Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Einrichtung eines Kindersparbuchs durch nahen Angehörigen.Rechtsnatur des Sparbuchs, § 808 BGB. Bereicherungsanspruch wegen Leistung an einen Nichtberechtigten, § 816 II BGB. Vertrag zu Gunsten Dritter, §§ 328, 331 BGB

BGH Urteil vom 18. 1. 2005 (X ZR 264/02) NJW 2005, 980

Fall (Sparbuch wieder abgeräumt)

Zwischen den Kindern K1 und K2, deren Eltern E und ihrem Großvater B, dem späteren Beklagten, ereignete sich folgendes: Auf Veranlassung des B legten E bei der S-Sparkasse je ein Sparbuch auf den Namen ihrer damals fünf und neun Jahre alten Kinder an. In den zu Grunde liegenden Kontoeröffnungsanträgen gaben sie den B als Antragsteller an. Zugleich erteilten sie in einer an die S gerichteten Erklärung als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder dem B die Vollmacht, nach der dieser zur Verfügung über die Sparkonten ermächtigt wurde. Die Sparbücher übergaben sie dem B, der auf jedes Konto 25.000 € einzahlte. Einige Jahre später löste B die Konten wieder auf und behielt das Geld für sich. K, die von den Vorgängen zunächst keine Kenntnis hatten, erfuhren davon, als sie volljährig geworden waren. Sie stellten sich auf den Standpunkt, das Geld, das B noch in seinem Vermögen hat, stehe ihnen zu, und verlangen die Beträge klageweise von B erstattet. Zu Recht ?

I. Anspruchsgrundlage kann § 816 II BGB sein, in dem bestimmt ist: Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.

1. Anwendungsvoraussetzung für diese Anspruchsgrundlage ist eine Vorschrift, nach der der Schuldner durch Leistung an einen Dritten von seiner Verbindlichkeit frei wird. Hauptfall ist § 407 BGB, wonach ein Gläubiger es gegen sich gelten lassen muss, wenn der Schuldner in Unkenntnis einer erfolgten Abtretung an den Altgläubiger geleistet hat. Im vorliegenden Fall kommt eine Leistung nach § 808 BGB in Betracht. Danach ist das Sparbuch ein Namenspapier mit Inhaberklausel. Die Inhaberklausel hat nach § 808 zur Folge, dass die Bank oder Sparkasse, die an den das Sparbuch vorlegenden Inhaber zahlt, von ihrer Verpflichtung auch dann frei wird, wenn der Inhaber des Sparbuchs nicht Gläubiger der darin verbrieften Forderung war. Der Leistungsempfänger muss das Erlangte aber dann nach § 816 II an den berechtigten Inhaber herausgeben.

2. Im vorliegenden Fall ist Voraussetzung für § 816 II, dassB die Zahlungen bei Auflösung der Sparkonten als Nichtberechtigter entgegengenommen hat und dass K Berechtigte aus dem Sparbuch waren. Ein Sparbuch wird durch Vertrag angelegt (nähere Rechtsnatur: unregelmäßige Verwahrung nach § 700 BGB). Wer daraus berechtigt wird, ist im Zweifelsfall durch Auslegung festzustellen. Dabei kommt es maßgeblich auf die Erklärungen und den Willen der „Sparerseite“ an und weniger auf die Vorstellungen der S, weil S durch § 808 hinreichend geschützt ist. Die Berechtigung kann deshalb von der Inhaberbezeichnung im Sparbuch abweichen, wenn das der Wille der „Sparerseite“ war.

a) Die Berechtigung aus den Sparbüchern hängt zunächst davon ab, wer Vertragspartner der S bei Anlegung der Sparbücher war. Hierfür bestehen verschiedene Möglichkeiten, von denen bei der Auslegung ausgegangen werden kann.

aa) Auszuscheiden hat allerdings die – theoretisch bestehende – Möglichkeit, dass E die Sparbücher im eigenen Namen angelegt haben. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie Rechte aus dem Sparbuch haben in Anspruch nehmen wollen. Ihr Name erscheint weder in dem Antragsformular noch in den Sparbüchern selbst. Auch haben sie die Sparbücher nicht in Besitz behalten.

bb) E könnten den Sparvertrag im Namen und als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder geschlossen haben; dann wären K Vertragspartner. Dafür spricht, dass E die Sparbücher auf den Namen der K haben ausstellen lassen. Jedoch sind E bei der Anlegung der Sparbücher – anders als bei der Vollmachterteilung – nicht als gesetzliche Vertreter der K aufgetreten, sondern haben B als Antragsteller angegeben. Auch haben sie dem B die Verfügungsbefugnis darüber eingeräumt und diese nicht sich als gesetzliche Vertreter der K vorbehalten.

cc) Dementsprechend sieht der BGH (S. 980 re. Sp. 2. Abs.) B als denjenigen an, der das Sparbuch angelegt hat, wobei B durch E vertreten wurde (§ 164 BGB). E haben durch Bezeichnung des B als Antragsteller als dessen Vertreter gehandelt. An eine Vollmacht sind, da B nicht verpflichtet wird, nur geringe Anforderungen zu stellen, so dass die „Veranlassung“ der E durch B als schlüssige Bevollmächtigung gewertet werden kann.

