Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Nachbarstreit wegen der von einem Baum an der Grundstücksgrenze ausgehenden Immissionen, § 1004 BGB. ► Duldungsregelung in § 910 BGB; Verhältnis zu § 906 BGB. ► Nachbar als Störer i. S. des § 1004 BGB. ► Einschränkung eines Beseitigungsanspruchs durch Baumschutzsatzung
BGH Urteil vom 14. Juni 2019 (V ZR 102/18) JZ 2020, 39
Fall (Nadeln und Zapfen)
Frau K und Herr B sind Eigentümer benachbarter Hausgrundstücke. Auf dem Grundstück des B steht hinter der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Douglasie. In einer Höhe von etwa 3 m ragen Äste und Zweige des Baumes bis 5 m auf das Grundstück der K hinüber. Als Folge davon fallen Nadeln und Zapfen auf die Grundstückseinfahrt der K, im Jahr sind es ca. 480 l. K will die dadurch entstehende Verunreinigung ihrer Garagenzufahrt nicht länger hinnehmen und verlangt von B den Rückschnitt der überhängenden Äste und Zweige. B wendet ein, in der dortigen Gegend unterhielten die meisten Grundstückseigentümer große Bäume auf ihren Grundstücken, so dass diese ortsüblich und überdies günstig für das Stadtklima seien. Außerdem verweist B auf die Baumschutzsatzung der Stadt. Nach dieser ist die Beseitigung oder Beschädigung eines solchen Baumes verboten, es besteht aber die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung. K hat ermittelt, dass das städtische Grünflächenamt in einem ähnlichen Fall eine Ausnahmegenehmigung erteilt und diese damit begründet hat, dass nur einige wenige Äste und Zweige beseitigt werden sollten und die Douglasie eine wenig schutzwürdige Baumart sei; auch könne damit der Streit zwischen den Nachbarn beendet werden. B erklärt dazu, er wolle keine Ausnahmegenehmigung beantragen, K könne selbst einen Antrag stellen und anschließend die Äste und Zweige fachgerecht entfernen lassen. Kann K von B den Rückschnitt der überhängenden Äste und Zweige der Douglasie verlangen?
Lösung
Vorbemerkung: Im Anschluss an das hier zugrunde gelegte Urteil JZ 2020, 39 ist auf S. 41 ein Urteil des BGH zu einem Fall abgedruckt, in dem die Immissionen von Birken ausgingen, die auf dem Nachbargrundstück standen, ohne dass Äste herüberragten (dieses Urteil auch in NJW 2020, 607). Beide Urteile bespricht Roth JZ 2020, 44. Das hier zugrunde gelegte Urteil wird besprochen von Schwab JuS 2020, 170.
I. Tatbestandsmäßig eingreifen könnten § 906 BGB wegen der Nadeln und Zapfen als Immissionen und § 910 BGB wegen der herüberragenden Äste und Zweige. Jedoch enthalten diese Vorschriften lediglich Duldungspflichten und einen Anspruch auf Entschädigung, nicht jedoch einen Anspruch darauf, dass der Eigentümer des Baumes Äste und Zweige zurückschneidet.
II. Ein Anspruch auf Zurückschneiden könnte sich als Anspruch auf Beseitigung einer Eigentumsstörung aus § 1004 I 1 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift kann, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, der Eigentümer vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.
1. K ist Eigentümerin ihres Grundstücks. Nach § 903, 1 BGB kann sie, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit dem Grundstück nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. K hat entschieden, keine Äste und Zweige eines Baumes, der auf dem Nachbargrundstück steht, auf ihr Grundstück herüberragen zu lassen. Da das gleichwohl geschieht, liegt eine Beeinträchtigung vor. Eine weitere, stärkere Beeinträchtigung bewirken die auf die Grundstückseinfahrt fallenden Nadeln und Zapfen.
