Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Sachmängelregelung im Mietrecht, § 536 I BGB. Wohnflächenabweichung als Mietmangel; zusätzliche Prüfung der Tauglichkeitsminderung ? Erheblichkeit von Mängeln

BGH Urteil vom 24. 3. 2004 (VIII ZR 295/03) NJW 2004, 1947 = JuS 2004, 822 unter Einbeziehung von BGH vom 24. 3. 2004 (VIII ZR 44/03) NJW 2004, 2230 und BGH vom 8. 1. 2004 (VII ZR 181/02) NJW 2004, 2156

Fall (Reihenhaus – später nachgemessen)

Eheleute M mieteten von V nach Besichtigung ein Reihenhaus für eine monatliche Miete von 682 € zuzüglich Nebenkosten, die sich nach der Wohnfläche berechneten. Im schriftlichen Mietvertrag stand: „Die Wohnfläche wird mit 126 qm vereinbart.“ Nach mehr als einem Jahr ließen M das Haus von einem Gutachter nachmessen. Dieser stellte fest, dass sich die Wohnfläche nur bei einer reinen Addition der Grundflächen auf 126 qm beläuft. Lege man aber die BerechnungsVO für Wohnraum (BGBl I 2003, 2346) zu Grunde, dürften die Dachschrägen und der überdachte Teil der Terrasse nur zur Hälfte angerechnet werden, woraus sich eine Wohnfläche von nur 106 qm ergebe. Daraufhin setzten M die Miete entsprechend herab und zahlten nur noch die geminderte Miete. V ist damit nicht einverstanden. Er beruft sich darauf, dass die im Mietvertrag vereinbarte Wohnfläche verbindlich sei und dass durch eine andersartige Berechnung der Wohnwert nicht beeinträchtigt werde. Kann V von M weiterhin Zahlung einer Miete in Höhe von 682 € verlangen ?

Anspruchsgrundlage für V ist der Mietvertrag, in dem eine Monatsmiete von 682 € vereinbart ist, die M zu einer entsprechenden Zahlung verpflichtet (§ 535 II BGB). Der Mietbetrag könnte jedoch gemäß § 536 I Satz 2 i. V. mit Satz 1 herabgesetzt sein.

I. Voraussetzungen sind, dass die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel hat, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch zwar nicht aufhebt (dann würde Satz 1 eingreifen), aber mindert, wobei eine unerhebliche Minderung außer Betracht bleibt (§ 536 I 3).

1. Mangel und Minderung der Tauglichkeit sind grundsätzlich zusammen gehörende Merkmale (Hk-BGB/Eckert § 536 Rdnr. 9). Bei der Frage der Wohnungsgröße steht allerdings zunächst das Element des Mangels im Vordergrund. Ein solcher liegt vor, wenn die Mietsache von der vereinbarten Beschaffenheit für den Mieter nachteilig abweicht. Das gilt auch für die Größe der Wohnung (vgl. dazu die im Kaufrecht geltende Regelung des § 434 III, wonach es einem Sachmangel gleich steht, wenn der Verkäufer eine zu geringe Menge liefert). BGH S. 1948 unter a): Weist eine gemietete Wohnung tatsächlich eine Wohnfläche auf, die erheblich unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, so kann dieser Umstand einen Mangel der Mietsache nach § 536 I BGB…darstellen (folgen Nachw.; ebenso BGH NJW 2004, 2230/1, „Maisonette-Wohnung“). Die vereinbarte Fläche ist Teil der vereinbarten Sollbeschaffenheit der Mietsache.

a) Da nach dem Mietvertrag im vorliegenden Fall die Wohnfläche mit 126 qm vereinbart wurde, könnte sich daraus die Sollbeschaffenheit der Wohnung ergeben. Allerdings bedarf diese Klausel der Auslegung. Ebenso wie im Originalfall des BGH macht V laut obigem Sachverhalt geltend, durch die Formulierung „wird mit…vereinbart“ sei die Größe verbindlich festgelegt worden; auf die wirkliche Größe komme es dann nicht mehr an. Der BGH billigt jedoch die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Klausel nicht in diesem Sinne zu verstehen ist. Vielmehr entspricht es einer sachgemäßen Auslegung, dass beide Parteien damit keine fiktive Größe für maßgeblich erklären wollen, sondern dass sie davon ausgehen, dass die Größe tatsächlich 126 qm beträgt. BGH S. 1948 unter b): Zwar kann eine vertragliche Vereinbarung der Mietfläche den Sinn haben, die wahre Größe dem Streit zu entziehen und die Wohnfläche unabhängig von den tatsächlichen Umständen verbindlich festzulegen. Hierfür fehlt es jedoch an Anhaltspunkten. Somit sollte die Wohnung eine Größe von 126 qm haben.

