Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Rückabwicklung familiär veranlasster Leistungen nach Scheitern einer Ehe; Aufgabe der Rechtsfigur einer „unbenannten Zuwendung“ bei Zuwendungen der Schwiegereltern. ► Schenkung, Widerruf wegen groben Undanks, §§ 516, 530 BGB. ► Wegfall der Geschäftsgrundlage, Voraussetzungen und Rechtsfolge, § 313 BGB; Anpassung an veränderte Umstände. ► Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung, § 812 I 2 BGB


BGH
Urteil vom 3. 2. 2010 (XII ZR 189/06) NJW 2010, 2202 (für BGHZ vorgesehen), unter Einbeziehung von BGH Urteil vom 20. 7. 2011 NJW 2012, 523

Fall (Geld von den Schwiegereltern)

F und M lebten seit einiger Zeit in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Anfang des Jahres 2005 teilten sie den Eltern E der F mit, sie beabsichtigten zu heiraten. Auch habe M die Möglichkeit, eine Eigentumswohnung zu erwerben. Der Kaufpreis betrage 200.000 €. Etwas mehr als 40.000 € könnten sie aus Eigenmitteln aufbringen. 100.000 € würden als Kredit aufgenommen. Es fehlten aber noch 58.000 €. E drückten ihrem künftigen Schwiegersohn M gegenüber ihre große Freude darüber aus, dass F und M für immer zusammen bleiben und eine Familie gründen wollten. Das sei für sie der Grund, den für den Erwerb der Wohnung fehlenden Betrag aufzubringen. E überwiesen 58.000 € auf das von M für den Erwerb der Wohnung eingerichtete Konto mit dem Vermerk „Familienwohnung“. M erwarb wie beabsichtigt die Wohnung und wurde im Grundbauch als Eigentümer eingetragen.

Im Herbst 2005 schlossen M und F die Ehe und bezogen die erworbene Wohnung. Im Jahre 2007 wurde ein gemeinsames Kind geboren. In der Folgezeit traten Spannungen zwischen den Eheleuten auf. M beklagte sich darüber, dass F sich ausschließlich um das Kind kümmere, während F dem M vorwarf, er vernachlässige den Nachwuchs. Nachdem sich die Spannungen verstärkt hatten, zog M im Herbst 2010 aus der Wohnung aus. Kurz danach zog auch F mit dem Kind zu ihren Eltern. M kam zurück und bewohnt seitdem die Wohnung allein. 2011 wurde die Ehe geschieden. In dem Verfahren schlossen F und M einen Vergleich, in dem sie Unterhaltsansprüche regelten und beiderseits auf Ausgleichsansprüche aus Zugewinn verzichteten.

E sind von der Entwicklung enttäuscht und fragen, ob sie wenigstens die 58.000 € von M zurückverlangen können.

Vorbemerkung zu den Fallgruppen: Ausgleichsansprüche der in dem Fall angesprochenen Art kommen in Betracht

(1) zwischen Eheleuten nach Trennung oder Scheidung,

(2) zwischen Paaren, die sich nach einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft getrennt haben,

(3) zwischen Schwiegereltern und einem Schwiegerkind nach Scheidung.

Obwohl es im vorliegenden Fall nur um die Fallgruppe (3) geht, werden auch die beiden anderen Fallgruppen mit in den Blick genommen und Gleichheiten oder Unterschiede aufgezeigt. - Mögliche Gegenstände der Rückforderung können Geld bzw. Sachen oder auch erbrachte Arbeitsleistungen (z. B. bei einem Hausbau) sein. Im Originalfall des BGH wurde auch die Vergütung von geleisteter Arbeit verlangt, nicht jedoch nach dem hier zu behandelnden Sachverhalt. - Sämtliche Fallgruppen werden in dem Aufsatz von Henke/Keßler Jus 2011, 583 ff., 686 ff. behandelt. Die Klausurbearbeitung von Adolphsen/Mutz JuS 2011, 431 hat einen ähnlichen Fall zum Gegenstand.

