Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Forderungsübergang nach Versicherungsfall, § 86 VVG. Eigentumsverletzung, Verkehrssicherungspflicht, § 823 BGB. Haftung für Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB. Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2 BGB, unmittelbar und analog. Gewerbeunternehmer und Grundstückseigentümer als Störer i. S. des § 1004 BGB bei der Explosion eines Blindgängers aus dem Krieg.

Nach BGH Urteil vom 5. Juli 2019 (V ZR 96/18) BeckRS 2019, 18159, Besprechung Schwab JuS 2020, 272

Fall
(Bombe im Beton)

B ist Eigentümer eines Gewerbegrundstücks, auf dem er ein Recyclingunternehmen für Bauschutt betreibt. Der angelieferte Bauschutt wird zunächst sortiert. Dabei werden Teile, die wegen ihrer Größe nicht in den Schredder passen, vorab mit einem Zangenbagger zerkleinert. Als Bauschutt angeliefert wurde, der beim Abbruch eines kurz nach dem zweiten Weltkrieg gebauten Hauses angefallen war, wollte der langjährig bei B beschäftigte Mitarbeiter M mit dem Zangenbagger ein größeres Betonteil aus den Fundamenten des abgebrochenen Hauses zerkleinern. Dabei detonierte eine Bombe aus dem zweiten Weltkrieg, die - von außen nicht sichtbar - in das Betonteil einbetoniert war. Baggerfahrer M wurde getötet. An den umliegenden Gebäuden entstanden Schäden, auch am Haus des V. Dieses war bei der A-AG versichert, die den Schaden reguliert und die Reparaturkosten bezahlt hat.

A verlangt die Kosten von B erstattet. Sie macht geltend, B hätte die Anweisung geben müssen, größere Betonteile vor der Zerkleinerung auf das Vorhandensein eines Explosionskörpers hin zu untersuchen, was durch eine Sichtprüfung hätte erfolgen können oder durch Einsatz eines Durchstrahlungsprüfsystems, das zum Auffinden der Bombe geführt hätte. Auch hätte M von sich aus - vor allem zum eigenen Schutz - das Betonteil überprüfen müssen; für das Unterlassen habe B einzustehen. A verweist weiterhin darauf, dass eine vorherige Untersuchung bei Metallschrott ausdrücklich vorgeschrieben sei und dass nach einer Auskunft des Kampfmittelräumdienstes es bei Nachkriegsbauten vorgekommen sei, aufgefundene Blindgänger dadurch unschädlich zu machen, dass sie in Betonfundamente eingegossen wurden. Nach Auffassung der A ist B auch als Nachbar des V zum Ersatz verpflichtet. B bestreitet ein Fehlverhalten und verweist darauf, dass zwischen seinem Grundstück und dem des V noch zwei andere Grundstücke liegen und die Entfernung mehr als 200 m beträgt. Ist der von A gegenüber B geltend gemachte Anspruch begründet?

Lösung

A. Anspruchsbegründung über § 86 VVG

Unmittelbar gegenüber B hat die A-Versicherung keinen Anspruch erlangt. In Betracht kommt aber, dass ein Anspruch in der Person ihres Versicherungsnehmers V entstanden und auf sie übergegangen ist. In § 86 I 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) ist bestimmt: Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Die folgenden Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor: Zwischen A und V bestand ein Versicherungsvertrag. Durch die Bombenexplosion und den Schaden am versicherten Haus des V ist ein Versicherungsfall eingetreten. A hat dem V den entstandenen Schäden ersetzt. Somit bleibt zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer V ein Anspruch gegen B als Dritten zustand.

B. Anspruch des V gegen B

I. Anspruchsgrundlage kann § 823 I BGB sein.

1. Durch die Explosion der Bombe ist das Haus des V beschädigt und damit dessen Eigentum verletzt worden.

2. Für die Eigentumsverletzung des V müsste ein Verhalten des B ursächlich geworden sein. Verhalten kann ein Tun oder Unterlassen sein.

a) Ein Tun des B liegt im Betrieb des Recyclingunternehmens, der für den Unfall ursächlich war. Jedoch ist offensichtlich, dass der Betrieb des Unternehmens weder rechtswidrig noch schuldhaft war, so dass dieser zur Begründung des § 823 I BGB ausscheidet.

