Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Objektive oder subjektive Bestimmung der Verbrauchereigenschaft nach § 13 BGB. ► Rechtslage bei falschen Angaben des Käufers. ► Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses, § 475 BGB
BGH Urteil vom 22. 12. 2004 (VIII ZR 91/04) NJW 2005, 1045
Fall (Privatmann als Händler)
K hatte bei V, einem Kfz.-Händler, einen gebrauchten Pkw Fiat Barchetta besichtigt und wollte diesen zur privaten Nutzung kaufen. Er hatte aber von einem Angestellten des V erfahren, dass V das Fahrzeug nur an einen Händler verkaufen wollte, um die Gewährleistung ausschließen zu können. Daraufhin gab sich K als Händler aus und kaufte das Fahrzeug am 5. 10. für 6.500 €. Der schriftliche Kaufvertrag enthielt folgende Klausel: „Baujahr 1995. Erstzulassung 03.00 in Deutschland. Keine Gewährleistung. Händlergeschäft.“ Zwei Wochen später berief K sich darauf, das Fahrzeug sei bereits vorher in Italien zugelassen gewesen und weise außerdem technische Mängel auf. Er erklärte den Rücktritt vom Vertrag und verlangt Rückzahlung der 6.500 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw. Zu Recht ?
Anspruchsgrundlage kann § 346 I i. V. m. §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB (Sachmängelhaftung) sein.
I. K und V haben am 5. 10. einen Kaufvertrag über den Fiat-Pkw geschlossen. Zwar hat K den V über die beabsichtigte Verwendung des Pkw getäuscht. Ob sich daraus ein Anfechtungsgrund nach § 123 BGB oder § 119 BGB ergibt, kann aber offen bleiben, weil V die nach § 143 I BGB erforderliche Anfechtungserklärung nicht abgegeben hat. Sie wäre für V auch nachteilig gewesen, weil er dadurch dem K den von diesem erstrebten Rückzahlungsanspruch verschafft hätte (§§ 142 I, 812 I BGB).
II. Der erforderliche Sachmangel (§ 434 I BGB) könnte darin bestehen, dass die vereinbarte Erstzulassung des Fahrzeugs „03.00 in Deutschland“ eine Beschaffenheitsvereinbarung war (§ 434 I 1; vgl. BGH NJW 1992, 170), mit der der Pkw wegen einer bereits in Italien erfolgten Zulassung nicht übereinstimmte. Auch die technischen Mängel könnten zur Annahme eines Sachmangels führen. Daraus könnte sich ein unmittelbares Rücktrittsrecht des K auch ohne Setzen einer Frist zur Nacherfüllung aus §§ 326 V, I, 275 I ergeben, weil es sich bei der Verpflichtung zur Leistung des gebrauchten Fiat Barchetta um eine Stückschuld gehandelt hat und V weder diesen Pkw ohne Erstzulassung in Italien noch ein gleichartiges Fahrzeug liefern kann (vgl. zum „irreparablen Sachmangel beim Stückkauf“ OLG Braunschweig NJW 2003, 1053 = JurTel 2004 Heft 12 S. 245; OLG Koblenz NJW 2004, 1670 = JurTel 2005 Heft 2 S. 26, Scholz Löhnig JA 2005, 65).
III. Sachmangelansprüche entfallen aber, wenn die Gewährleistung rechtswirksam ausgeschlossen wurde. Ein Ausschluss wurde in der Klausel des Kaufvertrages vereinbart.
1. Jedoch ist dieser nach § 475 I 1 unwirksam, wenn es sich bei dem Kauf um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 gehandelt hat.
a) Das verkaufte Auto war eine bewegliche Sache. V war Unternehmer (§ 14 BGB).
b) K müsste Verbraucher i. S. des § 13 BGB gewesen sein. Verbraucher ist eine natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Objektiv war das der Fall, weil K das Auto privat nutzen wollte. Erklärt hat K allerdings, dass er Händler und damit nicht Verbraucher sei; dadurch hat er eine entsprechende Vorstellung bei V hervorgerufen.
