Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Die in §§ 474 – 479 BGB enthaltenen Vorschriften über den ► Verbrauchsgüterkauf beruhen auf einer EG-RiLi und wurden im Zuge der Schuldrechtsreform zum 1. 1. 2002 in das BGB eingefügt.

I. Begrifflich ist der Verbrauchsgüterkauf nach § 474 I BGB

Problematisch ist die Verbrauchereigenschaft, wenn ein Unternehmer bzw. Selbstständiger eine Sache kauft, die sowohl im Unternehmen als auch privat genutzt werden kann („dual use-Ware“; dazu Schindler JA 2004, 835). Für die entsprechende Fragestellung auf Verkäuferseite hat LG Frankfurt NJW-RR 2004, 1208 entschieden, dass der Verkauf eines steuerlich über die Praxis geführten Pkw durch eine Zahnärztin ein Verbrauchsgüterkauf ist, weil der Verkauf von Pkw nicht zur Unternehmenstätigkeit einer Zahnärztin gehört; als fehlt also an der erforderlichen Verknüpfung zwischen der unternehmerischen Tätigkeit und dem getätigten Geschäft. Folglich fiel der dort vorgenommene Gewährleistungsausschluss nicht unter § 475 I, sondern war wirksam. – Zum Verbraucherschutz im Zusammenhang mit einer arbeitsrechtlichen Beendigungsvereinbarung vgl. bereits BAG NJW 2004, 241 = JurTel 2004 Heft 12 S. 248, wo das BAG aber nach wie vor offen gelassen hat, ob Arbeitnehmer als solche Verbraucher sind.– Der zweite der folgenden Fälle befasst sich mit der Einordnung als Verbraucher oder Nichtverbraucher, wenn der Käufer falsche Angaben dazu macht.

II. Zusätzlich zu den allgemeinen Verbraucherschutzvorschriften, die z. B. für Fernabsatzverträge, Haustürgeschäfte und bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, finden sich in §§ 474 ff. spezielle Schutzvorschriften für den Käufer.

1. Zu erwähnen sind:

2. Als problemträchtig hat sich die in § 476 für Streitigkeiten wegen eines Mangels zu Gunsten des Käufers getroffene Beweislastregelung erwiesen. Im ersten Grundsatzurteil hierzu hat der BGH in NJW 2004, 2299 = JurTel 2004 Heft 12 S. 244 entschieden, dass die Beweislast für den Mangel als solchen weiterhin beim Käufer liegt, § 476 also insoweit keine Beweislastumkehr vornimmt.. Danach muss beispielsweise der Käufer eines Autos im Falle eines später aufgetretenen Motorschadens beweisen, dass der Schaden auf einem Fehler des Fahrzeugs beruht (z. B. auf einem schadhaften Zahnriemen) und nicht auf einem eigenen Fehlverhalten im Umgang mit dem Fahrzeug. Die Bedeutung des § 476 BGB beschränkt sich auf eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Das im Folgenden als erster Fall behandelte Urteil befasst sich mit einem weiteren Problem bei Anwendung dieser Vorschrift, entscheidet dieses aber zu Gunsten des Käufers.

Sachmangelanspruch des Käufers aus §§ 437 Nr. 2, 434, 323 BGB. Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB auch bei bestimmungsgemäßem Einbau der gekauften Sache durch einen Dritten

BGH Urteil vom 22. 11. 2004 (VIII ZR 21/04) NJW 2005, 283

Fall (Undichtes Teichbecken)

K kaufte bei V, einem Fachhandelsgeschäft für Gartenartikel, am 11. 7. ein Teichbecken aus glasfaserverstärktem Kunststoff zur Verwendung in seinem privaten Garten. Nachdem das Teichbecken am folgenden Tag durch Mitarbeiter des V angeliefert wurde, ließ K es wenige Tage später durch die Fachfirma F einbauen. Nach dem Befüllen zeigte sich, dass es undicht war. K ließ das Becken zu V zurückbringen. Dort wurde festgestellt, dass es einen Riss und weitere undichte Stellen aufwies. V nahm – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – eine Reparatur vor. Jedoch trat auch nach dem erneuten Einbau wieder Wasser aus. V berief sich darauf, das Teichbecken sei bei Lieferung fehlerfrei gewesen, und lehnte eine weitere Reparatur oder die Lieferung eines anderen Beckens ab. K verlangt von V Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Beckens. Zu Recht ?

K könnte gegen V einen Rückzahlungsanspruch aus § 346 I i. V. mit §§ 437 Nr. 2, 323 BGB haben. Hierfür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Zwischen K und V wurde ein Kaufvertrag i. S. des § 433 BGB über das Teichbecken geschlossen.

II. Das erforderliche Rücktrittsrecht könnte sich aus §§ 437 Nr. 2, 323 ergeben. Dann müsste zunächst ein Sachmangel i. S. des § 434 I vorliegen.

