Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Beamtenrecht; Beihilfe. Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden VA, § 48 I VwVfG. Wegfall des Vertrauensschutzes, § 48 II 3 VwVfG. Rückforderung, § 49 a VwVfG / § 84 a BBG. Erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge (§§ 1922, 1967 BGB) bei öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen. VA in der Gestalt des Widerspruchsbescheids, § 79 I Nr. 1 VwGO. Korrektur eines Ermessensfehlers durch Widerspruchsbescheid, § 68 VwGO.

OVG Münster
Urteil vom 17.8.2018 (1 A 2675/15) NVwZ-RR 2018, 875

Fall
(Doppelte Beihilfe)

Vater V der Tochter T war Bundesbeamter und hatte einen Anspruch darauf, dass ihm Krankheitskosten vom Bund als Dienstherrn im Wege der Beihilfe erstattet wurden. Er starb Anfang des Jahres 2017. Alleinerbin war seine Ehefrau M, die Mutter der T. Am 2. März 2017 reichte M bei der für die Bewilligung und Auszahlung der Beihilfe zuständigen B-Behörde, einer Bundesbehörde, eine an V adressierte Arztrechnung in Höhe von 227 Euro mit einem „Bezahlt“-Vermerk ein und beantragte Zahlung der Beihilfe. Am 5. März 2017 stellte M erneut einen Beihilfeantrag unter Verwendung einer Kopie derselben Rechnung, verbunden mit der formularmäßigen Erklärung, dass für diesen Betrag bisher keine Beihilfe beantragt worden sei. Dem Antrag vom 2.3. wurde mit einem an V adressierten Bescheid vom 24.3., dem Antrag vom 5.3. mit einem an M adressierten Bescheid vom 30.3. jeweils in Höhe von 227 Euro stattgegeben. Beide Beträge wurden auf ein Konto überwiesen, das auf V und M lautete und von M verwaltet wurde. Im Jahre 2018 starb M und wurde von T als Alleinerbin beerbt.

Bei der B-Behörde werden nicht alle Anträge daraufhin überprüft, ob für die eingereichten Rechnungen bereits Erstattungen vorgenommen wurden, es werden aber Stichproben vorgenommen. Bei einer Stichprobe Anfang 2019 fiel die Doppelzahlung im Fall des V auf. Mit einem an T als Erbin gerichteten Bescheid vom 16. Mai 2019 erklärte B die Rücknahme der Bewilligung vom 30.3. und verlangte Erstattung der 227 Euro. Der Bescheid enthielt eine Begründung, in der ausgeführt wurde, von einer Ermessensausübung könne angesichts der klaren Rechtslage abgesehen werden.

T erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In diesem wendete sie sich gegen die von B in Anspruch genommene Befugnis, ihr gegenüber einen Verwaltungsakt erlassen zu dürfen. Zwischen ihr und B fehle es an der erforderlichen öffentlich-rechtlichen Beziehung, weil sie weder Adressatin des Bewilligungsbescheides noch Erbin ihres Vaters sei. Auch wäre eine Rücknahme gegenüber M nicht zulässig gewesen. M habe den Antrag vom 5.3. offenbar irrtümlich gestellt, so dass ihr im Hinblick auf den zusätzlich überwiesenen Betrag Vertrauensschutz zukomme. Außerdem habe M den überzahlten Betrag noch zu Lebzeiten ausgegeben. Weiterhin beanstandet T, dass sie vor Erlass des Bescheids nicht angehört worden ist und dass B kein Ermessen ausgeübt hat. Auch sei das Wissen von der Bewilligung am 24.3. der Behörde bei der Bewilligung am 30.3. zuzurechnen, so dass die zweite Bewilligung in Kenntnis der ersten ergangen sei. Diese Kenntnis habe auch zur Folge, dass die Rücknahmefrist am 30.3.2017 zu laufen begonnen habe und am 16.5.2019 abgelaufen sei.

