Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Bereicherungsausgleich beim Einzugsermächtigungsverfahren. Lastschriftverfahren; Einzugsermächtigung;Genehmigungstheorie. Vorrang der Leistungsbeziehung innerhalb des § 812 I 1 BGB. Fehlende Zurechnung einer Zahlung an den Schuldner wegen Widerspruchs des Schuldners gegen die Kontobelastung. Unmittelbarer Bereicherungsanspruch der Schuldnerbank gegen Gläubiger nach Gutschrift, § 812 I 1 2. Alt. (Nichtleistungskondiktion)

BGH Urteil vom 11. 4. 2006 (XI ZR 220/05) NJW 2006, 1965

 Fall (Widerspruch gegen Lastschrift)

Die G-GmbH hatte für ihren Kunden S Arbeiten an dessen EDV-Anlage durchgeführt und ihm dafür 1.508 € in Rechnung gestellt. Sie ließ am 3. 11. 2003 diesen Betrag durch ihre Hausbank im Lastschrift verfahren einziehen, so dass der Betrag dem Girokonto des S bei seiner Bank, der Sparkasse K, belastet und der G auf ihrem Konto gutgeschrieben wurde. G berief sich dabei auf eine ihr erteilte Einzugsermächtigung, die aber nicht vorgelegt wurde, und deren Erteilung S bestreitet.

S machte gegenüber G geltend, die Arbeiten seien absolut mangelhaft durchgeführt worden, so dass die Rechnung unberechtigt sei. Er übersah aber zunächst die Belastung auf seinem Konto, so dass er die 6-Wochen-.Frist, innerhalb derer er nach Abschnitt III Nr. 2 S. 1 des Lastschriftabkommens (LSA) der Belastung widersprechen kann, nicht einhielt. Im Januar 2004 erhielt er von der K-Sparkasse den Rechnungsabschluss für das letzte Vierteljahr 2003, bemerkte die Belastung mit der Lastschrift und widersprach ihr am 27. 1. 2004. Daraufhin schrieb ihm K den Betrag wieder gut. Anschließend wandte sich K an G und verlangte von ihr Rückzahlung der 1.508 €; sie begründete das u. a. damit, S habe G keine Einzugsermächtigung erteilt, auch habe G wegen der mangelhaften Arbeiten keinen Vergütungsanspruch gegen S. G verweigert die Rückzahlung und beruft sich darauf, die Arbeiten für S seien einwandfrei vorgenommen worden, so dass sie den Betrag zu Recht erhalten habe. Ist der Rückzahlungsanspruch der K gegen G begründet ?

A. Ein vertraglicher Anspruch, etwa aus Girovertrag (§ 676 f. BGB), scheidet von vornherein aus, weil zwischen K als (möglicher) Schuldnerbank und G als (möglichem) Gläubiger eines Anspruchs aus Werkvertrag keine vertraglichen Beziehungen bestehen.

B. K kann gegen G einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 I 1 BGB) haben.

I. G müsste etwas erlangt haben.

1. BGH Rdnr. 21: Die Bekl. hat „etwas“…, nämlich die Gutschrift des Rechnungsbetrags auf ihrem Konto, erlangt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beklagten G eine Einzugsermächtigung des S vorlag. Das im Falle einer unberechtigten Lastschrift bestehende Stornierungsrecht der Gläubigerbank lässt die Bereicherung des Gläubigers nicht entfallen…

2. Ob das anders zu beurteilen ist, wenn die Gläubigerbank ihr Stornierungsrecht gegenüber ihrem Kunden ausgeübt hat, etwa weil die Schuldnerbank die Rückabwicklung von der Gläubigerbank verlangt hat, kann hier offen bleiben, weil eine Stornierung auf diesem Wege nicht erfolgt ist, sondern die Schuldnerbank gegen den (angeblichen) Gläubiger vorgeht.

II. G könnte die 1.508 € durch Leistung der K erlangt haben.

1. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Die Einlösung der Lastschrift durch K hat zur Vermehrung des Vermögens der G geführt. Das ist auch bewusst geschehen.