b) A wirft B vor, nicht die erforderlichen Anweisungen erteilt zu haben, den Schaden also durch ein Unterlassen herbeigeführt zu haben. Ein Unterlassen führt zur Verantwortlichkeit für die Folgen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Eine Rechtspflicht zur vorherigen Überprüfung des Abbruchmaterials kann sich aus einer Verkehrssicherungspflicht ergeben. Danach hat derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Rechtsverletzungen anderer zu verhindern. Dass von dem Betrieb eines Recyclingunternehmens Gefahren ausgehen, die der Betriebsinhaber zu vermeiden hat, steht außer Frage. Erforderlich ist aber eine Konkretisierung im Hinblick auf den zu entscheidenden Fall. Im vorliegenden Fall müsste die Verkehrssicherungspflicht dahin gegangen sein, zu recycelnde Betonteile daraufhin zu untersuchen, ob in ihnen eine Bombe enthalten ist. Dabei ist einzubeziehen, wie diese Untersuchung zu erfolgen hatte und welches Verhalten von B zu erwarten war.

aa) Erforderlich und zumutbar war eine Sichtprüfung. Fraglich ist aber, ob dazu eine ausdrückliche Anweisung des B erforderlich war, auch besagt der Sachverhalt nichts darüber, ob B eine solche Weisung erteilt hat. Jedoch können Pflicht und Verhalten des B im Hinblick auf eine Sichtprüfung offen bleiben. BGH [16] Ob vor der Zerkleinerung von Betonteilen eine Sichtprüfung auf Explosivkörper zu fordern und B diesbezüglich ein Organisationsverschulden anzulasten ist, kann dahinstehen, da davon auszugehen ist, dass die von Beton umschlossene Bombe von außen nicht erkennbar war. Eine möglicherweise unzureichende Anweisung des B in Bezug auf eine Sichtprüfung von Betonteilen wäre für die Explosion der Bombe nicht kausal gewesen, da sich die Bombe nicht durch eine Sichtprüfung des Betonteils hätte auffinden lassen.

bb) Eine weitergehende Pflicht des B könnte sich daraus ergeben, dass bei Metallschrott eine vorherige Untersuchung vorgeschrieben ist. Jedoch ist Betonschutt kein Metallschrott und mit diesem auch nicht vergleichbar, weil bei Metallschrott die Gefahr, dass sich in diesem explosionsgefährliche Metallteile befinden, größer ist als bei Bauschutt (BGH [18]).

cc) Ob ohne ausdrückliche rechtliche Anforderung eine weitergehende Untersuchungspflicht anzunehmen ist, ist davon abhängig zu machen, wie wahrscheinlich die Gefahr einer Bombenexplosion war und welche Möglichkeiten einer Untersuchung bestanden. Hierzu kann davon ausgegangen werden, dass diese Gefahr sehr gering war und dass eine weitergehende Untersuchung überaus aufwändig wäre, so dass eine weitergehende Untersuchung nicht verlangt werden konnte.

Dazu genauer BGH [18] Zu berücksichtigen ist, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es reicht aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (st. Rspr., vgl. BGH VersR 2014, 642 Rn. 8 f. m. w. N.). Sicherungsmaßnahmen sind umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind (vgl. BGH VersR 2007, 72 Rn. 11 m. w. N.).

BGH [19] Angesichts der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von Bomben in zu recycelnden Betonteilen ist von einem verständigen, umsichtigen, vorsichtigen und gewissenhaften Betreiber eines Bauschutt recycelnden Unternehmens eine generelle Untersuchung dieser Stoffe auf Explosivkörper nicht zu verlangen. Zudem ließe sich der mit einer solchen Untersuchung angestrebte Zweck, eine Gefährdung der Bevölkerung zu verhindern, effektiv nur erreichen, wenn der Bauschutt schon vor dem Transport bis zu dem Recyclingunternehmen auf dem Grundstück, auf dem der Abbruch der vorhandenen Bebauung erfolgt, auf das Vorhandensein von Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht würde. Eine solche Untersuchung mag zwar unter Einsatz moderner Durchstrahlungsprüfungssysteme auch an Ort und Stelle vor oder während des Abbruchs von Gebäuden möglich sein. Sie wäre aber überzogen, weil sie ohne konkreten Anlass, gewissermaßen prophylaktisch erfolgen müsste und sich mangels konkreter Anhaltspunkte auch nicht auf einzelne Teile der Fundamente beschränken könnte. Eine Untersuchung von Betonteilen auf das Vorhandensein einbetonierter Sprengkörper kann deshalb nur gefordert werden, wenn der zu verarbeitende Bauschutt bekanntermaßen aus einer Abbruchmaßnahme stammt, bei der mit dem Vorhandensein nicht detonierter Bomben gerechnet werden muss (…). Dahingehende Feststellungen enthält der Sachverhalt jedoch nicht. Dass es nach Auskunft des Kampfmittelräumdienstes Fälle gegeben hat, bei denen aufgefundene Blindgänger in Beton eingegossen wurden, reicht zur Begründung einer allgemeinen Untersuchungspflicht nicht aus, weil die Fälle nicht quantifiziert sind und nicht zur Widerlegung der Annahme geeignet sind, dass es sich um ganz seltene Fälle handelt.