In ihrem zurückweisenden Widerspruchsbescheid ergänzt die Widerspruchsbehörde den Bescheid der B um Ermessenserwägungen, in denen auch ausgeführt wird, dass es keinen Grund dafür gebe, von einer Rückforderung abzusehen. Außerdem stellt sie klar, dass gegenüber M nicht der Vorwurf erhoben werde, den Antrag vom 5.3. in betrügerischer Absicht gestellt zu haben.

Hat eine verwaltungsgerichtliche Klage der T Aussicht auf Erfolg?

Lösung

Vorbemerkung: Das Urteil des OVG Münster ist auch abgedruckt in NWVBl 2019, 108. Es wird besprochen von Waldhoff JuS 2019, 191 und Hebeler JA 2019, 479.

A. Eine verwaltungsgerichtliche Klage müsste zulässig sein.

I. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges könnte sich aus § 40 II 2 VwGO i. V. mit § 126 I Bundesbeamtengesetz (BBG) ergeben. Danach ist f ür alle Klagen der Beamten, auch früheren Beamten und der Hinterbliebenen, aus dem Beamtenverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben. V war Bundesbeamter, so dass das BBG anwendbar ist (für andere Beamte ergibt sich der Verwaltungsrechtsweg aus § 54 Beamtenstatusgesetz) . §§ 54 BeamtStG und 126 BBG sind weit auszulegen. Um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis anzunehmen, ist nicht erforderlich, dass der Kläger selbst Beamter ist oder war. Ausreichend ist, dass eine beamtenrechtliche Rechtsgrundlage die streitentscheidende Norm ist (vgl. BGHZ 198, 105, wonach eine beamtenrechtliche Streitigkeit auch dann vorliegt, wenn eine Bank den ihr abgetretenen Gehaltsanspruch eines Beamten einklagt). Die Beihilfe vom 30.3.2017 wurde wegen der früheren Beamtenstellung des V bewilligt so dass sich auch eine Rückabwicklung (als actus contrarius) nach Beamtenrecht richten muss. Dass außerdem Vorschriften des VwVfG, etwa § 48 VwVfG, heranzuziehen sind, ändert daran nichts, weil das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht auch auf beamtenrechtliche Rechtsverhältnisse anwendbar ist. Folglich ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 126 I BBG eröffnet. (Würde das verneint, ergäbe sich der Verwaltungsrechtsweg aus § 40 I VwGO, weil B gegenüber T von hoheitlichen Befugnissen Gebrauch gemacht hat und eine dagegen gerichtete Klage eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist.)

II. Der Klageart nach handelt es sich um eine Anfechtungsklage (§ 42 I VwGO), wenn sie sich gegen einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) richtet.

1. Der Bescheid vom 16.5.2019 hat zwei Teile: Er erklärt die Rücknahme der Bewilligung vom 30.3.2017 und enthält insoweit eine Regelung durch Rechtsgestaltung. Außerdem fordert er Rückzahlung von 227 Euro und enthält insoweit ein (Rückzahlungs-) Gebot, das ebenfalls Regelungscharakter hat und das das eigentliche Ziel des Bescheids vom 16.5. ist. Folglich hat der Bescheid VA-Charakter. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage mit zwei Anfechtungsanträgen, die inhaltlich zusammenhängen (objektive Klagehäufung, § 44 VwGO).

2. Unerheblich für diese Einordnung ist, ob B - was T bezweifelt - ihr gegenüber durch VA handeln durfte. Denn eine begrifflich als VA erkannte Maßnahme bleibt auch dann ein VA, wenn sie nicht ergehen durfte. In diesem Fall muss der Betroffene erst recht die Möglichkeit haben, sich gegen den - unzulässigen - VA zu wehren.