2. Zweckgerichtet i. S. der Grundsätze der Leistungskondiktion ist eine Vermögenszuwendung nur, wenn sie auf die Tilgung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, wobei auf die Sicht eines objektiven Zuwendungsempfängers abzustellen ist. Bekommt ein Gläubiger über die Bank seines Schuldners einen Geldbetrag zugewiesen, so soll damit die Verbindlichkeit des Schuldners erfüllt werden. Die Bank will gegenüber dem Empfänger weder eine eigene noch eine fremde Schuld tilgen; sie handelt lediglich im Auftrag ihres Bankkunden als dessen Zahlstelle. Ihre Zahlung gilt als Leistung an ihren eigenen Bankkunden. Was die Frage der Leistungsbeziehungen betrifft, hat das Lastschriftverfahren dieselbe bereicherungsrechtliche Wirkung wie die Zahlung mittels Überweisung.

Somit hat G die 1.508 € nicht durch Leistung der K erlangt.

III. G könnte den Betrag in sonstiger Weise auf Kosten der K erhalten haben, so dass eine Nichtleistungskondiktion nach § 812 I 1 Alt. 2 BGB eingreift.

1. Wegen des Grundsatzes vom Vorrang der Leistungsbeziehungen würde eine Nichtleistungskondiktion zwischen K und G aber ausscheiden, wenn in der Übermittlung der 1.508 € durch K als Bank des S eine Leistung des S an G zu sehen wäre.

a) Grundsätzlich liegt der Bezahlung von Verbindlichkeiten mit Hilfe einer Bank ein sog. Dreiecksverhältnis zu Grunde, bei dem Leistungen „über Dreieck“ erfolgen, d. h. von der die Zahlung vornehmenden Bank an deren Kunden (im Deckungsverhältnis) und von dem Kunden/Schuldner an den Gläubiger und Empfänger der Zuwendung (im Valutaverhältnis). Dementsprechend erfolgt die Rückabwicklung (nur) dort, wo eine Leistung erfolgt ist und ein Rechtsgrund fehlt, nicht dagegen innerhalb des Verhältnisses, innerhalb dessen lediglich die Zahlung erfolgt ist (im Zuwendungsverhältnis). BGH Rdnr. 9: Das BerGer. ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich der Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung, etwa auf Grund eines Überweisungsauftrags, grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses vollzieht, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger [gemeint ist, wie sich auch aus den unten b wiedergegebenen Ausführungen des BGH ergibt: dem Zahlungsempfänger] (st. Rspr., vgl. BGHZ 147, 269 [273]; NJW 2005, 3213, jeweils m. w. Nachw.).

 b) BGH Rdnr. 10: Diese bereicherungsrechtlichen Grundsätze gelten prinzipiell auch für die Zahlung mittels Lastschrift (BGHZ 69, 186 [188]; NJW 1983, 220; …Lieb, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 812 Rdnr. 99…). Obwohl die Initiative zum Lastschrifteinzug vom Gläubiger und nicht, wie bei der Überweisung, vom Schuldner ausgeht, handelt es sich rechtlich und wirtschaftlich in beiden Fällen um Leistungen des Schuldners (BGHZ 69, 186 [188]; Lieb a. a. O.).

 Legt man diese Grundsätze im vorliegenden Fall zu Grunde, müsste eine Leistung zwischen S und G angenommen werden, die eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unmittelbar zwischen der K-Bank und dem Zahlungsempfänger G ausschließt.

2. BGH a. a. O.: Allerdings hat der Angewiesene ausnahmsweise einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Anweisungsempfänger [= Zahlungsempfänger], wenn eine wirksame Anweisung fehlt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anweisungsempfänger [= Zahlungsempfänger] das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte, weil die Zahlung ohne gültige Anweisung dem vermeintlich Anweisenden nicht als seine Leistung zugerechnet werden kann, selbst wenn dieser den gezahlten Betrag dem Zahlungsempfänger [!] tatsächlich schuldete (BGHZ 147, 145 [151]; WM 2005, 1564 [1565 f.]; jew. m. w. Nachw.).

