Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Lastschriftverfahren: Einzugsermächtigung und Abbuchungsverfahren. ► Allgemeine Geschäftsbedingungen, Inhaltskontrolle, § 307 BGB. ► Unangemessene Benachteilung durch AGB. ► Auslegung von AGB; Unklarheitenregel (§ 305 c II BGB) und Gebot zur kundenfeindlichsten Auslegung
BGH Urteil vom 29. 5. 2008 (III ZR 330/07) NJW 2008, 2495
Fall (Lastschriftklausel des Sportstudios)
B betreibt ein kommerzielles Sportstudio. In den sog. Mitgliedsverträgen, die jeder Kunde unterschreiben muss, verwendet er unter Nr. 10 folgende Klausel:
„Das Mitglied erteilt dem Studio, soweit keine Überweisung vereinbart ist, bis auf Widerruf die Berechtigung, den Beitrag per Bankeinzug monatlich abzubuchen.“
Unmittelbar darunter ist in Nr. 11 die Angabe der Bank- und Kontodaten des Kunden vorgesehen.
Der K-Verband ist ein Verbraucherschutzverein, der nach §§ 3 I 1 Nr. 1, 4 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen und daher berechtigt ist, auf Unterlassung der Verwendung von unzulässigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 1 UKlaG zu klagen. Er hält die von B unter Nr. 10 verwendete Klausel für unzulässig und hat Klage auf Unterlassung erhoben. Ist diese begründet ?
I. Die Klage ist gemäß § 1 UKlaG begründet, wenn die unter Nr. 10 verwendete Klausel nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam ist. Im vorliegenden Fall kommt eine Unwirksamkeit nach § 307 I 1, II Nr. 1 BGB in Betracht. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Klausel die Kunden des Sportstudios unangemessen benachteiligt, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Grundsätzlich geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass ein Kunde selbst über sein Konto verfügt und entscheidet, ob ein Geldbetrag an einen anderen überwiesen wird. Davon weicht die Klausel Nr. 10 ab. Ob sie unangemessen ist, hängt davon ab, wie sie zu verstehen ist und in welchem Maße sie den Kunden belastet.
II. Zunächst ist das Ziel der Auslegung zu präzisieren. Es ist zu klären, welchen möglichen Inhalt sie haben kann, d. h. was die Formulierung „Berechtigung, den Beitrag per Bankeinzug monatlich abzubuchen“, bedeuten kann, und welche Belastungen der Kunden mit den verschiedenen Inhalten verbunden sind.
1. Die Klausel regelt einen Fall des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, bei dem die Zahlung des Schuldners durch eine vom Schuldner generell vorweg bewilligte, aktuell aber vom Gläubiger veranlasste Lastschrift bewirkt wird. Das Lastschriftverfahren gibt es in zwei Formen: dem Einzugsermächtigungsverfahren und dem Abbuchungsauftragsverfahren, auch: Abbuchungsverfahren.
2 Zum Einzugsermächtigungsverfahren
a) Beim Einzugsermächtigungsverfahren richtet der Schuldner an den Gläubiger die Ermächtigung, zu einem bestimmten Zeitpunkt über seine Bank der Bank des Schuldners eine Lastschrift einzureichen, auf Grund derer die Bank das Konto des Schuldners belastet und den Geldbetrag an die Gläubigerbank leitet, wo sie dem Gläubiger gutgeschrieben wird. Allerdings kann der Schuldner der Belastung widersprechen und erhält dann den Betrag wieder gutgeschrieben. Das Einzugsermächtigungsverfahren ist in der Praxis der Normalfall des Lastschriftverfahrens.
b) Zur Frage der Zulässigkeit BGH Rdnrn. 13 - 16:
aa) Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1996, 988, 989 f. kann dabei jedenfalls dann nicht von einer unangemessenen Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders ausgegangen werden, wenn es sich um die Sollstellung geringfügiger Beträge handelt oder wenn es um größere Beträge geht, die in regelmäßigen Abständen und gleich bleibender, von vornherein feststehender Höhe eingezogen werden, wie dies auch bei den Mitgliedsbeiträgen eines Fitnessstudios üblicherweise der Fall ist. Dem ist der erkennende Senat in NJW 2003, 1237 gefolgt und hat lediglich für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Anbieters von Mobilfunkdienstleistungen im Hinblick auf die dabei zu berücksichtigenden - hier nicht relevanten - Besonderheiten Einschränkungen dahingehend für erforderlich gehalten, dass dem Kunden zwischen Zugang der Rechnung und dem Einzug des Rechnungsbetrages ausreichend Zeit - mindestens fünf Werktage - verbleiben müsse, um die Rechnung zu prüfen und gegebenenfalls für eine ausreichende Deckung seines Girokontos zu sorgen.
