Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Störungsbeseitigungsanspruch des Eigentümers, § 1004 I BGB. Unverhältnismäßiger Aufwand i. S. der §§ 275 II, 251 II BGB. Schadensersatzverpflichtung des Pächters wegen Verschlechterung der Pachtsache, §§ 596, 280 I BGB


BGH
Urteil vom 21. 5. 2010 (V ZR 244/09) NJW 2010, 2341

Fall (Kostenloser Biodünger)

E und N erscheinen als Mandanten und wünschen eine anwaltliche Beratung in folgender Angelegenheit:.

E ist Eigentümer eines ca. 7.000 qm großen landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücks im Hochsauerland. An dem Grundstück steht N ein Nießbrauch zu, kraft dessen er zur Nutzung des Grundstücks berechtigt ist (§ 1030 BGB). N wollte das Grundstück nicht selbst nutzen, sondern hat es für 327 Euro jährlich an den B verpachtet, der es zunächst als Baumschule nutzte. Als B dazu übergegangen war, dort Futtermais anzubauen, trat der ihm bis dahin unbekannte W an ihn heran und bot ihm „Biodünger“ an. Der Dünger sollte kostenlos geliefert und angeliefert werden. B erklärte sein Einverständnis. In den nächsten drei Jahren lieferte V im Auftrag des W 4.000 to Material an, das auf der Pachtfläche des B und auf angrenzenden Flächen ausgebracht und verteilt wurde.

Bei der Entnahme von Wasserproben in benachbarten Gewässern stellte sich heraus, dass das von W zugesagte und von V gelieferte Material in erheblichem Umfang perfluorierte Tenside (PFT) enthielt. B war das nicht bekannt. PFT kommen in der Natur nicht vor, sondern sind industrieller Abfall. Sie werden von Pflanzen aufgenommen und sind krebserregend. Die für Abfall und Bodenschutz zuständige Kreisverwaltungsbehörde verbot die Verwendung von Produkten dieses Grundstücks und ließ eine Drainage installieren, um das Ausspülen von PFT von dem Grundstück zu reduzieren, kündigte aber auch an, dass weitere Maßnahmen zum Gewässerschutz nötig seien. E und N erklären, dass ihnen gegenüber bisher keine Kostenersatzanspruch geltend gemacht worden seien. B hat inzwischen den Pachtvertrag gekündigt und das Grundstück an N zurückgegeben.

E und N haben B aufgefordert, das Grundstück von dem PFT säubern zu lassen. B lehnt das mit der Begründung ab, eine Sanierung des Grundstücks koste voraussichtlich mehrere hunderttausend Euro und stehe zu dem Nutzen in keinem vertretbaren Verhältnis mehr. Er verweist darauf, dass W nicht hinreichend leistungsfähig und ein Rückgriffsanspruch gegen ihn kaum durchsetzbar sei. Die Firma V ist inzwischen insolvent.

E und N bitten um eine gutachtliche Stellungnahme zu der Frage, ob sie wegen der Kontamination des Grundstücks gegen B einen Anspruch auf Beseitigung oder auch auf Schadensersatz haben.

A. E und N könnten gegen B einen Anspruch aus § 1004 I 1 BGB auf Beseitigung der Verunreinigung des Grundstücks haben.

I. Dann müssten die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen.

1. E ist Eigentümer der betroffenen Fläche, so dass ihm ein Anspruch aus § 1004 I 1 zustehen kann. N ist Nießbraucher. Nach § 1065 BGB finden auf den Nießbrauch, der ein absolutes dingliches Recht ist, die Vorschriften über das Eigentum entsprechende Anwendung, also auch § 1004. Somit kann auch N aus § 1004 I berechtigt sein.

2. Die PFT-Verseuchung hat zur Folge, dass auf dem Grundstück angebauten Pflanzen nicht verwendet werden dürfen, und ist eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums, die nicht in einer Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes besteht.

3. B müsste Störer sein.

a) Unmittelbarer Störer ist B nicht, weil er selbst das PFT-verseuchte Material nicht aufgebracht hat und auch die Initiative hierzu nicht von ihm ausgegangen ist.

b) Er hat aber die Aufbringung durch W und V gestattet und damit eine wesentliche Bedingung für das Aufbringen gesetzt, was ihn zum mittelbaren Störer macht. BGH Abs.-Nr. 7: Der Beklagte ist Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB. Als solcher ist er gegenüber beiden Klägern grundsätzlich verpflichtet, die PFT aus dem Grundstück zu entfernen (vgl. BGH NJW 1996, 845, 846 m. w. N.).