b) Davon müsste die tatsächliche Größe abweichen. Dabei kommt es auf die Berechnungsmethode an. Auch diese könnte von den Parteien vorgegeben werden und dem Mietvertrag durch Auslegung zu entnehmen sein. Allein der Begriff der Wohnfläche reicht hierfür aber nicht aus. In NJW 2004, 2230/1 (Maisonette-Wohnung unter aa) zieht der BGH die BerechnungsVO für Wohnraum heran. Diese gilt zwar unmittelbar nur für öffentlich geförderten Wohnraum, während eine entsprechende Regelung für frei finanzierte Objekte fehlt. In der Praxis wird sie aber auch für letztere herangezogen und führt zu sachgerechten Ergebnissen. Somit ist dem Gutachter zu folgen, der auf der Basis der BerechnungsVO die tatsächliche Größe mit 106 qm angegeben hat.

c) Infolgedessen wich zum Zeitpunkt der Überlassung der Wohnung an M die tatsächliche Beschaffenheit der Mietwohnung zu Ungunsten des Mieters von der Sollbeschaffenheit ab.

2. Wegen der in § 536 I enthaltenen „Tauglichkeitsklausel“ wird vertreten, es müsse auch im Falle einer Flächendifferenz zusätzlich festgestellt bzw. vom Mieter dargelegt werden, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist (z. B. OLG Dresden NJW-RR 1998, 512); daran könnte es im vorliegenden Fall fehlen, weil den Mietern die Differenz zunächst nicht aufgefallen ist. Demgegenüber ist nach der Gegenmeinung (z. B. OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 586) eine solche zusätzliche Prüfung nicht erforderlich. Der BGH (S. 1948 unter b) schließt sich der letztgenannten Auffassung an, wonach bereits eine – nicht unerhebliche – Flächenabweichung ausreicht. Zur Begründung verweist der BGH darauf, die fehlende Übereinstimmung mit der vereinbarten Größe beeinträchtige bereits die Gebrauchstauglichkeit, so dass der Mieter diese nicht gesondert zu belegen brauche. Die abweichende Auffassung verkennt, dass die vereinbarte Fläche ein wesentliches Merkmal für den Nutzwert der angemieteten Wohnung ist… So wird bereits bei der Inserierung in aller Regel die Wohnungsgröße der angebotenen Wohnung angegeben, um Interessenten eine Vergleichbarkeit verschiedener Wohnungen zu erleichtern und um die Miete pro Quadratmeter errechnen zu können. Hat ein Wohnungssuchender mehrere Wohnungen, deren Mietzins und Ausstattung ähnlich sind, zur Auswahl, wird er sich in vielen Fällen für die größere Wohnung entscheiden. Vor allem richtet sich die Verteilung der Betriebskosten in aller Regel nach der im Vertrag angegebenen Fläche, so dass bei einer tatsächlich geringeren Fläche der Mieter zu überhöhten Kosten herangezogen wird. Liegt die tatsächliche Wohnfläche erheblich unter der vertraglich vereinbarten, so ist auch die Tauglichkeit der Wohnung gemindert, ohne dass es auf einen Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung des Mieters durch die Flächenabweichung ankommt.

Ebenso hat BGH NJW 2004, 2156 im Fall des Erwerbs einer Eigentumswohnung (durch Kaufvertrag oder auf Grund eines Werkvertrags) von einem Bauträger entschieden: Vereinbarte Wohnflächen sind Beschaffenheitsmerkmale einer auf Grund des Erwerbervertrages vom Bauträger geschuldeten Wohnung (folgen Nachw.). Weicht die tatsächlich ausgeführte Fläche zu Ungunsten des Erwerbers von der vereinbarten Fläche ab, ist die Wohnung mangelhaft… In diesem Urteil hat der BGH auch entschieden (vgl. LS 2), dass der Bauträger für die Erklärungen von Maklern und anderen Hilfspersonen einstehen muss, wenn er diese eingeschaltet hat oder wenn er mit der Einschaltung von weiteren Vermittlern rechnen musste.

3. Während im Kauf- und Werkvertragsrecht auch nicht wesentliche Mängel relevant sind (ergibt sich aus dem Ausschluss des § 323 V 2 durch §§ 441 I 2, 638 I 2), bleibt im Mietrecht eine unerhebliche Minderung außer Betracht (§ 536 I 3). Deshalb musste der BGH noch eine Toleranzgrenze für Flächenabweichungen bestimmen. S. 1949 unter c): Ein abweichendes Flächenmaß ist…dann erheblich, wenn die tatsächliche Fläche um mehr als 10 % hinter der vertraglich vereinbarten Größe zurückbleibt…

Dies gilt zunächst für den Mietvertrag. Nach BGH a. a. O. (8. Senat) gilt dies auch beim Erwerb durch Kauf oder Werkvertrag. Jedoch erscheint nicht gerechtfertigt, dass z. B. eine 9 %ig kleinere Eigentumswohnung bereits mangelfrei sein soll. Deshalb ist vorzugswürdig, wenn BGH NJW 2004, 2157/8 (7. Senat) beim Kauf und Werkvertrag die Grenze auf 3 % festsetzt.

