Bearbeiter: RA Prof. Dieter Schmalz

Abgrenzung Arbeitnehmer – Selbstständiger (freier Mitarbeiter). Kurzeinleitung

Die ► Abgrenzung des Arbeitnehmers vom Selbstständigen (freien Mitarbeiter) ist grundlegend für die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts (z. B. des Kündigungsschutzrechts, des Urlaubsrechts), des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten (§ 2 I ArbGerG) und des Sozialversicherungsrechts (z. B. Krankenversicherung, Rentenversicherung). Die aufgeführten Regelungen gelten grundsätzlich nur für Arbeitnehmer bzw. bei Beteiligung eines Arbeitnehmers. Die vertragliche Grundlage ist ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) in der besonderen Form des Arbeitsvertrages, zu unterscheiden vom Dienstvertrag oder Werkvertrag des Selbstständigen oder freien Mitarbeiters. Die Abgrenzung hat aktuell wieder an Bedeutung gewonnen, weil es neue Entwicklungen gibt und weil Arbeitgeber zunehmend den Tatbestand des Arbeitnehmers zu vermeiden suchen, um Arbeitskosten, insbesondere Sozialversicherungsbeiträge zu senken, und sich erleichterte Kündigungsmöglichkeiten zu verschaffen. Mit der Abgrenzung aus aktuellem Anlass befasst sich der Beitrag von Grobys in NJW-Spezial 2005, 81.

I. Zeitweilig hatte der Gesetzgeber durch die Regelung der sog. Scheinselbstständigkeit ( 7 IV SGB IV a. F.) eingegriffen, hat diese aber im Zuge der Hartz-Reformen zum 1. 1. 2003 ersatzlos aufgehoben, so dass jetzt wieder die allgemeinen Regeln gelten, wie sie insbesondere von der Rspr. entwickelt wurden.

II. Für die Abgrenzung kann von den Kriterien des § 84 I 2 HGB ausgegangen werden. Danach ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dagegen liegt Arbeitnehmereigenschaft vor, wenn diese Kriterien nicht vorliegen, wenn also eine Person dem Weisungsrecht eines anderen unterworfen und in einen Betrieb bzw. Betriebsablauf eingegliedert ist. Welcher Fall vorliegt, muss im Zweifelsfall an Hand von Indizien gewürdigt und entschieden werden. Dabei kommt es nicht nur auf die vertragliche Gestaltung an, sondern auch auf die tatsächliche Durchführung (Grobys: Verträge müssen nicht nur „juristisch wasserdicht“ sein, sondern es kommt auch darauf an, wie sie in der Praxis „gelebt werden“).

III. Als Sonderfall des Selbständigen, aber praktisch als eine zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen stehende Gruppe, gibt es die arbeitnehmerähnlichen Personen. Sie erbringen die Arbeitsleistung persönlich und ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern und sind, da sie von einem einzelnen Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sind, wie Arbeitnehmer schutzbedürftig (vgl. § 12 a I Nr. 1 TarifvertragsG). Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die auf Grund eines Dienst- oder Werkvertrages ausschließlich für einen bestimmten Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg persönlich bestimmte Leistungen erbringen. Beispiele sind Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich wie Sicherungsdienste, Gebäudereinigung, EDV-Arbeiten, wenn sie nicht einer als juristische Person organisierten Firma, sondern natürlichen Personen übertragen werden (vgl. auch den „Eismann-Fall“ BGH NZA 1999, 53). Für arbeitnehmerähnliche Personen gelten teilweise eigene Schutzvorschriften, teilweise wird auch das Arbeitsrecht für entsprechend anwendbar erklärt (so z. B. in § 2 Satz 2 BundesurlaubsG; § 5 I 2 ArbGG).

IV. Eine Besonderheit gilt auch für die Personen, die sich für die Form der sog. Ich-AG entschieden haben. Eine solche Person kann gegenüber einem anderen Unternehmen (Auftraggeber) die Stellung eines freien Mitarbeiters haben. Erhält sie als Ich-AG Zuschüsse von der Bundesagentur für Arbeit, wird vermutet, dass sie als echte Selbstständige tätig wird (§ 7 IV SGB IV). Der Auftraggeber braucht also keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Das gilt aber nur für das Sozialversicherungsrecht, während es im Arbeitsrecht nach wie vor auf die allgemeine Abgrenzung ankommt, so dass es möglich ist, dass auf die Tätigkeit die Merkmale des Arbeitsverhältnisses oder der arbeitnehmerähnlichen Person zutreffen und arbeitsrechtliche Schutzvorschriften eingreifen.

V. Was den Rechtsweg betrifft, wird die Abgrenzungsfrage in der Regel als Vorfrage im Arbeitsgerichtsprozess behandelt. Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht hat zur Voraussetzung, dass eine Partei Arbeitnehmer (oder arbeitnehmerähnliche Person) ist. Umgekehrt kann es zu einer Vorfragenprüfung auch im normalen Zivilprozess kommen, wenn z. B. der Beklagte geltend macht, der Kläger sei Arbeitnehmer, so dass das Arbeitsgericht zuständig ist. Möglich ist auch, mit einer selbstständigen Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht eine Entscheidung über den Status als Arbeitnehmer herbeizuführen, wenn ein entsprechendes Feststellungsinteresse besteht (Grobys S. 82). – In der Praxis kann die Frage, ob jemand Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter ist, auch durch ein Anfrageverfahren vor der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte jedenfalls für den sozialversicherungsrechtlichen Bereich geklärt werden.