bb) An der danach grundsätzlich zulässigen bindenden Vorgabe der Zahlungsweise in Form des Einzugsermächtigungsverfahrens in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist festzuhalten, bringt doch die Teilnahme an dieser weit verbreiteten (vgl. die Hinweise z.B. van Gelder, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch Band I, 3. Auflage 2007, § 58 Rn. 152; Strube, in: Assies/Beule/Heise/Strube, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1. Auflage 2008, Kapitel 3, Rn. 113) Art des Lastschriftverfahrens für den Verwender und Zahlungsempfänger erhebliche Rationalisierungseffekte, vor allem Organisations- und Buchungsvorteile mit sich und ist spürbar kostengünstiger.
bb) Für den Verbraucher ist diese Form der bargeldlosen Zahlung ebenfalls von Vorteil: Er wird von der Überwachung der Fälligkeitstermine entbunden und kann sich passiv verhalten. Darüber hinaus ist die Einzugsermächtigung für ihn risikolos, weil er der Belastung seines Kontos durch Widerruf entgegentreten kann und das Insolvenzrisiko bei unberechtigtem Einzug bei der Gläubiger- bzw. der Schuldnerbank verbleibt; die für ihn damit verbundenen Nachteile fallen dagegen nicht maßgeblich ins Gewicht (zu den Einzelheiten eingehend: BGH NJW 1996, 988; vgl. auch Staudinger/Coester, BGB Neubearbeitung 2006, § 307 Rn. 525…).
Folglich bedeutet die Verpflichtung zu einer Einzugsermächtigung in AGB keine unangemessene Benachteiligung des Schuldners.
3. Zum Abbuchungsverfahren
a) BGH Rdnr. 17: Bei diesem Verfahren erteilt der Schuldner seiner Bank (der Zahlstelle) im Voraus einen Auftrag im Sinne einer (General-)Weisung nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB, Lastschriften des darin bezeichneten Gläubigers einzulösen. Die Bank belastet dementsprechend das Konto mit seiner - des Kontoinhabers - Zustimmung. Darum kann er nach Einlösung der Lastschrift die Kontobelastung nicht mehr rückgängig machen (vgl. BGHZ 95, 103, 105)…
b) Durch den Ausschluss einer Widerrufsmöglichkeit entsteht für den Schuldner die Gefahr, mit einer unberechtigten Lastschrift belastet zu werden. Deshalb stellt der BGH unter Rdnr. 17 fest, dass das Abbuchungsverfahren…in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich nicht wirksam vereinbart werden kann (BGH NJW 1996, 988 [989]; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 1640, 1641; Hadding/Häuser, in: MünchKommHGB, Band 5, 2001, Recht des Zahlungsverkehrs, Rn. C 112).
BGH Rdnr. 17: Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die das Abbuchungsverfahren (Abbuchungsauftragsverfahren) vorsehen, benachteiligen den Verbraucher regelmäßig unangemessen.
III. Auf Grund der vorstehenden Überlegungen hängt die Wirksamkeit der Nr. 10 der AGB des B davon ab, ob der Kunde zur Erteilung einer Einzugsermächtigung oder zu einem Abbuchungsauftrag verpflichtet wird.
1. Da sich im Text der Klausel das Wort „abzubuchen“ findet, spricht dies zunächst für eine Verpflichtung zu einem Abbuchungsauftrag. Jedoch muss auch bei AGB der verbindliche Inhalt durch Auslegung bestimmt werden. BGH Rdnr. 19: Nach ständiger Rechtsprechung gilt im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach sind diese ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (st. Rspr.; BGHZ 77, 116, 118; 102, 384, 389 f.; NJW 2005, 1183, 1184 und NJW 2007, 504, 505; Basedow, in: MünchKomm BGB, 5. Auflage 2007, § 305c BGB, Rn. 22 f.).
2. Das AGB-Recht kennt allerdings zwei Besonderheiten:
(a) Steht fest, dass die Klausel wirksam ist, gehen gemäß der Unklarheitenregel des § 305c II BGB Auslegungszweifel zu Lasten des Verwenders, d. h. die Klausel ist zu Gunsten des Kunden auszulegen.
(b) Bei der Frage der Wirksamkeit der Klausel - also im Verbandsprozess - gilt das Gebot zur kundenfeindlichsten Auslegung, so dass die Klausel im Zweifel unwirksam ist, was ebenfalls zu Gunsten des Kunden wirkt.
BGH Rdnr. 20: Nur wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel verbleiben und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, bei der im Verbandsprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen ist, zur Anwendung (BGHZ 112, 65, 68 f.; NJW-RR 2003, 1247 und NJW 2007, 504, 506; BAGE 116, 185 = NJW 2006, 712; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage 2008, § 305c Rn. 18).