A. Ein Anspruch könnte sich aus dem Widerruf eines Schenkungsvertrages ergeben (§§ 516, 530, 531 II, 812 BGB).

I. Dann müsste zwischen E und M ein Schenkungsvertrag zustande gekommen sein.

1. Der Begriff des Schenkungsvertrages ergibt sich aus § 516 I BGB. Eine Einigung zwischen E und M über die Überweisung eines Geldbetrages ist erfolgt.

a) Diese erstreckte sich auf die Zahlung von 58.000 € an M, also auf eine Zuwendung der E an M.

b) Sie ging auch dahin, dass M (oder F) hierfür keine Gegenleistung erbringen sollte, so dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgte.

2. Allerdings könnte der Zusammenhang mit den familiären Beziehungen der Beteiligten dazu führen, eine Schenkung i. S. des § 516 zu verneinen.

a) Bei Eheleuten - ebenso bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - sind keine Schenkungen zunächst die Leistungen für die gemeinsame Lebensführung. Für diese gilt der Grundsatz der Nichtausgleichung, auch als Abrechnungsverbot bezeichnet (Henke/Keßler JuS 2011, 584). Im vorliegenden Fall geht es aber um eine darüber hinausgehende Leistung.

aa) Werden solche Leistungen zwischen Eheleuten erbracht, nimmt der BGH in st. Rspr. an, dass sie keine Schenkungen, sondern unbenannte Zuwendungen sind, auch als ehebedingte oder ehebezogene Zuwendungen bezeichnet. BGH [23]: Bei unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten ist eine Schenkung regelmäßig deshalb zu verneinen, weil der zuwendende Ehegatte die Vorstellung hat, der zugewendete Gegenstand werde ihm letztlich nicht verloren gehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft und damit auch ihm selbst zugute kommen (so BGHZ 177, 193, 198; FamRZ 1990, 600, 603…).

bb) BGH [20]: Nach der bisherigen Rspr. des BGH war auch bei Zuwendungen, die Schwiegereltern an den Ehepartner des leiblichen Kindes mit Rücksicht auf dessen Ehe mit ihrem Kind und zur Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens machen, regelmäßig ein Rechtsverhältnis eigener Art anzunehmen, das mit den ehebezogenen Zuwendungen unter Ehegatten vergleichbar war (FamRZ 2006, 394;…BGHZ 129, 259, 263). Derartige - objektiv unentgeltliche - Zuwendungen waren regelmäßig nicht als Schenkung zu werten, weil es an dem hierfür erforderlichen subjektiven Tatbestand fehlte. Nach dem erkennbaren Willen des Zuwenders sollte die Leistung nicht zu einer den Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen, sondern sie sollte auf Dauer der Ehegemeinschaft dienen und damit auch von deren Bestand abhängig sein…

cc) Bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften entspricht der ehebezogenen Zuwendung die gemeinschaftsbezogene Zuwendung (BGH NJW 2011, 2880 LS 1).

b) Für Leistungen der Schwiegereltern wird die Rechtsfigur der unbenannten, ehebezogenen Zuwendung vom BGH jetzt aufgegeben. [21 - 24]:

aa) Schwiegerelterliche Zuwendungen erfüllen auch dann sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 516 Abs. 1 BGB, wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes Willen erfolgen. Insbesondere fehlt es nicht an einer Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung.

bb) Eine Schenkung kann nicht unter Hinweis darauf verneint werden, die Zuwendung solle auf Dauer der Ehegemeinschaft dienen und damit nicht zu einer den Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen… Eine Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB setzt weder voraus, dass der Zuwendungsempfänger über den zugewandten Gegenstand frei verfügen kann, noch dass der Empfänger einseitig begünstigt wird. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass gemäß § 525 BGB eine Schenkung unter einer Auflage erfolgen kann…, was die freie Disposition des Beschenkten über den unter einer Auflage zugewendeten Gegenstand gerade ausschließt. Zudem werden auch Zweckschenkungen als Schenkungen qualifiziert, obwohl der Zuwendende hier ebenfalls einen über die Zuwendung an den Beschenkten hinausgehenden Zweck verfolgt…

cc) Anders als bei unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten fehlt es im Falle schwiegerelterlicher Zuwendungen auch nicht an einer mit der Zuwendung einhergehenden dauerhaften Vermögensminderung beim Zuwendenden, wie sie § 516 Abs. 1 BGB voraussetzt (vgl. MünchKomm/Koch BGB 5. Aufl. § 516 Rdn. 5 f.)… Schwiegereltern übertragen den zuzuwendenden Gegenstand regelmäßig in dem Bewusstsein auf das Schwiegerkind, künftig an dem Gegenstand nicht mehr selbst zu partizipieren… Die Zuwendung aus ihrem Vermögen hat also eine dauerhafte Verminderung desselben zur Folge.