Die Voraussetzungen des § 1004 I 1 liegen somit vor.

II. Der Anspruch besteht nach § 1004 II BGB nicht, wenn E und N zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet sind, insbesondere wenn die Beeinträchtigung rechtmäßig erfolgt ist. Das ist jedoch nicht der Fall.

III. Der Anspruch könnte nach § 275 BGB ausgeschlossen sein. Eine dauernde Unmöglichkeit einer Sanierung des Grundstücks i. S. des § 275 I liegt nicht vor. Dass B möglicherweise mit der Sanierung finanziell überfordert ist, reicht dafür nicht aus. Es könnte jedoch § 275 II eingreifen. Danach kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der - unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben - in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht.

1. § 275 II ist auf alle Leistungspflichten anwendbar, also auf vertragliche und gesetzlich begründete, somit auch auf den dinglichen Anspruch aus § 1004. Diese Meinung vertritt der BGH in st. Rspr. (z. B. NJW-RR 2010, 315; dort Abs.-Nrn. 14, 15 auch zur Gegenmeinung) und folgt ihr auch im vorliegenden Fall unter Abs.-Nr. 8: Auch gegenüber dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann § 275 Abs. 2 BGB ein Recht zur Leistungsverweigerung gewähren (…). So kann es sich verhalten, wenn die Erfüllung des Beseitigungsanspruchs zu einem Aufwand führt, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Grundsätze von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht.

2. Somit sind einerseits das Leistungsinteresse von E und N festzustellen und zu bewerten, andererseits ist der Aufwand des B bei der Sanierung zu ermitteln, anschließend ist zwischen beiden eine Abwägung daraufhin vorzunehmen, ob ein grobes Missverhältnis besteht. Hierfür gibt es keine festen Prozentzahlen; es gilt aber die Leitlinie, dass ein grobes Missverhältnis besteht, wenn die Kosten den Wert der Leistung um mehr als 100 % übersteigen (Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 275 Rdnr. 27).

a) Für die Feststellung des Leistungsinteresses des E ist zunächst vom Wert des Grundstücks und seiner Nutzung auszugehen. Aus der niedrigen Pachtsumme von 327 Euro ist auf einen relativ geringen Wert von Grundstück und Nutzung zu schließen. Das OLG Hamm als Vorinstanz hatte folgendermaßen gerechnet (vgl. BGH Abs.-Nr. 4): Ohne die Verseuchung betrage der Wert des Grundstücks etwa 10.000 €. Wegen des Nießbrauchs habe die Verseuchung nicht zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung des E geführt. N könne das Grundstück zwar auf die Dauer von voraussichtlich etwa 40 Jahren nicht mehr nutzen und erleide eine Einbuße zwischen 20.000 und 30.000 €. Dem hatte das OLG die ermittelten 720.000 Euro Kosten für einen für nötig erachteten Bodenaustausch (einschließlich Entsorgung des belasteten Bodens) gegenübergestellt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Aufwand sich auf das Vielfache (ca. 18fache) des Grundstückswerts belaufe und damit unverhältnismäßig sei; demzufolge hatte es die Klage abgewiesen.

b) Damit wird das Leistungsinteresse von E und N aber nicht vollständig erfasst. BGH Abs.-Nr. 6: Bei der Feststellung des Leistungsinteresses der Kläger kann nur dann auf den Wert des Grundstücks abgestellt werden, wenn feststeht, dass sich das Interesse der Kläger an dem geltend gemachten Anspruch in der Wiederherstellung des Grundstücks erschöpft. Da das hier möglicherweise nicht der Fall ist, sind weitere Gesichtspunkte zu suchen, die beim Leistungsinteresse von E und N zu berücksichtigen sind.

