Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Anspruch wegen Eingriffs in Gewerbebetrieb, § 823 I BGB. ► Ansprüche aus Verkehrsunfall, §§ 823 I BGB, 7 I StVG. ►Begriff des Schadens, §§ 249 BGB, 11 StVG. ► Normativer Schaden durch Nichtberücksichtigung von Zahlungen eines Dritten, die den Schädiger nicht entlasten sollen. ► Forderungsübergang nach § 6 EFZG. ► Direktanspruch gegen Versicherer, § 115 VVG
BGH Urteil vom 22. November 2016 (VI ZR 40/16) MDR 2017, 336
Fall (Ergebnisbeteiligung)
Die K-AG ist ein Unternehmen der Metallindustrie und stellt Komponenten für Windenergieanlagen her. Im Unternehmen der K besteht eine Betriebsvereinbarung über eine Ergebnisbeteiligung der Beschäftigten. Danach ist Voraussetzung für die Zahlung der Ergebnisbeteiligung, dass ein Arbeitnehmer das ganze Jahr vollzeitbeschäftigt war und - da die Ergebnisbeteiligung als Treueprämie gedacht war - das Arbeitsverhältnis am Ende des Jahres nicht durch Kündigung beendet war. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten mindern die Ergebnisbeteiligung nicht.
Der bei K beschäftigte V wurde im August 2016 als Fußgänger bei einem Verkehrsunfall, den S mit seinem Pkw allein verschuldet hatte, verletzt und war 60 Tage arbeitsunfähig. Im Zusammenhang mit der Fortzahlung des Lohns erklärte V gegenüber der Geschäftsleitung der K am 20. September 2016 schriftlich die Abtretung sämtlicher Ansprüche aus dem Schadensfall „ wegen und in Höhe der gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Verpflichtung bereits geleisteten und zukünftig noch zu leistenden Zahlungen durch die K-AG“. Anfang 2017 zahlte K dem V eine Ergebnisbeteiligung für 2016. Bei einer Verteilung des Betrages auf das Jahr 2016 entfallen 700 Euro auf die Zeit, in der V arbeitsunfähig war. K verlangt Erstattung dieses Betrages von S und der A-AG, bei der der Pkw des S versichert war. K beruft sich in erster Linie auf einen eigenen Anspruch wegen der Verletzung des zu ihrem Betrieb gehörenden Arbeitnehmers V, weiterhin auf die von diesem abgetretenen Ansprüche. Sind die Ansprüche, die K gegen S und die A-AG geltend macht, begründet?
Lösung
Vorbemerkung zur Frage, wie sich die Ansprüche gegen S und gegen die A-AG zueinander verhalten und welcher Anspruch als erster geprüft wird: Der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger wird von einem Anspruch gegen die Versicherung nicht verdrängt; vielmehr stehen beide Ansprüche, sofern sie begründet sind, nebeneinander. Wie noch unter B. zu zeigen ist, hängt der Anspruch gegen die Versicherung von dem Anspruch gegen den Schädiger ab. Deshalb ist es sinnvoll, zunächst den Anspruch der K gegen S zu prüfen, obwohl im Falle der Begründetheit der Ansprüche der Schadensersatz letztlich von der A-AG zu zahlen ist.