3. Da ein Widerspruchsbescheid ergangen ist, ist bei der Frage, welchen Inhalt der angefochtene VA hat, § 79 I Nr. 1 VwGO zu beachten. Danach ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche VA in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Zu der „Gestalt“ gehört auch die Begründung (Kopp/Schenke VwGO, 24. Aufl. 2018, § 79 Rdnr. 1). Also sind als Begründung des angefochtenen VA auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid heranzuziehen, wozu die ergänzenden Ermessenserwägungen gehören und die Klarstellung, dass bei M nicht von einer betrügerischen Absicht ausgegangen wird.

III. Die Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) steht T zu, weil sie Adressatin eines belastenden VA ist und geltend machen kann, in ihrer von Art. 2 I GG geschützten Handlungsfreiheit, die auch die Freiheit der Verwendung des eigenen Geldes umfasst, verletzt zu sein.

IV. Nach § 126 II BBG ist vor allen beamtenrechtlichen Klagen ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. (Würde keine beamtenrechtliche Streitigkeit angenommen, wäre ein Widerspruch nach § 68 I VwGO erforderlich; im Bundesrecht gibt es keine grundsätzliche Abschaffung des Widerspruchsverfahrens.) T hat Widerspruch erhoben, der keinen Erfolg hatte.

V. Werden die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die Einhaltung der Klagefrist (§ 74 I VwGO: ein Monat), beachtet, ist die Klage zulässig. Sie ist gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der B-Behörde zu richten (§ 78 I Nr. 1 VwGO).

B. Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Bescheid vom 16.5.2019 rechtswidrig und Klägerin T in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO). Im Vordergrund steht die Rechtmäßigkeit der Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 30.3.2017; von ihr hängen die weiteren Fragen ab. Die Rechtmäßigkeit eines belastenden VA ist grundsätzlich in drei Schritten zu prüfen: anwendbare Ermächtigungsgrundlage; formelle Rechtmäßigkeit; materielle Rechtmäßigkeit.

I. Es ist die für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme maßgebende Ermächtigungsgrundlage zu bestimmen.

1. § 84 a BBG regelt die Rückforderung überzahlter Geldleistungen und verweist auf das Bereicherungsrecht des BGB. Die Vorschrift setzt aber voraus, dass Geldleistungen „zu viel“ erbracht wurden; das ist erst nach Rücknahme des Bewilligungsbescheids der Fall. Eine Ermächtigung zur Rücknahme und damit zur Schaffung der Voraussetzungen des § 84 a BBG enthält die Vorschrift nicht. (Sie ist eine Parallelvorschrift zu § 49 a VwVfG, die ebenfalls eine Rücknahme oder einen Widerruf voraussetzt und keine Ermächtigung zur Rücknahme oder zum Widerruf enthält.)

2. Eine beamtenrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme von Bescheiden über die Bewilligung von Beihilfeleistungen gibt es nicht. Als Ermächtigung kommt deshalb nur die allgemeine Rücknahmevorschrift des § 48 VwVfG in Betracht.

Hierfür ist aber Voraussetzung, dass § 48 VwVfG im Verhältnis der B zu T überhaupt anwendbar ist und B gegenüber T durch VA handeln durfte. Dass § 48 VwVfG eine VA-Befugnis gewährt und die Behörde bei Anwendung des § 48 VwVfG generell die Handlungsform des VA wählen darf (OVG [33-37]; Waldhoff JuS 2019, 191), ist schon deshalb zwingend, weil der ursprüngliche VA nur durch einen neuen VA als actus contrarius beseitigt werden kann (Waldhoff a. a. O.). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob B gerade gegenüber T einen Rücknahme-VA erlassen durfte. Denn grundsätzlich ist Adressat der Rücknahme der Adressat des begünstigenden VA (OVG [39] unter Berufung auf Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rdnr.122; Waldhoff a. a. O. S. 192). Das war im vorliegenden Fall M und nicht T. Mögliche Adressatin der Rücknahme könnte T aber deshalb sein, weil sie Alleinerbin der M ist und diese Erbin des V war.