3. Das Fehlen einer wirksamen Anweisung wurde bisher in folgenden Fällen angenommen (vgl. BGH NJW 2004, 1315 [1316] und die dort aufgeführten Nachw.):

4. Als weitere Fallgruppe (6) kommt der der vorliegenden Entscheidung zu Grunde liegende Fall in Betracht, in dem der Schuldner - nach dem Vortrag des S - keine schriftliche Einzugsermächtigung erteilt hatte und in dem er der Belastung nachträglich widersprochen hat, was zur Stornierung der Belastung geführt hat.

a) Für die Frage, ob eine wirksame Anweisung vorliegt, könnte darauf abgestellt werden, ob der Schuldner dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, die dann an die Stelle der Weisung des Schuldners an seine Bank treten würde. Es müsste dann im vorliegenden Fall geklärt werden, ob die Behauptung der G, über eine Einzugsermächtigung zu verfügen, zutreffend ist.

aa) Da es nunmehr auf die Rechtsfolgen einer Einzugsermächtigung ankommt, ist deren Bedeutung zu klären. Sie ist ein Vorgang im Zusammenhang mit dem Lastschriftverfahren, das sich nach dem Lastschriftabkommen (LSA) richtet. Es gibt es zwei Formen:

 

 

Zur Einzugsermächtigung vertreten die h. M. und insbesondere der BGH die sog. Genehmigungstheorie (im Unterschied zur Ermächtigungstheorie). Nach ihr liegt in der Erteilung der Einzugsermächtigung (so BGH Rdnr. 11) keine Ermächtigung oder Vollmacht, das Weisungsrecht des Schuldners gegenüber seiner Bank auszuüben und über sein Guthaben bei dem Kreditinstitut zu verfügen, sondern nur die Gestattung, das von der Kreditwirtschaft entwickelte technische Verfahren des Lastschrifteinzugs zu benutzen (BGH NJW 1989, 1672). BGH Rdnr. 12: Deshalb greift die Schuldnerbank im Einzugsermächtigungsverfahren ohne eine Weisung oder einen Auftrag ihres Kunden auf dessen Konto zu (BGHZ 74, 300 [304];… 162, 294 [302 f.]…). Sie handelt bei der Einlösung einer Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren nach st. Rspr. des BGH (folgen Nachw.) nur auf Grund einer von der Gläubigerbank…im eigenen Namen im Interbankenverhältnis erteilten Weisung. Ihrem Kunden gegenüber handelt die Schuldnerbank erst dann berechtigt mit der Folge, dass der Bank ein Anspruch auf Kostenersatz zusteht, wenn dieser die Belastungsbuchung genehmigt (dazu noch unter b). Hinter diesem Verständnis des Einzugsermächtigungsverfahren steht das Ziel, diesem Verfahren die nötige Akzeptanz zu verschaffen, die gefährdet wäre, wenn der Schuldner bereits durch Erteilung einer Einzugsermächtigung, bei der er die Forderung des Gläubigers möglicherweise noch gar nicht kennt, den Gläubiger zur Verfügung über sein Konto ermächtigen würde.

Zwischenergebnis ist, dass es auf die Erteilung einer Einzugsermächtigung durch S an G, weil diese nur die Berechtigung zur Teilnahme der G am Lastschriftverfahren bedeutet, nicht ankommt.

b) Damit erhält die Genehmigung bzw. Verweigerung der Genehmigung des Bankkunden gegenüber seiner Bank die für die Rechtswirkungen einer Einzugsermächtigung wesentliche Bedeutung.

aa) BGH Rdnr. 13: Da die Bank mangels Weisung des Schuldners dessen Konto zunächst unberechtigt belastet, kann der Schuldner ihr gegenüber der Belastung seines Kontos ohne Angabe von Gründen sowie unabhängig vom Bestehen einer Verpflichtung im Valutaverhältnis widersprechen. Die Schuldnerbank hat dementsprechend keinen Aufwendungsersatzanspruch [und muss ggfs. eine Belastungsbuchung rückgängig machen ], solange ihr Kunde die Belastungsbuchung nicht nach § 684 S. 2 BGB genehmigt hat (folgen Nachw.). Erst die nachträgliche Zustimmung des Schuldners ergibt die Berechtigung der Schuldnerbank zur Einlösung der Lastschrift. Diese Zustimmung bzw. Genehmigung tritt an die Stelle eines Überweisungs- oder Abbuchungsauftrags. Erteilt wird sie entweder durch ausdrückliche Genehmigung des Bankkunden (selten) oder im Normalfall dadurch, dass die Bank dem Kunden den regelmäßigen Rechnungsabschluss übersendet und der Kunde innerhalb der Frist (i. d. R. 6 Wochen) nicht widerspricht.

bb) BGH Rdnr. 14: Verweigert der Schuldner hingegen die Genehmigung, indem er der Belastungsbuchung widerspricht, fehlt eine ihm zurechenbare Anweisung, so dass die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto dem Schuldner nicht als Leistung zugerechnet werden kann… (folgen umfangreiche Nachw.).