BGH NJW 2012, 524: Insoweit unterscheidet sich die Situation von der Vermögenslage, die durch ehebezogene Zuwendungen unter Ehegatten entsteht, grundlegend. Dort ist eine Schenkung regelmäßig deshalb zu verneinen, weil der zuwendende Ehegatte die Vorstellung hat, der zugewendete Gegenstand werde ihm letztlich nicht verloren gehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft und damit auch ihm selbst zugute kommen. Demgegenüber übertragen Schwiegereltern den zuzuwendenden Gegenstand regelmäßig in dem Bewusstsein auf das Schwiegerkind, künftig an dem Gegenstand nicht mehr selbst zu partizipieren. Die Zuwendung aus ihrem Vermögen hat also eine dauerhafte Verminderung desselben zur Folge…

Folglich bleibt es dabei, dass zwischen E und M ein Schenkungsvertrag geschlossen wurde.

II. Ein Schenkungsvertrag kann nach § 530 I BGB widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des groben Undanks schuldig macht. Ob das der Fall ist, ist durch eine wertende Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Beschenkten festzustellen (Adolphsen/Mutz JuS 2011, 433). Dabei sind die Herbeiführung einer Trennung oder auch ein ehewidriges Verhalten noch nicht ausreichend für einen groben Undank ( Henke/Keßler JuS 2011, 687). Im vorliegenden Fall kann nicht einmal ein ehewidriges Verhalten des M festgestellt werden. Dass F ihm gegenüber Vorwürfe erhoben hat, reicht dafür nicht aus. Offenbar handelt es sich um ein schicksalhaftes Geschehen zwischen M und F. Grober Undank des M gegenüber E liegt nicht vor. Ein Anspruch aus Schenkungswiderruf scheidet aus.

B. Eine Anspruchsgrundlage könnte sich aus Gesellschaftsrecht ergeben.

I. Bei Eheleuten und Paaren in nichtehelicher Lebensgemeinschaft kommt, wenn sie einen größeren Vermögenswert, etwa ein Mietshaus, anschaffen oder in ein solches investieren, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Betracht (Henke/Keßler JuS 2011, 583). BGH NJW 2011, 2818 [14]: Nach der Rspr. des BGH kann ein Ausgleich nach den §§ 730 ff. BGB in Betracht kommen, wenn die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben (vgl. BGHZ 84, 388, 390;… 177, 193). Eine rein faktische Willensübereinstimmung reicht für eine nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende Zusammenarbeit dagegen nicht aus (BGHZ 165, 1, 10). Die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Regelungen kann in Frage kommen, wenn die Partner die Absicht verfolgt haben, mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes, etwa einer Immobilie, einen - wenn auch nur wirtschaftlich - gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Partnerschaft nicht nur gemeinsam genutzt werden, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören sollte. Anspruchsgrundlage für einen Ausgleich ist dann § 738 I 2 BGB, im Normalfall, in dem es sich nur um eine Innengesellschaft handelt, analog (Henke/Keßler JuS 2011, 583 Fn. 3).

II. Im Verhältnis zwischen einem Ehegatten und seinen Schwiegereltern scheidet eine GbR aber regelmäßig aus, so auch im vorliegenden Fall. Ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch steht E deshalb nicht zu.

C. Eine Anspruchsgrundlage für E kann sich daraus ergeben, dass bei dem zwischen E und M geschlossenen Schenkungsvertrag eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist und eine Anpassung zu erfolgen hat oder dass E von dem Vertrag zurücktreten können (§§ 516, 313 I, III BGB).

I. Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage könnten allerdings unanwendbar sein, wenn es für die hier in Rede stehende Fallgruppe eine Sonderregelung oder eine abschließende Regelung gibt. Speziellere Vorschriften aus dem Recht der Leistungsstörungen (Unmöglichkeit, Gewährleistung; vgl. Adolphsen/Mutz JuS 2011, 433) kommen hier nicht in Betracht.

1. Sonderfälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Schenkungsrecht enthalten die §§ 527, 528 und 530. Sie greifen im vorliegenden Fall aber nicht ein und sind auch nicht abschließend. BGH [27]: Gegen die Anwendbarkeit des § 313 BGB spricht nicht, dass die im Schenkungsrecht ausdrücklich vorgesehenen Anspruchsgrundlagen für die Rückforderung von Geschenken wegen Nichterfüllung einer Auflage, wegen Verarmung und wegen groben Undanks des Beschenkten (§§ 527, 528, 530 BGB) Sonderfälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und damit den allgemeinen Grundsätzen gegenüber speziell wären. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das allgemeine Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar ist, soweit der Sachverhalt außerhalb des Bereichs der speziellen Herausgabeansprüche des Schenkers liegt (…). Um einen Sachverhalt außerhalb des Bereichs der Sondervorschriften handelt es sich bei dem Scheitern der Ehe…(ebenso Löhnig JA 2010, 829).

2. Weitere Bedenken gegen die Anwendung des § 313 insbesondere wegen eines Vorrangs des Zugewinnausgleichs behandelt der BGH im Zusammenhang mit der in § 313 I a. E. enthaltenen Voraussetzung der Unzumutbarkeit (unten III 2).

Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind somit anwendbar. Ebenso im Fall BGH NJW 2012, 523 auf S. 524: Auch wenn die Zahlungen der Kläger somit nicht als unbenannte Zuwendungen, sondern als Schenkung zu werten sind, finden auf sie gleichwohl die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage Anwendung…

II. Es müsste ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen.

1. Geschäftsgrundlage ist nach § 313 I ein Umstand, der zur Grundlage des Vertrags geworden ist. BGH [28] folgt der Auffassung der Vorinstanz, dass die Geschäftsgrundlage der Schenkung der Kläger deren für den Beklagten erkennbare Erwartung war, der Beklagte werde mit der Tochter der Kläger eine dauerhafte Ehe eingehen; mit der Schenkung werde zur Schaffung einer Familienwohnung beigetragen, die der Tochter auf Dauer zugute komme. Hätten die Kläger als Schwiegereltern die Scheidung vorhergesehen, hätten sie den Betrag dem Beklagten nicht zur alleinigen Verfügung überlassen. Zumindest hätte M sich bei der Schenkung redlicherweise darauf einlassen müssen, dass er das Geld nur unter Bedingungen erhält.Auch im Fall NJW 2012, 524 billigt der BGH die Feststellung des BerGer., Geschäftsgrundlage der Schenkungen sei die…erkennbare Erwartung der Kläger gewesen, die Ehe des Schwiegerkindes mit dem Sohn werde Bestand haben; mit der Schenkung werde zum Bau eines Familienheims beigetragen, das den Eheleuten auf Dauer zugute komme.

2. Diese Geschäftsgrundlage ist infolge des Scheiterns der Ehe des Beklagten mit der Tochter der Kläger und mit dem Auszug der Tochter aus der im Alleineigentum des Beklagten stehenden Familienwohnung entfallen.

Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt vor.

III. Das Festhalten an dem Vertrag müsste den E nicht zumutbar sein (§ 313 I a. E.). Grundsätzlich braucht sich eine Partei, wenn ein für den Vertragsschluss wesentlicher Umstand zu ihrem Nachteil weggefallen ist, nicht an dem Vertrag festhalten zu lassen. Als Grund dafür, gleichwohl Zumutbarkeit anzunehmen, kommen die bestehenden familienrechtlichen Beziehungen in Betracht. Es ist also das Verhältnis des § 313 zu den familienrechtlichen Regelungen zu bestimmen.

1. BGH [30]: Nach der bisherigen Rspr. des BGH kam, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand gelebt hatten, ein Anspruch der Schwiegereltern nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur in Betracht, wenn das Ergebnis des güterrechtlichen Ausgleichs schlechthin unangemessen war und für den Zuwender unzumutbar unbillig erschien… (BGHZ 129, 259, 266 f.). Zur Begründung hat der Senat insbesondere ausgeführt, die Schwiegereltern hätten bei Vorausschau des späteren Scheiterns der Ehe nicht von der Zuwendung abgesehen, sondern sie ebenfalls erbracht, allerdings in vollem Umfang an ihr eigenes Kind und zu dessen uneingeschränkter Disposition. In diesem gedachten Fall hätte das eigene Kind den ihm zugewendeten Gegenstand ganz oder teilweise an seinen Ehegatten weitergegeben (sog. „Kettenschenkung") mit der Folge, dass ein Ausgleich unter den Ehegatten nur im Rahmen des Zugewinnausgleichs stattgefunden hätte.