2. B müsste Störer sein. Handlungsstörer wäre er, wenn er den Baum gepflanzt hätte. Das ist zwar wahrscheinlich, steht aber nicht fest, weil auch ein Vorbesitzer den Baum gepflanzt haben kann und der Baum auch auf natürliche Weise durch Samenflug entstanden sein kann. B könnte Zustandsstörer sein. Grundsätzlich ist ein Eigentümer für den Zustand eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks und Baumes verantwortlich. Bei natürlichen Vorgängen wie dem Wachsen eines Baumes reicht diese Feststellung aber nicht aus, vielmehr ist für die Zurechnung der Beeinträchtigung nach st. Rspr. des BGH erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Allgemeiner stellt BGH in dem Birken-Fall JZ 2020, 41 [8, 9] darauf ab, ob es Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt. Mit der Sicherungspflicht ist keine Sorgfaltspflicht im schuldrechtlichen Sinne gemeint, die von dem Grundstückseigentümer oder -besitzer verletzt worden sein muss. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Grundstückseigentümer oder -besitzer nach wertender Betrachtung für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich ist, er also zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt hat (…). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es - wie hier - um durch Naturereignisse ausgelöste Störungen geht. Ob den Grundstückseigentümer für natürliche Immissionen eine „Sicherungspflicht“ trifft und er damit Störer i. S. d. § 1004 Abs. 1 BGB ist, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend sind vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung… So hat der BGH die Störereigenschaft verneint beim Umstürzen nicht erkennbar kranker Bäume infolge von Naturgewalten (BGHZ 122, 282, 284) oder bei dem Übergreifen von Insekten auf das Nachbargrundstück (NJW 1995, 2634).
Bei der Douglasie ist davon auszugehen, dass sie nicht gegen den Willen des B zu der derzeitigen Größe herangewachsen ist und dass dieser Wille die hinüberragenden Äste und Zweige umfasst hat, wofür auch der Umstand spricht, dass B den Baum in positiver Weise als ortsüblich und klimafreundlich bewertet. Roth JZ 2020, 45: „Aus Anpflanzung des Baumes oder Gewährenlassen des Wachsens folgt die Verantwortung des Eigentümers…“ BGH [12] B ist Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB, weil er es zugelassen hat, dass Zweige der Douglasie über die Grundstücksgrenze hinübergewachsen sind und zu den benannten Beeinträchtigungen führen. Der Eigentümer muss nämlich dafür Sorge tragen, dass die Zweige eines Baumes oder eines Strauches nicht über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen (vgl. BGH NZM 2005, 318; zu Baumwurzeln BGH NJW 2004, 603, 604; NJW 2004, 1035, 1036). Insoweit trifft B die Sicherungspflicht, von der der BGH im Birken-Fall die Störereigenschaft abhängig gemacht hat. Schwerpunktmäßig trifft B die Verantwortung für ein Unterlassen (Schwab JuS 2020, 170).
3. Nach § 1004 II BGB ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall könnte eine Vorschrift eingreifen, nach der K die Störungen zu dulden hat.
a) Eine spezielle Duldungsvorschrift enthält § 910 I 2, II BGB. Sie behandelt herüberragende Zweige und verpflichtet den gestörten Eigentümer zur Duldung, wenn die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
aa) Allerdings bezieht sich die Vorschrift unmittelbar nur auf das in § 910 I 1 BGB dem Eigentümer als Nachbarn eingeräumte Selbsthilferecht, nach dem er dazu berechtigt ist, die Zweige abzuschneiden und zu behalten. Auf den auf Zurückschneiden gerichteten Anspruch aus § 1004 I 1 BGB bezieht sich § § 910 II BGB nicht ausdrücklich. Jedoch sind die Ansprüche aus § 910 I und aus § 1004 I in vergleichbarer Weise auf Abwehr der von herüberragenden Zweigen ausgehenden Störungen gerichtet, so dass es gerechtfertigt ist, § 910 II BGB auch auf den Beseitigungsanspruch anzuwenden. BGH [5, 6] Nach § 910 Abs.1 Satz 2 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks herüberragende Zweige abschneiden, wenn er dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt. Er kann auch nach § 1004 Abs. 1 BGB von dem Nachbarn die Beseitigung der Zweige verlangen. Das Selbsthilferecht des Eigentümers aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB schließt einen Beseitigungsanspruch nicht aus; beide bestehen gleichrangig nebeneinander (BGHZ 60, 235, 241 f.; 97, 231, 234; NJW 2004, 603, 604). Das Selbsthilferecht ist, wie auch der Beseitigungsanspruch, nach dem Wortlaut des § 910 Abs. 2 BGB nur ausgeschlossen, wenn die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen (zur Anwendbarkeit von § 910 Abs. 2 BGB auf den Beseitigungsanspruch vgl. BGHZ 157, 33, 39; BGH NJW 2004, 603, 604 zu hinübergewachsene Baumwurzeln; NJW-RR 2019, 590 Rn. 10). Somit ist § 910 II BGB auf den Anspruch aus § 1004 I BGB anwendbar.
