Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Abgrenzung des § 80 V VwGO zu § 123 VwGO nach der Klageart in der Hauptsache. Regelungsanordnung (§ 123 I 2 VwGO) im Fall eines Antrags auf eine Ausnahmegenehmigung. Prüfung des Anordnungsanspruchs. Umweltzone nach § 40 I BImSchG. Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 2 II35. BImSchV; Vorliegen eines Härtefalls bei einem älteren, nicht plakettenfähigen Kfz


OVG Münster Beschluss vom 27. 7. 2009 (8 B 933/09) NWVBl 2010, 36

Fall
(Oldtimer in Umweltzone)

Für das Gebiet der kreisfreien Stadt S wurde am 1. 8. des laufenden Jahres von der hierfür zuständigen Bezirksregierung ein Luftqualitätsplan erlassen, der für den Innenstadtbereich eine Umweltzone vorsieht. Diese soll am 1. 10 in Kraft treten Es werden Verkehrszeichen aufgestellt, nach denen nur noch Fahrzeuge mit einer grünen oder gelben Plakette diesen Bereich befahren dürfen (§ 41 I StVO Anlage 2 Zeichen 270.1). A, Angestellter in einer Elektrogroßhandlung, wohnt innerhalb der Umweltzone. Er besitzt einen älteren Pkw vom Typ Daimler-Benz 200 D, für den er keine Plakette mehr erhält. Er hat bei der zuständigen B-Behörde der Stadt S eine Ausnahmegenehmigung beantragt und den Antrag damit begründet, dass es faktisch eine Enteignung oder ein enteignungsgleicher Eingriff sei, wenn er ab dem 1. 10. nicht mehr von seinem Wohnbereich wegfahren und auch nicht mehr zu diesem hinfahren könne; sein Auto sei dadurch entwertet. Auch hätten die wenigen Kilometer, die er mit seinem Auto fahre, nur eine ganz geringe Auswirkung auf die Luftqualität. Sein Fahrzeug sei in einem erstklassigen Zustand, und er könne es in vier Jahren als Oldtimer anerkenne lassen, so dass es dann auch ohne Plakette die Umweltzone befahren dürfe. Weiterhin legte er einen Schwerbehindertenausweis mit 70 % Schwerbehinderung, ohne einen weiteren Vermerk, vor. Schließlich erklärte er sich einverstanden, dass die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und anderen Nebenbestimmungen erteilt werde.

Der Antrag wurde von der B-Behörde mit Bescheid vom 9. 9. formell fehlerfrei abgelehnt. Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach A Klage vor dem VG in S erheben könne, sowie den Zusatz: „Sie können auch um einstweiligen Rechtsschutz beim VG nachsuchen und gemäß § 80 Absatz 5 VwGO beantragen, dass das VG die aufschiebende Wirkung einer Klage wieder herstellt oder anordnet.“ A hat beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage gegen den Bescheid vom 9. 9. erhoben. Weiterhin hat er den Antrag gestellt, dass das VG zum Zwecke vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung seiner Klage wieder herstellt oder anordnet, und diesen Antrag u. a. damit begründet, die Sache sei eilbedürftig, weil die Umweltzone am 1. 10., also in wenigen Tagen in Kraft tritt. Wie ist über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu entscheiden ?

Den behördlichen Maßnahmen liegen folgende Rechtsvorschriften zu Grunde:

BImSchG § 40 Verkehrsbeschränkungen


(1) Die zuständige Straßenverkehrsbehörde beschränkt oder verbietet den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalte- oder Aktionsplan nach § 47 Abs. 1 oder 2 dies vorsehen. Die Straßenverkehrsbehörde kann im Einvernehmen mit der für den Immissionsschutz zuständigen Behörde Ausnahmen von Verboten oder Beschränkungen des Kraftfahrzeugverkehrs zulassen, wenn unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.
......

(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt,…durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, sowie die hierfür maßgebenden Kriterien und die amtliche Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge festzulegen. Die Verordnung kann auch regeln, dass bestimmte Fahrten oder Personen ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, wenn das Wohl der Allgemeinheit oder unaufschiebbare und überwiegende Interessen des Einzelnen dies erfordern.