BGH [15] Folglich fehlt es an einer für die eingetretenen Schäden ursächlichen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch B.

II. Der von BGH [13] kurz angesprochene Anspruch wegen fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 823 II BGB i. V. mit § 306 I und VI StGB) greift nicht ein, weil B - wie sich aus den Ausführungen oben B I 2 b cc) ergibt - nicht fahrlässig gehandelt hat.

III. Ein Anspruch des V könnte sich aus einer Haftung des B für M als Verrichtungsgehilfen (§ 831 I BGB) ergeben.

1. M war Arbeitnehmer des B und bei den Zerkleinerungsarbeiten mit dem Bagger eingesetzt; also hatte B ihn zu einer Verrichtung bestellt.

2. In Ausführung dieser Verrichtung hat M so auf das Betonteil und die darin verborgene Bombe eingewirkt, dass sie explodiert ist und das Haus des V beschädigt hat. Damit hat M dem V als Dritten einen Schaden widerrechtlich zugefügt. BGH [20] Für eine Haftung nach dieser Vorschrift genügt es, wenn - wie hier - ein Verrichtungsgehilfe einem Geschädigten in Ausübung der Verrichtung dadurch einen Schaden zugefügt hat, dass er widerrechtlich einen deliktsrechtlichen Tatbestand im Sinne der §§ 823 ff. BGB verwirklicht hat; auf ein Verschulden des Verrichtungsgehilfen kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. BGH NJW 1996, 3205, 3207 m. w. N.;…).

3. Nach § 831, 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl des Gehilfen und bei der gebotenen Leitung der Verrichtung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Zwar hat sich B nach dem Sachverhalt nicht ausdrücklich auf eine solche Sorgfalt berufen. Zu berücksichtigen ist aber, dass B ein Fehlverhalten bestritten hat, dass M langjährig bei B beschäftigt war und dass eine Weisung des B zu einer weitergehenden Untersuchung nicht geboten war (oben B I 2 b cc). Angesichts des insoweit knappen Sachverhalts berechtigen diese Umstände zur Annahme, dass B sowohl bei der Auswahl des M als auch bei der Überwachung des Betriebsgeschehens keine Sorgfaltsverletzung begangen hat.

BGH [20] begründet das Ergebnis, dass ein Anspruch aus § 831 BGB nicht besteht, wie folgt: Bei verkehrsrichtigem Verhalten des Gehilfen scheidet eine Haftung mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm aus (vgl. BGH NJW 1996, 3205, 3207; BGHZ 24, 21, 29 jeweils m. w. N.). Aus obigen Ausführungen ergebe sich, dass das Handeln des M nicht fehlerhaft, sondern richtig gewesen sei. (Schwab JuS 2020, 274 hält das Ergebnis für richtig, vermisst aber eine methodisch nachvollziehbare Begründung; er deutet die These des BGH als teleologische Reduktion des § 831 BGB.)

IV. § 1004 I BGB scheidet als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch aus. Zwar enthielt der schädigende Vorgang eine Beeinträchtigung des Eigentums des V i. S. des § 1004 I BGB. § 1004 BGB ist aber auf Beseitigung und Unterlassung und nicht auf eine Ersatzleistung gerichtet.

