Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Haftung des Arbeitnehmers für Beschädigung einer Sache des Arbeitgebers, §§ 611, 280 I, 619 a BGB. Haftungsbeschränkung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit, § 254 BGB analog. Abdingbarkeit der Grundsätze über die Haftungsbeschränkung

BAG Urteil vom 5. 2. 2004 (8 AZR 91/03) NJW 2004, 2469 = NZA 2004, 649

Fall (Selbstbeteiligung nach Parkunfall)

Fa. F vertreibt Waren für Baumärkte. Für sie ist A als Außendienstmitarbeiter tätig. In dem zwischen F und A geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es in Nr. 6: „Der Vertreter erhält von der Firma ein Dienstfahrzeug, das er auch privat nutzen darf und das er pfleglich zu behandeln hat. Der Pkw ist vollkaskoversichert mit 1.000 € Selbstbeteiligung. Verschuldet der Mitarbeiter einen Unfall, so trägt er die Selbstbeteiligung in vollem Umfang.“

Am 5. 4. hatte A einen OBI-Baumarkt in Bad Hersfeld besucht und fuhr auf dem Parkplatz des Unternehmens rückwärts aus einer Parklücke. Vorher hatte er sich vergewissert, dass hinter ihm frei war. Während des Herausfahrens musste er vorn genau aufpassen, um das links neben ihm parkende Fahrzeug nicht zu berühren, so dass er für einen kurzen Augenblick nicht nach hinten schaute. Deshalb übersah er, dass auf der rechten Seite der S ebenfalls aus einer Parklücke herausgefahren war und sich hinter ihm befand. A fuhr S an und verursachte dadurch an dem Firmenfahrzeug einen Schaden in Höhe von 1.700 €, der von der Versicherung übernommen wurde, jedoch abzüglich der Selbstbeteiligung. F verlangt von A Erstattung der 1.000 € Selbstbeteiligung.

Im Originalfall hatte der Arbeitgeber den Betrag vom Lohn des Arbeitnehmers abgezogen. Der Arbeitnehmer erkannte das nicht an und klagte den einbehaltenen Betrag ein. Dabei erschien die streitige Forderung als vom beklagten Arbeitgeber zur Aufrechnung gestellte (Gegen-) Forderung. Da dadurch aber das Verständnis der Falllösung erschwert würde, ist nach obiger Aufgabe nur die Forderung des Arbeitgebers zu prüfen. Den dadurch veränderten Parteirollen werden auch die Originalzitate angepasst.

I. F könnte gegen A einen Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Arbeitsvertrages (§ 280 I BGB) haben. Die Anwendbarkeit des § 280 I auf den Arbeitsvertrag unterliegt keinem Zweifel und ergibt sich auch aus dem die Beweislast nach § 280 I 2 abändernden § 619 a BGB.

1. Zwischen F und A ist ein Arbeitsvertrag geschlossen worden, der ein Anwendungsfall des Dienstvertrages (§ 611 BGB) ist. Ob gerade auch Nr. 6 Satz 3 des Arbeitsvertrages rechtswirksam ist, ist hierfür noch ohne Bedeutung, weil die Parteien den Vertrag auch geschlossen hätten, wenn diese Vorschrift unzulässig wäre (§ 139 BGB).

2. A müsste eine sich aus dem Vertrag ergebende Pflicht schuldhaft verletzt haben.

a) A hatte die Pflicht, das im Eigentum der F gebliebene Firmenfahrzeug sorgfältig zu behandeln und es nicht durch Verursachung eines Unfalls zu beschädigen (§ 241 II BGB, Nr. 6 des Arbeitsvertrages). Diese Pflicht hat er objektiv verletzt, indem er bei dem Vorfall auf dem Parkplatz gegen das Auto des S fuhr und dabei das Firmenfahrzeug beschädigte.

b) Beim Arbeitsvertrag muss das Verschulden des Arbeitnehmers positiv festgestellt und im Streitfall vom Arbeitgeber bewiesen werden (§ 619 a BGB). Aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, dass A den hinter ihm befindlichen S übersehen und angefahren hat. Darin liegt ein Verschulden i. S. des § 276 I, II BGB. Allerdings war es gerade deshalb zu dem Unfall gekommen, weil A sich um die erforderliche Sorgfalt gegenüber dem linken Nachbarfahrzeug bemüht und deshalb für einen Moment den Blick nach hinten versäumt hatte. Es handelt sich um ein noch verständliches Versehen, das in den Bereich leichtester Fahrlässigkeit gehört.

3. A hat seine arbeitsvertragliche Pflicht fahrlässig verletzt und den Tatbestand der §§ 280 I, 619 a, 276 I, II erfüllt. (Das BAG hatte den Fall, weil sich der Unfall am 5. 4. 2001 abgespielt hatte, noch nach altem Recht zu lösen und bejaht auf S. 2470 unter 2 einen Anspruch „wegen positiver Vertragsverletzung“.)

