Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Erfüllungseinwand im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO. Verhältnis zur Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO

BGH Beschluss vom 5. 11. 2004 (IXa ZB 32/04) NJW 2005, 367 mit Besprechung Kannowski/Distler NJW 2005, 865

Fall (Nachbarstreit um Waschbetonplatten)

G sind Grundstücksnachbarn von Frau S. Sie machten gegenüber S im Klagewege das sich aus einer Grunddienstbarkeit ergebende Recht geltend, auf einem Weg über das Grundstück der S zu ihren dahinter liegenden Hausgrundstücken gehen und fahren zu dürfen. Der Weg war durch Unterspülungen nicht mehr standfest. In einem später rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts wurde S verurteilt, den näher bezeichneten Streifen am Rande ihres Grundstücks fachgerecht mit Waschbetonplatten, die von G zur Verfügung gestellt werden, zu befestigen. S ließ die Platten verlegen. G behaupten , die Verlegung sei nicht fachgerecht erfolgt und ermögliche ihnen nach wie vor nicht, mit dem Pkw gefahrlos über die Platten zu fahren. Sie haben beim Amtsgericht beantragt, sie zur Ersatzvornahme auf Kosten der S zu ermächtigen und S zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 2.700 € zu verurteilen. S beruft sich darauf, die Platten seien ordnungsgemäß verlegt worden. Wie ist zu entscheiden ?

A. Es handelt sich um zwei nach § 887 ZPO zulässige Anträge. Diese Vorschrift betrifft die Vollstreckung eines auf eine vertretbare Handlung gerichteten Titels (vgl. den Überblick über die Grundlagen der Zwangsvollstreckung in JurTel 2005 Heft 4 S. 74).

I. § 887 Abs. 1 sieht die Vollstreckung durch Ersatzvornahme vor, für die es einer gerichtlichen Ermächtigung bedarf. Darauf ist der erste Teil des Antrags gerichtet.

II. Der zweite Teil des Antrags, gerichtet auf Verurteilung zum Kostenvorschuss, stützt sich auf § 887 Abs. 2.

B. Die Begründetheit der Anträge setzt voraus, dass die Voraussetzungen des § 887 I ZPO vorliegen.

I. G müssten über einen vollstreckbaren, auf die Vornahme einer vertretbaren Handlung gerichteten Titel verfügen. Um einen solchen handelt es sich bei der rechtskräftigen Verurteilung zur Befestigung eines Grundstückstreifens zum Zwecke der Herrichtung als Weg.

II. Nach dem Wortlaut des § 887 I ist weitere Voraussetzung, dass der Schuldner die Verpflichtung nicht erfüllt hat. Danach wäre zu prüfen, ob S die Platten fachgerecht hat verlegen lassen, wofür im Zweifel ein Sachverständiger einzuschalten ist. Fraglich ist aber, ob eine solche Prüfung im Vollstreckungsverfahren nach § 887 zu erfolgen hat. Es handelt sich um den Einwand nachträglicher Erfüllung durch den Schuldner, der typischerweise mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen ist (Kannowski/Distler NJW 2005, 865: „klassischer Fall“ der Vollstreckungsgegenklage). Ob dieser Einwand auch im Verfahren nach § 887 erheblich ist, ist seit langem streitig.

1. BGH S. 368 unter a): Nach der ablehnenden Auffassung…muss der Schuldner den Erfüllungseinwand stets im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgen (u. a. …OLG Düsseldorf BauR 1982, 196; OLG Hamm MDR 1977, 411; OLG Koblenz MDR 1991, 547;…Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 887 Rdnr. 17;…). Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass § 767 ZPO der vom Gesetzgeber vorgesehene Weg sei, materielle Einwendungen wie die Erfüllung im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend zu machen. Der Wortlaut des § 767 I ZPO („sind“) lasse keine andere Wahl zu. Das Zwangsvollstreckungsverfahren sei stark formalisiert, der Erfüllungseinwand darin systemwidrig. Die Erfüllung gehöre, wie § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO zeige, nur eingeschränkt in die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans… Ließe man den Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren zu, könnte der Schuldner mit immer wieder neuen Behauptungen das Vollstreckungsverfahren ohne Vorschussleistung in die Länge ziehen und so die berechtigten Interessen des Gläubigers auf Durchsetzung seines rechtskräftigen Titels unterlaufen.

2. BGH S: 368 unter b) und c): Nach einer vermittelnden Ansicht ist der Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die Tatsachen unstreitig oder mit liquiden Beweismitteln festzustellen oder offenkundig sind (…). Nach einer anderen vermittelnden Ansicht ist der Einwand der Erfüllung in der Vollstreckung dann beachtlich, wenn es um die Prüfung geht, ob eine unstreitig vom Schuldner vorgenommene Handlung dem Vollstreckungstitel genügt (RGZ 167, 328 [334]…).

3. Nach der in Rspr. und Lit. wohl h. M. (Nachw. bei BGH S. 368 unter d, u. a. auf OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 429; OLG Köln NJW-RR 1996, 100; OLG München MDR 1978, 1029; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 887 Rdnr. 5; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 887 Rdnr. 7), der sich der BGH anschließt, ist der Einwand der Erfüllung grundsätzlich im Verfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen. BGH S. 369 unter 4: Der Schuldner ist nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt. Schon der Wortlaut des § 887 ZPO spricht dafür, dass die Nichterfüllung der geschuldeten Handlung eine tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass des Ermächtigungsbeschlusses ist… Die Prüfung des Erfüllungseinwands im Ermächtigungsverfahren kann prozessökonomisch sinnvoll sein. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Das Vollstreckungsgericht ist im Verfahren nach § 887 ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben, beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Höhe des notwendigen Kostenvorschusses nach § 887 II ZPO (vgl. BGH NJW 1993, 1394 [1395]. Den Schuldner auf die Erhebung einer weiteren Klage zu verweisen, wäre unnötig umständlich (und weit teurer, wie Huber JuS 2005, 521/2 vorrechnet). Insbesondere würde, wie der vorliegende Fall zeigt, die Meinung oben 1 nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen. Denn S würde Vollstreckungsgegenklage erheben, und in diesem Verfahren müsste die nach § 887 ZPO zulässige Vollstreckung ausgesetzt werden (§ 769 ZPO), damit der S der Beweis, dass sie ordnungsgemäß erfüllt hat, nicht durch die Durchführung der Ersatzvornahme abgeschnitten wird. Durch die Erhebung einer Vollstreckungsklage würde das Verfahren angesichts der im Verfahren einzuhaltenden Fristen somit letztlich verzögert.

Folglich ist der von S erhobene Einwand erheblich. Das AG muss Beweis erheben, ob die Verlegung der Platten fachgerecht erfolgt ist. Wird das in dem einzuholenden Gutachten bejaht, so fehlt es an einer nach § 887 I erforderlichen Voraussetzung, und beide Anträge der G sind abzuweisen. Wird es verneint, haben beide Anträge Erfolg, vorausgesetzt, der Betrag von 2.700 € ist der Höhe nach angemessen.

Zusammenfassung