2. Diese Rechtsprechung gibt der BGH in der hier behandelten Entscheidung auf [31]. Aus der ausführlichen Begründung unter [32-45] werden die folgenden Überlegungen wiedergegeben (vgl. deren teilweise Wiederholung bei BGH NJW 2010, 2885; Anwendung der neuen BGH-Rspr. bei Adolphsen/Mutz JuS 2011, 434/5; Zusammenfassung der BGH-Argumentation bei Wellenhofer JuS 2010, 733 und Löhnig JA 2010, 829) . - Wenn im Folgenden der Zugewinnausgleich eine Rolle spielt, liegt der Grund darin, dass das Verhältnis eines Ausgleichs über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zum Zugewinnausgleich grundsätzlich geklärt werden muss, so dass es ohne Bedeutung ist, dass im konkreten Fall F und M einen Zugewinnausgleich ausgeschlossen haben.

a) Allein der Umstand, dass die Schenkung dem eigenen Kind der Schwiegereltern über den Zugewinnausgleich teilweise zugute kommt, vermag nicht zu erklären, warum die Beibehaltung der derzeitigen Vermögensverhältnisse für die Schwiegereltern in Fällen des gesetzlichen Güterstandes regelmäßig zumutbar sein soll. Dass dieser zu Zuwendungen unter Eheleuten entwickelte Gedanke nicht auf schwiegerelterliche Schenkungen übertragen werden kann, ergibt sich bereits aus einer vergleichenden Betrachtung der Auswirkungen des Zugewinnausgleichs auf schwiegerelterliche Schenkungen einerseits und auf Zuwendungen unter Eheleuten andererseits. Zuwendungen unter Eheleuten können zur Folge haben, dass sich der Zugewinn des Zuwendungsempfängers maximal bis zur Höhe der Zuwendung erhöht, während sich der Zugewinn des Zuwenders entsprechend verringert… Im für den zuwendenden Ehegatten günstigsten Fall erhält dieser somit - wirtschaftlich - über den Zugewinnausgleich seine gesamte Zuwendung zurück. Demgegenüber erhöht eine Zuwendung der Schwiegereltern an ihr Schwiegerkind auch nach der bisherigen Betrachtungsweise allenfalls dessen Zugewinn, während der Zugewinn des eigenen Kindes unbeeinflusst bleibt. Folglich kann das eigene Kind der Schwiegereltern über den Zugewinnausgleich allenfalls hälftig an der Zuwendung profitieren. Es ist nicht einzusehen, warum sich Schwiegereltern stets mit einem zumindest hälftigen Verbleib ihrer Schenkung beim (ehemaligen) Schwiegerkind abfinden sollen.

b) Zwischen Eheleuten, die im gesetzlichen Güterstand leben, ist grundsätzlich der Zugewinnausgleich vorrangig und verdrängt den Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGHZ 115, 135; 119, 396; Henke/Keßler JuS 2011, 585 m. w. N. Fn. 37); es gilt dann der güterrechtliche Halbteilungsgrundsatz. Im vorliegenden Fall ist aber der ..güterrechtliche Grundsatz der Halbteilung nicht einschlägig, weil die güterrechtlichen Vorschriften im Verhältnis von Schwiegereltern und Schwiegerkind nicht anwendbar sind (…). Deshalb können die Vorschriften des Zugewinnausgleichs…nicht als eine die allgemeinen Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage verdrängende speziellere Regelung angesehen werden.

c) Auch der bislang von der Senatsrechtsprechung herangezogene Aspekt der (hypothetisch gedachten) Kettenschenkung (vgl. BGHZ 129, 259, 266) vermag keine abweichende Sichtweise zu rechtfertigen. Dieser Aspekt ist nicht verallgemeinerungsfähig (…). Außerdem beruht die (gedachte) Kettenschenkung lediglich auf einer…Fiktion, welche nichts daran ändert, dass die Schenkung tatsächlich nicht an das eigene Kind, sondern an das Schwiegerkind erfolgt ist.

