Arbeitsrecht nach seiner „Heimkehr ins BGB“ durch die Schuldrechtsreform 2002

Auswertung des Aufsatzes von Herbert / Oberrath NJW 2005, 3745 (Heft 52) – Kursive Ziffern verweisen auf die Seitenzahlen des Aufsatzes, kursiver Text enthält Zitate daraus.

       Der Arbeitnehmer ist jedenfalls bei Abschluss des Arbeitsvertrages Verbraucher iSd § 13 BGB (S. 3745 unter Hinweis auf BAG NJW 2005, 3305/8).

   Zur Anwendung der AGB-Regeln (§§ 305 ff. BGB) auf Arbeitsverträge

·   Vgl. zunächst § 310 IV Satz 1 BGB (grundsätzliche Geltung der §§ 305 ff.) und Satz 2 BGB (Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten, S. 3745; ferner S. 3749 ff., wo auf die Zulässigkeit einzelner, in Arbeitsverträgen vorkommender Klauseln eingegangen wird; wichtig S. 3751: Unzulässig zumindest nach § 307 BGB sind Änderungen im sog. Kernbereich des Arbeitsverhältnisses, d. h. wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung tangiert wird).

·   Eine geltungserhaltende Reduktion unzulässiger Klauseln wird auch im Arbeitsrecht abgelehnt (S. 3746 unter Hinweis auf BAG NZA 2004, 728/734).

  Zu den Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis

·   Die Unmöglichkeit (§ 275 BGB) spielt  auf Grund des von der ganz herrschenden Meinung angenommenen Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung … eine größere Rolle als bei anderen Schuldverhältnissen (S. 3747). Zu unterscheiden ist zwischen der

-    tatsächlichen, physisch nicht überwindbaren Unmöglichkeit (§ 275 I),

-    der faktischen Unmöglichkeit (§ 275 II) und

-    der persönlichen Unmöglichkeit (§ 275 III), bei denen dem Arbeitnehmer (nur) ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.

Ob eine Krankheit des Arbeitnehmers unter § 275 I oder III fällt, ist noch nicht entschieden. Der Aufsatz folgt der Rspr. des BAG zur früheren Rechtslage und der Literatur, wonach Krankheit zur Anwendung des § 275 I führt (S. 3747). Die Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen fällt unter § 275 III (S. 3747; vgl. auch zur – berechtigten - Befehlsverweigerung eines Berufssoldaten aus Gewissensgründen BVerwG DVBl 2005, 1455).

·   Dass der Schuldner, dessen Leistung unmöglich wird, seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert (§ 326 I BGB),  gilt grundsätzlich auch für das Arbeitsrecht (Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, S. 3747). Allerdings bleiben zahlreiche Ausnahmen in Kraft, insbesondere § 3 EntgeltfortzahlungsG, hinzu kommt § 615 S. 3 BGB, wonach (entsprechend früherer Rspr.) bei Arbeitsausfall infolge einer Betriebsstörung der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch behält. - Hat der AN danach seine Vergütung zu Unrecht erhalten, schuldet er Rückzahlung nicht mehr nach Bereicherungsrecht, sondern gemäß §§ 326 IV iVm 346 ff. nach Rücktrittsrecht (so dass der mögliche Einwand aus § 818 III weggefallen ist, S. 3747).

·   Bei Schlechtleistung des Arbeitnehmers, insbesondere bei Nichterfüllung der Arbeitspflicht und bei Schädigung der Rechtsgüter des Arbeitgebers, haftet der Arbeitnehmer nach § 280 I 1. § 280 I 2 gilt hier nicht (§ 619a BGB), so dass die Beweislast für ein Vertretenmüssen beim Arbeitgeber bleibt (S. 3748). Die Grundsätze über eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung in den Fällen betrieblich veranlasster Tätigkeit gelten weiter; sie sind auch nach wie vor auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB zu stützen (S. 3748/9) und sind deshalb zwingend, d. h. Klauseln im Arbeitsvertrag, die die Haftung des Arbeitnehmers darüber hinaus verschärfen, sind nichtig (S. 3752).

·   Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund richtet sich nach wie vor nach § 626 BGB, der die neu eingeführte Vorschrift des § 314 I als Spezialvorschrift verdrängt. Allerdings ergibt sich die Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung nunmehr aus § 314 II BGB (S. 3752/3).

  Ein am Arbeitsplatz geschlossener Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann nicht als sog. Haustürgeschäft nach § 312 I Nr. 1 BGB widerrufen werden (S. 3752 unter Bezugnahme auf BAG NJW 2004, 2401). Zwar ist der Arbeitnehmer Verbraucher (s. o.). § 312 I Nr. 1 muss aber einengend ausgelegt werden: § 312 betrifft nur „besondere Vertriebsformen“, wozu eine arbeitsrechtliche Vereinbarung nicht gehört. Auch befindet sich der Arbeitnehmer, wenn die Vereinbarung am Arbeitsplatz geschlossen wird, nicht in derselben atypischen Situation wie der Konsument bei Rechtsgeschäften des Direktvertriebs; es fehlt am „situationstypischen Überraschungsmoment“.