A. Anspruch der K gegen S
I. Anspruch der K gegen S aus eigenem Recht
1. Da zwischen K und S keine vertraglichen Beziehungen bestehen, kommt nur ein Anspruch aus Gesetz in Betracht. Anspruchsgrundlage könnte § 823 I BGB sein. Dann müsste S in eines der in § 823 I BGB aufgeführten absoluten Rechte eingegriffen haben. Dass S die Gesundheit des V geschädigt hat, ist unerheblich, weil diese kein Recht der K ist. In Betracht kommt eine Verletzung des Rechts der K an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
a) Das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist als sonstiges, absolutes Recht i. S. des § 823 I BGB anerkannt. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung des Betriebs gerichtet und umfasst alles, was den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehende Einheit ausmacht (BGHZ 86, 156; BAGE 132, 140; BAG NJW 2016, 666, Stuttgarter Fluglotsenstreik). Allerdings ist nicht jede Beeinträchtigung ein Eingriff. Vielmehr liegt ein Eingriff nur vor, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist und nicht lediglich von dem Betrieb ablösbare Rechte betrifft (BGHZ 192, 204; NJW 2015, 1174, Autobahnsperrung; Beispiel für einen unmittelbaren Eingriff ist nach BGH NJW 2009, 2958 die unverlangte Zusendung von Werbe-E-Mails; vgl. auch Staake/von Bressendorf JuS 2016, 300). Ein Eingriff in Eigentumsrechte des Betriebsinhabers scheidet allerdings als Eingriff in den Gewerbebetrieb aus, weil das Recht am Gewerbebetrieb im Vergleich zum Eigentum subsidiär ist (BGHZ 105, 350: bloßer Auffangtatbestand).
b) BGH [9] Zutreffend ist die Annahme des BerGer., der K stehe kein originär eigener Schadensersatzanspruch gegen V zu. Es fehlt an der Verletzung eines der K zustehenden Rechtsguts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Insbesondere liegt bei einem Unfall eines Arbeitnehmers im Straßenverkehr kein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers vor (vgl. BGH VersR 2008, 1697 Rn. 2003, 466 f.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl., Rn. 105). Denn der Körper und die Gesundheit eines Menschen ist, auch wenn er Arbeitnehmer in einem Betrieb ist, kein Teil des Betriebes, sondern ist ein von dem Betrieb ablösbares Rechtsgut. Die Verletzung des V ist also kein unmittelbarer, betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb der K.
2. Zwar hat die Körper- und Gesundheitsverletzung des V, da dieser der K für eine längere Zeit nicht als Arbeitskraft zur Verfügung stand, zu einem Vermögensschaden der K geführt. Das Vermögen ist aber kein nach § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut.
3. Eine Verletzung eines zugunsten der K eingreifenden Schutzgesetzes (§ 823 II BGB) liegt nicht vor. Auch eine andere Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Folglich hat K keinen Anspruch aus eigenem Recht gegen S.
II. Anspruch der K gegen S aus einem von V abgeleiteten Recht
1. K könnte Ansprüche, die V gegen S hat, durch Abtretung erlangt haben. Am 20. 9. 2016 hat V eine Abtretungserklärung abgegeben, die K angenommen hat, so dass ein Abtretungsvertrag nach § 398 BGB zustande gekommen ist. Er erstreckte sich auf die Ansprüche des V aus dem Schadensfall und sollte bestimmte Zahlungen der K an ihn ausgleichen.
2. Die Abtretung ist nur wirksam, wenn V gegen S einen Anspruch aus dem Schadensfall erworben hat
a) S hat den V durch einen von ihm verschuldeten Unfall verletzt, hat dadurch eine Körper- und Gesundheitsverletzung begangen und den Tatbestand des § 823 I BGB erfüllt. Danach ist S gegenüber V zum Schadensersatz verpflichtet.
b) Ursache der Verletzung des V war der Betrieb eines Pkw, dessen Halter und Fahrer S war. Dadurch hat S auch eine Schadensersatzpflicht aus §§ 7 I, 18 I StVG begründet. Welcher Schaden zu ersetzen ist, wird in § 11, 1 StVG dahin konkretisiert, dass i m Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit auch der Vermögensnachteil zu ersetzen ist, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert ist.
Aus diesen Vorschriften haftet S dem V dem Grunde nach.
3. V müsste durch die Körper- und Gesundheitsverletzung einen Schaden in Höhe der von K verlangten 700 Euro erlitten haben. Maßgebende Vorschriften sind § 249 BGB und ergänzend § 11 StVG.
a) Das BGB definiert den Schadensbegriff nicht, sondern beschränkt sich darauf, in § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes zu regeln (Förster JA 2015, 801). Nach allgemeiner Ansicht ist Schaden jede unfreiwillige Einbuße an Rechts- oder Lebensgütern (Förster a. a. O.; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, Vorb. § 249 Rdnr. 9). Im vorliegenden Fall könnte eine solche Einbuße darin bestehen, dass infolge des Unfalls zeitweise die Erwerbsfähigkeit des V aufgehoben war und dieser Umstand Folgen für seine Einkünfte hatte. Das würde insbesondere der Regelung in § 11 StVG entsprechen.
b) Für die Beantwortung der Frage, ob eine Einbuße vorliegt, wird dem § 249, 1 BGB entnommen, dass ein Vergleich vorzunehmen ist zwischen dem Zustand, der nach dem schädigenden Ereignis (real) besteht, mit dem Zustand, der ohne das schädigende Ereignis (hypothetisch) bestanden hätte. Weicht der bestehende Zustand nachteilig von dem sonst (hypothetisch) bestehenden Zustand ab, ist die Differenz der Schaden (deshalb: Differenzhypothese, Förster a. a. O.). Dabei müssen die beim bestehenden Zustand eingesetzten Umstände durch das schädigende Ereignis einfach kausal (sine qua non) und adäquat kausal herbeigeführt worden sein.
BGH [12] Nach der sog.Differenzhypothese ist die Frage, ob ein zu ersetzender Schaden vorliegt, grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (BGHZ 188, 78 Rn. 8 m. w. N.). Ist die infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage ungünstiger als diejenige, die sich ohne das Ereignis ergeben hätte, hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Differenzschaden zu ersetzen (BGH a. a. O.; ebenso BVerwG NJW 2017, 1562).
BGH [13] Im Streitfall liegt eine solche Differenz in Bezug auf die Ergebnisbeteiligung nicht vor. Denn der Anspruch des Verletzten auf Zahlung dieser Prämien…wurde nach der insoweit maßgeblichen, zwischen der K und ihrem Gesamtbetriebsrat geschlossenen „Freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ergebnisbeteiligung"…durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Verletzten weder im Bestand noch in der Höhe beeinträchtigt. Dem Verletzten standen die Ansprüche…trotz seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in voller Höhe zu. Demzufolge hat er die 700 Euro, die K von S verlangt, erhalten, so dass ein Differenzschaden nicht eingetreten ist.
4. Möglicherweise muss aber die trotz unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit erfolgte Zahlung der Ergebnisbeteiligung unberücksichtigt bleiben. Das könnte sich daraus ergeben, dass ein normativ korrigierter Schadensbegriff zugrunde zu legen ist (normativer Schaden, im Unterschied zu dem sich aus der Differenzhypothese ergebenden natürlichen Schaden). BGH [15] In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass die Differenzrechnung dann normativ wertend zu korrigieren ist, wenn die Differenzbilanz die Schadensentwicklung für den Normzweck der Haftung nicht hinreichend erfasst (z. B. BGH VersR 2001, 196, 197; BGHZ 139, 167, 171;…; ebenso BVerwG NJW 2017, 1562). Allerdings ermöglicht der vorstehend vom BGH und auch in der Literatur (Brox/Walker, Allg. SchuldR, 40. Aufl. 2016, § 29 Rdnr. 7; Looschelders, SchuldR AT, 13. Aufl. 2015, Rdnr. 961) verwendete Begriff des normativen Schadens noch keine unmittelbare Rechtsanwendung (vgl. MüKoBGB/Oetker, 5. Aufl. 2007 § 249 Rdnr. 23: „ist letztlich nur ein Schlagwort“). Er ist vielmehr ein Oberbegriff für verschiedene Fallgruppen, die im zu entscheidenden Fall heranzuziehen sind. Zuvor ist zu unterscheiden:
a) Ein Korrekturbedarf kann dahingehend bestehen, dass Nachteile, die adäquat kausal herbeigeführt wurden, außer Betracht bleiben und damit den Schaden zum Wegfall bringen. Zu einem solchen Ergebnis können die Grundsätze über den Schutzzweck der Norm und über den Zurechnungs- oder Rechtswidrigkeitszusammenhang führen (vgl. BGH NJW 2016, 3715, Pyros im Fußballstadion, dort [13]).
