Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Eigentumsverletzung (§ 823 I BGB) durch Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Sache. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 I BGB; Unmittelbarkeit und Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Anspruch gegen Gewerkschaft auf Schadensersatz wegen der Folgen eines Streiks. Unterstützungsstreik, drittbetroffenes Unternehmen. § 826 BGB, sittenwidrige Schädigung durch Streik

BAG
Urteil vom 25. 8. 2015 (1 AZR 754/13) NJW 2016, 666

Fall (Stuttgarter Fluglotsenstreik)

Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS), deren Anteile vollständig vom Bund gehalten werden, nimmt die Aufgabe der Flugsicherung am Flughafen Stuttgart durch dort stationierte Fluglotsen wahr. Betreiberin des Flughafens Stuttgart ist die Flughafen Stuttgart GmbH (FSG). Die FSG hat in Stuttgart auch die zur Flugsicherung gehörende Aufgabe der Vorfeldkontrolle übernommen. Das Flugsicherungspersonal war in der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) organisiert.

Zwischen der Gewerkschaft GdF und der den Flughafen betreibenden FSG wurden Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Vorfeldkontrolle geführt, die aber ohne Einigung geblieben waren. Nach Ablauf der Friedenspflicht folgten am 3. März die Beschäftigten der Vorfeldkontrolle einem Aufruf der GdF zu einem befristeten Streik. Dieser hatte aber zunächst keine weiteren Folgen, weil die FSG andere Mitarbeiter einsetzen konnte. Um den Druck auf die FSG zu erhöhen, rief die GdF die bei ihr organisierten und im Tower Stuttgart tätigen Fluglotsen - nach Ankündigung und Vereinbarung eines Notfallplans - zu einem Unterstützungsstreik auf. In der Ankündigung gab sie an: „Dieser Unterstützungsstreik dient zur Durchsetzung der GdF-Forderungen gegenüber der Flughafen Stuttgart GmbH.“ Am 6. 4. legten die dazu aufgerufenen Fluglotsen - mit Ausnahme der für Notfallarbeiten eingeteilten - die Arbeit für die Zeit von 16:00 bis 22:00 Uhr nieder.

Die K-AG ist ein Luftverkehrsunternehmen und fliegt auch von Stuttgart aus. Infolge des Streiks der Fluglotsen fielen sechs Flüge mit Flugzeugen der K ersatzlos aus, was bei K zu einem Schaden in Höhe von 12.000 Euro führte. K verlangt von der GdF Ersatz dieses Schadens. Zur Begründung beruft sie sich darauf, die Fluglotsen hätten nichts mit der Tarifauseinandersetzung zwischen der GdF und der FSG zu tun gehabt und hätten deshalb nicht streiken dürfen. K sei unbeteiligte Dritte gewesen und betrachte die Blockade ihrer Flugzeuge und den Eingriff in ihren Geschäftsbetrieb als vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung. Ist der Anspruch der K-AG gegen die GdF begründet?

I. Vertragliche Beziehungen bestehen zwischen der K-AG und der GdF nicht. Es kommt ein Anspruch aus § 823 I BGB in Betracht.

1. Die GdF könnte das Eigentum der K an ihren Flugzeugen verletzt haben. Da der Sachverhalt davon spricht, dass Flüge mit Flugzeugen der K ausfielen, ist davon auszugehen, dass die Flugzeuge im Eigentum der K standen. Weiterhin müsste eine Verletzungshandlung gegeben sein.

a) Der hierfür typische Eingriff in die Sachsubstanz ist nicht erfolgt; die Flugzeuge blieben unbeschädigt. Eine Eigentumsverletzung ist aber auch ohne Eingriff in die Sachsubstanz möglich. BAG [27] Eine Eigentumsverletzung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB setzt nicht zwingend einen Eingriff in die Sachsubstanz voraus… Ebenso BGH NJW 2015, 1174 in einem Fall, in dem wegen einer beschädigten Brücke ein Autobahnteilstück gesperrt worden und eine dahinter liegende Raststätte nicht mehr erreichbar war, [18] Insoweit entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB nicht zwingend einen Eingriff in die Sachsubstanz voraussetzt…

b) Eine Fallgruppe, bei der eine Eigentumsverletzung ohne Eingriff in die Sachsubstanz vorliegen kann, wird von den Fällen gebildet, in denen die bestimmungsgemäße Verwendung der Sache, die dem Eigentümer durch § 903 BGB gewährleistet ist, beeinträchtigt wird (BAG [27]; BGH NJW 2015, 1174 [18]. Im vorliegenden Fall ist eine Beeinträchtigung der Flugzeuge dadurch erfolgt, dass die Flugzeuge nicht starten und deshalb nicht ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden konnten. Dafür war der von der GdF ausgerufene Streik der Fluglotsen ursächlich.

c) Weitere Voraussetzung für eine Eigentumsverletzung bei dieser Fallgruppe ist, dass die Beeinträchtigung nicht unerheblich ist und dass sie ihren Grund in einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache selbst hat, wobei diese tatsächlicher oder - wie im Falle eines Nutzungsverbots - rechtlicher Natur sein kann(so BAG [27], mit Bezug auf die gleichlautende Formulierung des BGH im Fall „Autobahnsperrung“, dort [18]).

aa) Anwendungsfall des unmittelbaren Einwirkens ist nach BGHZ 55, 153 das Einsperren eines Schiffes mit der Folge, dass es nicht auslaufen und infolgedessen nicht bestimmungsgemäß verwendet werden konnte. Daran knüpft BAG [27] an: Eine die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf eine Sache, die dem Transport von Menschen oder Gütern dient, kann etwa anzunehmen sein, wenn sie jede Bewegungsmöglichkeit verliert und ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch für einen nicht unerheblichen Zeitraum entzogen wird. Ebenfalls als Eingriff beurteilt hat BGHZ 137, 89 eine zweitägige Blockade von Baumaschinen.

bb) Dagegen hat BGHZ 86, 152 die Nichtbefahrbarkeit eines Kanals infolge eines Dammbruchs und die damit verbundene Nichterreichbarkeit von Anlagen über diesen Kanal nicht als unmittelbares Einwirken auf die Anlagen beurteilt. [18] Fehlt es an einer solchen unmittelbaren Einwirkung auf die Sache selbst, wird eine auf Nutzungseinschränkungen gestützte Eigentumsverletzung abgelehnt… Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die wirtschaftliche Nutzung einer Anlage nur deshalb vorübergehend eingeengt wird, weil sie von Kunden infolge einer Störung des Zufahrtsweges nicht angefahren werden kann, ohne dass zugleich in die Sachsubstanz der Anlage eingegriffen oder deren technische Brauchbarkeit beschränkt oder beseitigt wurde. Ebenso hat BGH NJW 2015, 1174 im Fall der Autobahnsperrung entschieden: Die wenige Kilometer von der Rastanlage entfernte Sperrung…wirkte nicht unmittelbar auf die Rastanlage und ihre Einrichtungen ein. Die Auswirkungen der Sperrung auf die Rastanlage beschränkten sich auf den Wegfall des Durchgangsverkehrs für die Zeit der Sperrung, das deshalb zu erwartende Ausbleiben von Kunden und die sich daraus ergebende vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzung der Anlage.

cc) Im vorliegenden Fall müsste, um eine Eigentumsverletzung bejahen zu können, die die Flugzeuge treffende Nutzungsbeschränkung eine unmittelbare Einwirkung auf die Flugzeuge sein. Dabei kann offen bleiben, ob die fehlenden Starterlaubnisse eher ein rechtliches Hindernis oder ein tatsächliches Hindernis für eine bestimmungsgemäße Verwendung der Flugzeuge sind; beides lässt sich vertreten.

Für ein unmittelbares Einwirken spricht, dass Flugzeuge, die auf einem Flughafen ohne Starterlaubnisse stehen, praktisch stillgelegt und ähnlich eingesperrt sind wie das Schiff im Fall BGHZ 55, 153. Fraglich ist aber, ob dadurch ein Flugzeug „jede Bewegungsmöglichkeit verloren hat“ (vgl. oben aa). Einer dahin gehenden Feststellung steht entgegen, dass stets die Möglichkeit bestand, dass die Fluglotsen einem oder mehreren der geplanten Flüge ausnahmsweise den Abflug gestatteten. Im Originalfall hatten die Fluglotsen stündlich 10 Flüge und damit insgesamt 25 % des normalen Flugverkehrs trotz des Streiks abgewickelt. Auch war es möglich, dass der Streik vorzeitig beendet wurde und die Flüge noch frei gegeben wurden. Diese Überlegungen sprechen dagegen, die Flugzeuge wie solche zu behandeln, die „an die Kette gelegt wurden“.