Somit ist der Vertrag über die Anlegung der Sparbücher zwischen B und S zu Stande gekommen.

b) Nach dem bisherigen Ergebnis wäre B Berechtigter aus dem Sparbuch. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der zwischen B und S geschlossene Vertrag ein Vertrag zu Gunsten der K als Dritte (§ 328 BGB) war; dann hätten K die Ansprüche aus den Sparbüchern erworben. Auch insoweit bedarf es der Auslegung.

aa) Für einen Vertrag zu Gunsten der K spricht, dass die Sparbücher auf den Namen der K angelegt wurden. Jedoch lässt nach BGH S. 980 die Einrichtung eines Sparkontos auf den Namen eines anderen für sich allein noch nicht den Schluss auf einen Vertrag zu Gunsten Dritter zu (BGHZ 21, 148 [150]; 28, 368 [369]). Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der Vereinbarung mit der Bank oder Sparkasse Kontoinhaber werden sollte (BGH NJW 1994, 931). Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt (BGH NJW 1970, 1181)… Der Bekl. hat…für die Kl., die zu dieser Zeit noch minderjährig waren, Sparguthaben angelegt, ohne die Sparbücher aus der Hand zu geben. Er hat sich darüber hinaus von den Eltern der Kl. gleichzeitig mit der Anlegung der Sparkonten eine Vollmacht erteilen lassen, durch die er gegenüber der Sparkasse ermächtigt war, über die Sparkonten zu verfügen. Die Kl. ihrerseits wussten von den Sparguthaben nichts. Damit handelt es sich um einen Fall, in dem typischerweise anzunehmen ist, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tod vorbehalten will. Also handelte es sich bei dem über die Sparbücher geschlossenen Vertrag nicht von vornherein um einen Vertrag zu Gunsten der K.

bb) Vielmehr handelte es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall (§ 331 BGB). Die Kinder K sollten die Rechte aus den Sparkonten erwerben, wenn beim Tod des B noch ein Guthaben vorhanden war. Auf die Berechtigung des B, zu seinen Lebzeiten über das Geld zu verfügen, hatte das aber keinen Einfluss. (Anders läge es, wenn zu Gunsten der Kinder ein Sperrvermerk eingetragen worden wäre.)

3. Damit bleibt es bei dem oben a) gewonnenen Ergebnis, dass B Berechtigter aus den Sparbüchern war. Da es an der Verfügung eines Nichtberechtigten fehlt, besteht kein Anspruch aus § 816 II.

II. Das BerGer. im BGH-Fall hatte (auch) einen Anspruch aus § 812 I 1 BGB bejaht, so dass der BGH auch hierzu Stellung nimmt.

1. Nicht deutlich wird allerdings, ob überhaupt eine Vermögensverschiebung zwischen K und B stattgefunden hat. Nach den Überlegungen oben I. ist das nicht der Fall. Möglicherweise könnte erwogen werden, dass der Wert der für K aus §§ 328, 331 zu erwartenden Zuwendung durch die Auflösung der Konten dem B zugefallen ist.

2. Jedenfalls wäre eine solche Vermögensverschiebung nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt. BGH S. 980: Durfte der Bekl. zu seinen Lebzeiten im Verhältnis zu den Kl. weiterhin über das Guthaben verfügen, so war eine solche Absprache Rechtsgrund der von ihm getroffenen Verfügung über die Sparguthaben. Dies ist danach zu beurteilen, welchen Zweck der Bekl. mit der Anlegung der Sparbücher auf den Namen der Kl. verfolgt hat. War es Zweck des Geschäfts, den Kl. für den Fall des Todes des Bekl. etwas zuzuwenden, was aus dem Verhalten des Bekl. typischerweise zu schließen ist, dann durfte der Bekl. im Verhältnis zu den Kl. über die Sparguthaben weiterhin verfügen.

Somit haben K gegen B einen Anspruch weder aus § 816 II noch aus § 812 I.

Zusammenfassung