b) Die Korrektur kann auch so erfolgen, dass durch den Schadensfall veranlasste Leistungen Dritter, die den Schaden rechnerisch ausgleichen, außer Betracht bleiben, so dass der Schaden erhalten bleibt. In solchem Fall hat der Geschädigte zwar einen Vorteil erlangt, es unterbleibt aber die grundsätzlich gebotene Vorteilsausgleichung. Dieser Aspekt kommt im vorliegenden Fall in Betracht.
aa) Ein Fall, in dem sich eine solche Rechtsfolge bereits aus dem Gesetz ergibt, ist - der noch unter 5. zu behandelnde - § 6 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz - EFZG). Dieser bestimmt in Absatz 1: Kann der Arbeitnehmer von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt hat. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass bei dem übergehenden Schadensersatzanspruch die Zahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall außer Betracht bleiben muss, weil sonst ein Schadensersatzanspruch nicht bestehen würde und nicht übergehen könnte. BGH [15] Erfolgt die Leistung des Dritten wie bei Zahlungen des Arbeitgebers im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die den Übergang des korrespondierenden Schadensersatzanspruchs des Verletzten gegen den Schädiger auf den leistenden Dritten vorsieht, liegt dies [d. h. die Nichtanrechnung der Lohnfortzahlung] auf der Hand; denn ohne die Annahme eines (normativen) Schadens ginge der Anspruchsübergang stets ins Leere. Aus denselben Gründen muss auch bei einem Forderungsübergang nach § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bei dem übergehenden Schadensersatzanspruch gegen den Dritten die Versicherungsleistung außer Betracht bleiben.
bb) Nach § 843 IV BGB wird ein Anspruch auf eine wegen einer unerlaubten Handlung zu zahlende Rente nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat. Hier unterbleibt die Anrechnung der Unterhaltszahlung aus sozialen Gründen und mindert den Schaden nicht (vgl. BGH NJW 2012, 50, Unfall mit dem BMW MINI).
cc) Ohne gesetzliche Regelung sind nach der Lehre vom normativen Schaden Leistungen Dritter dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie dem Schädiger nicht zugute kommen sollen. BGH [15] Eine Korrektur ist geboten, wenn die Vermögenseinbuße durch Leistungen von Dritten, die den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen wird (BGH VersR 2001, 196, 197). In diesem Sinne auch BGH NJW 2012, 50 [9] Der zu ermittelnde Schaden kann „normativ" wertend entsprechend dem Grundgedanken des § 843 Abs. 4 BGB dahin zu korrigieren sein, dass der dem Kl. gewährte Werksangehörigenrabatt unberücksichtigt zu bleiben hat,…wenn die Vermögenseinbuße durch überpflichtige Leistungen des Geschädigten oder durch Leistungen von Dritten, die den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen wird (vgl. BGHZ 137, 237; NJW 2001, 1274 jeweils m. w. N.).