35. BImSchV: VO zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung regelt Ausnahmen von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und die Zuordnung von Kraftfahrzeugen zu Schadstoffgruppen und bestimmt Anforderungen, welche bei einer Kennzeichnung von Fahrzeugen zu erfüllen sind…

(2) Die zuständige Behörde…kann den Verkehr mit von Verkehrsverboten im Sinne des § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes betroffenen Fahrzeugen von und zu bestimmten Einrichtungen zulassen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn dies zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen notwendig ist, oder überwiegende und unaufschiebbare Interessen Einzelner dies erfordern, insbesondere wenn Fertigungs- und Produktionsprozesse auf andere Weise nicht aufrechterhalten werden können.

§ 2 (1) Kraftfahrzeuge, die mit einer Plakette nach Anhang 1 gekennzeichnet sind, sind von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes befreit, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht.

(3) Kraftfahrzeuge, die in Anhang 3 aufgeführt sind, sind von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch dann ausgenommen, wenn sie nicht gemäß Absatz 1 mit einer Plakette gekennzeichnet sind.

Anhang 3: Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht

Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch dann ausgenommen, wenn sie nicht gemäß § 2 Abs. 1 mit einer Plakette gekennzeichnet sind:
.......
6. Kraftfahrzeuge, mit denen Personen fahren oder gefahren werden, die außergewöhnlich gehbehindert, hilflos oder blind sind und dies durch die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen „aG“, „H“ oder „Bl“ nachweisen,
.......
10. Oldtimer (gemäß § 2 Nr. 22 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung), die ein Kennzeichen nach § 9 Abs. 1 oder § 17 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung führen…

Entscheidung über den Antrag des A

A. Zulässigkeit des Antrags

I.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 I VwGO gegeben, weil eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Die Entscheidung der Streitigkeit richtet sich nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der dazu ergangenen 35. BImSchV, bei denen es sich um Vorschriften des öffentlichen Rechts handelt.

II. Für die Bestimmung der Antragsart ist davon auszugehen, dass A einen Antrag auf Gewährung vorläufigen (einstweiligen) Rechtsschutzes gestellt hat. Für die weitere Einordnung ist das dem Antrag zu Grunde liegende Rechtsschutzbegehren des A zu ermitteln.

1. Nach der Formulierung seines Antrags begehrt A, dass das VG die aufschiebende Wirkung seiner Klage wieder herstellt oder anordnet, was einem Antrag nach § 80 V VwGO entspricht. Ein Antrag nach § 80 V ist statthaft, wenn er sich gegen einen belastenden VA und dessen Vollzug richtet. Begrifflich könnte man den Ablehnungsbescheid vom 9. 9. als belastenden VA ansehen. § 80 V setzt aber voraus, dass die Streitigkeit in der Hauptsache eine Anfechtungsklage ist. Um die Klageart in der Hauptsache festzustellen, ist das Klagebegehren zu ermitteln, das A mit der Klage in der Hauptsache verfolgt. Letztlich will A sich dagegen wehren, dass er mit seinem Pkw nicht mehr die Innenstadt von S, soweit eine Umweltzone besteht, befahren darf.

a) Diese Möglichkeit wird ihm durch die die Umweltzone einrichtenden Verkehrszeichen versagt. Würde er sich gegen diese wenden, handelte es sich um eine Anfechtungsklage, weil die Verkehrszeichen Allgemeinverfügungen (§ 35, 2, letzter Fall VwVfG) und damit Verwaltungsakte sind. Offensichtlich beanstandet A aber die Einrichtung der Umweltzone nicht, sondern geht von ihrer wirksamen Einrichtung aus.

b) Er erstrebt für sich eine Ausnahmegenehmigung. Diese ist im Vergleich zu den aufgrund der Umweltzone bestehenden Verboten ein begünstigender VA. Gegen ihn ist keine Anfechtung der Ablehnung zulässig, sondern er muss mit der Verpflichtungsklage erstritten werden. Daraus ergibt sich, dass ein Antrag nach § 80 V VwGO nicht statthaft ist. Auch praktisch betrachtet würde es dem A nichts nützen, wenn lediglich die Ablehnung suspendiert würde, denn damit erhielte er keine Befugnis zum Fahren in der Umweltzone.