V. V könnte ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB zustehen. Die Voraussetzungen für diesen Anspruch ergeben sich nicht nur aus dieser Vorschrift selbst, sondern auch aus dem Zusammenhang, in dem Absatz 2 Satz 2 steht, also auch aus Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1. Danach bestehen für den Anspruch die folgenden Voraussetzungen: 1) Auf das Grundstück eines Eigentümers - im vorliegenden Fall des V - wirkt von einem anderen Grundstück - das des B - eine der in Absatz 1 Satz 1 aufgeführten Immissionen ein. 2) Die Einwirkung ist wesentlich und beeinträchtigt die Benutzung oder den Ertrag des gestörten Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus. 3) Der Eigentümer des gestörten Grundstücks muss die Störung, weil sie auf einer ortsüblichen Benutzung des anderen Grundstücks beruht, nach Absatz 2 Satz 1 dulden. 4) Der Eigentümer oder Besitzer des anderen Grundstücks ist bezüglich der Immission Störer.

1. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass der gestörte Eigentümer die Störung eigentlich nach § 1004 BGB abwehren kann, daran aber durch § 906 II 1 BGB gehindert wird; die dadurch auferlegte Duldung der Beeinträchtigung soll durch den Geldausgleich kompensiert werden (Klöpfer/Meier NJW 2018, 1517 unter 1). Weil der gestörte Eigentümer im Interesse des Nachbarn seinen Abwehranspruch „opfert“, wird § 906 II 2 BGB - in Parallele zum öffentlich-rechtlichen Enteignungs- und Aufopferungsanspruch - als privatrechtlicher Aufopferungsanspruch bezeichnet (Ringshandl JZ 2018, 683 unter II und Fn. 10; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl., § 61 Rdnr. 25, S. 549). Anwendungsfall ist, dass ein Gewerbebetrieb technisch nicht vermeidbaren Lärm verursacht, aber in einem Gewerbegebiet liegt, in dem ein solcher Lärm zugelassen und deshalb ortsüblich ist; dann kann der Eigentümer eines angrenzenden Mietshauses eine Entschädigung für einen geringeren Mietertrag verlangen.

2. Im vorliegenden Fall liegt die Voraussetzung 3) nicht vor. Zunächst ist fraglich, ob die Explosion der Bombe eine Folge der der Benutzung des Grundstücks des B ist. Jedenfalls ist eine solche Explosion nicht ortsüblich. Außerdem brauchte V die Explosion nicht zu dulden. Hätte es eine Möglichkeit gegeben, sie mit rechtlichen Mitteln zu verhindern, hätte V davon Gebrauch machen können. Ihm wurde nicht auferlegt, den Abwehranspruch zu opfern, sondern er konnte den Abwehranspruch allein aus faktischen Gründen nicht durchsetzen.

Ein Anspruch aus unmittelbarer Anwendung des § 906 II 2 BGB besteht nicht.

VI. Es kommt eine analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB in Betracht.

§ 906 II 2 wird analog angewendet, wenn eine rechtswidrige Einwirkung auf ein Grundstück erfolgt ist, die der Eigentümer nicht zu dulden brauchte, die er aber aus besonderen Gründen nicht verhindern konnte. Genauer BGH [22] Nach st. Rspr. des BGH ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, jedoch aus rechtlichen oder - wie hier - tatsächlichen Gründen nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. BGH WM 2018, 1761 Rn. 5 m. w. N.).

Die für die Analogie erforderliche Gesetzeslücke folgt daraus, dass sich § 906 II 2 BGB auf den Fall beschränkt, dass ein Schaden wegen Ortsüblichkeit zu dulden ist, und das BGB den Fall, in dem der Schaden wegen Unabwendbarkeit eingetreten ist, nicht regelt. Sie ist planwidrig, weil im Fall der Unabwendbarkeit der vom Betroffenen nicht zu duldenden Beeinträchtigung erst recht ein Bedarf an einer Entschädigung besteht. Damit rechtfertigt sich auch der Analogieschluss. Allerdings ist die Analogie so weitgehend anerkannt, dass sie keiner näheren Begründung mehr bedarf (vgl. Ringshandl JZ 2018, 683 unter II). Bisherige Anwendungsfälle waren: BGHZ 72, 289, 85, 375, Vertiefungsschäden; 90, 255, Pestizide; 144, 200, Störungen durch Drogenhilfezentrum; 147, 45, Besitzstörung; 155, 99, Leitungswasser; NJW 2018, 1542, Brand im Doppelhaus (vgl. auch die Aufzählung in MünchKommBGB/Brückner, 7. Aufl. 2017, § 906 Rnr. 195 Fn. 472; die Beispiele zeigen, dass Fälle einer analogen Anwendung des § 906 II 2 durchaus häufig sind). Nicht analog angewendet wird § 906 II 2 BGB, wenn für den zu behandelnden Fall ein abgeschlossenes Haftungssystem besteht (BGHZ 178, 90); § 906 II 2 analog ist also subsidiär. Ein solches System wurde bisher nur für das Planfeststellungsrecht nach § 74 II VwVfG, das Wasserrecht (§ 89 WHG) und teilweise das Bergrecht anerkannt (Klöpfer/Meier NJW 2018, 1517 unter b). Beim Nachbarrecht gibt es kein abgeschlossenes Haftungssystem. Folglich sind die Voraussetzungen des § 906 II 2 BGB analog zu prüfen. Dabei wird von den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen BGH [22] ausgegangen.

