► Sachmängelansprüche beim Kauf (und Tausch, § 480 BGB); Schadensersatz statt der Leistung, §§ 437 Nr. 3, 281 BGB. ► Erforderlichkeit einer Fristsetzung bei Erkrankung eines gekauften Tieres, § 281 II BGB. ► Vermutung der Mangelhaftigkeit beim Verbrauchsgüterkauf, § 476 BGB. ► Kein Aufwendungsersatz analog §§ 326 II 2, V BGB im Falle der eigenmächtigen Mängelbeseitigung durch den Käufer
BGH Urteil vom 7. 12. 2005 (VIII 126/05) NJW 2006, 988
Fall (Tausche Wallach gegen Stute)
K, die spätere Klägerin, schloss am 8. 2. mit dem Pferdehändler B einen Vertrag, wonach sie einen ihr gehörenden Wallach gegen eine bis dahin dem B gehörende Stute eintauschte. B wusste, dass K die Stute als privates Reitpferd verwenden wollte. Der Vertrag wurde noch am selben Tage vollzogen. Nachdem K bereits wenige Tage nach Erwerb des Pferdes festgestellt hatte, dass die Augen möglicherweise nicht in Ordnung waren, zeigte sich am 1. 4., dass die Stute an einer sog. periodischen Augenentzündung litt. K ließ das Pferd tierärztlich behandeln und, als eine Operation notwendig wurde, am 7. 9. und 21. 11. zweimal operieren. Anschließend machte sie gegenüber B geltend, das Pferd habe bereits zum Zeitpunkt des Tauschs an der Entzündung gelitten, und verlangt Ersatz der Operationskosten in Höhe von 1.933 €. B bestreitet, dass das Pferd bereits am 8. 2. erkrankt war, und beruft sich hilfsweise darauf, dass ihm Gelegenheit hätte gegeben werden müssen, seinerseits die Stute tierärztlich behandeln zu lassen. Wie ist zu entscheiden ?
A. . Anspruch auf Schadensersatz
K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 480, 437 Nr. 3, 440, 280 I, III, 281 BGB haben.
I. K und B haben am 8. 2. einen Tauschvertrag geschlossen, auf den nach § 480 BGB die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung finden. Hinsichtlich der Stute ist B der Verkäufer, K ist Käuferin. (Bei der weiteren Bearbeitung wird der Vertrag lediglich als Kaufvertrag behandelt, ohne stets darauf hinzuweisen, dass es sich eigentlich um einen Tauschvertrag handelt.)
II. Die Stute müsste bei Gefahrübergang, also bei der Übergabe, mit einem Mangel behaftet gewesen sein.
1. Eine periodische Augenentzündung ist eine Krankheit des Tieres und damit eine Abweichung von der Normalbeschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, mithin ein Sachmangel.
2. Ob dieser Mangel bereits bei der Übergabe vorlag, ist zwischen den Parteien umstritten. Grundsätzlich muss derjenige, der ein Recht geltend macht, die hierfür bestehenden Voraussetzungen beweisen, bei Mängelansprüchen also der Käufer. Hier könnte zu Gunsten der K jedoch die Vermutung des § 476 BGB eingreifen.
a) Der Vertrag zwischen B und K war ein Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB. K wollte das Pferd privat verwenden und war deshalb Verbraucherin (§ 13 BGB). B war als Pferdehändler Unternehmer (§ 14 BGB).
b) Die Augenentzündung hat sich nach knapp zwei Monaten, also innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Übergabe gezeigt.
c) Die Vermutung könnte bei einem Tier auf Grund der Art der Sache ausgeschlossen sein (so wie z. B. bei gebrauchten oder leicht verderblichen Waren). Jedoch hat der Gesetzgeber von der in § 90a S. 3 BGB angelegten Möglichkeit, für Tiere besondere Bestimmungen zu treffen, weder in den allgemeinen Vorschriften über Sachmängel noch in § 476 Gebrauch gemacht. Deshalb bleibt § 476 auf den Tierkauf anwendbar (OLG Köln ZGS 2004, 40).
d) Der Ausschluss wegen der Art des Mangels wird allerdings häufig auf Tierkrankheiten zutreffen (Begründung des Regierungsentwurfs zu § 476, BT-Drucks. 14/6040, S. 245). Bei einer Erkrankung erst längere Zeit später spricht die Art des Mangels dagegen, dass das Tier bereits bei der Übergabe krank war. Nach obigem Sachverhalt hat K aber bereits wenige Tage nach der Vertragsabwicklung festgestellt, dass die Augen der Stute nicht in Ordnung waren. In solchem Fall ist die Vermutung nicht wegen der Art des Mangels ausgeschlossen.