a) Ursprünglich bestanden öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen V und der den Bund vertretenden B. Daraus stand V ein Beihilfeanspruch wegen der an ihn adressierten Arztrechnung zu. Nach dem Tod des V ist dieser Anspruch auf seine Erbin M übergegangen. Denn der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (§§ 1922, 1967 BGB) erfasst auch vermögenswerte öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen (Palandt/Weidlich, 78. Aufl. 2019, § 1922 Rdnrn. 8, 40; OVG [41], Zitat nachfolgend unter b).

b) Durch den zweiten Antrag vom 5.3.2017 hat M sich auf einen weiteren Beihilfeanspruch berufen. Diesem Antrag hat B durch die zweite Bewilligung vom 30.3.2017 stattgegeben. Dadurch ist eine weitere öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen M und B entstanden. Zu dieser gehörte, dass im Fall der Rechtswidrigkeit der Bewilligung B die Möglichkeit einer Rücknahme nach § 48 VwVfG hatte.

Auch diese Rechtsbeziehung ist vermögenswerter Natur und nach §§ 1922, 1967 BGB auf T als Alleinerbin der M übergegangen. Folglich hatte B der T gegenüber dieselben Befugnisse wie gegenüber M und durfte, sofern die Voraussetzungen vorlagen, ihr gegenüber nach § 48 VwVfG einen Rücknahme-VA erlassen.

OVG [41-47] T ist nach dem Tod der M als Alleinerbin nach dem in § 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1 BGB niedergelegten Grundsatz in die - schon im Zeitpunkt des Erbfalls mit der Möglichkeit der Rücknahme belastete - Rechtsstellung ihrer Mutter innerhalb des durch die Beihilfebewilligung und ‑zahlung begründeten Rechtsverhältnisses eingetreten. Der Erbe oder sonstige (Gesamt-)Rechtsnachfolger tritt in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten des Erblassers oder des sonstigen Rechtsvorgängers ein, und damit auch in ein durch einen (rechtswidrigen) VA begründetes Rechtsverhältnis. Adressat des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides muss daher nicht notwendig der ursprüngliche Zuwendungsempfänger selbst, sondern kann auch der Rechtsnachfolger sein. Die dahingehende Rspr. des BVerwG (…) zur Rücknahme eines Versorgungsfestsetzungsbescheids gilt auch im Beihilferecht. Dieses enthält weder eine eigene Regelung für die Rücknahme von Beihilfebescheiden noch für die Erstattung der ausgezahlten Beihilfebeträge.… Jedenfalls vor dem Hintergrund, dass Beihilfeansprüche vererblich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2010 - 2 C 77.08 -, juris) gilt dies gleichermaßen für den vorliegenden Fall, in dem die Beihilfe für eine ärztliche Behandlung des Beihilfeberechtigten erst nach dessen Tod unmittelbar an seine Ehefrau (und zugleich Erbin) als Begünstigte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG geleistet wird und erst nach deren Tod gegenüber ihrer Erbin zurückgenommen wird.

Somit ist § 48 VwVfG die gegenüber T anwendbare Ermächtigungsgrundlage und berechtigte B dazu, gegenüber T durch VA zu handeln.

II. Es ist die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16.5.2019 zu prüfen.

1. Da laut Sachverhalt B die für die Bewilligung und Auszahlung der Beihilfen zuständige Behörde ist, ist sie auch für die Rücknahme sachlich zuständig.

2. Nach § 28 I VwVfG ist vor Erlass eines belastenden VA dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Anhörung).

a) Die Rücknahme eines begünstigenden VA ist - ebenso wie die Rückforderung der gewährten Begünstigung - ein belastender VA. Der Beanstandung der T ist zu entnehmen, dass sie nicht angehört worden ist. Eine der Ausnahmen des § 28 II, III VwVfG greift nicht ein. § 28 VwVfG ist somit verletzt.