Eine weitere Überlegung stellt darauf ab, dass Verkehrsmittel zwar vom Vorhandensein freier Verkehrswege abhängig sind, dass es aber keine dahin gehende Sicherheit geben kann. Vielmehr muss stets damit gerechnet werden, dass Verkehrswege nicht frei sind, etwa indem Flugrouten gesperrt werden, Anschlagsdrohungen oder andere Störungen Abflüge auch für mehrere Stunden verhindern. Im Urteil vom 11. 1. 2005 - VI ZR 34/04 - hat der BGH in dem Fall, in dem eine Lokomotive wegen Beschädigung eines Gleises mehrere Stunden nicht fahren konnte, ein unmittelbares Einwirken auf die Lok verneint. Daran knüpft BAG [27] an: Ein unmittelbares Einwirken liegt nicht vor, wenn ein Transportmittel…nur wenige Stunden an einer konkret geplanten Fahrt gehindert und dadurch lediglich seine wirtschaftliche Nutzung vorübergehend eingeengt wird (BGH vom 11. Januar 2005 - VI ZR 34/04 - zu II 2 a der Gründe m. w. N.). Im vorliegenden Fall bejaht das BAG eine bloße Hinderung der geplanten Flüge für wenige Stunden und fügt im Hinblick auf die Flugzeuge hinzu, [29] Weder war ihre Lufttüchtigkeit oder Bewegungsfähigkeit eingeschränkt noch ihre Nutzung derart unterbunden, dass sie als Transportmittel praktisch ausschieden (…). Insoweit wurde aufgrund des Streiks der Fluglotsen des Towers Stuttgart lediglich die Erwartung der K enttäuscht, mit einem bestimmten Flugzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Flughafen zu starten oder zu landen. Dies ist eine Dispositionsbeeinträchtigung, die nicht dem Schutz des § 823 Abs. 1 BGB unterfällt.

dd) BAG [33] Die von K herangezogene Entscheidung des BGH vom 21. Juni 1977 (VI ZR 58/76) gebietet keine andere Beurteilung. Darin hat der BGH eine Eigentumsverletzung angenommen, weil ein Betriebsgrundstück nach einem polizeilichen Räumungsgebot wegen Explosionsgefahr eines umgestürzten Tanklasters für zwei Stunden gesperrt werden musste. Dabei hatte jedoch die Grundstücksbeeinträchtigung wegen der akuten Brand- und Explosionsgefährdung ihren Grund in einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache selbst. Dagegen hat der BGH keine Eigentumsverletzung in dem Umstand gesehen, dass auf dem Betriebsgrundstück befindliche, mit Material beladene Fahrzeuge auch noch nach Aufhebung der polizeilichen Räumungsanordnung wegen der Blockierung der Zufahrtstraße durch Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr für weitere drei Stunden am Ausfahren gehindert waren (BGH 21. Juni 1977 - VI ZR 58/76 - zu II 2 der Gründe).

d) Somit wurde das Eigentum der K an den Flugzeugen durch den Streik der Fluglotsen, zu dem die GdF aufgerufen hatte, nicht verletzt. Ein Anspruch aus § 823 I BGB wegen einer Eigentumsverletzung scheidet aus.