2. Im Fall einer Verpflichtungsklage in der Hauptsache ist richtige Antragsart die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO.

a) Der Antrag des A kann so ausgelegt werden, dass A eine einstweilige Anordnung beantragt. Er begehrt sofortigen vorläufigen Rechtsschutz. Zu der von ihm gewählten Formulierung ist er offensichtlich durch die falsche Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 9. 9. veranlasst worden. Ein Antrag nach der allein zulässigen Antragsart des § 123 VwGO entspricht deshalb seinem Rechtsschutzbegehren. OVG Münster unter I.: Der - entsprechend der dem Versagungsbescheid beigefügten, unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung - erstinstanzlich gestellte Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO kann in einen - offensichtlich sachdienlichen - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umgedeutet werden (folgen Nachw.). Dieser Ansicht war das OVG sogar in dem dortigen Fall, in dem der Antragsteller anwaltlich vertreten war und der (falsche) Antrag von dem Rechtsanwalt stammte.

b) A beantragt somit, der B-Behörde aufzugeben, ihm eine vorläufige und bis zur Entscheidung in der Hauptsache befristete Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Umweltzone mit seinem Pkw Typ Daimler-Benz 200 D, amtliches Kennzeichen xyz, zu erteilen.

III. Da A in der Hauptsache über die Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) verfügen muss, ist im Verfahren nach § 123 VwGO eine entsprechende Antragsbefugnis erforderlich. Diese steht A zu, weil er geltend macht, einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung zu haben, und dieses Vorbringen nicht von vornherein aussichtslos ist.

IV: Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.

B. Begründetheit des Antrags

Auszugehen ist von § 123 I VwGO. Diese Vorschrift regelt zwei Fälle: die Sicherungsanordnung in Satz 1 und die Regelungsanordnung in Satz 2. A verfügt bisher über keine Ausnahmegenehmigung, also scheidet eine Sicherungsanordnung aus, zu prüfen ist eine Regelungsanordnung. Hierfür müssen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bestehen.

I. Ein Anordnungsgrund liegt vor: Sobald die Umweltzone in Kraft tritt, darf A in seiner Umgebung den Pkw nicht mehr benutzen, was - falls A einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung hat - als schwerwiegender, wesentlicher Nachteil für A zu bewerten ist.

II. Entscheidend für den Fall ist somit die Frage einer Anordnungsanspruchs. Bei der Regelungsanordnung ist Anordnungsanspruch das streitige Rechtsverhältnis, das zu Gunsten des Antragstellers bestehen und ihm ein Recht geben muss, das er im Hauptsacheverfahren erfolgreich durchsetzen könnte. Den Anordnungsanspruch - ebenso den Anordnungsgrund - muss der Antragsteller glaubhaft machen. Im vorliegenden Fall ist erforderlich, dass A einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung oder wenigstens einen Anspruch auf eine erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung hat. Hierfür müsste die B-Behörde zu einer positiven Entscheidung über den Genehmigungsantrag des A berechtigt sein, und diese Entscheidung müsste auch im Interesse des A liegen.

1. Als Rechtsgrundlage für eine derartige Entscheidung kommen die Vorschriften des BImSchG und der 35. BImSchV in Betracht. Sie sind allerdings nicht anwendbar, wenn sie verfassungswidrig sind. Nach dem Vorbringen des A, es handle sich faktisch um eine Enteignung, könnten sie gegen Art. 14 GG verstoßen.

