Das modernisierte Schuldrecht hat die Leistungsstörungen neu geregelt und dort den Gedanken der Vertragserfüllung stärker in den Vordergrund gestellt. In der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung wurde die Wandlung abgeschafft und der – vorrangige – Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) eingeführt. Rücktritt, Minderung und Schadensersatz wegen einer mangelhaften Leistung haben grundsätzlich zur Voraussetzung, dass der Käufer den Verkäufer zur Leistung oder Nacherfüllung auffordert, eine Frist setzt und die Frist abgelaufen ist (§§ 437 Nr. 2 und 3, 323, 281 BGB). Jedoch gibt es den Fall, dass der Käufer ohne Fristsetzung oder vor dem Fristablauf den Mangel auf eigene Kosten beseitigen lässt (Selbstvornahme der Mängelbeseitigung) und die Kosten nachträglich vom Verkäufer ersetzt verlangen. Ob der Käufer in solchem Fall vom Verkäufer wenigstens Ersatz ersparter Aufwendungen verlangen kann, ist heftig umstritten. Nach Lorenz NJW 2005, 1321 hat wohl kaum ein Problem des neuen Schuldrechts so kontroverse Diskussionen hervorgerufen, wie dasjenige der Folgen einer „voreiligen“ Selbstvornahme der Nacherfüllung durch den Käufer. In dem folgenden Urteil hat der BGH dazu eine Entscheidung getroffen.

Das Problem der Selbstvornahme gibt es nicht nur beim Kaufvertrag, sondern auch bei anderen Vertragstypen. Näher geregelt ist es bei der Miete (§ 536 a II BGB) und beim Werkvertrag (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB). Es stellt sich auch bei § 1004 BGB. Vgl. Herresthal/Riehm NJW 2005, 1459 ff.

Selbstvornahme durch Reparatur ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung. Ansprüche auf Rücktritt, Minderung und Schadensersatz, §§ 437 Nr. 2 und 3 BGB. Aufwendungsersatz nach § 326 II 2 BGB unmittelbar oder analog. Abschließende Regelung der §§ 437 ff. BGB. Vorrang der Nacherfüllung

BGH Urteil vom 23. 2. 2005 (VIII ZR 100/04) NJW 2005, 1348

Vgl. dazu Lorenz NJW 2005, 1321; Herresthal/Riehm NJW 2005, 1457; Bydlinski ZGS 2004, 129; Dauner-Lieb ZGS 2005, 169; Katzenstein ZGS 2005, Tonner/Wiese BB 2005, 903.84; JuS 2005, 749.

Fall (Austauschmotor nicht vom Verkäufer)

K kaufte einen Pkw-Neuwagen der Marke Skoda zum Preise von 6.700 €. Der Vertrag wurde durch den Autohändler M maßgeblich vermittelt, Vertragspartner des K auf Verkäuferseite war aber V. Zugleich mit dem Kauf schloss K mit M eine „Garantievereinbarung“ ab. Sieben Monate nach Übergabe erlitt das Fahrzeug einen schwerwiegenden Motorschaden, dessen Ursache unter den Beteiligten zunächst streitig war. K wandte sich wegen der Reparatur an M und an die Skoda-Deutschland GmbH. Beide lehnten ein Einstehen für den Schaden mit der Begründung ab, das Serviceheft enthalte nicht die vorgeschriebenen Eintragungen u. a. über die Durchführung der Übergabeinspektion. K ließ bei einem Skoda-Vertragshändler den alten Motor aus- und einen neuen einbauen. Dabei stellte sich heraus, dass der Schaden auf einen Mangel des ursprünglichen Motors zurückging. K verlangt die Kosten in Höhe von 2.506 € von V ersetzt und beruft sich dabei auf Minderung, Schadensersatz und von V ersparte Aufwendungen. Zu Recht ?

I. Ein Anspruch könnte sich daraus ergeben, dass die von K erklärte Minderung zu einem Rückzahlungsanspruch aus §§ 437 Nr. 2, 441 I 1, II, IV, 346 I BGB führt.