3. Dementsprechend schöpft der BGH zunächst die normalen Auslegungsmethoden aus und gelangt mit diesen unter Rdnrn. 22 - 33 auch zu einem Ergebnis.
a) Nach allgemein verbreitetem Verständnis verbindet der Verbraucher mit dem Einzugsermächtigungs- oder Einzugsverfahren eine Erklärung gegenüber seinem Vertragspartner, mit der diesem gestattet werden soll, anstelle einer Barzahlung oder einer Überweisung durch Vorlage einer entsprechenden Lastschrift bei der Bank des Zahlungspflichtigen die Begleichung fällig werdender Beträge zu veranlassen. Im Hinblick auf die Verkehrsüblichkeit und das weit häufigere Vorkommen (…) dieser Variante des Lastschriftverfahrens ist deshalb grundsätzlich das bekanntere und schuldnerfreundlichere Einzugsermächtigungsverfahren als vereinbart anzusehen.
b) Demgegenüber ist die Annahme, es sei…das Abbuchungsauftragsverfahren vereinbart worden, regelmäßig fern liegend. Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn dies deutlich zum Ausdruck kommt oder aus der Klausel oder sonstigen Umständen hervorgeht, der Schuldner solle verpflichtet sein, seiner Bank, der Zahlstelle, sogar eine generelle Anweisung zu erteilen, Lastschriften im Abbuchungsauftragsverfahren einzulösen (…). Für ein derartiges Verständnis finden sich jedoch in dem Vertragsformular keine Anhaltspunkte.
c) Bei dieser Beurteilung ist außerdem von maßgeblicher Bedeutung, dass aus Sicht des Verbrauchers ausschließlich eine entsprechende - insoweit abschließende - Willenserklärung gegenüber dem Gläubiger, dem Vertragspartner, abzugeben ist, während das Abbuchungsauftragsverfahren eine Willenserklärung ausdrücklich gegenüber der Bank des Kunden erfordert. Das Vertragsformular der Beklagten enthält aber ersichtlich nur Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien. Auch sonst ist weder der Klausel noch dem übrigen Vertragsinhalt eine Verpflichtung des Schuldners zu entnehmen, seiner Bank über die bereits im Vertrag enthaltenen Erklärungen hinaus nunmehr noch einen Abbuchungsauftrag zu erteilen.
Dies gilt umso mehr, wenn, wie hier, das dem Kunden im Zusammenhang mit dem Einzugsermächtigungsverfahren vertraute Wort "Bankeinzug" verwendet wird und alle Umstände nur auf diese Art des Lastschriftverfahrens hindeuten.
d)Etwas anderes ergibt sich nicht durch die Verwendung des Wortes "abzubuchen" am Ende der beanstandeten Vertragsklausel. Dies bewirkt keine zwangsläufige Zuordnung zum Abbuchungsauftragsverfahren und lässt keine Zweifel an dem sich für den Kunden aus den aufgeführten Umständen erschließenden Bedeutungsgehalt, nur eine Einzugsermächtigung erteilt zu haben, aufkommen. Der Begriff beschreibt vielmehr die Abwicklung bei der Bank und macht nach allgemeinem und so verstandenem Sprachgebrauch lediglich den Vorgang des Einlösens der Lastschrift und die Belastung des Kontos auf Initiative des Zahlungsempfängers, hier der Beklagten, gegenüber der Bank des Kunden deutlich.
Im Übrigen werden die Begriffe "Abbuchen" und "Einlösen" im Zusammenhang mit dem Lastschriftverfahren und seinen beiden Arten sowohl in der Fachliteratur als auch umgangssprachlich synonym verwendet, ohne dass dabei dem Wort "Abbuchen" eine Zuordnung zu dem und ein Hinweischarakter gerade auf das Abbuchungsauftragsverfahren zukommt (vgl. z.B. die vorgeschlagene Formulierung in formularmäßigen Mustertexten für eine Einziehungsermächtigung: "Ich ermächtige … von meinem Konto einzuziehen" - so van Gelder, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch Band I, 3. Auflage 2007, § 57 Rn. 3 - sowie für einen Abbuchungsauftrag: "Hiermit bitte ich, die … eingehenden Lastschriften zu Lasten … Girokonto Nr. … einzulösen" - van Gelder, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch Band I, 3. Auflage 2007, § 57 Rn. 57; vgl. zur Verwendung der Begriffe auch Strube, in: Assies/Beule/Heise/Strube, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1. Auflage 2008, Kapitel 3, Rn. 113 - dort wird das Wort Abbuchen ebenfalls ohne weiteres im Zusammenhang mit einer Einziehungsermächtigung benutzt). Diesen beiden Begriffen ist deshalb lediglich gemein, dass sie im allgemeinen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit der Belastung eines Kontos unterschiedslos verwendet und den bloßen "Buchungsvorgang" bei der Bank beschreiben.
e) Ergebnis ist somit, dass Nr. 10 der AGB im Sinne einer Einzugsermächtigung zu verstehen ist. Diese benachteiligt, wie ausgeführt, den Kunden nicht unangemessen. Die Klausel ist nicht unwirksam. Die Unterlassungsklage ist unbegründet und abzuweisen.
(Gleichwohl hat sie im Sinne des von K verfolgten sachlichen Anliegens Erfolg gehabt: Es wurde geklärt, dass die Kunden des Sportstudios keinen für sie ungünstigen Abbuchungsauftrag, sondern nur eine Einzugsermächtigung zu erteilen brauchen.)
Zusammenfassung