Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Abgrenzung Mitdarlehensnehmer - bloße Mithaftung. Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) der Haftungsübernahme gegenüber einer Bank durch finanziell überforderte Angehörige. Berücksichtigung einer anderweitigen Sicherheit (Grundschuld). Möglichkeit der Privatinsolvenz als Entlastung der Bank. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders, § 305c II BGB


BGH
Urteil vom 16. 6. 2009 (XI ZR 539/07) NJW 2009, 2671

Fall (Eigentumswohnung des Lebensgefährten)

Frau K und Herr L waren Lebensgefährten. L erwarb eine Eigentumswohnung für sich als Alleineigentümer zum Zwecke der Vermietung. Der Kaufpreis betrug 154.000 EUR und wurde in voller Höhe von der B-Bank finanziert. Die für die Finanzierung von der B vorgelegte vorformulierte Vertragsurkunde wurde am 8. 5. von L und auf Verlangen der B auch von K als „Darlehensnehmerin“ unterzeichnet. Die für den Kredit zu zahlenden monatlichen Zinsen betrugen 830 EUR.

L bestellte, wie in den Vertragsbedingungen vorgesehen, an der Eigentumswohnung zu Gunsten der B eine erstrangige Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrages zuzüglich Zinsen und Nebenkosten. In den von B vorgelegten und von den Beteiligten unterschriebenen „Darlehensbedingungen“ heißt es unter Nr. 13.1: „Die Grundschuld dient zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Bank aus dem Darlehensverhältnis sowie aus anderen - auch künftigen - Geschäftsverbindungen."

Wie ebenfalls in den Darlehensbedingungen vereinbart war, trat K am 9. 5. B ihre künftigen Ansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis, soweit zulässig, zur Sicherung ihrer Verpflichtungen an B ab. Am 26. 5. übernahm K schließlich noch durch notarielles vollstreckbares Schuldanerkenntnis die persönliche Haftung hinsichtlich der Zahlung des Grundschuldbetrages nebst Zinsen und Nebenkosten.

Die Kreditsumme wurde auf Anweisung von L und K an den Verkäufer der Eigentumswohnung ausgezahlt. L übernahm die Kosten des notariellen Schuldanerkenntnisses und zahlte die Zinsen und Tilgungsbeträge des Kredits an B.

Einige Zeit später kam es zwischen L und K nach längeren Auseinandersetzungen zur endgültigen Trennung. L erteilte der K keine Auskunft mehr über die weitere Abwicklung des Kredits. K teilte dies der B-Bank mit und verlangte von ihr die Anerkennung, dass sie für den Kredit des L nicht mehr hafte. Sie verwies dabei darauf, dass ihr zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge im Mai von ihrem monatlichen Einkommen nach Abzug von festen Kosten nur ein pfändbarer Betrag von 754 EUR zur Verfügung gestanden habe. B bestand jedoch auf der Erfüllung der Vereinbarungen und beschied K dahin, dass sie zumindest deshalb nicht unangemessen belastet werde, weil B im Fall der Zahlungsunfähigkeit des L sich aus der Grundschuld befriedigen werde. Letztlich bliebe der K auch die Möglichkeit einer Privatinsolvenz. K bittet um eine gutachtliche Stellungnahme zu den zwischen ihr und B bestehenden Rechtsbeziehungen.

Hinweis zu den Zitaten aus der BGH-Entscheidung: Im Originalfall hatte K gegen B auf Feststellung geklagt, dass die Vereinbarungen nichtig sind (vgl. dazu auch noch unten V). „Klägerin“ i. S. der BGH-Ausführungen ist somit K, „Beklagte“ ist B.