 Dem steht nicht entgegen, dass der Gläubiger davon ausgeht, die Gutschrift sei mit Willen des Schuldners erfolgt. BGH Rdnr. 14: Der so genannte Empfängerhorizont kann eine wirksame Anweisung als objektive Grundlage der Zurechnung nicht ersetzen (…).

Ferner ist kein durchgreifendes Gegenargument, dass der Gläubiger dadurch schlechter steht als bei einer Überweisung, bei der eine zurechenbare Anweisung besteht. BGH Rdnr. 15: Die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers ist…mit der des Überweisungsempfängers von vornherein nicht vergleichbar. Die daraus resultierenden Nachteile nimmt der Lastschriftgläubiger wegen der Vorteile, die das Einzugsermächtigungsverfahren bietet, bewusst in Kauf. Die Vorteile bestehen für den Gläubiger vor allem darin, dass er im Einzugsermächtigungsverfahren die Initiative beim Zahlungseinzug ergreifen kann, also nicht darauf angewiesen ist, die pünktliche Zahlung seiner Schuldner abzuwarten, dass die sofortige Gutschrift der eingereichten Lastschrift Liquiditäts- und Zinsvorteile bewirkt und dass die Zahlungsüberwachung rationalisiert wird, weil nur noch die in der Regel wenigen Rückbelastungen bearbeitet werden müssen…

cc) Im vorliegenden Fall hat S die Belastung nicht genehmigt, sondern ihr innerhalb der 6 Wochen nach Rechnungsabschluss (am 27. 1., nachdem er im Januar den Rechnungsabschluss erhalten hat) und damit rechtzeitig widersprochen. BGH Rdnr. 18: Dass die sechswöchige Frist gemäß Abschnitt III Nr. 2 S. 1 LSA in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, ist unerheblich (vgl. BGHZ 144, 349 [354]), weil dieses Abkommen gemäß Abschnitt IV Nr. 1 Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten, nicht aber gegenüber dem Kunden der Kl. als Schuldner begründet. Der Ablauf der ersten 6-Wochen-Frist nach der Belastungsbuchung ist also unerheblich, als Genehmigung wirken würde nur der Ablauf der (zweiten) 6-Wochen-Frist nach Erteilung des Rechnungsabschlusses.

Zwischenergebnis zu 1. - 4.: Wegen des Widerspruchs gegen die Belastungsbuchung liegt eine dem S zurechenbare Anweisung und damit eine Leistung des S nicht vor. Eine Leistung kann dem Vorliegen einer Nichtleistungskondiktion nicht entgegen stehen.

5. Somit können die weiteren Voraussetzungen einer Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 I 1 Alt. 2 BGB geprüft werden.

a) Dass G den Geldbetrag in sonstiger Weise von K erlangt hat, folgt daraus, dass K den Betrag über die Hausbank des G an G übermittelt hat. Zwischen K und G bestand auch kein Rechtsgrund, kraft dessen G den Betrag von der K-Bank hätte verlangen können.

Dieses Ergebnis folgert der BGH unter Rdnr. 14 unmittelbar aus dem Umstand, dass die Zahlung nicht als Leistung des S gewertet wird, indem er fortfährt: … und die Schuldnerbank gemäß § 812 I 1 Alt. 2 BGB beim Gläubiger Rückgriff nehmen kann (mit Nachw. u. a. auf Soergel/Häuser/Welter, BGB, 12. Aufl., § 675 Rdnr. 205).

b) Der BGH prüft und bejaht unter Rdnr. 22 noch, dass G das Geld auch „auf Kosten“ der K erlangt hat. Dazu Hager JA 2006, 738, 739: Angesichts der vorangegangenen Überlegungen ist es unnötig, aber auch nicht schädlich, das Merkmal „auf dessen Kosten“ zu problematisieren. Jedenfalls hat G die 1.508 € auf Kosten der K erhalten, weil K den Betrag aufgebracht, an G über dessen Bank übermittelt und keinen Rückgriffsanspruch gegen S erlangt hat.

Gesamtergebnis: Der Anspruch der K gegen G auf Rückzahlung der 1.508 € ist aus § 812 I 1 Alt. 2 (Nichtleistungskondiktion) begründet.

 Zusammenfassung