2. Es könnte eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb der K erfolgt sein. BAG [35] Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB deliktisch geschützten „sonstigen Rechten“ gehört das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung seines Betriebs gerichtet und umfasst alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehende Einheit ausmacht (BGHZ 86, 156; BAGE 132, 140). Durch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Einordnung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb in den Kreis der „sonstigen Rechte“ des § 823 Abs. 1 BGB ist dieses Recht den dort ausdrücklich erwähnten Rechtsgütern hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt. Dieses Recht ist zwar subsidiär gegenüber einer Verletzung des Eigentums (BGHZ 105, 350: bloßer „Auffangtatbestand“); das Eigentum an den Flugzeugen ist aber gerade nicht verletzt worden. - Zum deliktischen Unternehmensschutz durch das Recht am Gewerbebetrieb Staake/von Bressendorf JuS 2016, 297.

a) Als gewerblichem Flugverkehrsunternehmen stand K das Recht an ihrem Gewerbebetrieb zu. Die Flugzeuge gehörten zu dem Gewerbebetrieb.

b) Der Ausfall der Nutzungsmöglichkeit an den Flugzeugen als Folge des Streiks müsste eine Verletzung dieses Rechts sein.

aa) BAG [36] Nicht jede Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs löst Ersatz- oder Abwehransprüche seines Inhabers aus. Da der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen - dem Deliktsrecht fremden - Vermögensschutz bezweckt, bedarf es einer sachgerechten Eingrenzung des Haftungstatbestandes. Dem dient das Erfordernis des unmittelbaren Eingriffs, der eine sachlich nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Inhaber von Gewerbebetrieben gegenüber anderen von einem schadensstiftenden Ereignis Betroffenen ausschließt (BGHZ 192, 204;…BAGE 59, 48). BGH NJW 2015, 1174 im Fall der Autobahnsperrung, [20] Ein Anspruch besteht nur, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Zum „betriebsbezogenen Eingriff“ Staake/von Bressendorf JuS 2016, 300.

BAG [37] Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb…müssen ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein (…). Die bloße Kenntnis der „Streuwirkung“ einer Verletzungshandlung auf (Dritt-)Unternehmen lässt nicht zwingend den Schluss auf die Unmittelbarkeit eines Eingriffs in deren Betriebe zu (…). Daher fehlt es an einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein kann, diese aber nach den das Haftungsrecht prägenden wertenden Zurechnungsgrundsätzen entschädigungslos hinnehmen müsste (…). Dies ist bei Nutzungsbeschränkungen oder -störungen von nicht ausschließlich dem geschädigten Gewerbebetrieb zustehenden Transport- und Versorgungswegen in der Regel anzunehmen (BGHZ 29, 65; 66, 388; vgl. zur Gleisnutzung BGH 11. Januar 2005 - VI ZR 34/04 -; zur Straßennutzung BGH 18. November 2003 - VI ZR 385/02 -; 21. Juni 1977 - VI ZR 58/76 -; zur Wasserstraßennutzung BGHZ 55, 153; zuletzt Rheinschifffahrtsobergericht Köln 5. September 2014 - 3 U 32/14 -).

bb) Danach müsste der an die Fluglotsen gerichtete Streikaufruf gegenüber der K betriebsbezogen gewesen sein; er müsste sich seiner Stoßrichtung nach (auch) gegen K gerichtet haben. Dabei reicht die Kenntnis der GdF davon, dass auch K betroffen ist, nicht aus. BAG [38-45]

(1) Nach dem Aufruf der GdF richtete sich der Streik nicht gegen K. Entsprechend ihrer Ankündigung gegenüber der DFS hat die GdF ihre „Mitglieder am Standort Tower Stuttgart für Montag den 06. April 2009, in der Zeit von 16:00 bis 22:00 zu einem befristeten Unterstützungsstreik“ aufgerufen, der dann auch…stattgefunden hat. Die Maßnahme zielte darauf, den Betrieb einer Einrichtung der DFS zu beeinträchtigen. Mittels der Arbeitsniederlegung der im Tower des Flughafens Stuttgart tätigen Fluglotsen sollte auf die DFS eingewirkt werden, um den Druck auf die FSG zu verstärken und den gegen dieses Unternehmen geführten Hauptarbeitskampf zu beeinflussen.

(2) Auch nach der überwiegenden Literaturmeinung fehlt es gegenüber einem kampfunbeteiligten Arbeitgeber regelmäßig an einer Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in dessen Gewerbebetrieb, mag sein Unternehmen auch durch den Streik beeinträchtigt sein (Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Bd. I § 26 II 3 a; Kissel, Arbeitskampfrecht § 74 Rn. 9;…Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 16 Rn. 120; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht § 34 V 1….).