aa) BGH Abs.-Nr. 12: Die Kläger sind nach § 4 Abs. 2, 3 BBodSchG verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr des weiteren Austritts von PFT aus dem Grundstück zu ergreifen und dessen Boden zu sanieren. Soweit der Kreis zum Schutz von Grundwasser, M.[Möhne] und R. [Ruhr] im Wege der Ersatzvornahme tätig geworden und weiterhin tätig ist, sind die Kläger dem Kreis grundsätzlich zum Aufwendungsersatz verpflichtet. Das kann bei der Bestimmung des Interesses der Kläger an der von ihnen gegen den Beklagten geltend gemachten Forderung nicht außer Betracht bleiben… Dieser grundsätzlichen Verpflichtung von E/N gegenüber dem Kreis kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Sanierungsverpflichtung angesichts des Umstandes, dass E/N die Verseuchung nicht verursacht haben, wegen Art. 14 GG der Höhe nach zu begrenzen ist (BVerfGE 102, 1, 20 ff.). Denn die Opfergrenze kann relativ hoch angesetzt werden und immer noch zu einer erheblichen Belastung von E/N führen. Auch dass der Kreis bisher keine Ansprüche geltend gemacht hat, ist nicht von Bedeutung, weil der Kreis auf Dauer verpflichtet ist, die der öffentlichen Hand entstandenen Kosten durch Inanspruchnahme privater Verpflichteter zumindest teilweise wieder erstattet zu erhalten. Die Verpflichtung von E/N würde allerdings dann für die Bewertung des Leistungsinteresses von E/N ausscheiden, wenn B beim Kreis eine Freistellung von E/N von den Verpflichtungen gegenüber dem Kreis erwirkt hätten; das ist jedoch nicht der Fall.

bb) Da die Verseuchung des Grundstücks zu einer erheblichen Wassergefährdung geführt hat, muss auch damit gerechnet werden, dass weitere, durch die Umweltschädigung beeinträchtigte Dritte (z. B. Wasserwerke) gegen die Grundstücksberechtigten des verursachenden Grundstücks vorgehen. Insofern haben E/N ein Interesse an der Beseitigung der von dem Grundstück ausgehenden Umweltgefahr.

cc) BGH Abs.-Nrn. 14 ff.: Bei der von § 275 Abs. 2 BGB gebotenen Abwägung des Leistungsinteresses des Gläubigers gegen den mit der Anspruchserfüllung verbundenen Aufwand des Schuldners ist nach § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB ferner das Verschulden des Schuldners zu berücksichtigen… Die Tatsache, dass der Beklagte die PFT-Verseuchung des ausgebrachten Materials nicht kannte, erlaubt nicht ohne Weiteres die Feststellung, dass den Beklagten an der Verseuchung des Grundstücks kein Verschulden trifft. Vielmehr ist von folgenden Umständen auszugehen: V hat mehr als 4.000 t „Biodünger" auf das Grundstück und die angrenzenden Flächen aufgebracht. Die Anlieferung und die Aufbringung erfolgten für den Beklagten kostenfrei. Das lässt die Vermutung zu, dass es V nicht um die Lieferung biologisch wertvollen Materials, sondern um die Deponierung großer Mengen entsorgungsbedürftigen Abfalls ging, für die V von dritter Seite bezahlt wurde. Für einen unbefangenen Betrachter muss gegenüber einem solchen Geschäftsmodell Vorsicht geboten sein. B hätte deshalb durch eine Untersuchung ausschließen müssen, dass es auf der gepachteten Fläche zu einer illegalen Giftmüllentsorgung kommt. Die Unterlassung einer derartigen Vorsorgemaßnahme begründet den Vorwurf erheblichen Verschuldens.

c) Somit sind zu Gunsten von E/N zu berücksichtigen: der Wert des Grundstücks und seiner Nutzung, die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz gegenüber dem Kreis, das Interesse an der Beseitigung einer Umweltgefahr und das erhebliche Verschulden des B. Zu Gunsten des B sind die Kosten in Höhe von voraussichtlich mehreren hunderttausend Euro in die Abwägung einzustellen.

aa) Bei der geforderten anwaltlichen Beratung lässt sich, da es an einem klaren Bewertungsmaßstab für die über den Grundstückswert hinausgehenden Aspekte auf Seiten von E/N fehlt, außerdem die Beseitigungskosten nicht genauer feststehen, nicht sicher vorhersagen, ob zwischen den Kosten des B und dem Leistungsinteresse von E/N ein grobes Missverhältnis besteht und wie ein Gericht dieses Verhältnis beurteilen wird.