Zum vorliegenden Fall BGH [16] Nach diesen Grundsätzen steht der Umstand, dass der Anspruch des V gegen K auf Zahlung der Ergebnisbeteiligung nach der ihm zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung in Bestand und Höhe von der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten unabhängig ist, der Annahme eines entsprechenden Schadens nicht entgegen. Denn diese Prämie diente jedenfalls auch der Vergütung der Arbeitsleistung des Verletzten, die dieser aufgrund seiner zeitweisen Arbeitsunfähigkeit zum Teil nicht zu erbringen vermochte. Die aus der Gesamtbetriebsvereinbarung folgende Pflicht der K, dem V die Prämie trotz seiner zeitweisen Arbeitsunfähigkeit voll zu bezahlen, diente nicht dem Zweck, den S zu entlasten.
c) Folglich bleibt die Zahlung der Ergebnisbeteiligung in Höhe von 700 Euro außer Betracht. Der Fall ist so zu betrachten, als hätte V die 700 Euro wegen seiner durch den Unfall herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit nicht erhalten. Deshalb ist V ein Schaden in Höhe von 700 Euro entstanden. Soweit § 11 StVG zur Anwendung kommt, liegt der Fall vor, dass dem V au ch der Vermögensnachteil zu ersetzen ist, den er dadurch erlitten hat, dass er infolge der Verletzung zeitweise nicht erwerbsfähig war. BGH [14] Der rechnerisch auf den Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten entfallende Teil der Ergebnisbeteiligung ist nach den zur normativen Schadensbetrachtung entwickelten Grundsätzen als Schaden des Verletzten anzusehen.
Somit ist der Schadensersatzanspruch des V gegen S aus § 823 I BGB, §§ 7 I, 18 I StVG, §§ 249 BGB, 11 StVG begründet und infolge der Abtretung vom 20. 9. 2016 auf K übergegangen.
5. Ein Übergang des Anspruchs des V auf K könnte auch im Jahre 2017 bei Zahlung der Ergebnisbeteiligung aufgrund des § 6 EFZG (zum Inhalt oben II 4 b aa) eingetreten sein.
a) Allerdings ist fraglich, ob ein bereits durch Abtretung übergegangener Anspruch nochmals durch einen gesetzlichen Tatbestand übergeleitet werden kann. Es würde sich dann um den Fall einer Doppelwirkung im Recht handeln (dazu BGH Urteil vom 13. 5. 2016, V ZR 265/14, [22]). Allerdings wird eine zulässige Doppelwirkung regelmäßig nur bei Nichtigkeits-, Unwirksamkeits-, Anfechtungs- und Widerrufsgründen angenommen. In diesen Fällen lässt sich, ebenso wie ein Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen, die Nichtigkeit eines Gesetzes auf mehrere Grundrechtsverstöße gestützt werden kann, auch die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts auf mehrere Gründe stützen. Dass jedoch ein bereits übergegangener Anspruch nochmals übergeht, erscheint nur schwer mit der Logik vereinbar. Denkbar wäre allenfalls, die Gläubigerstellung der K seit der Zahlung der Ergebnisbeteiligung zusätzlich zur Abtretung auch mit einem Übergang nach § 6 EFZG zu begründen.
b) Wird angenommen, dass der bereits durch Abtretung erfolgte Übergang der Forderung einer Anwendung des § 6 EFZG nicht entgegensteht, sind die Voraussetzungen des § 6 EFZG zu prüfen. Bei der Zahlung der Ergebnisbeteiligung müsste es sich um die Fortzahlung von Arbeitsentgelt handeln. Wie BGH [17] ausführt, ist § 6 nicht eng auszulegen, so dass Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld Arbeitsentgelt i. S. des § 6 EFZG sind.
aa) Bei der Ergebnisbeteiligung könnte das aber verneint werden, weil diese als Treueprämie gedacht ist und von der Arbeitsleistung unabhängig ist (so das BerGer. im BGH-Fall, vgl. [5]: Danach handelt es sich um eine Zahlung ohne Vergütungsfunktion).
bb) Andererseits wurde oben II 4 b cc) ausgeführt, dass die Prämie auch der Vergütung der Arbeitsleistung des Verletzten diente, was für eine Einordnung als Arbeitsentgelt spricht. Dahingehende Ausführungen enthält das BGH-Urteil bei [16, 19].