b) Nach § 45 I VwVfG ist die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift unbeachtlich, wenn sie geheilt worden ist. Eine Heilung nach § 45 I Nr. 3 tritt ein, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Eine Nachholung liegt nicht nur vor, wenn der Betroffene ausdrücklich zu einer Stellungnahme aufgefordert wird, sondern liegt auch in der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. T hat in ihrem Widerspruch Stellung genommen. Eine weitere Stellungnahme hätte keinen Sinn. Es wäre sogar befremdlich, wenn B oder die Widerspruchsbehörde T ausdrücklich „Gelegenheit zu einer Stellungnahme“ geben würde, weil dadurch bei T der Eindruck entstehen könnte, die Behörden hätten ihren Widerspruch nicht zur Kenntnis genommen. Somit liegt in dem von B erhobenen Widerspruch eine Heilung des Anhörungsfehlers. OVG [49] Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ist das Fehlen einer erforderlichen Anhörung unbeachtlich, wenn die Anhörung nachgeholt wird. Dies kann bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geschehen, vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG. Danach ist der Verfahrensfehler geheilt. T hatte im Widerspruchsverfahren nicht nur Gelegenheit, sich zu der Sach- und Rechtslage zu äußern, sie hat diese Gelegenheit auch genutzt.

3. Die nach § 39 I VwVfG erforderliche Begründung ist erfolgt. Ermessenserwägungen (§ 39 I 3 VwVfG) brauchte B nicht wiederzugeben, weil sie keine angestellt hat. Im Übrigen hat die Widerspruchsbehörde Ermessen ausgeübt und hätte einen eventuellen Fehler damit geheilt (§ 45 I Nr. 2 VwVfG).

Formelle Fehler führen nicht zur Rechtswidrigkeit des VA.

III. In materieller Hinsicht müssen die Voraussetzungen des § 48 I VwVfG vorlegen, und es darf § 48 II VwVfG nicht entgegenstehen.

1. Voraussetzung des § 48 I 1 VwVfG ist die Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen VA, im vorliegenden Fall des Bescheids vom 30.3.2017. Ein eine Beihilfe bewilligender Bescheid ist nur rechtmäßig, wenn der Beamte einen Anspruch auf die Beihilfe hat. Der ursprüngliche Anspruch des V auf eine Beihilfe in Höhe von 227 Euro war durch die Bewilligung vom 24.3.2017 in Verbindung mit der entsprechenden Zahlung erfüllt worden. Deshalb lag der Bewilligung vom 30.3. kein Anspruch mehr zugrunde; die Bewilligung war rechtswidrig.

2. Die Bewilligung war ein begünstigender VA, für den die Einschränkungen des § 48 I 2, Absätze 2 bis 4 VwVfG gelten. Er war auf eine Geldleistung gerichtet, folglich war § 48 II VwVfG anwendbar. Danach darf der VA nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des VA vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 48 II 1). Auf einen Vertrauensschutz kann sich der Begünstigte jedoch nicht berufen, wenn einer Fälle des § 48 II 3 Nr. 1-3 VwVfG vorliegt. Dabei ist auf M als Erblasserin der T und nicht unmittelbar auf T abzustellen (oben I 2 b).

a) Nr. 1 greift nicht ein, weil nicht feststeht, dass M eine arglistige Täuschung begangen hat. Wie der Widerspruchsbescheid klargestellt hat, hält es auch die Behörde für möglich, dass M aus Irrtum und nicht mit Täuschungsabsicht gehandelt hat.

b) Nr. 2 hat zur Voraussetzung, dass der Begünstigte den VA durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren.

aa) Bereits durch Stellung des Beihilfeantrags vom 5. 3. hat M schlüssig behauptet, für die beigefügte Arztrechnung bestehe noch ein Beihilfeanspruch und sei noch keine Beihilfe bewilligt worden. Durch die formularmäßige Erklärung hat sie das zusätzlich bestätigt. Diese Angaben waren unrichtig. OVG [53] Vertrauensschutz ist vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil T als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin die Rechte und Pflichten ihrer Mutter so übernommen hat, wie sie im Zeitpunkt des Todes ihrer Mutter bestanden haben. Die Mutter der T konnte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn sie hat die erneute Bewilligung von Beihilfe für die Rechnung durch unrichtige Angaben im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG bewirkt. Sie hat fälschlich angegeben, hierfür noch keine Beihilfeleistungen beantragt zu haben. Auf ein Verschulden kommt es bei Nr. 2 nicht an, wie der Wortlaut des § 48 II 3 Nr. 2 im Vergleich mit Nr. 3 zeigt; ausreichend ist, dass der Fehler aus dem Verantwortungsbereich des Antragstellers stammt (BVerwGE 78, 139, 142 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 48 Rdnr. 119).