bb) In dieser Situation ist für das weitere Vorgehen wesentlich die Frage, wer die für die Entscheidung nach § 275 II erforderlichen Tatsachen vortragen und ggfs. beweisen muss. § 275 II gewährt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, das er durch Einrede geltend machen kann. Nach allgemeinen Grundsätzen muss derjenige, der sich auf eine Einwendung oder Einrede beruft, die hierfür erforderlichen Tatsachen vortragen und beweisen. BGH Abs.-Nr. 8: Die Voraussetzungen hierfür sind von dem Schuldner darzulegen und zu beweisen, der das Recht zur Leistungsverweigerung in Anspruch nimmt (Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl., § 275 Rdn. 28; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 275 Rdn. 34; Staudinger/Löwisch/Caspers, BGB [2009], § 275 Rdn. 121). Nach dem hier vorgegebenen Sachverhalt hat B lediglich erklärt, eine Sanierung des Grundstücks koste voraussichtlich mehrere hunderttausend Euro. Er hat weder die zu ergreifenden Maßnahmen und ihre Kosten bestimmt und nachvollziehbar dargelegt noch hat er sie dem Leistungsinteresse von E/N gegenübergestellt. Angesichts der Überlegungen unter b) lässt sich auch nicht feststellen, dass eine solche Darlegung mit einem für B günstigen Ergebnis leicht möglich wäre. Vgl. auch noch BGH Abs.-Nr. 11: Die Art der notwendigen Sanierung und die mit dieser verbundenen Kosten sind den Klägern nicht bekannt. Es steht ihnen offen, die hierzu von dem Beklagten erhobenen Behauptungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Zu einer irgendwie gearteten Substantiierung ihres Bestreitens sind sie nicht gehalten. Folglich ist derzeit nicht davon auszugehen, dass § 275 II dem Anspruch aus § 1004 I 1 entgegen steht.

d) Die Erfolgsaussichten für eine Geltendmachung dieses Anspruchs sind somit positiv zu bewerten. Dabei handelt es sich aber um eine vorläufige Beurteilung, die im Fall einer Stellungnahme des B daraufhin zu überprüfen ist, ob sie aufrecht erhalten bleiben kann.

B. N könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Pachtvertrags haben (§§ 596 I, 280 I 1 BGB).

I. Zwischen N und B bestand ein Pachtvertrag über das später mit PFT kontaminierte Grundstück. Diesen Pachtvertrag hat B gekündigt. Ob diese Kündigung wirksam war, braucht nicht geprüft zu werden, weil N sich offenbar mit ihr einverstanden erklärt hat. Also ist von der Kündigung des Pachtvertrags auszugehen.

II. BGH Abs.-Nr. 17: Der Beklagte hatte nach der Beendigung des Pachtverhältnis das Grundstück in dem Zustand zurückzugeben, der einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung bis zur Rückgabe entspricht, § 596 Abs. 1 BGB. Das ist nicht geschehen. Darin liegt eine…Pflichtverletzung. Folglich ist der Beklagte dem Kläger zu 2 grundsätzlich nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (BGH Urt. v. 27. November 2009, LwZR 11/09).

III. Anders liegt es nur, wenn ihm die Verletzung seiner Pflicht nicht vorgeworfen werden kann, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass es sich so verhält, ist von dem Beklagten darzulegen und zu beweisen.

1. Bereits nach den vorliegenden Tatsachen ist davon auszugehen, dass B ein Verschulden daran trifft, dass das Grundstück mit PFT kontaminiert wurde. Die Überlegungen oben A III 2b cc) gelten auch im Zusammenhang mit dem vertraglichen Anspruch.

2. Auch ist dem B das Verschulden des W und des V zuzurechnen. BGH Abs.-Nr. 18, 19: Für das Miet- und Pachtrecht ist anerkannt, dass der Mieter oder Pächter sich das Verhalten derjenigen zurechnen lassen muss, die auf seine Veranlassung mit der Mietsache in Berührung kommen (BGH BB 1969, 601, 602; NJW 1991, 1750, 1752;…MünchKomm-BGB/Grundmann § 278 Rdn. 32; Staudinger/Löwisch/ Caspers § 278 Rdn. 97). Gleiches gilt für das Verhalten Dritter, die der Beklagte mit der Düngung des Grundstücks beauftragt oder denen er die Ausbringung von Dünger gestattet hat. Dass W und/oder die von diesem eingeschaltete V die Gestattung des Beklagten zur Entsorgung von Giftmüll genutzt haben, unterbricht weder den Kausal- noch den Zurechnungszusammenhang.

III. Somit hat B dem N grundsätzlich Schadensersatz gemäß § 249 I BGB zu leisten.

1. B hat den Zustand herzustellen, der ohne die pflichtwidrige Ablagerung des PFT-verseuchten Materials bestehen würde.

2. Allerdings kann der Einwand des B, eine Sanierung des Grundstücks sei unverhältnismäßig teuer, auch gegenüber dem Schadensersatzanspruch Bedeutung erhalten. Nach § 251 II 1 BGB kann der Ersatzpflichtige den Geschädigten in Geld entschädigen, wenn die Herstellung (Naturalrestitution) nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist.

a) Dabei gelten sowohl für die materielle Seite als auch für die Darlegungs- und Beweislast dieselben Überlegungen wie oben A III 2 zu § 275 II. Der BGH führt hierzu unter Abs.-Nrn. 19, 20 aus: Trifft es zu, dass die Beseitigung der Kontaminierung nur durch einen Bodenaustausch erfolgen kann und mit diesem ein Aufwand verbunden ist, der außer Verhältnis zu dem Wert des Grundstücks steht, führt dies gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zur Leistungsfreiheit des Beklagten, sondern dazu, dass er berechtigt ist, den Kläger zu 2 in Geld zu entschädigen. Notwendige Voraussetzung für die Ersetzungsbefugnis ist die Unverhältnismäßigkeit des Aufwands für die Naturalrestitution. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss ebenso wie eine Begrenzung des Anspruchs aus §§ 1004, 1065 BGB durch § 275 Abs. 2 BGB im Einzelfall auf Grund einer Gegenüberstellung des für die Restitution erforderlichen Aufwands gemessen an dem Wert des Grundstücks beantwortet werden. Dabei dürfen aber bei Schäden durch Bodenkontaminationen das Maß der für die Umwelt hervorgerufenen Gefahren und das daraus folgende Risiko einer Inanspruchnahme des Ersatzberechtigten seitens Dritter nicht außer Betracht gelassen werden (…). Dass der Kreis oder andere Dritte wegen ihrer Einbußen oder Aufwendungen bisher keine Ansprüche gegen den Kläger zu 2 erhoben haben, ist insoweit ohne Bedeutung, solange der Beklagte den Kläger zu 2 von einer solchen Inanspruchnahme nicht schuldbefreiend freigestellt hat.

b) Somit hat N gegen B zumindest einen Anspruch auf eine Geldentschädigung. Darüber hinaus ist, solange B das Vorliegen der Voraussetzungen des § 251 II 1 nicht dargelegt hat, davon auszugehen, dass N seinen Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes des Grundstücks auch auf einen vertraglichen Schadensersatzanspruch stützen kann.

C. E und N könnten gegen B einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB haben.

I. Die Anwendbarkeit des § 823 ist nicht durch das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987 ff., 993 I letzter Satzteil) ausgeschlossen. Denn B war während der Aufbringung des schädlichen Materials berechtigter Besitzer und war nicht zur Herausgabe nach §§ 985, 986 verpflichtet.

II. Die Voraussetzungen des § 823 I liegen vor:

1. Durch die auf die Gestattung durch B zurückgehende Aufbringung des PFT-verseuchten Materials hat B das Eigentum des E an dem Grundstück verletzt. In diesem Verhalten des B lag auch eine Verletzung des Nießbrauchs des N, da der Nießbrauch ein dingliches, sonstiges Recht an dem Grundstück ist und zur Nutzung berechtigt; diese Nutzung ist zur Zeit nicht mehr möglich. Die Rechtsverletzung erfolgte ohne Rechtfertigungsgrund und damit rechtswidrig.

2. B hat schuldhaft gehandelt, da er angesichts der kostenlosen Lieferung des Materials damit rechnen musste, dass W/V ein eigenes Interesse an der Entledigung des Materials hatten; es drängte sich auf, dass es sich um ein Interesse an der Entsorgung des Materials handelte, was auf eine Abfallentsorgung hindeutete (vgl. oben A III 2 b cc).

III. Der Schadensersatzanspruch richtet sich gemäß § 249 BGB auf die Wiederherstellung des früheren Zustandes (Naturalrestitution). Auch hier kommt wieder der Einwand des B aus § 251 II 1 BGB in Betracht, für den aber die gleichen Überlegungen wie oben B III 2 gelten. Somit begründet § 823 I insbesondere für E eine zusätzliche Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch (ohne dass das allerdings an dem bisherigen Ergebnis der Prüfung etwas ändert).

Ergebnis: Die Erfolgsaussichten für E und N sind nach derzeitigem Stand positiv zu beurteilen: E hat einen Wiederherstellungsanspruch aus § 1004 I und §§ 823 I, 249. Der Anspruch des N ergibt sich aus §§ 1065, 1004; 596, 280 I; 823 I.


Zusammenfassung