(3) Die Stoßrichtung der Streikaktion muss nicht deshalb als gegen den Gewerbebetrieb der K gerichtet bewertet werden, weil dessen unternehmerische Tätigkeit zwingend von der Inanspruchnahme der durch die DFS erbrachten Flugsicherungsdienste abhängt (aA Scharff BB 2015, 1845, 1848 f.; Sprenger BB 2013, 1146, 1147 f.;…).

(a) Ein Unternehmen, dessen Geschäftszweck in der Beförderung von Personen oder Sachen auf dem Luftweg besteht, ist aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen von einer (örtlich und zeitlich begrenzten) Nichterbringung von Flugsicherungsdiensten notwendig in seiner unternehmerischen Betätigung (temporär und begrenzt auf ein bestimmtes Gebiet) betroffen. Nach § 1 Abs. 1 LuftVG ist die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge frei, soweit sie nicht durch das LuftVG, durch die zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften, durch im Inland anwendbares internationales Recht, durch Rechtsakte der Europäischen Union und die zu deren Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften beschränkt wird…

(b) Aus diesen luftverkehrsrechtlichen Vorgaben zu einer für die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit der K nicht substituierbaren Leistungsvoraussetzung - der Inanspruchnahme der Flugsicherung - folgt jedoch nicht, dass sich der Unterstützungsstreik am 6. April 2009 gegen ihren Gewerbebetrieb gerichtet hat. Die Reglementierung des Luftverkehrs ist arbeitskampfneutral. Sie bedingt keinen Wechsel oder eine Erweiterung des von der GdF bestimmten Gegners ihrer Streikaktion. K begründet die gegen sie zielende Stoßrichtung des Unterstützungsstreiks mit ihrer unvermeidlichen Betroffenheit. Das greift zu kurz. Allein aus dem Eintritt eines bestimmten Handlungserfolgs kann nicht auf die Handlungsgerichtetheit einer Arbeitskampfmaßnahme geschlossen werden. So können Fluggesellschaften wegen der spezifischen institutionellen Rahmenbedingungen in ihrer gewerblichen Betätigung vielfältig von Tarifauseinandersetzungen zwischen Dritten betroffen sein, beispielsweise auch durch einen Streik von Beschäftigten des Flughafenbetreibers oder eines mit betriebswesentlichen Aufgaben wie etwa der Sicherheitskontrolle oder der Bodenabfertigung beauftragten Unternehmens. Über die Verfügbarkeit dieser Dienste können sie ebenso wenig disponieren wie über die der Flugsicherung. Nur wegen der Unausweichlichkeit von Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebs der K kann dem im Arbeitskampfaufruf der GdF eindeutig ausgedrückten Ziel, die DFS zu bestreiken, keine andere Richtung unterstellt werden.

cc) Somit war der Streikaufruf der GdF keine gegenüber K betriebsbezogene Maßnahme. Es fehlt deshalb an einem unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb der K. Ein Anspruch aus § 823 I BGB lässt sich nicht mit einer Verletzung des Rechts der K an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen.

II. Unter dem Aspekt, dass K „die Blockade ihrer Flugzeuge“ als „vorsätzliche und sittenwidrige Schadenszufügung“ betrachtet, ist § 826 BGB als Anspruchsgrundlage zu prüfen. Voraussetzung ist eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung. Dabei ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit - ebenso wie bei § 138 BGB - das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden maßgeblich.

1. Bei dieser Beurteilung kann zunächst darauf abgestellt werden, ob es sich um einen rechtmäßigen oder rechtswidrigen Streik gehandelt hat.

a) Davon, dass der Streik im Verhältnis zwischen der die Arbeitnehmer der Vorfeldkontrolle vertretenden GdF und der FSG als Arbeitgeberin (der Hauptarbeitskampf) rechtmäßig war, kann ausgegangen werden.