bb) Da § 910 I 2 BGB nur von herüberragenden Zweigen spricht, wird die Ansicht vertreten, die Vorschrift beziehe sich nur auf diese und nicht auf weitere Störungen, wie sie von den Nadeln und Zapfen ausgehen. Dem folgt der BGH aber nicht, [7] Die Vorschrift erfasst nicht nur die unmittelbar durch den Überhang hervorgerufene Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung, wie sie in der Berührung des Wohnhauses (vgl. BGH NZM 2005, 318) oder in der Gefahr des Abbruchs (vgl. dazu OLG Koblenz, MDR 2014, 25; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 910 Rn. 20) liegen kann. Zwar wird das teilweise vertreten (so OLG Köln, NJW-RR 1997, 656). Diese Ansicht trifft aber nicht zu. § 910 BGB unterscheidet nicht nach der Art der Beeinträchtigung. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Nachbarn vor der Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung durch Überhang zu schützen, lässt sich entnehmen, dass das Selbsthilferecht und der Beseitigungsanspruch sich nur auf den unmittelbar beeinträchtigenden Überwuchs beziehen und bei einer mittelbaren Beeinträchtigung ausgeschlossen sein sollen (…). Maßgebend ist allein die objektive Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung (vgl. BGHZ 157, 33, 39 f.; MüKoBGB/Brückner, 7. Aufl., § 910 Rn. 8; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 910 Rn. 18). Damit ist auch die mittelbare Beeinträchtigung durch das Abfallen von Laub, Nadeln und ähnlichem erfasst (…).
cc) Mit dem Einwand des B, Bäume wie die Douglasie seien ortsüblich, verweist dieser auf § 906 II 1, I BGB, wonach ortsübliche Immissionen zu dulden sind. Diese Vorschrift greift ein, wenn Laub, Nadeln oder Zapfen von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden und sich auf dieses beschränkenden Baum ausgehen (BGH JZ 2020, 41, hier kommt es für die Störereigenschaft darauf an, ob der landesrechtlich vorgeschriebene Abstand von der Grundstücksgrenze zum gestörten Nachbarn eingehalten wird). Gehen die Störungen dagegen - wie im vorliegenden Fall - von herüberragenden Ästen aus, ist die in § 910 BGB getroffene Regelung spezieller und verdrängt § 906 BGB. BGH [8, 9] Entgegen einer teilweisen vertretenen Ansicht (LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; AG Frankfurt a.M., NJW-RR 1990, 146; 1990, 1101) ist der Beseitigungsanspruch in einem solchen Fall der mittelbaren Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen, wenn die über das Nachbargrundstück hinausgewachsenen Äste auf dessen ortsüblicher Nutzung beruhen (so zutreffend OLG Koblenz, MDR 2014, 25, 26; Lüke in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Teil Rn. 380; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 910 Rn. 18). Ob der Eigentümer eines Grundstücks vom Nachbargrundstück herüberragende Zweige ausnahmsweise dulden muss, bestimmt sich…allein nach § 910 Abs. 2 BGB. Der Maßstab des § 906 BGB gilt hierfür auch dann nicht, wenn die von den herüberragenden Zweigen ausgehende Beeinträchtigung in einem Laub- oder - wie hier - Nadel- und Zapfenabfall besteht. Die Vorschrift des § 910 BGB stellt für die Beseitigung des Überhangs eine spezialgesetzliche und abschließende Regelung dar. Sie kennt das Kriterium der Ortsüblichkeit nicht. Dieses ist für die Frage, ob der Überhang geduldet werden muss, unerheblich. Das führt nicht zu einem Wertungswiderspruch. Denn dass für Laub und Nadeln, die von herüberragenden Zweigen abfallen, mit § 910 Abs. 2 BGB ein strengerer Maßstab gilt als für Laub- und Nadelabfall, der von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Baum ausgeht, findet seine Rechtfertigung darin, dass der Nachbar die Äste über die Grenzen seines Grundstücks herauswachsen lässt. Damit entspricht die Nutzung des Grundstücks nicht ordnungsgemäßer Bewirtschaftung (…). Die Duldungspflicht der K richtet sich somit ausschließlich nach § 910 II BGB (zustimmend Roth JZ 2020, 45).