1. Ein Kaufvertrag ist zwischen K und V zustande gekommen. Das gelieferte Auto war mangelhaft i. S. des § 434 I 2 Nr. 2, weil es sich wegen des fehlerhaften Motors nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete.

2. Ein Minderungsrecht hat der Käufer nach § 441 I 1 aber nur statt eines Rücktrittsrechts.

a) Bei der Regelung des Rücktritts verweist § 437 Nr. 2 grundsätzlich auf § 323 I. Danach muss der Gläubiger (Käufer) dem Schuldner (Verkäufer) erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt haben. Das gilt auch für die Minderung. BGH S. 1348 unter a): Um mindern zu können, muss der Käufer gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB zunächst die Voraussetzungen für den Rücktritt herbeiführen, mithin im Regelfall eine Frist setzen… Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil der Kl. dem Bekl. keine Frist zur Beseitigung des Motorschadens gesetzt hat.

b) Entbehrlich ist die Fristsetzung nach § 323 II Nr. 1, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Leistung ist hier die Reparatur des Pkw als Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439). Verweigert haben diese Reparatur M und die S-GmbH. Diese waren aber nicht Vertragspartner des K. BGH S. 1348/9 unter aa): Die Ablehnung einer Einstandspflicht hinsichtlich der „Garantievereinbarung…“ hatte für den vom Bekl. abgeschlossenen Kaufvertrag keine Rechtsfolgen, weil sie sich auf ein von dem Kaufvertrag unabhängiges Rechtsverhältnis bezog, an dem der Bekl. nicht beteiligt war. V hatte eine Reparatur nicht abgelehnt.

c) Entbehrlich ist die Fristsetzung nach § 326 V, wenn die Selbstvornahme der Reparatur zur Unmöglichkeit der Nacherfüllung geführt hätte. Letzteres kann aber offen bleiben. Denn nach §§ 326 V, 323 VI ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Käufer für den Grund, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich wäre. Für die Selbstvornahme ist aber K allein verantwortlich.

d) Auch ein Wegfall des Fristsetzungserfordernisses nach § 440 BGB liegt nicht vor.

K hat somit keinen Anspruch aus Minderung. Zugleich steht damit fest, dass K den Ersatz der ihm entstandenen Kosten auch nicht in der Weise verlangen kann, dass er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und den Kaufpreis zurückverlangt (abgesehen davon, dass er dann das Auto zurückgeben müsste).

II. K könnte einen Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB haben. BGH S. 1348 unter a): Auch dieser Anspruch setzt voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) gesetzt hat. Für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist dies in § 281 I 1 BGB ausdrücklich geregelt. Da K dem V keine Frist gesetzt hat, entfällt auch dieser Anspruch.

III. Dem Wortlaut nach könnte § 439 II BGB dem K einen Anspruch auf die für die Mängelbeseitigung aufgewendeten Kosten geben. Jedoch muss es sich dabei um Aufwendungen „zum Zwecke der Nacherfüllung“ handeln, wobei die Nacherfüllung nur vom Verkäufer vorgenommen werden kann. Im vorliegenden Fall hat nicht der Verkäufer eine Nacherfüllung vorgenommen, sondern der Käufer hat die Mängel anderweit beseitigen lassen.

IV. Zentrale Anspruchsgrundlage in diesem Fall ist ein Anspruch auf vom Verkäufer ersparte Nacherfüllungskosten aus § 326 II 2 (unmittelbar oder analog) i. V. mit §§ 326 IV, 346 BGB.