1. Von einem Grundstück müssen Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgegangen sein. Dabei sind Einwirkungen nicht nur, wie bei unmittelbarer Anwendung des § 906 II 2 BGB die in § 906 I BGB aufgeführten Feinimmissionen, sondern auch Grobimmissionen wie ein Brand oder eine Explosion (BGHZ 142, 66; 155, 99; 157, 33; vgl. auch obige Beispiele).

a) Die Bombenexplosion hat sich auf dem Grundstück des B ereignet und sich auf das Hausgrundstück des V ausgewirkt. Da § 906 BGB eine Vorschrift des Nachbarrechts (§§ 906 – 924 BGB) ist, könnte von Bedeutung sein, dass V und B nicht unmittelbare Nachbarn sind. Dazu BGH [23] Der Umstand, dass Grundstücke nicht aneinandergrenzen, steht einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht entgegen (…). Er kommt auch in Betracht, wenn die Beeinträchtigung eine zurechenbare Folge eines auf einem entfernter liegenden Grundstück eingerichteten Betriebs ist (vgl. BGHZ 69, 105, 111-113 zu Fluglärm eines vier bis fünf Kilometer von dem beeinträchtigten Grundstück entfernt liegenden Flughafens und BGHZ 70, 102, 103 u. 112 zu Fluorabgasen einer bis zu 1.300 Meter von dem beeinträchtigten Grundstück entfernt liegenden Ziegelei).

b) Da die Einwirkungen von einem Grundstück ausgegangen sein müssen, müssen sie grundstücksbezogen sein.

aa) BGH [32] Der Anwendungsbereich des Ausgleichsanspruchs ist nur eröffnet, wenn das beeinträchtigende Verhalten dem Bereich der konkreten Nutzung des Grundstücks zuzuordnen ist und einen sachlichen Bezug zu diesem aufweist. Nicht in den Anwendungsbereich des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs fallen demgegenüber diejenigen störenden Verhaltensweisen, die zwar auf dem Grundstück stattfinden, durch die jedoch die spezifische Beziehung der Grundstückseigentümer oder -nutzer zueinander nicht berührt wird. Dies kann etwa deshalb der Fall sein, weil eine Handlung nur gelegentlich des Aufenthalts auf dem Grundstück, wenn auch durch den Eigentümer oder Nutzer, vorgenommen wird, genauso gut aber an anderer Stelle vorgenommen werden könnte. Das hat der BGH beim Abschießen einer Feuerwerksrakete am Neujahrstag angenommen, die ihre Flugbahn unerwartet änderte und das Anwesen des Nachbarn in Brand setzte (BGH NJW 2009, 3787 Rn. 20 f.).

bb) Dementsprechend hatte das Berufungsgericht ausgeführt (vgl. BGH [3]), im vorliegenden Fall habe es der beeinträchtigenden Handlung an dem erforderlichen Grundstücksbezug gefehlt. Für die auf dem Grundstück typischerweise vorgenommenen Arbeiten sei die Explosion nicht risikospezifisch, da Zerkleinerungsarbeiten in der Regel risikolos seien. Die Handlung, die zum Schadenseintritt geführt habe, hätte genauso gut an anderer Stelle vorgenommen werden können, etwa am Ort der Abbrucharbeiten. Dass die Explosion auf dem Grundstück des B erfolgt sei, beruhe auf einem Zufall. Da diese Überlegung durchaus vertretbar ist, könnte der Anspruch wegen fehlenden Grundstücksbezugs verneint werden.