b) Danach hat K die Äste und Zweige und die davon abfallenden Nadeln und Zapfen zu dulden, wenn sie die Benutzung ihres Grundstücks nicht beeinträchtigen. Jede Beeinträchtigung schließt also eine Duldungspflicht aus (Roth JZ 2020, 45). BGH [10] Nach dem Sachverhalt fallen von den herüberragenden Ästen der Douglasie Nadeln und Zapfen in einem Umfang von ca. 480 l pro Jahr auf die Garageneinfahrt der K und verunreinigen diese. Das stellt eine objektive Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung dar (vgl. dazu BeckOGK/Vollkommer, BGB [1.6.2019], § 910 Rn. 20.3; Lüke in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn. 379; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 910 Rn. 20). Sie kann nicht als gänzlich unerheblich angesehen werden… Folglich braucht K die Beeinträchtigungen aufgrund privatrechtlicher Vorschriften nicht zu dulden.
III. Dem Anspruch der K auf Rückschnitt der Äste und Zweige könnte die Baumschutzsatzung der Stadt entgegen stehen.
(Wie diese Überlegung in den Gedankengang einzufügen ist, ist zweifelhaft. Der BGH behandelt sie als Frage der Störereigenschaft des B, also im Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1004 I 1 BGB. Denkbar wäre auch, aus der Baumschutzsatzung eine Duldungspflicht i. S. des § 1004 II BGB herzuleiten. Schwab JuS 2020, 171 wendet § 275 I BGB an. Da die Baumschutzsatzung eine selbstständige Regelung des öffentlich-rechtlichen Naturschutzrechts ist, spricht dies dafür, sie als selbstständige Verbotsnorm gegenüber § 1004 BGB zu behandeln und sie weder in die Regelung des § 1004 BGB einzufügen noch die schuldrechtliche Norm des § 275 BGB anzuwenden).
1. Verbietet das Naturschutzrecht, Teile der Natur wie Bäume zu beseitigen oder zu schädigen, steht das einem Anspruch auf Vornahme der verbotenen Handlungen entgegen. BGH [14] Die Verbote wirksamer Baumschutzsatzungen sind auch von dem Nachbarn hinzunehmen (OLG Hamm, NJW 2008, 453; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 1807; Palandt/Bassenge, BGB, 78. Aufl., § 910 Rn. 3; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 910 Rn. 22; Otto, NJW 1989, 1783; aA OLG Karlsruhe, AgrarR 1988, 263). Denn ein Nachbar - im vorliegenden Fall B - darf nicht zugleich einer privatrechtlichen Verpflichtung zum Rückschnitt des Baumes und einem öffentlich-rechtlichen Verbot einer solchen Handlung ausgesetzt werden, zumal die Verbote einer Baumschutzsatzung in der Regel bußgeldbewehrt sind (Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung) . Eine der beiden Regelungen muss deshalb Vorrang haben. Das ist die öffentlich-rechtliche Regelung, weil sie mit ihrem dem öffentlichen Interesse verpflichteten Schutzzweck spezieller ist und die privatrechtliche Regelung überlagert (BGH [15]). Eine Berücksichtigung der Interessen des gestörten Eigentümers - hier der K - ist über die nachfolgend behandelte Ausnahmeregelung möglich.