b) Bei dem Streik der Fluglotsen handelte es sich um einen Unterstützungsstreik. Dessen Zulässigkeit wird nicht einheitlich beurteilt. Das BAG hat ihn früher als grundsätzlich unzulässig betrachtet, diese Auffassung aber in BAGE 123, 134 aufgegeben. Die Leitsätze dieser Entscheidung lauten: 1. Gewerkschaftliche Streiks, die der Unterstützung eines in einem anderen Tarifgebiet geführten Hauptarbeitskampfs dienen, unterfallen der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. 2. Die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks richtet sich - wie bei anderen Arbeitskampfmaßnahmen - nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er ist rechtswidrig, wenn er zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfs offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder unangemessen ist.

aa) Zwar handelt LS 1 von einem Streik, der einen Arbeitskampf in einem anderen Tarifgebiet unterstützen soll, jedoch gibt es keinen Grund, die dort aufgestellten Grundätze nicht auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Danach ist der Streikaufruf der GdF nicht schon deshalb unzulässig, weil es sich um einen Unterstützungsstreik gehandelt hat.

bb) Was die Frage der Verhältnismäßigkeit des Unterstützungsstreiks betrifft, ist davon auszugehen, dass durch den zusätzlichen Streik der Druck auf die FSG erhöht werden sollte. Hierfür war der zusätzliche Streik nicht ungeeignet. Der Druck allein durch den Streik der Vorfeld-Beschäftigten war offensichtlich nicht ausreichend, so dass ein weiterer Streik auch erforderlich war. Unangemessen war er insbesondere deshalb nicht, weil er nur sechs Stunden gedauert hat, ein Notdienst zur Verfügung stand und sich der Schaden bei K mit 12.000 Euro durchaus in Grenzen gehalten hat. Dass K als unbeteiligte Dritte durch den Streik geschädigt wurde, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit. Vielmehr ist es der Normalfall beim Streik, dass erhebliche Nachteile auch bei den Abnehmern der Produkte oder Leistungen eintreten, deren Produktion oder Erbringung durch den Streik behindert wird (z. B. der Bahnkunden bei einem Streik der Lokführer).

Folglich war der Unterstützungsstreik rechtmäßig. Der dadurch bei K eingetretene Vermögensschaden war eine zulässige Folge dieses Streiks und bedeutet keine sittenwidrige Schädigung.

2. Das BAG hat die Frage der Rechtmäßigkeit des Streiks offen gelassen und eine sittenwidrige Schädigung selbst für den Fall verneint, dass der Streik rechtswidrig war. [55] Auch bei einer unterstellten Rechtswidrigkeit des Unterstützungsstreiks vom 6. April 2009 wäre jedenfalls eine mit ihm einhergehende sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der K nicht anzunehmen… Die von der Beklagten als Gewerkschaft initiierte, angekündigte, unter Leistung von Notdienstarbeiten durchgeführte und bereits nach der Planung auf sechs Stunden begrenzte kollektive Arbeitsniederlegung der Fluglotsen bezweckte die Unterstützung des gegen die FSG geführten Arbeitskampfes. Darin drückt sich - selbst bei Unrechtmäßigkeit des Streiks - kein besonderer Unrechtsgehalt aus. Auch wenn die in der Beklagten organisierten Fluglotsen als Spezialisten in Schlüsselstellungen über ein nicht geringes Macht- und Druckpotential verfügen, ist der Streik vom 6. April 2009 weder besonders verwerflich noch missbräuchlich gewesen. Die Argumentation der K, den Fluglotsen stehe im Hinblick auf ihre Gefahrenabwehrtätigkeit und den sonderpolizeilichen Charakter der Flugsicherung als Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in privatrechtlicher Organisationsform überhaupt kein Streikrecht zu, ist verfassungsrechtlich nicht haltbar…Vielmehr ist der gebotenen Vermeidung unverhältnismäßiger Gemeinwohlschädigungen oder unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen Dritter durch die Sicherstellung von Notdiensten Rechnung zu tragen (BVerfGE 130, 76 [162] m. w. N.). Das hat die GdF mittels der mit der DFS geschlossenen und während der Kampfmaßnahme durchgeführten Notdienstvereinbarung gewährleistet.

3. Folglich war der Streikaufruf nicht sittenwidrig. Ein Anspruch aus § 826 BGB steht der K nicht zu.

Endergebnis: Der Anspruch der K gegen die GdF ist nicht begründet.


Zusammenfassung