bb) An einem Erwirken des VA durch die falsche Angabe würde es allerdings fehlen, wenn die Bewilligung vom 30.3., wie T geltend macht, trotz Kenntnis der bereits am 24.3. ergangenen Bewilligung erfolgt wäre. Dass die Person, die den Bescheid vom 30.3. erlassen hat, tatsächlich Kenntnis von der Bewilligung vom 24.3. hatte, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht und wird von T auch nicht behauptet. T behauptet lediglich, dass das Wissen von der Bewilligung am 24.3. der Behörde bei der Bewilligung am 30. 3. zuzurechnen sei. Nach § 166 I BGB ist bei der Abgabe einer Willenserklärung das Wissen des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen. Unmittelbar anwendbar ist die Vorschrift nicht, weil ein VA keine privatrechtliche Willenserklärung ist. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer Gesetzeslücke, weil nicht ersichtlich ist, dass eine solche Zurechnung im Verwaltungsrecht geregelt werden müsste. Auch ist die Interessenlage in den Fällen des § 48 II 3 Nr. 2 VwVfG und § 166 I BGB nicht gleich. Das Erwirken eines begünstigenden VA durch den Bürger und die Abgabe einer Willenserklärung etwa bei Abschluss eines Vertrages sind unterschiedliche Vorgänge. Somit findet eine Zurechnung der Bewilligung vom 24.3., die zur Kenntnis der B am 30.3. führen würde, nicht statt (vgl. OVG [63]). Es bleibt dabei, dass M die Bewilligung vom 30.3. durch falsche Angaben erwirkt hat.

c) Außerdem entfällt ein Vertrauensschutz der M nach § 48 II 3 Nr. 3 VwVfG, weil sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligung vom 30.3. infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der Eingang von zwei Beihilfebescheiden über denselben Betrag von 227 Euro innerhalb einer Woche musste ihr verdächtig vorkommen und sie zu der Nachprüfung veranlassen, ob ihr oder der Behörde ein Irrtum unterlaufen ist. Die Unterlassung dieser Prüfung, die leicht möglich war und zur Kenntnis von der Doppelzahlung geführt hätte, war grob fahrlässig.

Somit besteht kein Vertrauensschutz. § 48 I 1 VwVfG wird nicht durch § 48 II eingeschränkt.

IV. Die am 16.5.2019 erfolgte Rücknahme ist nicht (mehr) rechtmäßig, wenn die Jahresfrist des § 48 IV VwVfG abgelaufen ist. (Das ist zwar eine Frage der formellen Rechtmäßigkeit, konnte aber oben II. noch nicht behandelt werden, weil es auf die Kenntnis von den „Tatsachen…, welche die Rücknahme…rechtfertigen“ ankommt und deren Prüfung erst nach der Feststellung, dass die Rücknahme nach § 48 I, II VwVfG gerechtfertigt ist, möglich ist; diese Prüfung wird deshalb an dieser Stelle als eigener Punkt eingefügt.)

1. OVG [59] Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme, wenn die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen VA rechtfertigen, nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Bei dieser Frist handelt es sich nach dem Normzweck nicht um eine Bearbeitungs-, sondern eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme des VA zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Rücknahme maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. (BVerwGE 70, 356, 362; 100, 201/2.) Bestätigt wird das nunmehr auch durch BVerwG BeckRS 2019, 4500 (Besprechung Waldhoff JuS 2019, 1135), wo unter [25] ausgeführt wird, dass zur erforderlichen vollständigen Kenntnis der Behörde auch die Stellungnahme des Betroffenen gehört, so dass die Frist nicht vor dessen Anhörung zu laufen beginnt.