Im vorliegenden Fall beträgt die Differenz 20 qm, also mehr als 10 % von 126. Folglich liegen die Voraussetzungen des § 536 I 2, 3 vor.

4. Ein Ausschluss der Minderung nach § 536 b BGB setzt zumindest grob fahrlässige Unkenntnis des Mieters vom Mangel voraus. Diese liegt hier nicht vor, weil die Mieter die Wohnung nicht nachzumessen brauchen.

II. Nach der Rechtsfolge des § 536 I hat der Mieter „nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten“.

1. Anders als bei der Minderung nach Kaufrecht, bei der eine Gestaltungserklärung abgegeben werden muss (§ 441 I 1), tritt die Rechtsfolge des § 536 I kraft Gesetzes ein. Für den Wegfall des Anspruchs nach § 536 I 1 oder die Minderung nach § 536 I 2 bedarf es keiner Erklärung des Mieters.

2. Das ändert allerdings nichts daran, dass es sich bei § 536 I um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt, die im Streitfall vom Mieter dargelegt und ggfs. auch bewiesen werden muss. Auch muss der Mieter einen Mangel nach § 536 c dem Vermieter anzeigen. Diesen Verpflichtungen ist M im vorliegenden Fall aber durch Vorlage des Gutachtens nachgekommen. Somit hat sich seine Mietzinsverpflichtung im Umfang der Flächendifferenz vermindert (BGH S. 1949 unter d). V hat keinen Anspruch auf Zahlung der vollen Miete.

Hat der Mieter, wie im Originalfall BGH NJW 2004, 1947 und im Fall BGH NJW 2004, 2230 (Maisonette-Wohnung), die Flächendifferenz zunächst nicht erkannt und die Miete in der vereinbarten Höhe gezahlt, kann er die zuviel gezahlten Beträge nach § 812 I BGB zurückverlangen und mit diesen Rückzahlungsansprüchen gegen die Verpflichtungen zur laufenden Mietzahlung aufrechnen, d. h. er wohnt dann ggfs. eine Zeit lang mietfrei. Allerdings gilt das nur für die Zeit, während der die Rückzahlungsansprüche noch nicht verjährt sind. Verjährung tritt nach § 195 BGB nach drei Jahren ein.

Zusammenfassung

 

Auch BGH NJW 2004, 3115 hatte eine ähnliche Fallgestaltung zu entscheiden. Im dortigen Fall war die Größe der Mietwohnung im Mietvertrag nicht angegeben. Der Vermieter hatte an den Mieter ein Mieterhöhungsverlangen (jetzt §§ 558 ff. BGB) gerichtet und dabei die Mieterhöhung auf der Grundlage einer Wohnungsfläche von 100 qm berechnet. Der Mieter hatte der Mieterhöhung zugestimmt und die Miete auf der Grundlage des Mieterhöhungsverlangens gezahlt. Später stellte sich heraus, dass die Wohnungsgröße nur 87 qm beträgt. Der Mieter verlangte vom Vermieter anteilige Rückzahlung. Der BGH entschied, dass die Mieterhöhung in Höhe der 13 qm ungerechtfertigt war, die entsprechenden Zahlungen des Mieters ohne Rechtsgrund i. S. des § 812 IBGB erfolgten und zurückverlangt werden können.

1. BGH LS: Übersteigt die in einem Mieterhöhungsverlangen angegebene und der Berechnung zu Grunde gelegte Wohnfläche die tatsächliche Wohnfläche, so kann der Mieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung der in der Folgezeit auf Grund der fehlerhaften Berechnung überzahlten Miete verlangen, wenn die Abweichung der tatsächlichen von der angegebenen Wohnfläche mehr als 10 % beträgt (im Anschluss an BGH NJW 2004, 1947). Letzteres war hier der Fall (13 qm von 100 qm).

2. Da aber der Mieter zugestimmt hatte (vgl. § 558 b BGB), könnte darin die Grundlage für eine vertragliche und damit verbindliche Mieterhöhung gesehen werden. Jedoch ist nach BGH S. 3116 unter c) die Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter auf Grund eines gemeinsamen Kalkulationsirrtums zu Stande gekommen und infolgedessen insoweit unwirksam. Sie enthält keinen Rechtsgrund i. S des § 812 I.