d) Ein Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern ist auch nicht deshalb regelmäßig zu verneinen, weil ansonsten die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Beschenkten - einerseits im Wege des Zugewinnausgleichs von Seiten seines Ehegatten, andererseits nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage von Seiten seiner Schwiegereltern - bestünde… Das Schwiegerkind braucht regelmäßig eine Inanspruchnahme im Wege des Zugewinnausgleichs nicht zu befürchten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass schwiegerelterliche Schenkungen nicht nur im End-, sondern auch im Anfangsvermögen des Schwiegerkindes zu berücksichtigen sind und sich somit im Zugewinnausgleich nicht auswirken. Bei vorehelichen Schenkungen ist dies bereits deshalb der Fall, weil der Schenkungsgegenstand bei Eheschließung, also zum maßgeblichen Stichtag, bereits im Vermögen des Schwiegerkindes vorhanden ist. Aber auch wenn die Schenkung nach Eheschließung erfolgt ist, erhöht sie regelmäßig nicht den Zugewinn des Schwiegerkindes. Während auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung unbenannte Zuwendungen der Schwiegereltern nicht gemäß § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen waren (…), können die nunmehr als Schenkung zu wertenden schwiegerelterlichen Zuwendungen auch dann unter § 1374 Abs. 2 BGB subsumiert werden, wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes Willen erfolgt sind… Ist demgemäß nicht nur die Schenkung selbst, sondern auch der Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern sowohl im End- als auch im Anfangsvermögen des Schwiegerkindes zu berücksichtigen, folgt hieraus, dass die Schenkung der Schwiegereltern regelmäßig im Zugewinnausgleichsverfahren vollständig unberücksichtigt bleiben kann.

Somit gibt es keinen durchgreifenden Grund dafür, dass das weitere Festhalten an der Schenkung für E zumutbar wäre. Die Voraussetzungen des § 313 I liegen vor.

IV. Als Rechtsfolge ist in § 313 vorgesehen eine Anpassung des Vertrags - so grundsätzlich nach Absatz 1 - oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 ein Rücktritt.

1. Eine Anpassung ist hier unter Berücksichtigung des Umstands vorzunehmen, dass die Tochter T der E fünf Jahre in der Wohnung gelebt und dadurch die Vorteile der Schenkung mit in Anspruch genommen hat (BGH [59]). Inwiefern sich ein solcher Umstand auf die Höhe des zurückzugewährenden Betrages auswirkt, ist nicht geklärt. Der BGH hat den Fall an das OLG zurückverwiesen und unter [59] ausgeführt, das OLG habe über die Höhe der Rückzahlung im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens zu befinden. Auf eine genauere Bestimmung zielen die Vorschläge, eine Abschreibung in Anlehnung an die Absetzung für Abnutzung im Steuerrecht vorzunehmen (AfA-Lösung) oder den ursprünglichen Betrag über 10 Jahre analog § 2325 III 1 BGB abzuschmelzen (vgl. Henke/Keßler JuS 2011, 690).

2. Vorzugswürdig erscheint die Abschmelzungslösung, weil sie nach einem angemessenen Zeitraum von 10 Jahren zum Wegfall eines Rückzahlungsanspruchs und damit zu Rechtssicherheit führt. Im vorliegenden Fall ist die Hälfte dieser Zeit abgelaufen. Also ist eine Rückzahlungsforderung der E bis auf die Hälfte abgeschmolzen. E können deshalb von M (nur) 29.000 € aus § 313 I BGB verlangen. (Vgl. aber auch das Ergebnis bei Adolphsen/Mutz JuS 2011, 436: bei einer Trennung nach drei Jahren ist der Rückgewähranspruch „nur geringfügig unterhalb der gewährten 50.000 € anzusetzen“.)

Im Fall NJW 2012, 523 hat der BGH auf S. 525 zum Umfang des Anspruchs ausgeführt: Es ist der Umfang der durch die Zuwendung bedingten, beim Empfänger noch vorhandenen Vermögensmehrung zu berücksichtigen. Ein Rückforderungsanspruch setzt grundsätzlich eine beim Wegfall der Geschäftsgrundlage noch vorhandene, messbare Vermögensmehrung voraus, die zugleich den Anspruch nach oben begrenzt.