2. Nicht zu folgen ist der Auffassung der T, wonach die Frist bereits im März 2017 zu laufen begonnen habe, weil der Behörde bei der zweiten Bewilligung die Kenntnis von der ersten zuzurechnen sei; das ergibt sich aus den Überlegungen oben III 2 b bb). Vielmehr hat B erst aufgrund der Überprüfung Anfang 2019 Kenntnis von der Doppelzahlung erhalten. Die frühestens in diesem Zeitpunkt begonnene Jahresfrist war am 16.5.2019 noch nicht abgelaufen.

V. Mit der Rechtsfolge in § 48 I 1 VwVfG, wonach der VA zurückgenommen werden kann, wird der Behörde Ermessen eingeräumt. Der Rücknahmebescheid ist deshalb rechtswidrig, wenn ein Ermessensfehler (§ 114 VwGO) vorliegt.

1. Indem B in der Begründung des Bescheids ausgeführt hat, von einer Ermessensausübung werde angesichts der klaren Rechtslage abgesehen, wurde von der Ermessensermächtigung nicht in einer ihrem Zweck entsprechenden Weise (§ 114 VwGO) Gebrauch gemacht. Es gibt keinen Grundsatz, dass das Ermessen bei einer klaren Rechtslage entfällt (und etwa nur bei unklarer Rechtslage auszuüben ist). Im Übrigen war auch, wie die bisherigen Überlegungen gezeigt haben, die Verantwortlichkeit der T nicht einfach und klar zu bestimmen. Folglich liegt ein Nichtgebrauch des Ermessens vor, der zur Rechtswidrigkeit des VA führt.

2. Die Widerspruchsbehörde hat den Bescheid durch Ermessenserwägungen ergänzt. Soweit im Widerspruchsverfahren die Zweckmäßigkeit des VA zu überprüfen ist (§ 68 I VwGO), ist die Widerspruchsbehörde auch verpflichtet, eigenes Ermessen auszuüben, insbesondere fehlerhafte Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde durch fehlerfreie oder fehlende durch eigene Ermessenserwägungen zu ergänzen. Das ergibt sich auch daraus, dass Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche VA in der Gestalt und mit der Begründung ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 I Nr. 1 VwGO). OVG [55, 56] Maßgeblich für die Frage der Rechtswidrigkeit ist der VA in seiner endgültigen Gestalt, hier des Widerspruchsbescheides. Eine fehlerhafte Ermessensentscheidung der Ausgangsbehörde kann daher durch fehlerfreie Ermessenserwägungen der Widerspruchsbehörde geheilt werden (vgl. Wolff, in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 197). Dass der Widerspruchsbehörde bei den ergänzenden Erwägungen ein Ermessensfehler unterlaufen ist, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht. Somit ist die Rücknahme nicht wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig.

Die Rücknahme ist rechtmäßig. Die Anfechtungsklage gegen den Rücknahmeteil des Bescheids vom 16.5.2019 ist unbegründet und hat keine Aussicht auf Erfolg.

C. Soweit sich die Klage gegen die Rückforderung der 227 Euro richtet, hat ihr Erfolg zur Voraussetzung, dass dieser Teil des VA vom 16.5.2019 rechtswidrig ist (§ 113 I 1 VwGO).

I. Anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist der - bereits oben B I 1 angesprochene - § 84 a BBG. (Das OVG hat noch § 49 a VwVfG angewendet, weil zu dem Zeitpunkt, in dem im Originalfall der Bescheid erging, § 84 a BBG noch nicht erlassen war.) Nach § 84 a BBG richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Geldleistungen, die der Dienstherr auf Grund beamtenrechtlicher Vorschriften geleistet hat, nach den Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. § 84 a BBG ist anwendbar, weil die mit Bescheid vom 30.3.2017 bewilligte und später ausgezahlte Beihilfe aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften geleistet wurde.