a) Ob die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Einrichtung einer Umweltzone im vorliegenden Verfahren auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 GG zu prüfen sind, ist zweifelhaft. Denn diese Prüfung würde, anders als A meint, die Grundlage für einen Anspruch des A entfallen lassen, so dass sein Antrag ohne Erfolg bliebe. Eine Verfassungswidrigkeit mit einem für A günstigen Ergebnis hätte A mit Rechtsbehelfen gegenüber der Einrichtung der Umweltzone geltend machen müssen, was er aber nicht getan hat (oben A II 1a).

b) Letztlich kann die Frage aber offen bleiben. Denn der die Einrichtung einer Umweltzone regelnde § 40 I 1 BImSchG verletzt Art. 14 GG nicht.

aa) Eine Enteignung i. S. des Art. 14 III GG hat einen Entzug des Eigentums zur Voraussetzung. Die Umweltzone führt aber zu keinem Entzug, insbesondere nicht zu einem Entzug des Eigentums an den betroffenen Fahrzeugen. Eine faktische Enteignung, die A behauptet, gibt es nicht; die Enteignung kann nur durch Rechtsakt erfolgen. Der „enteignende oder enteignungsgleiche Eingriff“ ist kein Fall des Art. 14 III GG, sondern eine Anspruchsgrundlage auf eine Entschädigung.

bb) Der die Einrichtung einer Umweltzone regelnde § 40 I 1 BImSchG fällt unter Art. 14 I 1, 2 GG. Er beschränkt die Nutzung der dadurch ausgesperrten Fahrzeuge und enthält deshalb einen Eingriff in das Eigentum. Er ist aber als gesetzliche Bestimmung der Schranken des Eigentums durch Art. 14 I 2 GG gerechtfertigt. Insbesondere steht er im Einklang mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Denn durch die Umweltzone sollen die Bewohner des betroffenen Gebiets vor Schäden an ihrer Gesundheit durch Luftschadstoffe (Feinstaub = PM 10 und Stickoxide = NO 2) geschützt werden. Hierfür ist die Beschränkung des Verkehrs von Fahrzeugen, die derartige Schadstoffe in gravierenden Mengen freisetzen, geeignet, notwendig und angesichts des hochwertigen Gutes Gesundheit auch angemessen.

2. Da folglich von der Rechtswirksamkeit des § 40 I 1 BImSchG und der damit zusammenhängenden weiteren Vorschriften des BImSchG und der 35. BImSchV auszugehen ist, ist in diesen Vorschriften nach einer Rechtsgrundlage für eine Ausnahmegenehmigung für A zu suchen. Eine erste Ausnahmevorschrift ist § 40 I 2 BImSchG, die aber Gründe des Wohls der Allgemeinheit voraussetzt, die hier nicht vorliegen.

3. Eine weitere, auf Grund der Ermächtigung des § 40 III BImSchG erlassene Ausnahmevorschrift ist § 1 II 35. BImSchV. Hierfür ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass überwiegende und unaufschiebbare Interessen Einzelner dies erfordern, dass also ein Härtefall gegeben ist.

a) Unter diesem Aspekt ist zunächst der Einwand des A zu würdigen, es handele sich faktisch um eine Enteignung, womit er eine schwere und unzumutbare Beschränkung seines Eigentums an seinem Pkw geltend machen will. Jedoch ist der Ausschluss von Fahrzeugen mit einem technisch bedingten hohen Schadstoffausstoß vom Gesetzgeber gewollt und kein atypischer Härtefall. OVG unter II 1, vor 2.: Vom Zweck des Gesundheitsschutzes her betrachtet stellt sich die Belastung eines Bewohners einer Umweltzone, ein nicht plakettenfähiges Fahrzeug innerhalb einer Umweltzone nicht benutzen zu dürfen, trotz der nicht zu verkennenden harten Folgen grundsätzlich als zum Schutz der…menschlichen Gesundheit erforderlich dar (vgl. Klinger NVwZ 2007, 785, 787).

b) Mit dem Argument des A, der Gebrauch des Pkw durch ihn würde die Luftqualität nur geringfügig belasten, macht er geltend, die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung in seinem Fall sei unverhältnismäßig und deshalb ein Härtefall. Jedoch ergeben sich die schädlichen Luftbelastungen gerade aus der Vielzahl von einzelnen Emissionen, die jede für sich geringfügig, in ihrer Summe aber gefährdend sind. Dass A außergewöhnlich wenig fährt, mag sein, lässt sich aber nicht kontrollieren.