D. Anspruchsgrundlage könnte weiterhin § 812 I 2 Var. 2 BGB (Zweckverfehlung) sein.

I. Auch hier ist zunächst die Anwendbarkeit zu prüfen.

1. Eine Unanwendbarkeit könnte sich wiederum aus familienrechtlichen Gründen ergeben.

a) In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BGH angenommen, dass nach Scheitern einer Ehe grundsätzlich keine Rückabwicklung gegenseitiger Zuwendungen nach den Regeln der §§ 812 ff. BGB erfolgt (BGHZ 84,364).

b) Im vorliegenden Fall führt er unter [48] aus, dass das auch für schwiegerelterliche Zuwendungen gelten sollte: In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BGH es abgelehnt, allein um der Ehe des eigenen Kindes Willen erfolgte schwiegerelterliche Zuwendungen auf der Grundlage von Bereicherungsansprüchen wegen Zweckverfehlung rückabzuwickeln (BGHZ 129, 259, 264).

c) [49]: An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest (vgl. bereits zu Zuwendungen unter den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Senatsurteile FamRZ 2009, 849, 850; BGHZ 177, 193, 206 ff.; zu ergänzen: BGH NJW 2011, 2880). Er erkennt zu Recht keinen Grund an, Schwiegereltern einen Anspruch aus § 812 I 2 zu versagen, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Somit ist aus familienrechtlichen Gründen § 812 I 2 nicht unanwendbar.

2. Durch § 313 wird § 812 I 2 nicht verdrängt. BGH [47]: Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Ansprüche wegen Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB im Einzelfall in Betracht kommen können. Diese können jedenfalls nicht mehr mit der vom OLG angeführten Erwägung abgelehnt werden, die Abwicklung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage habe Vorrang und schließe eine Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze aus… (dem BGH folgend Adolphsen/Mutz JuS 2011, 436; Henke/Keßler JuS 2011, 691).

Allerdings wird die richtige Prüfungsreihenfolge bei §§ 313, 812 unterschiedlich beurteilt (vgl. Henke/Keßler JuS 2011, 585 Fn. 41). Löhnig JA 2010, 830 schlägt vor, § 812 vor 313 zu prüfen, weil die Zweckabrede spezieller und konkreter als die bloße GG sei. Demgegenüber folgt die überwiegende Auffassung - und auch die vorliegende Bearbeitung - dem Prinzip: vertragliche Ansprüche (§ 313) vor gesetzlichen (§ 812); so Schwab ZJS 2009, 118; der BGH im vorliegenden Fall und in NJW 2010, 2880, Adolphsen/Mutz JuS 2011, 431 ff.

II. Voraussetzungen für § 812 I 2 sind eine Leistung, das war im vorliegenden Fall die Zahlung der 58.000 €, und eine Zweckabrede.

1. BGH [51]: Eine Zweckabrede im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB setzt positive Kenntnis von der Zweckvorstellung des anderen Teils voraus, ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht (BGHZ 115, 261, 263). Hinzu kommt, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Schenkung nicht selten die Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe nicht in ihre Überlegungen aufnehmen. In diesen Fällen mag zwar dennoch eine gemeinsame Vorstellung vom Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, welche die Geschäftsgrundlage der Schenkung bildet; eine entsprechende Zweckvereinbarung kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht…

2. Auch im vorliegenden Fall lässt sich eine dem § 812 I 2 entsprechende Zweckabrede nicht feststellen.

a) Der unmittelbar mit der Geldüberweisung verbundene Zweck, den Erwerb der Wohnung zu ermöglichen, reicht nicht aus, weil dieser Zweck erreicht wurde.

b) Für einen Rückforderungsanspruch müsste Zweck sein, dass die Wohnung auf Dauer einer fortbestehenden Ehe dient. Ausdrücklich wurde das nicht vereinbart. Für eine schlüssige Vereinbarung müssten E und M konkret das Scheitern der Ehe und für diesen Fall rechtliche Konsequenzen in Betracht gezogen haben. Davon kann nach dem Sachverhalt aber nicht ausgegangen werden, zumal E ihre Freude darüber geäußert haben, dass F und M „für immer zusammen bleiben“. Ohne ein Scheitern der Ehe in Betracht zu ziehen, können sie keine Abrede getroffen haben, die für den Fall des Scheiterns gilt (ebenso in der Fallbearbeitung von Adolphsen/Mutz JuS 2011 auf S. 437). Ein Anspruch aus § 812 I 2 besteht somit nicht.


Zusammenfassung

(1. - 3. stammen aus den Leitsätzen des BGH-Urteils; weitgehend wiederholt in BGH NJW 2010, 2884)