2. Die Baumschutzsatzung steht nicht entgegen, wenn die in der Satzung enthaltene Ausnahmeregelung eingreift.
a) Steht fest, dass eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde oder erteilt wird, entfällt das Verbot aus der Satzung. Dagegen bleibt es bestehen, wenn feststeht, dass eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt wird. Vielfach steht weder das eine noch das andere fest. Im für diese Situation grundlegenden Froschteich-Fall Fall BGHZ 120, 239, 245 ff. hat der BGH die Verpflichtung eines Teichbesitzers dazu, den von Fröschen ausgehenden Lärm abzustellen, unter den Vorbehalt gestellt, dass von der Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung für Maßnahmen zur Vertreibung der Frösche erteilt wird (zu diesem Fall auch Westermann/Westermann, SachenR, 8. Aufl. 2011, § 61 Rdnrn. 20 ff.; Westermann/Staudinger, SachenR, 13. Aufl. 2017, § 3 Rdnr. 87).
BGH [14, 15] Nach der Rspr. des BGH stellen naturschutzrechtliche Verbote die Störereigenschaft eines Grundstückseigentümers solange nicht in Frage, wie er mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Störungsquelle beantragen kann (vgl. BGH NZM 2005, 318 f. zur Baumschutzsatzung; vgl. auch BGHZ 120, 239, 254). Ob das der Fall ist, müssen die Zivilgerichte, ebenso wie das Bestehen des Verbots, selbständig prüfen. Ergibt die Prüfung, dass die verlangte Maßnahme nach der Baumschutzsatzung grundsätzlich verboten und eine Befreiungsmöglichkeit von dem Verbot nicht besteht, scheidet eine Verurteilung zur Beseitigung aus (…). In diesem Fall ist auch das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen (vgl. Staudinger/ Roth, BGB [2016], § 910 Rn. 21). Wird die Befreiungsmöglichkeit dagegen bejaht, muss in den Tenor einer Verurteilung der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen werden, auch wenn das nicht in dem Klageantrag enthalten ist (… Vollstreckung des Urteils auf bedingte Leistung gemäß § 726 ZPO, vgl. BGH NJW 1978, 1262, 1263; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 259 Rn. 2). Der Eigentümer, der an der Durchsetzung eines ihm zustehenden privatrechtlichen Anspruchs auf Rückschnitt der Äste eines Baums (§ 910 Abs. 1 BGB) durch eine dieses Recht überlagernde öffentlich-rechtliche Bestimmung einer Baumschutzsatzung gehindert wird, ist ebenso wie der Eigentümer des Baums befugt, selbst eine Ausnahme von dem baumschutzrechtlichen Verbot zu beantragen und im Streit darüber den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten (BGHZ 120, 239, 246;…).
b) Im vorliegenden Fall kann nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird. Denn die Voraussetzungen, unter denen sie erteilt werden kann, sind nicht bekannt; in der Regel bestehen strenge Anforderungen an das Vorliegen eines Ausnahmefalles. Dass es nach den Ermittlungen der K einen ähnlichen Fall gegeben hat, in dem eine Ausnahme erteilt wurde, reicht nicht aus, um daraus den Schluss zu ziehen, sie werde auch im Fall K/B erteilt. Andererseits zeigt der ermittelte Fall, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auch nicht ausgeschlossen ist. Somit ist der vorliegende Fall mit dem Froschteich-Fall vergleichbar.
IV. Daraus folgt als Ergebnis der Fallbearbeitung:
1. Der Anspruch der K aus § 1004 I 1 BGB wird durch die Baumschutzsatzung nicht ausgeschlossen, so dass die Fallfrage dahin zu beantworten ist, dass der Anspruch der K gegen B auf Rückschnitt der überhängenden Äste und Zweige der Douglasie begründet ist. K braucht sich von B nicht darauf verweisen zu lassen, dass sie selbst den Rückschnitt in Auftrag gibt.
2. Der Anspruch steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung vom grundsätzlichen Verbot der Baumschutzsatzung erteilt. Insoweit muss ein Antrag beim Grünflächenamt der Stadt gestellt werden. B kann nicht dazu gezwungen werden, diesen Antrag zu stellen. K kann den Antrag selbst stellen und bei Ablehnung durch eine verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage weiter verfolgen.
Zusammenfassung