Der Originalsachverhalt des Falles enthielt allerdings nicht die Feststellung, dass K bald nach Übergabe des Tieres Auffälligkeiten erkannt hat. Gleichwohl hat das BerGer. § 476 angewendet (vgl. BGH S. 988 unter [5]). Der BGH (S. 989 unter [8]) hat die Frage offen gelassen, weil er den Anspruch aus anderen Gründen verneint hat, so dass es auf die Anwendung des § 476 im Ergebnis nicht ankam, dazu noch im Folgenden.
e) B hat die Vermutung nicht widerlegt. Das bloße Bestreiten reicht hierfür nicht aus. Somit ist nach § 476 davon auszugehen, dass die Stute bei Übergabe mangelhaft war.
III. Ein Anspruch über § 281 BGB hat weiterhin zur Voraussetzung, dass der Mangel behebbar war (ausführlich Hirsch JURA 2006, 120, 123 in einer zu der Entscheidung BGH NJW 2005, 3211 Stellung nehmenden Fallbearbeitung, die ebenfalls einen Tierkauf zum Gegenstand hat). Hier war der Mangel durch tierärztliche Behandlung behebbar.
IV. Zu den weiteren Voraussetzungen BGH S. 989 unter [10]:
1. Der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB setzt voraus,dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat (BGHZ 162, 219 = NJW 2005, 1348 [unter II 1a]; NJW 2005, 3211[unter II 1]).Dieser Grundsatz gilt auch beim Kauf eines Tieres (vgl. BGH NJW 2005, 3211 [unter II 2]) und damit ebenfalls bei einem Tausch von Tieren (§ 480 BGB).
2. Von dem Fristsetzungserfordernis könnte jedoch eine Ausnahme eingreifen. Ausnahmen nach §§ 281 II Fall 1, 440 scheiden aus.
a) In Betracht kommt § 281 II Fall 2. Dazu BGH S. 989 unter [11]: Beim Kauf eines Tieres können, wie der Senat in NJW 2005, 3211 entschieden hat, besondere Umstände, die nach § 437 Nr. 3 i. V. mit §§ 440, 281 II BGB ausnahmsweise die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung rechtfertigen, dann vorliegen, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lässt… (im Fall NJW 2005, 3211 vom BGH bejaht). Dass dieser Fall bei der Augenerkrankung der Stute gegeben ist, lässt sich jedoch nicht feststellen, zumal die erste Operation erst neun Monate nach der Übergabe der Stute erfolgt ist.
b) Das BerGer. hatte das Nacherfüllungsverlangen deshalb für unzumutbar gehalten, weil es sich um ein Tier gehandelt hat, das K nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus persönlichen Gründen erworben hat. Eine solche Gesetzeskorrektur nach unterschiedlichen Erwerbsmotiven des Käufers lässt sich aber aus § 281 II nicht herleiten und wird vom BGH deshalb abgelehnt (S. 989 unter [12]).
Es handelte sich somit um die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung ohne Fristsetzung durch K, aus der sich kein Anspruch über § 437 Nr. 3 BGB ergibt.
Ergänzender Hinweis:
V. Falls die bisher geprüften Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung wegen eines Mangels vorliegen, so muss noch hinzukommen, dass ein Mangelschaden vorliegt. Dieser ist abzugrenzen zum Mangelfolgeschaden, der neben der Leistung verlangt werden kann und keine Fristsetzung erfordert (vgl. § 280 I, III). Ein Mangelfolgeschaden liegt vor, wenn der Schaden selbst im Wege einer – zumindest theoretischen – Nacherfüllung nicht mehr hätte beseitigt werden können. Im vorliegenden Fall hätte B das Pferd tierärztlich behandeln lassen können, wodurch der Mangel hätte behoben werden können. Es handelte sich also um einen Mangelschaden.