1. Nach § 434 I 2 Nr. 2 liegt ein Sachmangel vor, wenn die Beschaffenheit der Kaufsache von der Normalbeschaffenheit abweicht. Bei dem Teichbecken ergibt sich eine solche Abweichung daraus, dass dieses einen Riss und undichte Stellen aufweist, die zu einem Wasseraustritt führen und es ungeeignet für eine gewöhnliche Verwendung machen. Dieser Mangel konnte von V auch nicht beseitigt werden, dauert also noch an. BGH S. 284 unter 2: Die Voraussetzung eines Sachmangels ist erfüllt, da das Teichbecken bereits wenige Tage nach der Anlieferung am 12. 7. 2002 undicht war.

2. Der Mangel müsste bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Der Gefahrübergang erfolgte im vorliegenden Fall gemäß § 446 S. 1 mit der Anlieferung am 12. 7. Dass das Teichbecken zu diesem Zeitpunkt undicht war, wird von K behauptet, von V aber bestritten. Welche Auffassung zutreffend ist, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht feststellen. In solchem Fall ist nach der Beweislast zu entscheiden. Grundsätzlich muss der Käufer die Tatsachen beweisen, aus denen er einen Sachmangelanspruch herleitet. Hier könnte aber eine Beweislastumkehr nach § 476 eingreifen. Danach wird, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

a) Diese Vorschrift ist hier anwendbar, weil ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I) vorliegt: Es wurde eine bewegliche Sache verkauft, K ist Verbraucher, V handelte als Unternehmer.

b) Wie oben 1. ausgeführt wurde, ist die Kaufsache mangelhaft. Dieser Mangel hat sich bereits nach wenigen Tagen, also innerhalb von sechs Monaten gezeigt.

c) Dass die Vermutung mit der Art der Sache (z. B. bei gebrauchten Sachen) oder dem Mangel (z. B. bei einer späteren Erkrankung des gekauften Tieres) nicht vereinbar ist, lässt sich hier nicht feststellen.

d) § 476 könnte aber deshalb ausgeschlossen sein, weil K die Firma F, einen Dritten, mit dem Einbau beauftragt hat. Dieser Auffassung war im BGH-Fall das OLG mit der Begründung gefolgt, es sei nicht sachgerecht, eine Beweislastumkehr eingreifen zu lassen, wenn im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Kaufsache ein Dritter mit dieser befasst werde, sie zum Beispiel einbaue oder sonst bearbeite, weil dadurch die konkrete Möglichkeit bestehe, dass der Mangel auch von diesem Dritten verursacht worden ist. Dem folgt der BGH aber nicht (S. 284 unter 2).

aa) Er verweist zunächst darauf, dass der Wortlaut des § 476 für eine solche Einschränkung keinen Anhaltspunkt bietet (vgl. vorstehend a - c).

bb) Auch der Zweck des § 476 BGB rechtfertigt es nicht, die gesetzliche Vermutung und die damit einhergehende Umkehr der Beweislast von vornherein dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer die Sache durch einen Dritten einbauen lässt. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Verbrauchers… Nach den Gesetzesmaterialien liegt die Rechtfertigung der Beweislastumkehr in den schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und den – jedenfalls in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Übergabe – ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers… Das BerGer. hat nicht beachtet, dass der Verbraucher, der den bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überlässt, hinsichtlich des Nachweises ihrer Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs in gleichem Maße schutzwürdig ist wie der Verbraucher, der die Sache selbst einbaut. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, im Verhältnis zum Verkäufer den einen Verbraucher schlechter zu stellen als den anderen.

Somit wird das Vorliegen eines Mangels im Zeitpunkt der Ablieferung des Teichbeckens vermutet.

e) Diese Vermutung kann V ausräumen, indem er z. B. den Beweis führt, dass die Folie tatsächlich einwandfrei war oder dass die Firma F sie nicht sachgemäß behandelt hat. Der BGH hat den Fall zu einer derartigen Prüfung an das OLG zurückverwiesen. Nach obigem Sachverhalt hat V aber den erforderlichen Beweis nicht angetreten. Die Vermutung ist deshalb nicht widerlegt, das Teichbecken war mangelhaft.

III. Die nach § 323 I grundsätzlich erforderliche Fristsetzung zur Nacherfüllung war für K entbehrlich, weil V eine weitere Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert hat (§ 323 II Nr. 1). Der Mangel ist weder unerheblich (§ 323 V 2) noch von K zu verantworten (§ 323 VI). Schließlich liegt auch eine Rücktrittserklärung (§ 349) des K vor.

Ergebnis: K kann von V Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Teichbeckens (§§ 346 I, 348) verlangen.

Zusammenfassung