1. Nach §§ 326 IV, 346 kann der Gläubiger die Gegenleistung zurückverlangen, soweit sie nach dieser Vorschrift nicht geschuldet war. Danach kann der Käufer den Kaufpreis zurückverlangen, soweit der Anspruch des Verkäufers darauf entfallen ist. Nach § 326 I 1 entfällt der Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis, wenn seine eigene Leistung unmöglich geworden ist (§ 275). Durch die vom Käufer vorgenommene Reparatur könnte dem Verkäufer die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 433 I 2) in der Form der Nacherfüllung (§ 439) unmöglich geworden sein (Unmöglichkeit wegen Zweckerreichung: Lorenz NJW 2005, 1322 re. Sp.; Herresthal/Riehm NJW 2005, 1457; Medicus, Bürgerliches Recht, 20. Aufl., Rdnr. 159). Allerdings könnte dem sich daraus ergebenden teilweisen Wegfall des Kaufpreisanspruchs der Ausschlussgrund des § 326 I 2 sowie § 326 II 1 entgegenstehen, wobei § 326 II 1 deshalb anwendbar wäre, weil der Käufer die Unmöglichkeit durch seine Selbstvornahme zu vertreten hätte. Dann würde der Verkäufer seinen Anspruch behalten, müsste sich aber nach § 326 II 2 anrechnen lassen, was er durch den Wegfall seiner Leistungspflicht erspart hat. Das könnten die durch Wegfall der Nacherfüllungspflicht ersparten Aufwendungen sein, die er dem Käufer zu erstatten hat.

2. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist Gegenstand des Streits, zu dem der BGH auf S. 1349 unter 2 wie folgt Stellung nimmt.

a) Zunächst stellt der BGH die bereits vorstehend unter 1 skizzierte Meinung dar: Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung muss sich der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen (§ 439 II BGB), die er durch die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung seitens des Käufers erspart, auf seinen Kaufpreisanspruch anrechnen lassen. Insoweit wird

Zur Begründung wird angeführt, die vom Verkäufer geschuldete Nacherfüllung werde infolge der Selbstvornahme der Mängelbeseitigung durch den Käufer unmöglich (§ 275 I BGB). Der Verkäufer behalte gem. § 326 I 2 BGB seinen Kaufpreisanspruch. Gemäß § 326 II 2 BGB – der anzuwenden sei, weil der Käufer als Gläubiger für die Unmöglichkeit der Nacherfüllung verantwortlich sei, § 362 II 1 BGB – müsse sich der Verkäufer allerdings dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspare; sei der Kaufpreis bereits gezahlt, ergebe sich ein Erstattungsanspruch des Käufers aus § 326 IV BGB i. V. mit §§ 346 ff. BGB (eingehend Lorenz NJW 2003, 1418). Lorenz verteidigt diese Auffassung erneut in NJW 2005, 1321 ff.

b) Von der Gegenmeinung wird das abgelehnt (Nachw. bei BGH S. 1349 unter b, u. a. auf Westermann, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 437 Rdnr. 9 i. V. mit § 439 Rdnr. 10; Dötsch MDR 2004, 975, 977 f.; Dauner-Lieb/Arnold ZGS 2005, 10). Insbesondere wird bezweifelt, dass Unmöglichkeit der Verkäuferleistung eingetreten sei, was Voraussetzung auch der analogen Anwendung des § 326 II 2 wäre (Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl., § 437 Rdnr. 3; Oechsler NJW 2004, 1826: Die Selbstvornahme durch den Käufer führt nicht zur Unmöglichkeit nach § 326 BGB, sondern zur Herstellung des nach § 433 I 2 BGB geschuldeten Zustands).

c) Der BGH lässt die nach den vorstehenden Überlegungen entscheidende Frage, ob die Selbstvornahme durch den Käufer zur (teilweisen) Unmöglichkeit der vom Verkäufer zu erbringenden Leistung führt, offen (krit. dazu Lorenz NJW 2005, 1323). Er hält § 326 II 2, IV für unanwendbar, weil §§ 437 ff. eine abschließende Regelung enthalten und in diesem Fall keinen Anspruch vorsehen. Hierfür gibt er auf S. 1349/1350 unter aa und bb eine doppelte Begründung.

aa) Das Gesetz räumt dem Käufer im Gegensatz zum Mieter (§ 536a II BGB) und zum Besteller beim Werkvertrag (§ 634 Nr. 2, 637 BGB) keinen Aufwendungsersatzanspruch im Falle der Selbstbeseitigung von Mängeln ein. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung der Mängelrechte des Käufers durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bewusst von einem Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers abgesehen… Aus diesem Grunde besteht auch keine planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung einer analogen Anwendung des § 326 II 2 BGB wäre.