I. K könnte gegenüber B aus der am 8. 5. unterschriebenen Vereinbarung verpflichtet sein.

1. Dabei könnte es sich um eine Darlehensverpflichtung (§ 488 BGB) handeln. Ein Darlehensvertrag wurde am 8. 5. zwischen B und L geschlossen. Da K die Vertragsurkunde als „Darlehensnehmerin“ unterschrieben hat, spricht dies dafür, dass sie ebenfalls aus Darlehensvertrag verpflichtet ist. Letztlich entscheidet aber nicht der Wortlaut der Vereinbarung über deren rechtliche Qualifizierung, sondern das von den Parteien wirklich Gewollte. B und K könnten den Willen gehabt haben, dass K lediglich eine Mithaftung für die Verpflichtung des L übernommen hat. Es sind somit ein Darlehensvertrag von der Übernahme einer Mithaftung abzugrenzen

a) BGH Rdnr. 14 Die rechtliche Qualifizierung der von der Klägerin mit Vertrag vom 8. Mai übernommenen Verpflichtung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung hängt davon ab, ob die Klägerin nach dem maßgeblichen Willen der Beteiligten als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem damaligen Lebensgefährten einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und im Gegenzug gleichermaßen zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein, oder aber ob sie ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaften und damit eine sie einseitig belastende Verpflichtung übernehmen sollte. Zu den bei der Ermittlung des wirklichen Parteiwillens zu beachtenden Auslegungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 121, 13, 16; …) und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (st. Rspr., vgl. etwa BGH WM 1998, 1883, 1886 und WM 2001, 1863, 1864).

b) BGH Rdnr. 15: Der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages spricht zwar dafür, dass die Klägerin echte Mitdarlehensnehmerin ist… Dem Wortlaut ist aber angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgewährenden Bank (vgl. Schimansky, WM 2002, 2437, 2438 f.) und der allgemein üblichen Verwendung von Vertragsformularen grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst (BGH WM 2005, 418, 419 m. w. N.). Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist als Mitdarlehensnehmer daher…in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta bzw. bestimmten Teilen davon mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; WM 2004, 1083, 1084 und WM 2005, 418, 419 m. w. N.…).

BGH Rdnr. 16: Ein solches Interesse an der Kreditaufnahme hatte die Klägerin nicht. Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden diente das Darlehen ausschließlich zur Finanzierung des Kaufpreises für die von dem früheren Lebensgefährten der Klägerin bereits vor Abschluss des Darlehensvertrages allein erworbene Eigentumswohnung und ist ausschließlich dazu verwandt worden. Dass die Klägerin gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta oder Teilen davon als im Wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte, ist nicht ersichtlich. Der Verwendungszweck, d.h. die Finanzierung einer Eigentumswohnung zum Alleineigentum des damaligen Lebensgefährten der Klägerin, war bereits im Darlehensvertrag festgelegt…Zwar mag der Kauf der vermieteten Immobilie auf einem gemeinsamen Entschluss der damaligen nichtehelichen Lebenspartner beruhen und der Mietertrag auch den allgemeinen Lebensstandard der Klägerin während des Zusammenlebens verbessert haben. Dies spricht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber nicht für eine gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerschaft, sondern allenfalls für einen mittelbaren Vorteil der Klägerin aus der Kreditaufnahme (vgl. BGH WM 2002, 1649, 1650 f. zum Erwerb einer "Jugendstilvilla" durch einen Ehepartner). Gegen eine Mitdarlehensnehmerschaft der Klägerin spricht außerdem der Umstand, dass ihr früherer Lebensgefährte das Darlehen allein bedient hat.

2. Folglich ist die Vereinbarung vom 8. 5., soweit sie von K unterzeichnet wurde, eine Mithaftungsübernahme (so BGH Rdnr 17), die ein Anwendungsfall des Schuldbeitritts ist (so BGH Rdnr. 27, dies in Abgrenzung zu der in § 414 BGB geregelten befreienden Schuldübernahme). Diese Rechtsfigur ist gesetzlich nicht geregelt, aber kraft Vertragsfreiheit (§ 311 BGB) ohne weiteres zulässig. Aus ihr ergibt sich im Falle der Wirksamkeit ein Anspruch der B gegen K auf Zahlung des Betrages, den L aus dem Darlehensvertrag schuldet; K trifft eine entsprechende Verpflichtung.

II. Die Mithaftungsübernahme könnte aber nach § 138 I BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein.

1. Als Generalklausel wird § 138 I durch Fallgruppen konkretisiert. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Fallgruppe, bei der Familienangehörige oder Lebenspartner aus emotionaler Verbundenheit Bürgschafts- oder andere Mithaftungsverpflichtungen übernehmen, durch die sie finanziell krass überfordert werden (grundlegend BVerfGE 89, 214: BGHZ 125, 206; 156, 302).

a) Danach ist die Vereinbarung vom 8. 5. sittenwidrig, wenn K als Lebenspartnerin des Schuldners L die Mithaftungsübernahme aus emotionaler Verbundenheit übernommen hat, obwohl sie dadurch finanziell krass überfordert wurde, und B das ausgenutzt hat.

b) BGH Rdnr. 18: Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats liegt eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn dieser voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft allein tragen kann. In diesem Fall ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass der dem Hauptschuldner persönlich besonders nahe stehende Bürge bzw. Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 156, 302, 306; WM 2002, 1649, 1651, jeweils m. w. N.).

c) Rdnr. 19: Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt war die Klägerin bei der Mithaftungsvereinbarung im Mai…voraussichtlich nicht einmal in der Lage, die in dem Darlehensvertrag festgelegte monatliche Zinslast in Höhe von 830 € aus ihrem laufenden Einkommen und Vermögen [in Höhe von 754 € als pfändbarem und für eine Schuldentilgung verfügbarem Betrag] dauerhaft allein zu tragen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte war auch in absehbarer Zeit nicht mit einer wesentlichen Verbesserung ihrer Einkommens- oder Vermögensverhältnisse zu rechnen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin der Darlehensschuld ausschließlich oder überwiegend aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem damaligen Lebenspartner und infolgedessen aufgrund eines fremdbestimmten Willensentschlusses beigetreten ist. Diese tatsächliche Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt oder entkräftet.

2. Etwas anderes könnte sich aber daraus ergeben, dass der B eine anderweitige Sicherheit zur Verfügung steht, aus der sie sich in dem Fall, dass L seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt, befriedigen kann, so dass B nicht in Anspruch genommen zu werden braucht. Anderweitige Sicherheit könnte die Grundschuld an der Eigentumswohnung sein. (Wegen dieser Grundschuld hatte das OLG die Mithaftungsübernahme für nicht krass überfordernd und nicht sittenwidrig bewertet.)

BGH Rdnr. 21: Nach st. Rspr. des BGH sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung finanziell übermäßig belastender Bürgschaften oder Schuldbeitritte zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken (vgl. etwa BGHZ 136, 347, 352 f.; 146, 37, 44 m. w. N.;…). Nach dem Willen verständiger Parteien darf den finanziell krass überforderten Bürgen oder Mithaftenden jedoch mit Rücksicht auf die weitere Sicherheit allenfalls eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigende und damit von § 138 Abs. 1 BGB nicht erfasste "Ausfallhaftung" treffen. Dazu muss gewährleistet sein, dass der Kreditgeber ihn erst nach einer ordnungsgemäßen Verwertung der anderen Sicherheit in Anspruch nimmt.

a) Ein solches Verfahren ist im vorliegenden Fall aber nicht gewährleistet. Weder in der Darlehensurkunde noch in den Darlehensbedingungen ist die Haftung der K auf eine Ausfallhaftung begrenzt wie überhaupt die Rechtsstellung der K - abgesehen von ihrer Haftung - nicht weiter geregelt ist.

b) Zu einer Nichtberücksichtigung der Grundschuld könnte aber auch und vor allem die in Nr. 13.1 der Darlehensbedingungen enthaltene Regelung führen.

aa) Eine wirksame Entlastung der K durch die Grundschuld würde nicht eintreten, wenn die Grundschuld auf Grund der in den Darlehensbedingungen enthaltenen Abrede nicht nur das bereits gewährte Darlehen, sondern alle künftigen Forderungen der B aus der Geschäftsbeziehung mit L sichern würde. Denn dann wäre der Umfang, in dem die Grundschuld die Mithaftungsverpflichtung der K verringern könnte, ungewiss. Die Grundschuld könnte für Verpflichtungen des L gegenüber der B in einer Höhe haften, die die ursprüngliche Darlehensverpflichtung weit übersteigt, so dass die Grundschuld zur Minderung der ursprünglichen Darlehensverpflichtung der K allenfalls in einem geringen Umfang zur Verfügung steht.

Ob allerdings 13.1 der Darlehensbedingungen in der Weise zu verstehen ist, dass er alle künftigen Verpflichtungen des L gegenüber B erfasst, ist zweifelhaft. Die Klausel könnte auch - enger - so zu verstehen sein, dass nur solche Verbindlichkeiten von der Grundschuld gesichert werden, die von L und K gemeinsam begründet werden, so wie es bei dem ursprünglichen Darlehen der Fall war. Ob nach 13.1 der Darlehensbedingungen alle, auch die einseitigen künftigen Verpflichtungen des L gesichert werden oder nur die gemeinsamen, ist durch Auslegung der Darlehensbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu entscheiden.

bb) Der BGH stellt der Auslegung allgemeine Ausführungen voran, Rdnr. 23: Ausgangspunkt der bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebotenen objektiven, nicht am Willen der konkreten Vertragsparteien zu orientierenden Auslegung (st. Rspr., siehe etwa BGHZ 102, 384, 389 f.; WM 2008, 1350, Tz. 15) ist der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragsparteien beachtet werden muss (BGH WM 2007, 2078, Tz. 23 m. w. N.). Außer Betracht zu bleiben haben solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGHZ 150, 269, 275 f.; 152, 262, 265).

cc) Zum vorliegenden Fall Rdnr. 25: Der Wortlaut der Klausel bringt nicht eindeutig zum Ausdruck, ob sie nur Ansprüche gegen die Klägerin und ihren damaligen Lebensgefährten als Gesamtschuldner oder auch allein gegen den Lebenspartner gerichtete Ansprüche erfasst… Zweifel gehen gem. § 305 c II BGB zu Lasten der Beklagten.Damit stellt sich die weitere Frage, wie diese Auslegungsregel sich auf das Verhältnis der B zu K auswirkt.

(1) Das OLG hatte § 305 c II so angewendet, dass Nr. 13.1 der Darlehensbedingungen eng auszulegen ist und nur gemeinsame Verbindlichkeiten umfasst. Dadurch würden die Ansprüche der B beschränkt, so dass diese Auslegung als Auslegung zu Lasten der B gewertet werden könnte.

(2) Demgegenüber sieht der BGH eine weitergehende Auslegung zu Lasten der B in einer Auslegung, bei der K von der Mithaftung völlig freigestellt wird, was bei Bejahung der Sittenwidrigkeit der Fall ist. Sittenwidrig ist die Mithaftung dann, wenn die Grundschuld sämtliche, auch die einseitigen Verbindlichkeiten des L sichert (oben aa). BGH Rdnr. 26: Die Auslegungsregel des § 305c II BGB führt bei einer Inhaltskontrolle dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit führt (BGHZ 139, 190, 199; 158, 149, 155). In die Prüfung, ob ein Vertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam ist, sind auch Klauseln einzubeziehen, die nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam oder nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden sind (BGHZ 136, 347, 355 f.). Dementsprechend ist im vorliegenden Zusammenhang die Auslegung der Klausel zugrunde zu legen, die zur Unwirksamkeit der Mithaftungserklärung der Klägerin führt. Davon ist…auszugehen, wenn die Grundschuld auch künftige Ansprüche, die sich allein gegen den Lebenspartner der Klägerin richten, sichert.

Folglich sichert die Grundschuld auch die künftigen einseitigen Verpflichtungen des L. Das führt dazu, dass die Grundschuld als ein die Haftung der K in einem vorhersehbaren und ausreichenden Umfang entlastender Faktor außer Betracht bleibt. Sie schließt somit die Sittenwidrigkeit der Mithaftungsübernahme nicht aus.

c) Auf der Grundlage der Überlegungen des BGH kann außerdem gefolgert werden, dass die Unwirksamkeit der Nr. 13.1 der Darlehensbedingungen zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede führt. Mangels Sicherungsabrede darf die B aber nicht aus der Grundschuld vorgehen, so dass die Grundschuld auch deshalb als haftungsentlastender Faktor ausfällt.

3. Eine sittenwidrige finanzielle Überforderung der K könnte deshalb zu verneinen sein, weil K im Überschuldungsfall die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach einem Privat-Insolvenzverfahren besteht (§§ 286 ff. InsO).

a) Der BGH stellt zunächst den Meinungsstand dar, Rdnr. 29: Die Frage, ob die speziellen Regeln der §§ 286 ff. InsO es sachlich rechtfertigen, sittenwidrige Bürgschaften und Schuldbeitritte finanzschwacher Ehepartner bzw. Lebenspartner für wirksam zu erachten, oder zumindest die Grenzen der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB weiter zu fassen, wird in der Literatur zum Teil bejaht (vgl. Aden, NJW 1999, 3763 f.; Foerste, JZ 2002, 562, 564; Medicus, JuS 1999, 833, 836; …Staudinger/Sack, BGB, 13. Bearb., § 138 Rn. 328…), überwiegend aber verneint (…MünchKommBGB/Armbrüster, 5. Aufl., § 138 Rn. 92;…Erman/Herrmann, BGB, 12. Aufl., § 765 Rn. 13; Erman/Palm, , § 138 Rn. 91; Krüger, MDR 2002, 855, 857 f.;…Riehm, JuS 2000, 241, 243;…Wagner, NJW 2005, 2956 f.;…ablehnend ferner die instanzgerichtliche Rechtsprechung, siehe OLG Frankfurt, NJW 2004, 2392, 2393 f.; OLG Celle, OLGR 2006, 444 f.; OLG Celle, WM 2008, 296, 298; OLG Dresden, OLGR 2006, 903, 907; OLG Düsseldorf, FamRZ 2007, 818, 820;…).

b) Der BGH, der diese Frage bisher nicht entschieden hat, schließt sich nunmehr der letztgenannten, überwiegenden Auffassung an und begründet dies unter Rdnrn. 30 - 32 mit systematischen, historischen und teleologischen Argumenten (vgl. Krüger NJW 2009, 3408/9).

aa) Die §§ 286 ff. InsO stehen in keinem Konkurrenzverhältnis zu § 138 Abs. 1 BGB. Dies folgt schon daraus, dass die §§ 286 ff. InsO rein begrifflich das Bestehen einer wirksam begründeten Schuld voraussetzen (…).

bb) Es gibt auch keinen konkreten Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber mit der neuen Rechtsfigur der Restschuldbefreiung den persönlichen Anwendungsbereich des § 138 Abs. 1 BGB einschränken wollte. Aus der ablehnenden Stellungnahme der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/2443, S. 267 f. zu § 250 Abs. 2 RegEInsO) zum Vorschlag des Bundesrates, die Restschuldbefreiung im Bereich der Verbraucherinsolvenz automatisch auf finanzschwache mithaftende Familienangehörige des Hauptschuldners zu erstrecken (BT-Drucksache 12/2443, S. 258 f.), ergibt sich im Gegenteil, dass das Wirksamkeitsproblem von finanziell übermäßig belastenden Ehegattenbürgschaften oder vergleichbaren Rechtsgeschäften nach wie vor allein mit Hilfe des allgemeinen Zivilrechts zu lösen ist (so auch MünchKommInsO/ Stephan, 2. Aufl., § 301 Rn. 6;…).

cc) Auch ist es unter Schutzzweckgesichtspunkten nicht gerechtfertigt, sittenwidrige Bürgschaften oder Schuldbeitritte im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Restschuldbefreiung für wirksam zu erachten. Zwar mögen dadurch verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. dazu BVerfG NJW 1994, 36, 39) gegen die Einbeziehung finanziell krass überforderter naher Angehöriger oder nichtehelicher Lebenspartner in die darlehensvertragliche Haftung des Hauptschuldners an Gewicht verlieren, indem die Restschuldbefreiung eine lebenslange ausweglose Überschuldung beseitigen kann. Es ist aber nicht der Zweck des langjährigen und komplizierten Restschuldbefreiungsverfahrens, Kreditinstitute, die versuchen, die offensichtliche Willensschwäche eines finanziell überforderten Ehepartners oder nichtehelichen Lebensgefährten des Hauptschuldners zur Durchsetzung ihrer vermeintlichen Interessen zu nutzen, vor der weitreichenden Nichtigkeitssanktion des § 138 Abs. 1 BGB zu bewahren.

c) Somit steht die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung der Sittenwidrigkeit nicht entgegen.

4. BGH Rdnr. 27: Danach verstößt der Schuldbeitritt der Klägerin vom 8. Mai…gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig. B hat keinen Anspruch gegen K aus der Mithaftungsübernahme als Schuldbeitritt.

III. Ein Anspruch der B gegen K könnte sich aus einem Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) ergeben.

1. Ein solches Schuldanerkenntnis ist durch die notarielle Erklärung der K vom 26. 5., die auf Grund einer entsprechenden Vertragserklärung der B erfolgt ist, zustande gekommen. Die damit anerkannte Schuld entsprach der Verpflichtung des L aus der der Grundschuldbestellung zugrunde liegenden Sicherungsabrede, wobei sich diese wiederum aus der Darlehensverpflichtung ergab.

2. Auch diese Verpflichtung hat K aber aus emotionaler Verbundenheit mit L übernommen und wird durch sie ebenso finanziell krass überfordert wie durch die Darlehensverpflichtung selbst. Auch das Schuldanerkenntnis ist deshalb nach § 138 I BGB nichtig (BGH Rdnr. 27).

IV. Zur Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen K und B gehört auch die Frage, ob B von der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis Gebrauch machen darf.

1. K hat die Ansprüche, soweit sie nicht unpfändbar waren (vgl. § 400 BGB), am 9. 5. an B abgetreten (§ 398 BGB).

2. Diese Abtretung ist nicht nach § 138 I BGB nichtig. K wird durch die Abtretung nicht in ruinöser Weise finanziell überfordert, weil ihr durch den pfändungsfreien Betrag das zum Leben nötige Einkommen bleibt. Auch aus § 139 BGB folgt keine Nichtigkeit, weil nicht ersichtlich ist, dass zwischen der Mithaftungsübernahme und dem Schuldanerkenntnis einerseits und der Abtretung andererseits eine Geschäftseinheit bestehen sollte (BGH Rdnr. 27), zumal die Abtretung an einem anderen Tag vorgenommen wurde als die anderen Rechtsgeschäfte. Dass die Mithaftungsübernahme und das Schuldanerkenntnis den Rechtsgrund für die Sicherungsabtretung bilden sollten, reicht für § 139 nicht aus.

3. Jedoch kann K von B nach § 812 I 1 BGB Rückabtretung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verlangen. Die Abtretung erfolgte zweckbestimmt, also im Wege einer Leistung. Rechtsgrund für die Leistung sollte zunächst die Mithaftungsübernahme und kraft späterer Vereinbarung auch das Schuldanerkenntnis sein; beide sind jedoch nichtig. BGH Rdnr. 27: Der Klägerin steht jedoch gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückübertragung der Lohnforderungen…zu.

V. Prozessual kann K die Nichtigkeit von Mithaftungsübernahme und Schuldanerkenntnis im Wege einer Feststellungsklage (§ 256 ZPO) gegen B geltend machen. Diesen Weg hat K im Originalfall beschritten. Dementsprechend lautet der Tenor des BGH-Urteils: Es wird festgestellt, dass die Mitverpflichtungserklärung der Klägerin aus dem Darlehensvertrag vom 8. 5. …und das vollstreckbare Schuldanerkenntnis vom 26. 5.… nichtig sind. Den Anspruch auf Rückübertragung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis muss K durch Leistungsantrag verfolgen. Im BGH-Fall hatte K auch hier rechtsirrig auf Feststellung der Nichtigkeit geklagt, weshalb die Klage insoweit abgewiesen wurde.


Zusammenfassung