Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Tatsächliches Anerkenntnis als Beweiserleichterung. Sachmangelanspruch; Anspruch auf kostenlose Reparatur, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf, § 476 BGB; Schluss vom Folgemangel auf Grundmangel

BGH
Urteil vom 11. 11. 2008 (VIII ZR 265/07) www.bundesgerichtshof.de

Fall (Getriebeschaden)

Am 14. April wurde zwischen dem Kraftfahrzeughändler B und dem K ein Kaufvertrag über einen gebrauchten Mercedes zu einem Preis von 27.500 EUR geschlossen. Das Fahrzeug, das K zu privaten Zweck erwarb, war sieben Jahre alt und 60.00 km gelaufen. Es wurde K am 20. 4. übergeben. Nachdem K weitere 12.000 km gefahren war, trat Anfang Oktober ein Getriebeschaden auf. Unter Hinweis darauf, dass ein solches Getriebe in aller Regel eine Laufleistung von ca. 250.000 km erreicht, brachte K das Fahrzeug zu B, wo es repariert wurde. Beim Austausch der schadhaften Getriebeteile wurden im Getriebeöl Metallspäne gefunden. Die ausgetauschten Teile wurden inzwischen verschrottet. B stellte dem K am 6. Oktober unter Bezugnahme auf eine bei Vertragsschluss für das Fahrzeug abgegebene GebrauchtwagenGarantie einen „30 %igen Kundenanteil auf Material“ in Höhe von 1.071 EUR in Rechnung. K bezahlte den Betrag. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Oktober forderte er diesen Betrag mit der Begründung zurück, B sei verpflichtet gewesen, den Getriebeschaden kostenlos zu beseitigen; bei der Bezahlung sei ihm das nicht bekannt gewesen. Ist die Rückforderung des K berechtigt ?

A. Aus dem zwischen K und B geschlossenen Kaufvertrag ergibt sich kein Anspruch auf Rückzahlung des bezahlten Betrages. Ein Werkvertrag über eine Reparatur ist zwischen K und B nicht geschlossen worden, weil K die Reparatur unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag verlangt hat; im übrigen ergäbe sich auch aus einem Werkvertrag kein Rückzahlungsanspruch.

B. Anspruchsgrundlage könnte § 812 I 1 BGB sein.

I. Indem K die Rechnung über 1.071 EUR bezahlt hat, hat B diesen Betrag durch Leistung des K erlangt.

II. Die Leistung müsste ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Ohne Rechtsgrund hat K gezahlt, wenn B zu einer kostenlosen Reparatur verpflichtet war. Grundlage hierfür könnte ein Sachmangelanspruch des K aus §§ 437 Nr. 1, 439 I, II BGB sein. Danach kann der Käufer, wenn die gekaufte Sache mangelhaft ist (§ 434), Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1) durch Beseitigung des Mangels (§ 439 I) verlangen. Die hierfür erforderlichen Aufwendungen hat der Verkäufer zu tragen (§ 439 II).

1. Ein Kaufvertrag über den Mercedes haben K und V am 14. 4. geschlossen.

2. Das Fahrzeug müsste bei Gefahrübergang, d. h. bei Übergabe am 20. 4., mangelhaft gewesen sein.

a) Der Anfang Oktober aufgetretene Getriebeschaden war ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Ein Fahrzeug mit einem Getriebeschaden eignet sich nicht mehr für die gewöhnliche Verwendung eines Autos. Dieser Schaden bestand jedoch noch nicht im Zeitpunkt der Übergabe am 20. 4., was sich auch daran zeigt, dass K mit dem ihm am 20. 4. übergebenen Pkw noch 12.000 km und bis Anfang Oktober gefahren ist.

b) Da ein Getriebe in der Regel eine Laufleistung von 250.000 km erreicht, es hier aber schon nach 78.000 km ausgefallen ist, könnte es bereits am 20. 4. schadhaft gewesen sein und damit einen Mangel aufgewiesen haben. Es hätte dann ein Grundmangel vorgelegen, der zu dem Getriebeausfall Anfang Oktober als Folgemangel (auch: Entwicklungsschaden) geführt hätte. Ob ein solcher Grundmangel wirklich bestand, ist aber nicht festgestellt. Das wird sich auch voraussichtlich nicht mehr feststellen lassen, weil die ausgetauschten Getriebeteile nicht mehr vorhanden ist. Den Vorwurf der Beweisvereitelung kann man B nicht machen, denn nachdem K bezahlt hatte, war der Vorgang für ihn abgeschlossen, und er konnte die alten Teile entsorgen. Es fragt sich, wer von den beiden Parteien den Nachteil wegen der Unaufklärbarkeit zu tragen hat.