cc) Anders aber BGH [33] Die Explosion der Bombe ist durch die Zerkleinerungsarbeiten des - bei dem Vorfall zu Tode gekommenen - Baggerführers des B ausgelöst worden. Diese Arbeiten waren typisch für die konkrete Nutzung des Grundstücks durch B, der auf dem Grundstück ein Unternehmen zur Weiterverarbeitung von Bauschutt betreibt. Sie hätten aus Sicht des B nicht ebenso gut an beliebiger anderer Stelle vorgenommen werden können. Dem wird hier gefolgt. Also ist eine grundstücksbezogene Einwirkung zu bejahen.

2. Die Einwirkung war rechtswidrig, V brauchte sie nicht zu dulden, konnte sie aber aus faktischen Gründen nicht abwehren.

3. Da § 906 II 2 BGB ein Ausgleich für den an sich gegebenen, aber weggefallenen Anspruch aus § 1004 BGB ist, muss der Nachbar, von dem die Einwirkung ausgeht, Störer i. S. des § 1004 BGB sein. Die Störereigenschaft des Nachbareigentümers ist sowohl bei der unmittelbaren als auch bei der analogen Anwendung des § 906 II 2 BGB ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. BGH NJW 2018, 1542 [6] Weitere Voraussetzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist (BGH NJW 2008, 992 Rn. 8 m. w. N.). Die Bedeutung dieser Voraussetzung besteht darin, dass einerseits die Störereigenschaft ausreicht, ein Verschulden oder auch nur eine Sorgfaltspflichtverletzung also nicht erforderlich sind (BGH NJW 2018, 1542 [12]; Klöpfer/Meier NJW 2018, 1517/8), andererseits eine lediglich von dem Grundstück ausgehende Gefährdung nicht ausreicht, § 906 II 2 BGB also keine Gefährdungshaftung begründet. Zum vorliegenden Fall BGH [25-27]:

a) Unmittelbarer Handlungsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn adäquat kausal durch eine eigene Handlung verursacht. Ein adäquater Ursachenzusammenhang besteht dann, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (BGHZ 144, 200, 203). Wer die Beeinträchtigung seines Nachbarn durch eine eigene Handlung verursacht, ist Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB. Seine Qualifikation als Störer hängt, anders als bei einem bloß mittelbaren Störer (…) und beim Zustandsstörer (…), nicht von dem Vorliegen entsprechender Sachgründe dafür ab, ihm die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen.

b) B hat die Zerkleinerungsarbeiten zur Weiterverarbeitung des angelieferten Betonteils zwar nicht selbst durchgeführt. Der Baggerführer, den er damit beauftragt hatte, war aber weisungsabhängig und hatte keinen eigenen Entscheidungsspielraum, so dass die von diesem durchgeführten Arbeiten rechtlich als Handlungen des B zu behandeln sind. (Diese Ausführungen beruhen auf der Besonderheit bei Bestimmung des Störers und stehen deshalb nicht im Widerspruch mit den Ausführungen oben B I 2 a, b, wonach im Rahmen des § 823 BGB nicht von einem positiven Tun des B auszugehen war, sondern ein Unterlassen anzunehmen und damit eine Verkehrssicherungspflicht zu prüfen war.)

Auch ein adäquater Ursachenzusammenhang ist zu bejahen. Zwar handelte es sich bei der Bombenexplosion um einen seltenen Fall, so dass oben B I 2 b cc) eine Untersuchungspflicht des B verneint wurde. Sie war aber nicht so eigenartig und unwahrscheinlich, dass der Ursachenzusammenhang zwischen den Zerkleinerungsarbeiten mit der Explosionsfolge und der Beschädigung des Hauses des V verneint werden müsste. B war folglich Störer.

4. Der geschädigte Nachbar muss Nachteile erleiden, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Die Beschädigung eines Hauses durch die Explosion einer Bombe in der Nachbarschaft ist ein schwerwiegender Nachteil, der nicht entschädigungslos hingenommen werden muss.