Allerdings erkennt der BGH an, dass die Anhänger der Auffassung oben a) dem Käufer keinen Anspruch auf die an den Kosten des Käufers orientierten Selbstvornahmeaufwendungen, sondern nur einen Anspruch auf Abschöpfung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen gewähren wollen (dazu Herresthal/Riehm NJW 2005, 1458). Darin sieht er aber keinen wesentlichen Unterschied: In jedem Fall geht es um Kosten der vom Käufer vorgenommenen Mängelbeseitigung… Ließe man dem Käufer gem. § 326 II 2 BGB die vom Verkäufer ersparten Aufwendungen zukommen, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dem Käufer ein Recht zur Selbstbeseitigung von Mängeln auf Kosten des Verkäufers einzuräumen… Dies widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, der von der Schaffung eines Selbstbeseitigungsrechts des Käufers auf Kosten des Verkäufers nach dem Vorbild des Miet- und Werkvertrags bewusst abgesehen hat.

bb) Außerdem würde das Recht auf Erstattung ersparter Mängelbeseitigungskosten gegen den Grundsatz des Vorrangs der Nacherfüllung verstoßen. § 437 BGB zählt die Rechte und Ansprüche auf, die dem Käufer im Falle der Lieferung einer mit einem Rechts- oder Sachmangel behafteten Sache zustehen. Ein grundsätzlicher Vorrang der Nacherfüllung folgt für die Gestaltungsrechte des Rücktritts und der Minderung (§ 437 Nr. 2) sowie für die Ansprüche des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen aus dem Umstand, dass diese Rechte des Käufers regelmäßig den erfolglosen Ablauf einer dem Verkäufer gesetzten Frist zur Nacherfüllung voraussetzen (vgl. nur Westermann, in: MünchKomm, § 437 Rdnr. 4…). Aus der Sicht des Verkäufers stellt sich der Vorrang der Nacherfüllung als Nacherfüllungsrecht bzw. „Recht zur zweiten Andienung“ dar, das insoweit seinem Schutz dient, als er durch die Nacherfüllung die Geltendmachung der vorgenannten Käuferrechte abwenden kann… Der gesetzliche Vorrang der Nacherfüllung bzw. das „Recht zur zweiten Andienung“ würde unterlaufen, wenn der Käufer die Kosten der Mängelbeseitigung (durch den Verkäufer) gem. § 326 II 2 BGB ohne vorherige Fristsetzung ganz oder teilweise von diesem verlangen könnte…

Auch ermöglicht das Recht der Nacherfüllung dem Verkäufer, die verkaufte Sache daraufhin zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht und ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht, sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann (vgl. § 439 III BGB), und hierzu ggfs. Beweise zu sichern. Diese Möglichkeit einer Untersuchung und Beweissicherung verliert der Verkäufer, wenn er nach der vom Käufer durchgeführten Reparatur im Rahmen der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gem. § 362 II 2 BGB vor „vollendete Tatsachen“ gestellt wird. Hierdurch würden sich seine Verteidigungsmöglichkeiten ungerechtfertigt verschlechtern…

Abschließend weist der BGH (S. 1350/1 unter d) noch den Vorwurf zurück, durch den Ausschluss eines Anspruchs werde der Verkäufer ungerechtfertigt begünstigt. Dass der Käufer, der einen Mangel selbst beseitigt, ohne dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben zu haben, vom Verkäufer grundsätzlich nicht die Erstattung von Mängelbeseitigungskosten verlangen kann, ist lediglich Folge des Umstands, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen der in §§ 437 ff. BGB geregelten Mängelrechte nicht eingehalten hat.

Folglich ist die Anspruchsgrundlage auf Erstattung der vom Verkäufer ersparten Nacherfüllungskosten (§§ 326 II 2, IV, 346) nicht anwendbar. K kann daraus keinen Anspruch herleiten.

V. Teilweise wurden stattdessen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung bejaht (Übersicht bei Herresthal/Riehm NJW 2005, 1457 Fn. 4 - 7 ). Auch solche Anspruchsgrundlagen werden aber durch die abschließende Regelung der §§ 437 ff. verdrängt (vgl. BGH S. 1350 unter c).

K hat somit keinen Anspruch gegen V.

Zusammenfassung