aa) Das OLG hatte darauf abgestellt, dass K die Rechnung vorbehaltlos bezahlt hat, und hat darin ein Anerkenntnis des K gesehen, das der Geltendmachung eines Sachmängelanspruchs entgegen steht. Allerdings lag ein (konstitutives, abstraktes) Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB nicht vor. Hierfür wäre Voraussetzung, dass die Parteien eine neue, von einem Schuldgrund unabhängige Verpflichtung schaffen wollen. Dass sich K in dieser Weise hätte verpflichten wollen, ist aber nicht ersichtlich. Ein - vom BGB nicht geregeltes - deklaratorisches Anerkenntnis hätte vorausgesetzt, dass die Parteien eine bestehende Verpflichtung des K hätten bestätigen wollen, wofür es aber ebenfalls keine Anhaltspunkte gibt. Als dritte Form des Anerkenntnisses gibt es das Tatsachenanerkenntnis, das zu einer Erleichterung bei der Beweislast führt. Ein solches hatte das OLG angenommen.

Dazu BGH Tz. 9:  Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass es neben dem „abstrakten" Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und dem im BGB nicht geregelten bestätigenden (deklaratorischen) Schuldanerkenntnis noch ein drittes („tatsächliches“) Anerkenntnis gibt, das keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, sondern das der Schuldner zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern. Solche „als Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst" zu wertenden Bestätigungserklärungen können im Prozess eine Umkehr der Beweislast bewirken und stellen dabei ein Indiz dar, das der Richter - mit der gleichzeitigen Möglichkeit einer Entkräftung - bei seiner Beweiswürdigung verwerten kann (BGHZ 66, 250, 254 f.).

Tz. 11, 12:  Bei der Bejahung eines solchen Anerkenntnisses  hat das Berufungsgericht aber übersehen, dass es ohne Feststellung näherer Umstände keine Vermutung für die Abgabe eines Anerkenntnisses gibt. Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt vielmehr in der Regel eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann namentlich darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen zu entziehen (BGHZ 66, 250, 255;… BGH NJW-RR 2007, 530 Tz. 8). Dazu ist indessen nichts festgestellt.

Für die Bezahlung einer Rechnung ohne Erhebung von Einwendungen ist hiervon keine Ausnahme zu machen. Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen. Das gilt auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale. Zwar wird es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ausgeschlossen angesehen, der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung zugleich eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der zu Grunde liegenden Forderung beizumessen. Dies erfordert aber stets ein Vorliegen weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen. Solche Umstände sind hier nicht festgestellt. Für sich genommen rechtfertigt die Bezahlung der Rechnung nicht die Annahme eines Anerkenntnisses (BGH NVwZ 2007, 530 Tz. 8).

Somit liegt kein Anerkenntnis des K vor, das der Geltendmachung eines Sachmangels entgegenstehen würde.

bb) Umgekehrt könnte zu Gunsten des K die Vermutung des § 476 BGB für das Bestehen eines Mangels eingreifen.

(1) Die Revisionserwiderung des B hatte geltend gemacht, § 476 sei nur anwendbar, wenn Sachmängelansprüche geltend gemacht würden und nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - Rückzahlung verlangt werde und das Bestehen eines Sachmangels nur Vorfrage für den Rückzahlungsanspruch sei. Dazu BGH Tz. 15:  Die in § 476 BGB vorgesehene Beweislastumkehr kommt auch bei einem Rückforderungsanspruch zur Anwendung, der darauf gestützt ist, dass ein Verkäufer die Kosten einer durchgeführten Fahrzeugreparatur allein hätte tragen müssen, weil er nach § 439 Abs. 2 BGB zur kostenfreien Nachbesserung verpflichtet war. Die von der Revisionserwiderung geforderte Einschränkung auf solche Fallgestaltungen, in denen der Käufer Gewährleistungsansprüche geltend macht, weil der Verkäufer nur dann zu einer Beweisführung über die Mangelursache in der Lage sei, findet bereits im Wortlaut des § 476 BGB keine Stütze. Der mit dieser Vorschrift verfolgte Regelungszweck, die im Vergleich zu den - typischerweise - ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers zu kompensieren (BT-Drs. 14/6040, S. 245), spricht im Gegenteil dafür, die Beweislastumkehr auf alle Ansprüche zwischen Verbraucher und Unternehmer zu erstrecken, bei denen es im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Sachmängelgewährleistungsrechten des Verbrauchers darauf ankommt, ob die verkaufte Sache bei Gefahrübergang mangelhaft war. Das gilt auch dann, wenn das Bestehen eines Mangels bei Gefahrübergang - wie hier für § 812 BGB - Vorfrage für andere Ansprüche ist. Den Bedenken der Revisionserwiderung ist bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass dem Verkäufer im Einzelfall Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr zugute kommen können, wenn dem Käufer der Vorwurf einer zumindest fahrlässigen Beweisvereitelung zu machen sein sollte (vgl. BGH NJW 2006, 434, Tz. 23 ff.; MünchKommBGB/Lorenz, 5. Aufl., § 476 Rdnr. 25).