5. Ebenso wie bei der Auslegung einer Rechtsnorm deren Zweck ein wesentliches Auslegungselement ist - Gebot zur teleologischen Auslegung - , ist auch eine Analogie nur zulässig, wenn der Zweck der analog anzuwenden Vorschrift es rechtfertigt, die Vorschrift auf eine bestimmte Fallgruppe (analog) anzuwenden. Deshalb ist im vorliegenden Fall zu fragen, ob der Zweck des § 906 II 2 BGB es rechtfertigt, die Vorschrift auf den Fall anzuwenden, in dem ein Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg bei einem Recyclingvorgang explodiert. Das hat der BGH verneint, [35-40]:

a) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch beruht maßgeblich auf der Wertung, dass der Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks, von dem die rechtswidrige Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke ausgeht, der Beeinträchtigung und ihren Folgen näher steht als die Nachbarn. Er ist gegeben, wenn sich ein zu erwartendes oder auch eher ungewöhnliches Risiko verwirklicht, das in der Nutzung oder in dem Zustand des Grundstücks angelegt ist. In solchen Fällen führt der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch zu einer sachgerechten Verantwortungszuweisung. Beispiele aus der Rechtsprechung sind die Nutzung eines Grundstücks als Muschelkalksteinbruch, bei dem die Gesteinsbrocken nicht mechanisch, sondern durch gezielte Sprengungen aus dem Fels gelöst werden (BGHZ 66, 70, 74) oder das regelmäßige Abbrennen von Feuerwerken auf dem Gelände eines Vergnügungsparks (BGH NJW 2009, 3787 Rn. 23). Die mit der Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verbundene Verantwortungszuweisung kann deshalb auch bei der Beeinträchtigung durch die Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg zu einem sachgerechten Ergebnis führen, wenn dieses Risiko in der Nutzung des Grundstücks angelegt ist. Das wäre etwa bei der Nutzung eines Grundstücks zur Entschärfung oder kontrollierten Sprengung solcher Blindgänger oder für die Verarbeitung von Bauschutt der Fall, der im Verdacht steht, solche Blindgänger zu enthalten. Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor.

b) Vielmehr stehen im vorliegenden Fall der Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks, auf dem ein Blindgänger explodiert, dem verwirklichten Risiko nicht näher oder ferner als die übrigen Beteiligten. Eine solche Explosion ist nicht mehr Ausdruck der Situationsbezogenheit des Grundstückseigentums oder Folge der in dem Zustand oder in der Nutzung des Grundstücks angelegten Risiken. Sie trifft die Beteiligten gleichermaßen zufällig und schicksalhaft. Ihre Folgen lassen sich generell und gerade auch in dem hier gegebenen Fall einer Verlagerung des Explosionsrisikos mit dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht sachgerecht bewältigen. Müsste der Eigentümer des Grundstücks, auf dem ein solcher Blindgänger explodiert, für die dadurch verursachten Beeinträchtigungen analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einstehen, würde ihm allein ein - letztlich als Spätfolge des Zweiten Weltkriegs gesamtgesellschaftliches - Risiko angelastet, das ihn nur zufällig trifft. Die Zufälligkeit des Risikos zeigt sich besonders deutlich im vorliegenden Fall. Hier ist der Blindgänger nicht auf dem Grundstück explodiert, auf dem er beim Abwurf während des Zweiten Weltkriegs niedergegangen ist, sondern auf dem Betriebsgrundstück des B, auf das er nur gelangen konnte, weil er zufällig weder bei dem Abbruch des Fundaments, in das er einbetoniert worden war, noch beim Abtransport explodiert ist. Es ist aber nicht Zweck des § 906 II 2 BGB analog, ein auf der Allgemeinheit lastendes Risiko einem zufällig davon betroffenen Grundstückseigentümer aufzuerlegen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil dieser sich mangels Kenntnis von einer konkreten Explosionsgefahr nicht dagegen schützen kann.

Ergebnis: Der Zweck des § 906 II 2 BGB rechtfertigt keine analoge Anwendung auf den Fall, dass eine im Recyclingmaterial verborgene Bombe explodiert und der Nachbarschaft Schaden zufügt. Ein Anspruch des V analog § 906 II 2 BGB besteht nicht. Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. V hat somit keinen Anspruch gegen B, so dass auch kein Anspruch auf die A-AG als Versicherer übergegangen ist. Folglich besteht der von A gegen B geltend gemachte Anspruch nicht. (Im Originalfall haben sowohl die Instanzengerichte als auch der BGH die Klage der Versicherung gegen B abgewiesen.)


Zusammenfassung