cc) Der BGH entscheidet die Frage aber nicht, sondern erklärt bei [21], die Frage sei ohne Bedeutung für die Entscheidung des Falles. Denn es komme im Streitfall weder für die Frage, ob dem Verletzten unter normativen Gesichtspunkten ein Schaden entstanden ist, noch für die Frage, ob K hinsichtlich des zunächst dem Verletzten zustehenden Schadensersatzanspruchs aktivlegitimiert ist, darauf an, ob und in welchem Umfang das Entgeltfortzahlungsgesetz greift.
c) Es hat sich gezeigt, dass es im vorliegenden Fall sowohl vertretbar ist, § 6 EFZG nicht anzuwenden - oben a) - als auch die Voraussetzungen des § 6 EFZG zu verneinen - oben aa) - oder zu bejahen - oben bb) -, und dass es im Ergebnis auf die Anwendung des § 6 EFZG nicht ankommt. Deshalb bleibt in diesem Lösungsvorschlag die Frage, ob eine Gläubigerstellung der K auch über § 6 EFZG zu begründen ist, offen.
Ein Anspruch der K gegen S ergibt sich jedenfalls aus der Abtretung (§ 398 BGB) i. V. mit § 823 I BGB, §§ 7, 18 StVG, §§ 249 BGB, 11 StVG.
B. Ansprüche der K gegen die A-AG als Haftpflichtversicherer des S
I. Da V am 20. 9. 2016 sämtliche Ansprüche aus dem Schadensfall an K abgetreten hat, umfasst die Abtretung auch einen Anspruch des V gegen die A.
II. Damit die Abtretung wirksam ist, müsste V einen Anspruch gegen A erworben haben.
Im Normalfall einer Haftpflichtversicherung wird, auch wenn der Versicherer letztlich den Schaden bezahlen soll, grundsätzlich der Schädiger in Anspruch genommen, der im Innenverhältnis zu seinem Versicherer dessen den Eintritt in die Schadensabwicklung verlangen kann. Handelt es sich aber um eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss der Schädiger gesetzlich verpflichtet ist, sieht das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einen Direktanspruch gegen den Versicherer vor. Nach § 115 I Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VVG kann ein Dritter seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegenüber dem Versicherer geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt und die Erfüllung der Schadensersatzpflicht unter die Leistungspflicht des Versicherers fällt.
Es sind die Voraussetzungen des § 115 I 1 Nr. 1, 2 VVG zu prüfen.
1. S hat sein Auto bei der A-AG versichert. Dabei handelt es sich um eine Pflichtversicherung nach § 1 des (Bundes-)Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter. Die Voraussetzung des § 11 5 I 1 Nr. 1 liegt somit vor.
2. Von der weiteren, in § 115 I 2 VVG enthaltenen Voraussetzung, dass die Erfüllung eines Schadensersatzanspruches unter die Leistungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer fällt, ist auszugehen. Die Leistungspflicht einer Kfz-Haftpflichtversicherung umfasst die Regulierung aller Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, also auch der Ansprüche, denen V aus dem Verkehrsunfall vom August 2016 ausgesetzt ist.
3. Folglich kann V als verletzter Dritter „seinen Anspruch auf Schadensersatz“, den er gegen S hat, auch gegenüber A geltend machen. V hat also auch gegen A den Anspruch auf Zahlung von 700 Euro, der oben A II 1-4 geprüft und bejaht wurde, erworben. Er ist aufgrund der Abtretung - und evtl. aufgrund des § 6 EFZG - auf K übergegangen.
III. Da Versicherungsnehmer (Schädiger) und Versicherer als Gesamtschuldner haften (§ 115 I 4 VVG), kann K Zahlung der 700 Euro nur einmal verlangen. Praktisch wird der Betrag von 700 Euro von der A gezahlt.
Im Ergebnis sind die Ansprüche der K gegen S und die A-AG begründet.
Zusammenfassung