aa) BGH S. 1045 unter a): Der Wortlaut des § 13 BGB lässt nicht erkennen, ob der Geschäftszweck, von dem die Verbrauchereigenschaft nach §§ 13, 474 BGB abhängt, subjektiv oder objektiv zu bestimmen ist (MünchKommBGB/Micklitz, 4. Aufl., § 13 Rdnr. 30). Anschließend lässt der BGH die Entscheidung dieser Frage offen, kommt aber zu einem Ergebnis, das der subjektiven Bestimmung entspricht, indem er dem bewusst täuschenden Vertragspartner die Berufung auf §§ 474 ff. versagt.Die den Verbraucher schützenden Vorschriften der §§ 474 ff. BGB finden jedenfalls dann keine Anwendung, wenn der Vertragspartner des Unternehmers bei Abschluss des Vertrages wahrheitswidrig als Gewerbetreibender auftritt und dadurch einen gewerblichen Geschäftszweck vortäuscht (ebenso MünchKommBGB/Lorenz, aaO, § 474 Rdnr. 23; MünchKommBGB/Basedow, aaO § 310 Rdnr. 48; Soergel/Pfeiffer, BGB, 13. Aufl., § 13 Rdnr. 28; Staudiner/Kessal-Wulf (2004) § 491 Rdnr. 42…).
Die Rechtfertigung für die Beschränkung des Verbraucherschutzes auf den redlichen Vertragspartner liegt in dem auch im Verbraucherschutzrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB; MünchKommBGB/Lorenz aaO; MünchKommBGB/Basedow aaO). Wer eine Sache von einem Unternehmer kaufen will, der zu einem Geschäftsabschluss nicht bereit ist, weil er keine Gewähr für die Kaufsache übernehmen will, darf sich den Schutz der ihn begünstigenden Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf nicht dadurch erschleichen, dass er sich gegenüber dem Unternehmer wahrheitswidrig als Händler ausgibt, um diesen zum Vertragsschluss zu bewegen. Verstößt er dagegen, ist ihm die spätere Berufung darauf, er sei in Wahrheit Verbraucher, nach Treu und Glauben (sog. „venire contra factum proprium“) verwehrt… Zusätzlich verweist der BGH noch auf die Entstehungsgeschichte und auf die Vereinbarkeit mit europäischem Recht.
bb) BGH S. 1045/6 unter a): Ein Verstoß gegen die im Umgehungsverbot des § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommende Unabdingbarkeit des Verbraucherschutzrechts liegt darin nicht (ebenso MünchKommBGB/Lorenz aaO). Dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebührt Vorrang vor dem Interesse des unredlichen Vertragspartners. Der Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschungen hat deshalb nicht, wie die Revision meint, hinter den Verbraucherschutz ebenso zurückzutreten wie hinter den Minderjährigenschutz. Während der Minderjährige aufgrund seiner entwicklungsbedingten Unreife vor den Rechtsfolgen seiner Handlungen auch dann zu schützen ist, wenn er die Volljährigkeit vortäuscht, verdient der erwachsene Verbraucher, der einen gewerblichen Geschäftszweck vortäuscht, keinen Schutz. Denn die Verbraucherschutzvorschriften, die dem Ausgleich der strukturellen Unterlegenheit des Verbrauchers im Geschäftsverkehr dienen (MünchKommBGB/Micklitz, aaO, Vor §§ 13, 14, Rdnr. 60 ff.), setzen – anders als die Vorschriften zum Schutz des Minderjährigen – einen verantwortlich handelnden Verbraucher voraus.
Somit ist der Gewährleistungsausschluss nicht nach § 475 unwirksam. – Eine Prüfung anhand der §§ 305 ff. BGB ist nicht erforderlich, weil die Ausschlussklausel keine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern eine ausgehandelte Individualabrede (§ 305 I 3) ist.
2. Der Gewährleistungsausschluss ist nach § 444 BGB unwirksam, wenn V eine Erstzulassung in Italien arglistig verschwiegen hat. Für diese Feststellung reicht der Sachverhalt aber nicht aus. Bereits das Verschweigen ist zweifelhaft, weil bei einem Auto Baujahr 1995, das in Deutschland im Jahre 2000 erstmals zugelassen wurde, eine bereits im Herstellerland erfolgte Vor-Zulassung nicht fern lag. Auch könnte eine Arglist des V nicht angenommen werden, solange die Möglichkeit besteht, dass es eine andere Erklärung dafür gibt, dass eine Erstzulassung in Italien nicht erwähnt wurde. (Im Originalfall hatte der Zeuge H die Verhandlungen für K geführt, und ihm war die Erstzulassung in Italien bekannt gewesen; dieses Wissen hat der BGH nach § 166 I dem K zugerechnet, so dass ein arglistiges Verschweigen ausschied, vgl. BGH unter II 4, in der NJW nicht mit abgedruckt.)
3. Folglich ist der Gewährleistungsausschluss nicht unwirksam, sondern wirksam. K hat gegen V keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen Mängeln des gekauften Pkw.
Zusammenfassung