II. Dem Anspruch könnten aber die Grundsätze über die Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entgegenstehen.

1. Diese Grundsätze wurden früher auf die schadens- bzw. gefahrgeneigte Arbeit beschränkt, gelten aber seit BAGE 78, 56 umfassender und werden auf eine Analogie zu § 254 I BGB gestützt. BAG NJW 2003, 377 (= JurTel 2004 Heft 2 S. 31) auf S. 378/9 unter 3a): Dabei geht es darum, die Verantwortung des Arbeitgebers für die Organisation des Betriebs und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und das darin liegende Betriebsrisiko des Arbeitgebers mit einzubeziehen. Der Arbeitnehmer kann den vorgegebenen Arbeitsbedingungen in der Regel weder tatsächlich noch rechtlich ausweichen. Auf Grund des Weisungsrechts bestimmt der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Damit prägt die vom Arbeitgeber gesetzte Organisation des Betriebs das Haftungsrisiko für den Arbeitnehmer (BAGE 78, 56; BAG, NZA 1998, 140). Es ist deshalb gerechtfertigt, dem Arbeitgeber zumindest einen Teil des Schadensrisikos aufzuerlegen. Bei der analogen Anwendung des § 254 wird also „Mitverschulden“ durch „Verantwortung und Betriebsrisiko“ ersetzt.

2. Anwendungsvoraussetzung ist eine betrieblich veranlasste Tätigkeit.

a) BAG im vorliegenden Fall auf S. 2470 unter 2: Nach der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27. 9. 1994 (BAGE 78, 56) finden die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten Anwendung, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden.

b) Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung finden auf den streitigen Parkunfall Anwendung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Bekl. im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit für die Kl. mit dem Dienstwagen auf dem OBI-Parkplatz in Bad Hersfeld in einen Unfall verwickelt war. Es handelt sich daher um eine „betrieblich veranlasste“ Schädigung.

3. Den materiellen Gehalt dieser Grundsätze fasst das BAG auf S. 2470 unter a) zusammen.

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören

Im vorliegenden Fall fällt A, wie bereits oben I 2b) ausgeführt wurde, nur leichteste Fahrlässigkeit zur Last. Nach obigen Grundsätzen (dritter Punkt) haftet er deshalb nicht. Einer Abwägung unter Berücksichtigung der vorstehenden Umstände bedarf es nur bei normaler Fahrlässigkeit und ausnahmsweise bei grober Fahrlässigkeit (BAG NJW 2002, 2900), nicht jedoch bei leichtester Fahrlässigkeit.

4. Die Beschränkung der Haftung könnte jedoch durch Nr. 6 Satz 3 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen sein, so dass A in Höhe der Selbstbeteiligung voll haftet.

a) BAG S. 2470 unter c): Entgegen der Auffassung des LAG richtet sich die Haftung des Bekl. nicht nach den zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen zur Haftung für Schäden am Dienstfahrzeug. Diese Vereinbarungen verstoßen, soweit sie eine Haftung des Bekl. auch bei leichtester Fahrlässigkeit begründen, gegen zwingendes Recht und sind daher insoweit unwirksam… Der erkennende Senat hat in st. Rspr. ausgeführt, dass die aus der entsprechenden Anwendung von § 254 BGB folgenden Regeln über die Haftung im Arbeitsverhältnis einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind; von ihnen kann weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden (folgen Nachw.).

b) Entgegen der Auffassung der Kl. ist die Verschärfung der Haftung des Arbeitnehmers nicht deshalb zulässig, weil für diese Verschlechterung dem Arbeitnehmer mit der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens eine ausreichende Kompensation besteht. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch für Privatfahrten nutzen zu können, ist grundsätzlich eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung (folgen Nachw.). Die private Nutzung ist als geldwerter Vorteil vom Arbeitnehmer zu versteuern. Sie könnte allenfalls die Vereinbarung einer verschärften Haftung des Arbeitnehmers bei privater Nutzung des Dienstwagens rechtfertigen, nicht aber bei betrieblich veranlassten Fahrten.

Somit ist die Haftungsbeschränkung nicht ausgeschlossen. Es bleibt dabei, dass A wegen des Unfalls keinen Schadensersatz aus Vertrag schuldet.

III. Gleiches gilt für den Anspruch aus § 823 I BGB wegen schuldhafter Beschädigung des Eigentums der F an dem Auto. Die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung gilt auch für diese Anspruchsgrundlage (BAG NZA 1999, 141, 144).

IV. A schuldet der F keinen Schadensersatz und braucht ihr die Selbstbeteiligung nicht zu erstatten.

Zusammenfassung

Soweit danach eine Abwägung zu erfolgen hat, richtet diese sich nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten, u. a. nach dem Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, der Gefahrgeneigtheit der Arbeit, der Höhe des Schadens und des Arbeitsentgelts.