verfehlt werden, dass es unerträglich wäre, dem VA Wirksamkeit und damit Rechtsverbindlichkeit zuzuerkennen. Offensichtlich ist ein solcher Fehler, wenn ein verständiger Betrachter erkennen kann, dass der VA unhaltbar ist. Diese Anforderungen zeigen, dass im Falle von Rechtsfehlern eines VA dessen Rechtswidrigkeit die Regel, die Nichtigkeit und der damit verbundene Verlust des Geltungsanspruchs dagegen die seltene Ausnahme ist (st. Rspr.,…).

2. In formeller Hinsicht beanstandet K die nicht erfolgte Beteiligung des V. Sie beruhte offenbar darauf, dass G von einer Allgemeinverfügung ausgegangen war, bei der auf eine Anhörung verzichtet werden konnte (§ 28 II Nr. 4 VwVfG). Das war zwar unzutreffend, aber kein besonders schwerer Fehler, zumal er heilbar ist (§ 45 I Nr. 3 VwVfG).

3. Weiterhin rügt sie die fehlende Bestimmtheit, also einen Verstoß gegen § 37 I VwVfG.

a) Wie oben A II 1 ausgeführt wurde, regelt der VA die Übertragung der Löschwasserversorgung und die Nachweispflicht. Beides ist hinreichend bestimmt. Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgung werden (noch) nicht gefordert. BVerwG [53, 56] Die Verfügung hat keine konkrete Maßnahme für die Löschwasserversorgung angeordnet. Sie hat drei Maßnahmen aufgezeigt, durch die der Versorgungsnachweis erbracht werden kann… Wird der Nachweis, dass ein geeigneter Behälter oder Teich zur Verfügung steht, nicht erbracht, muss G dessen Errichtung durch einen weiteren VA anordnen.

b) Im Übrigen kommt nach BVerwG [50] die Nichtigkeit eines VA wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nur in Betracht, wenn die Regelung Widersprüche, gedankliche Brüche oder andere Ungereimtheiten enthält, so dass ein verständiger Adressat nach keiner möglichen Betrachtungsweise erschließen kann, was von ihm verlangt wird. Das trifft auf die Verfügung vom 25.11. nicht zu.

4. Was die Übereinstimmung der Verfügung mit der Ermächtigungsgrundlage des § 3, 2 FSG betrifft, sind Fehler nicht ersichtlich. Ein 5 km vom Ortsrand entferntes Anwesen kann als abgelegen betrachtet werden. Die im Rat der G geäußerten Ermessenserwägungen sind nicht fehlerhaft (§ 114 VwGO). Zwar ist eine Nachweispflicht in § 3 FSG nicht ausdrücklich vorgesehen. Sie gehört aber zu den in § 3, 2 FSG zugelassenen erforderlichen Regelungen. Sie ermöglicht den Betroffenen den Nachweis ausreichender Löschwasservorsorge, damit ihr Feuerschutz dem vom Gesetz geforderten Standard entspricht. Andernfalls werden Ermittlungen nach der besonderen Situation des Grundstücks zu weiteren Maßnahmen führen. Wegen der ihr erteilten Auskunft muss K mit solchen Maßnahmen rechnen, was aber kein Grund dafür ist, die Verfügung vom 25.11. als rechtswidrig oder gar als nichtig zu betrachten.

Somit ist auch der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des VA unbegründet. Die Klage hat insgesamt keine Aussicht auf Erfolg.


Zusammenfassung