II. In formeller Hinsicht gilt für den Rückforderungsteil des VA dasselbe wie oben B II für die Rücknahme. Also ist der VA nicht aus formellen Gründen rechtswidrig.

III. In materieller Hinsicht müssen die Voraussetzungen des § 84 a BBG vorlegen, und es muss der VA durch die Rechtsfolge dieser Vorschrift gerechtfertigt sein.

1. Voraussetzung ist eine zu viel gezahlte Geldleistung.

a) Nach Rücknahme der Bewilligung vom 30.3.2017 steht fest, dass die Zahlung der zweiten 227 Euro unberechtigt erfolgte und deshalb eine Zuvielzahlung war.

b) Wird allerdings Anfechtungsklage erhoben, hat diese nach § 80 I VwGO aufschiebende Wirkung. Daraus könnte geschlossen werden, dass die aufschiebende Wirkung einen Eintritt der unter a) angenommenen Rechtsfolge verhindert. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang von § 48 VwVfG und § 49 a VwVfG bzw. § 84 a BBG, dass eine gleichzeitige Entscheidung über die Rücknahme und die Rückzahlung möglich ist und dass eine aufschiebende Wirkung diese gleichzeitige Entscheidung nicht verhindern darf. Die aufschiebende Wirkung der Klage bezieht sich danach auf beide Teile des VA und bewirkt, dass während des Bestehens der aufschiebenden Wirkung aus dem Rückforderungsteil nicht vollstreckt werden darf. Ein Hindernis für die Anordnung einer Rückzahlungspflicht bedeutet sie nicht. (Das OVG hat insoweit kein Problem gesehen und die Frage der aufschiebenden Wirkung nicht angesprochen, vgl. [69].)

2. Rechtsfolge ist die Pflicht zur Erstattung. Grundsätzlich ist diese Pflicht die zwingende Rechtsfolge der Rücknahme (ebenso wie bei § 49 a I VwVfG, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 49 a Rdnr. 11). Im Ermessen steht allerdings die Möglichkeit, von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen abzusehen (§ 84 a Satz 3 BBG). Ein solches Ermessen hat die Widerspruchsbehörde ausgeübt, ohne dass insoweit ein Ermessensfehler ersichtlich ist.

3. Aus der Verweisung auf das Bereicherungsrecht folgt, dass der Erstattungsanspruch entfällt, wenn der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 III BGB). Da T als Erbin in Anspruch genommen wird, ist auf M abzustellen (oben B I 2 b). T macht zwar geltend, M habe das Geld ausgegeben. Jedoch ist die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung bei Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes eingeschränkt (§§ 818 IV, 819 I BGB). Nach § 84 a 2 BBG steht der Kenntnis gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Dass das auf M zutrifft, ergibt sich bereits aus den Ausführungen oben B III 2 c). OVG [ 70] bestätigt das nochmals: Tkann sich nicht auf eine Entreicherung berufen… Da die Mutter der T den Erlass des Beihilfebescheids vom 30. März durch unrichtige Angaben bewirkt hat, hätte sie den Grund für die Rücknahme - die rechtswidrige Doppelbeantragung einer Beihilfe - jedenfalls bei gehöriger Anstrengung erkennen müssen, so dass insoweit eine grob fahrlässige Unkenntnis des zur Rücknahme berechtigenden Umstandes vorlag. Für T als Adressatin des Rückforderungsbescheids gilt nichts Abweichendes, weil sie als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechte und Pflichten ihrer Mutter so eingetreten ist, wie sie im Zeitpunkt des Todes ihrer Mutter bestanden haben.

Somit rechtfertigt § 84 a BBG die Rückforderung. Auch der Rückforderungsteil des Bescheids vom 16.5. ist rechtmäßig.

Ergebnis: Die Anfechtungsklage hat insgesamt keine Aussicht auf Erfolg.


Zusammenfassung