c) Dass der Pkw des A sehr gut erhalten ist, begründet keinen Härtefall. Auch dass er in vier Jahren als Oldtimer unter die Ausnahmeregelung der 35. BImSchV Anhang 3 Nr. 10 fallen könnte, kann zur Annahme eines Härtefalles nicht ausreichen. Andernfalls würde praktisch eine neue Fallgruppe der Ausnahmegenehmigung geschaffen, die der künftigen Oldtimer. Das sind aber vielfach die schädlichsten Fahrzeuge und ihre - vorweggenommene - Zulassung als Oldtimer bereits heute würde die Zwecksetzung der Umweltzonen in hohem Maße konterkarieren (OVG S. 37 re. Sp. oben).

d) Bei der Berufung des A auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hat das OVG (unter II 3) auf die Regelung der 35. BImSchV Anhang 3 Nr. 6 verweisen. Dort hat der Normgeber Kraftfahrzeuge freigestellt, mit denen Personen fahren oder gefahren werden, die außergewöhnlich gehbehindert, hilflos oder blind sind und dies durch die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen „aG“, „H“ oder „Bl“ nachweisen. OVG: Diese Wertung ist bei der Interpretation des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV zu berücksichtigen… Sollte eine Schwerbehinderung, die keines der aufgeführten Merkmale aufweist, mit Blick darauf überhaupt im Einzelfall zu einer Ausnahme gem. § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV führen können, muss sie in ihrem Beeinträchtigungsgrad einer Behinderung der in Nr. 6 des Anhangs 3 zur 35. BImSchV genannten Art annähernd gleich zu achten sein. Das allenfalls in Betracht kommende Merkmal „außergewöhnlich gehbehindert“ setzt voraus, dass der Aktionsradius der Person nicht mehr als 100 m beträgt (OVG S. 38). Das macht A nicht geltend, er hat noch nicht einmal behauptet, überhaupt gehbehindert zu sein.

e) Wenn auch keines der einzelnen von A zu seinen Gunsten vorgebrachten Gründe für einen Härtefall ausreicht, könnte doch eine Gesamtschau den Schluss auf einen Härtefall rechtfertigen. Dafür haben aber die einzelnen Argumente ein zu geringes Gewicht. Würde man die Argumente a) bis c), wenn auch nur zusammen, als härtefalltaugliche Gründe würdigen, könnten sie von vielen anderen Pkw-Besitzern vorgebracht werden und würden die Umweltzonen (weiter) entwerten. Von größerer Bedeutung im vorliegenden Fall ist allerdings die Berufung des A auf seine Schwerbehinderteneigenschaft, ihr fehlt aber der Bezug zur Benutzungsnotwendigkeit eines Kfz. Auch ist zu berücksichtigen, dass A eine einstweilige Anordnung begehrt, bei der eine teilweise (zeitweise) Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen soll (OVG unter 1). An diese sind besonders strenge Anforderungen zu stellen; dass der Antragsteller in der Hauptsache voraussichtlich obsiegen wird und die Sache eilbedürftig ist, reicht nicht aus. Ein solcher, gesteigerter Härtefall liegt keinesfalls vor.

f) Kann A aber keine Ausnahmegenehmigung erhalten, so stellt sich die Frage von Auflagen oder anderen Nebenstimmungen nicht.

4. Da somit kein Härtefall vorliegt, hat A weder einen strikten Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung noch einen Anspruch auf eine Neubescheidung wegen ermessensfehlerhafter Ablehnung. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist unbegründet. unbegründet. (Auch im Fall VGH München NVwZ 2010, 143 wurde die Versagung der Ausnahmegenehmigung gebilligt; allgemein zu Ausnahmen von den Umweltzonen-Verboten Rebler/Scheidler NVwZ 2010, 100/101.)


Zusammenfassung