Somit ist die Anwendbarkeit des § 476 im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen.

(2) Es handelte sich um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB, weil das Auto von B, einem Unternehmer (§ 14 BGB), an K, der es für private Zwecke verwenden wollte (§ 13 BGB), verkauft worden ist.

(3) Der Mangel müsste sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang gezeigt haben. Noch vor Ablauf dieser Frist am 20. 10. hat sich der Getriebeschaden als (möglicher) Folgemangel gezeigt. Ob sich das auch auf einen (möglichen) Grundmangel erstrecken lässt, ist nicht ohne weiteres klar.

(a) Im „Zahnriemen-Fall“ BGHZ 159, 215 hatte der BGH betont, § 476 begründe eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass ein - feststehender - Mangel bereits in Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war; der Mangel selbst werde nicht vermutet. Daraus könnte für den vorliegenden Fall gefolgert werden, dass ein Grundmangel - nur um diesen geht es an dieser Stelle - nicht vermutet wird. Feststehender Mangel ist lediglich der - erst später aufgetretene - Getriebeschaden.

(b) Einer so engen Auslegung wurde in der Literatur (u. a. von Gsell JZ 2008, 29 ff.) lebhaft widersprochen. Sie ist vom Wortlaut des § 476 nicht gefordert und wird dem Zweck, die Rechtsstellung des Käufers deutlich zu verbessern, nicht gerecht.

(c) Nunmehr erweitert der BGH den Anwendungsbereich des § 476 wieder und nähert sich der Literaturmeinung an, allerdings ohne sich ausdrücklich von der Zahnriemenentscheidung zu distanzieren, so dass letzte Klarheit zur Auslegung des § 476 noch nicht besteht.

BGH Tz. 14:  Der Getriebeschaden am gekauften Fahrzeug hat sich innerhalb von sechs Monaten seit Übergabe gezeigt. Ein normaler Verschleiß hat angesichts der vom Berufungsgericht festgestellten üblicherweise zu erwartenden Fahrleistung eines solchen Getriebes von 250.000 Kilometern nicht bestanden. Eine ernstlich andere in Betracht kommende Ursache als einen vorzeitigen übermäßigen Getriebeverschleiß hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es hat lediglich als unaufklärbar angesehen, ob bereits bei Vertragsschluss ein Sachmangel in Form übermäßigen Getriebeverschleißes vorgelegen hat oder nicht, nachdem die beim Wechsel des Getriebes im Getriebeöl vorgefundenen Metallspäne wegen einer zwischenzeitlichen Verschrottung des ausgebauten Getriebes nicht mehr einer aussagekräftigen Ursachenbestimmung haben zugeführt werden können. Es ist deshalb allein die Frage ungeklärt geblieben, ob die für den vorzeitig eingetretenen Verschleißschaden maßgeblichen Anlagen bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorgelegen haben oder erst später entstanden sind. Für diese Fallgestaltung begründet § 476 BGB gerade die in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass die zu Tage getretenen Mängel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben (Senatsurteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 259/06, WM 2007, 2126, Tz. 16).

(4) Diese Vermutung ist weder mit der Art des Mangels noch mit der Art der Sache unvereinbar. Insbesondere greift § 476 auch bei Gebrauchtfahrzeugen ein.

(5) Eine Vermutung ist widerlegbar (§ 292 ZPO). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass B zur Widerlegung in der Lage ist.

3. Somit ist von der Rechtslage auszugehen, dass bei Übergabe des Fahrzeugs ein Mangel in der Form eines übermäßigen Verschleißes vorgelegen hat. Dieser Mangel hat sich in dem Getriebeschaden verwirklicht. B hatte deshalb den Getriebeschaden nach §§ 437 Nr. 1, 439 I zu beseitigen und die dabei entstehenden Kosten nach § 439 II zu tragen. Eine Zahlung von K durfte er nicht verlangen. K hat die 1.071 EUR ohne Rechtsgrund gezahlt, so dass die Voraussetzungen des § 812 I 1 BGB vorliegen.

III. Dem Rückforderungsanspruch steht § 814 BGB nicht entgegen. K hat nicht gewusst, dass er eine kostenlose Reparatur verlangen konnte (was nach den Ausführungen oben II auch keineswegs auf der Hand lag). Somit ist der Rückforderungsanspruch des K gegen B berechtigt.


Zusammenfassung