B. Anspruch auf Ersatz ersparter Aufwendungen
I. In der Literatur (z. B. Lorenz NJW 2005, 1321 m. w. Nachw.) wird die Auffassung vertreten, im Falle der eigenmächtigen Selbstvornahme könne der Käufer vom Verkäufer wenigstens diejenigen Aufwendungen erstattet verlangen, die der Verkäufer dadurch erspart hat, dass der Käufer statt seiner die Mängelbeseitigung vorgenommen hat. Gestützt wird das auf eine analoge Anwendung des § 326 II 2, IV BGB. (Ausführlich zur gesamten Problematik der „eigenmächtigen Selbstvornahme“ an Hand eines Falles Flume JURA 2006, 86.)
II. Diese Auffassung hatte der BGH aber schon früher in einer Grundsatzentscheidung abgelehnt (BGHZ 162, 219 = NJW 2005, 1348; wiedergegeben im E-JurTel zu § 437). Das BerGer. war dem auch grundsätzlich gefolgt, wollte aber im vorliegenden Fall eine Ausnahme machen, weil das Nacherfüllungsverlangen für K wegen der besonderen Schutzfunktion des Tierschutzes (Art. 20a GG) unzumutbar gewesen sei (Wiedergabe durch den BGH auf S. 988 unter [6]). Dem folgt der BGH aber nicht, ohne allerdings auf den besonderen Aspekt des Tierschutzes einzugehen (vgl. S. 989 unter [13, 14] im Unterschied zu [12]).
1. Auf S. 989 unter [14] fasst der BGH seine grundsätzliche Auffassung zusammen und führt aus, dass der Käufer, der den Mangel selbst beseitigt, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, nicht nur den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung verliert,sondern auch nicht gem. § 326 II 2, IV BGB (analog) Ersatz der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für die Mängelbeseitigung verlangen kann (BGHZ 162, 219 = NJW 2005, 1348 [unter II 1]. Zur Begründung hat der BGH darauf hingewiesen, dass die §§ 437 ff. BGB insoweit abschließende Regelungen enthalten, die auch einen Anspruch auf Herausgabe ersparter Aufwendungen in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 326 II 2 BGB ausschließen; andernfalls würde dem Käufer im Ergebnis ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zugebilligt, auf das der Gesetzgeber bewusst verzichtet hat, und damit der Vorrang der Nacherfüllung unterlaufen, der den §§ 437 ff. BGB zu Grunde liegt… Auch Ansprüche des Käufers wegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 684, 1) oder aus § 812 bestehen nicht (BGH NJW 2005, 3212; Flume JURA 2006, 90/1).
Selbst in dem Fall, dass besondere Gründe vorliegen, wegen derer die Nacherfüllung dem Käufer nicht zumutbar ist, der Verkäufer den Mangel aber nicht zu vertreten hat und deshalb kein Schadensersatzanspruch statt der Leistung eingreift, bleibt es nach BGH (S. 989 unter [16]) bei der abschließenden Regelung der §§ 437 ff., die einen Rückgriff auf § 326 II 2 ausschließt.
2. Zur Rechtsstellung des Käufers in solchem Fall führt der BGH auf S. 990 unter [16] noch aus: Der Käufer hat bei einer – für die eine oder die andere Vertragspartei – unzumutbaren Nacherfüllung gegenüber dem Verkäufer, der die Verletzung seiner Pflicht zur Verschaffung einer mangelfreien Sache (§ 433 I 2 BGB) nicht zu vertreten hat (§ 280 I 2 BGB), die Rechte auf Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), die im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch eine vom Verkäufer zu vertretende Pflichtverletzung nicht voraussetzen (BGH NJW 2005, 3211 [unter III 3]). Diese Rechte macht die Klägerin jedoch im vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend.
Somit hat K auch keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen. Insgesamt steht ihr ein Anspruch gegen B nicht zu.
Zusammenfassung
Zu A. der Lösung:
Zu B. der Lösung: