Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Haftung für Verkehrsunfall. ► Ansprüche des durch einen Zweitunfall verletzten Unfallhelfers. ► Anspruch aus § 7 I StVG; Betriebsgefahr des Kfz. ► Mitverursachung und Mitverschulden des Unfallhelfers nach §§ 17, 9 StVG, 254 BGB. ► Gesamtschuldnerische Haftung, §§ 421, 426 BGB. ► Einschränkung der Haftung nach § 823 BGB durch den Schutzzweck der Norm
BGH Urteil vom 5. 10. 2010 (VI ZR 286/09) NJW 2011, 292
Fall (Unfallhelfer)
A befuhr an einem Wintertag mit seinem Pkw die Autobahn A 4 auf einer Strecke, auf der sie in beiden Fahrtrichtungen drei Fahrbahnen aufwies. Obwohl Dunkelheit und Schneefall einsetzten, verminderte A die von ihm gefahrene hohe Geschwindigkeit nicht, kam ins Schleudern, prallte gegen die rechte Leitplanke und kam auf dem rechten Seitenstreifen zum Stehen. Er blieb im Wagen sitzen und schaltete das Warnblinklicht ein. Autofahrer K war hinter ihm gefahren, hatte den Unfall gesehen und hielt, nachdem er zunächst an der Unfallstelle vorbeigefahren war, in einiger Entfernung von dem Wagen des A auf dem Seitenstreifen an. Er schaltete ebenfalls das Warnblinklicht ein, ging zu A und sprach mit ihm. Da K sich nicht sicher war, ob der nachfolgende Verkehr wegen der Schneedecke auf der Fahrbahn genügend Abstand zu den auf dem Seitenstreifen stehenden Fahrzeugen halten würde, wollte er das Warndreieck aus dem Kofferraum des Pkw des A holen, um es aufzustellen. In diesem Augenblick näherte sich auf dem mittleren Fahrstreifen der B mit seinem Pkw, kam ebenfalls wegen zu hoher Geschwindigkeit ins Schleudern und erfasste den K auf dem Seitenstreifen, der dadurch schwer verletzt wurde. K verlangt von A und B als Gesamtschuldnern Ersatz des vollen, ihm durch den Unfall entstandenen Schadens.
A und B bestreiten ihre Haftung. Sie wenden ein, K habe sich unnötig in Gefahr begeben; angesichts der Warnblinklichter und der guten Sicht auf die Unfallstelle sei die Aufstellung eines Warndreiecks nicht nötig gewesen. Auch hätte K den nachfolgenden Verkehr beobachten und sich rechtzeitig in Sicherheit bringen müssen. A macht außerdem geltend, für die Verletzung des K sei ausschließlich B verantwortlich; sein eigenes Fahrzeug habe keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt. B beruft sich darauf, K sei im Interesse des A tätig geworden und müsse sich daher den Beitrag des A an dem Unfallgeschehen zurechnen lassen. Hilfsweise machen sowohl A als auch B geltend, sie hafteten nur in Höhe ihrer eventuellen Verursachungsanteile an dem Unfallschaden. Wie ist über die von K geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden ?
Vorbemerkung zu der folgenden Bearbeitung: Im Originalfall hatte K außerdem die Versicherer von A und B verklagt (Anspruchsgrundlage: § 115 I Nr. 1 VersicherungsvertragsG) sowie, da A nicht Halter des von ihm gefahrenen Fahrzeugs war, dessen Halter. Es gab deshalb fünf Beklagte. Wegen der im hier zugrunde gelegten Sachverhalt vorgenommenen Vereinfachung werden die Bezeichnungen im BGH-Urteil „Kläger“, „Bekl. zu 1“ usw. durch die konkreten Angaben „K“, „A“ und „B“ ersetzt.
1. Teil. Anspruch des K gegen B
A. Dem K könnte gegen B ein Anspruch aus § 7 I StVG zustehen.
I. Es müssten die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen.
1. K hat eine Körper- und Gesundheitsverletzung erlitten.
2. Diese Verletzung müsste bei dem Betrieb eines Kfz eingetreten sein.
a) Da K durch den schleudernden, von B gesteuerten Pkw verletzt wurde, war das von B gefahrene Fahrzeug kausal für den von K erlittenen Unfall.
b) Dabei war der Pkw des B in Betrieb, so dass sich bei dem Unfall auch die Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs realisiert hat.
3. B war Halter dieses Pkw.
4. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt (§ 7 II StVG) verursacht, sondern dadurch, dass B die von ihm gefahrene Geschwindigkeit bei dem einsetzenden Schneefall nicht reduziert hat.
Die Voraussetzungen nach § 7 I, II StVG liegen somit vor.
II. Rechtsfolge ist die in § 11, 1 StVG näher beschriebene, alle Schäden aus der Körper- und Gesundheitsverletzung umfassende Verpflichtung des B zum Schadensersatz. Nach § 11, 2 StVG umfasst der Anspruch auch ein Schmerzensgeld.
III. Der danach entstandene Anspruch des K könnte zu mindern sein.
1. Zur Minderung des Anspruchs könnte eine eigene Mitverursachung des K führen.
a) Die Sonderregelung in § 17 I StVG betrifft den Fall, dass ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht worden ist und die Halter einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet sind, und regelt das „Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander“. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um einen Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Unfallverursachern (möglicherweise A und B), sondern um einen Anspruch des K gegen B, also um das Außenverhältnis.
b) § 17 II StVG erweitert die Regelung des § 17 I über den Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Schädigern eines Dritten hinaus auf eigene Schadensersatzansprüche der Halter gegeneinander. Auch dieser Fall liegt hier nicht vor, weil weder A noch B als Halter der beteiligten Fahrzeuge Schadensersatzansprüche geltend machen, sondern K als verletzter Dritter und unabhängig davon, ob er Halter eines Kfz. ist.
c) Es bleibt somit bei der Anwendung der allgemeinen Regelung durch § 9 StVG i. V. mit § 254 BGB. Ein Mitverschulden des K könnte - entsprechend den von A und B erhobenen Einwänden - darin liegen, dass er sich unnötig in Gefahr gebracht und sich nicht genügend abgesichert hat.
aa) Bei dem Versuch der Aufstellung eines Warndreiecks hat K eine Verpflichtung des A aus § 15, 2 StVO erfüllen wollen. Danach ist, wenn ein Fahrzeug an einer unübersichtlichen Stelle liegen bleibt, „mindestens ein auffällig warnendes Zeichen gut sichtbar in ausreichender Entfernung aufzustellen…“ Vorgeschriebene Sicherungsmittel, wie Warndreiecke, sind zu verwenden. Eine solche Verpflichtung darf K auch als Dritter anstelle des A erfüllen (BGH [11]). Allerdings lässt sich nach dem Sachverhalt nicht feststellen, dass es sich um eine unübersichtliche Stelle gehandelt hat. Im Originalfall war das OLG zu der Feststellung gekommen, dass es einer solchen Sicherung „nicht wirklich bedurft hätte“ (BGH [9]); das hat der BGH gebilligt.
bb) Somit kann entsprechend dem Einwand von A und B davon ausgegangen werden, dass K sich ohne Rechtfertigung durch § 15, 2 StVO entgegen § 18 IX 1 StVO als Fußgänger auf der Autobahn bewegt und damit objektiv sorgfaltswidrig verhalten hat. Gleichwohl hat der BGH [13, 14] ein Mitverschulden des K verneint: Objektiv falsche Reaktionen von Verkehrsteilnehmern stellen nach ständiger Rspr. des BGH dann kein schuldhaftes Verhalten im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB dar, wenn der Verkehrsteilnehmer in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (…). In einer vergleichbaren Situation kann sich ein Unfallhelfer oder ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall befinden, bei dem das Ausmaß der Gefährdung und der Hilfebedürftigkeit der einzelnen Unfallbeteiligten und anderer Verkehrsteilnehmer nicht immer sogleich zutreffend erkannt werden kann. So liegt der Fall hier. Für K war schwer zu beurteilen, ob ein Warndreieck zur zusätzlichen Absicherung der Unfallstelle erforderlich war. Für die zusätzliche Absicherung durch ein Warndreieck sprach, dass es zur Unfallzeit dunkel war und sich auf den Fahrbahnen teilweise eine Schneedecke bildete, welche die Fahrstreifenmarkierungen zumindest teilweise verdeckte. Die Befürchtung, herannahende Verkehrsteilnehmer könnten allein aufgrund der Warnblinkanlage nicht rechtzeitig erkennen, ob die auf dem Seitenstreifen stehenden Fahrzeuge in die Fahrbahn hineinragen, lag unter diesen Umständen nahe. Somit folgt aus der Stellung des K hinter dem Kofferraum des Pkw des A kein Mitverschulden.
cc) A und B werfen K außerdem vor, er hätte den nachfolgenden Verkehr beobachten und sich rechtzeitig in Sicherheit bringen müssen. BGH [14, 15): Zwar ist ein Verkehrsteilnehmer, der bei einem Unfall oder einer Panne Hilfe leistet, nicht von der Pflicht befreit, sich um seinen eigenen Schutz zu bemühen. Er muss sich im eigenen Interesse umsichtig verhalten und das Risiko, infolge seiner Hilfeleistung selbst verletzt zu werden, möglichst ausschalten… Im Streitfall spricht gegen ein Verschulden des K gegen sich selbst, dass an dem Unfallfahrzeug und dem davor stehenden Fahrzeug des Klägers jeweils die Warnblinkleuchten eingeschaltet waren, wodurch der nachfolgende Verkehr auf die allgemeine Gefahrenstelle hingewiesen und zu vorsichtiger Fahrweise angehalten wurde (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO). Da der Seitenstreifen vom fließenden Verkehr nicht befahren werden darf (§ 2 Abs. 1 StVO), das Fahrzeug des B aber vollständig auf dem Seitenstreifen stand, musste K in diesem Bereich nicht mit nachfolgendem Verkehr rechnen und sich davor in Sicherheit bringen. Die Entnahme eines Warndreiecks aus dem Kofferraum nimmt zudem nur einen sehr kurzen Zeitraum in Anspruch. Somit hat K keine Pflicht zur Eigensicherung verletzt. Ein Mitverschulden des K scheidet aus.
2. Die Ersatzpflicht des B könnte dadurch gemindert sein, dass neben B auch A an dem Unfall beteiligt war.
a) Eine Zurechnung des Verhaltens des A zu Lasten des K über §§ 9 StVG, 254 II 2 BGB scheidet bereits deshalb aus, weil A kein Erfüllungsgehilfe und auch im übrigen keine Hilfsperson des K war. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob § 254 II 2 eine Voraussetzungs- (Rechtsgrund-) oder eine bloße Rechtsfolgenverweisung ist. Folglich ist die Berufung des B darauf, K sei im Interesse des A tätig geworden und müsse sich daher den Beitrag des A an dem Unfallgeschehen zurechnen lassen, unzutreffend.
b) Eine Haftungsminderung für B könnte sich daraus ergeben, dass auch A für die Unfallfolgen haftet. Ob A eine solche Haftung trifft, kann an dieser Stelle noch offen bleiben (dazu im 2. Teil der Lösung). Denn eine solche Haftung würde nur zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von B und A führen (§§ 840 I, 421 BGB; gilt auch für die Gefährdungshaftung nach StVG) und nicht zu einer Haftungsminderung.
aa) BGH [8]: Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Lediglich im Innenverhältnis ist zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB die Last des Schadens nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen (vgl. BGH VersR 2006, 369, Rn. 12).
bb) Anderes gilt zwar, wenn den Geschädigten ein Mitverschuldensvorwurf trifft und die Abwägung nach § 254 BGB oder § 17 StVG dazu führt, dass die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. In einem solchen Fall ist das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB bzw. des § 17 StVG in Einklang zu bringen, indem die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den jeweiligen Schädigern mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung im Sinne einer Gesamtabwägung verknüpft werden (vgl. BGHZ 30, 203, 211 f.; 61, 351, 354; NJW 2006, 896). Die Gesamtschuld umfasst unter solchen Umständen nicht den gesamten Schaden, weil der jeweilige Schädiger dem Geschädigten, soweit dieser seinen Verantwortungsanteil selbst zu tragen hat, dessen Mithaftungsquote entgegenhalten kann.
Jedoch ist im Streitfall ein unfallursächliches Mitverschulden des K nicht gegeben, so dass die Gesamtschuld des B in vollem Umfang besteht. Der Einwand des B, er hafte nur in Höhe seines Verursachungsanteils, ist somit unzutreffend.
Folglich haftet B dem K in vollem Umfang aus § 7 I StVG.
B. Ferner haftet B dem K aus § 823 I BGB. B hat durch sein nicht den Verhältnissen angepasstes Fahren den Unfall schuldhaft verursacht und dadurch Körper und Gesundheit, absolut geschützte Rechtsgüter des K verletzt. Auch insoweit sind zwar die oben A III geprüften Minderungsgründe anwendbar, greifen aber mangels Vorliegens ihrer Voraussetzungen nicht ein.
C. Weitere Anspruchsgrundlagen zugunsten des K sind § 18 I StVG (Haftung des B als Fahrer des Pkw) und §§ 823 II BGB i. V. mit § 3 StVO (Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit) und § 229 StGB (fahrlässige Körperverletzung) als Schutzgesetze.
Ergebnis zu Teil 1: Der Schadensersatzanspruch des K gegen B ist in vollem Umfang begründet.
2. Teil Anspruch des K gegen A
A. K könnte gegen A einen Anspruch aus § 7 I StVG haben.
I. Es müssten die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. K hat eine Körper- und Gesundheitsverletzung erlitten. Dieser Erfolg müsste bei dem Betrieb des Kfz des A eingetreten sein.
1. Ohne den Erstunfall des A hätte K keine Sicherungsmaßnahme in Angriff genommen und wäre deshalb nicht vom Pkw des B erfasst worden. Der Betrieb des Pkw des A war somit adäquat kausal für die Verletzungen des K.
2. In der Verletzung des K müsste sich die Betriebsgefahr des Pkw des A realisiert haben. Das ist deshalb zweifelhaft, weil sich das Fahrzeug unmittelbar vor dem von K erlittenen Unfall nicht mehr bewegt hat. Nach der sog. maschinentechnischen Auffassung zum Erfordernis „bei dem Betriebe“ (vgl. Tschernitschek VersR 1978, 1001) muss der Motor laufen oder das Fahrzeug als Nachwirkung noch in Bewegung sein. Demgegenüber reicht nach der herrschenden verkehrstechnischen Lehre für den Betrieb aus, dass ein Fahrzeug sich in Ruhe befindet, aber den Verkehr noch beeinflusst.
a) BGH [24, 25]: Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb" ist entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen…Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist.… So hat der BGH entschieden, dass auch von einem Kraftfahrzeug, das auf der Fahrbahn einer für den Schnellverkehr bestimmten Straße liegen geblieben ist, eine Betriebsgefahr ausgeht (BGHZ 29, 163, 165 ff.…). Allerdings reicht nicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle aus, vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch die Fahrweise oder eine sonstige mit dem Betrieb zusammenhängende Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben… Die Zurechnung eines Unfalls zur Betriebsgefahr eines Fahrzeugs kann dann unterbrochen sein, wenn nach einem Erstunfall die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen worden sind, ehe es zu einem weiteren Unfall kommt (…).
b) Durch das beim Betrieb des Fahrzeugs des A entstandene Unfallgeschehen wurde K veranlasst, sich im Bereich des Seitenstreifens aufzuhalten, um eine Sicherungsmaßnahme vorzunehmen. Zwar hat den zur Verletzung des K führenden Schleudervorgang des Fahrzeugs des B das zuerst verunfallte Fahrzeug des A nicht ausgelöst. Auch ohne das auf dem Seitenstreifen stehende Fahrzeug des A hätte der auf dem mittleren Fahrstreifen in einer der Witterung nicht angepassten Weise fahrende B die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Jedoch war K aufgrund des beim Betrieb entstandenen Unfalls auf dem Seitenstreifen tätig, um durch das Aufstellen eines Warndreiecks die Unfallstelle den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften entsprechend abzusichern. Er hatte die erforderlich erscheinenden Sicherungsmaßnahmen nach dem Erstunfall gerade noch nicht abgeschlossen, als er vom Fahrzeug des B erfasst und verletzt worden ist. Das von A ausgelöste Unfallgeschehen ist somit auch dem Betrieb des Fahrzeugs des A zuzurechnen. Es ist infolgedessen unzutreffend, dass A geltend macht, für die Verletzung des K sei ausschließlich B verantwortlich; vielmehr hat auch sein eigenes Fahrzeug einen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt.
3. A war Halter seines Fahrzeugs. Höhere Gewalt liegt nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 I StVG sind erfüllt.
II. Sie lösen die Schadensersatzpflicht nach § 11 StVG aus.
III. Es könnten ein Ausschluss oder eine Minderung des Anspruchs eingreifen.
1. Nach § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kfz. tätig war.
a) BGH [22, 23]: § 8 Nr. 2 StVG erfasst Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind (…). Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteil werden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt. Als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung des § 8 Nr. 2 StVG eng auszulegen. Deshalb setzt die Tätigkeit bei dem Betrieb eines Kfz im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus, wie sie beispielsweise der Fahrer im Verkehr ausübt.
b) Fehlt es an einer Dauerbeziehung, wie es bei gelegentlichen Hilfeleistungen an dem Betriebe unbeteiligter Personen der Fall ist, so kann eine den Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG herbeiführende Tätigkeit nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur angenommen werden, wenn sie in einer so nahen und unmittelbaren Beziehung zu den Triebkräften des Kfz steht, dass der Tätige nach der Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs mehr ausgesetzt ist als die Allgemeinheit. Das trifft auf K, der lediglich ein Warnschild aus dem Kofferraum des Pkw des A holen wollte, nicht zu. K ist somit nicht beim Betrieb des Kfz. des A tätig geworden, ein Haftungsausschluss greift nicht ein.
2. Für weitere in Betracht kommende Minderungsgründe zu Lasten des K gelten die Ausführungen oben A III entsprechend: K hat kein Mitverschulden zu vertreten, auch keine anspruchsmindernde Mitverursachung. Dass auch B haftet, befreit A nicht, sondern führt im Außenverhältnis zu einer gesamtschuldnerischen Haftung (§ 421 BGB).
Somit kann K auch von A vollen Schadensersatz nach § 7 I StVG verlangen.
B. Weitere Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch des K gegen A könnte § 823 I BGB sein.
I. Durch sein nicht den Verhältnissen angepasstes Fahren hat A den Erstunfall schuldhaft verursacht, was im weiteren Verlauf zu der Körper- und Gesundheitsverletzung des K geführt hat. Dass sich an den Erstunfall ein Zweitunfall anschloss, war zwar ein ungewöhnlicher und unglücklicher Vorgang. Er lag jedoch nicht außerhalb der Lebenserfahrung und war deshalb noch adäquat kausal. Gerade bei plötzlich einsetzenden ungünstigen Witterungsverhältnissen widerspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass es zu Mehrfachunfällen kommt und dass bei diesen auch ein Unfallhelfer tätig wird, der dann in einen weiteren Unfall verwickelt wird.
II. Der von K erlittene Unfallschaden könnte aber außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Norm liegen.
1. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm liegt der Haftung ein Normverstoß zugrunde, der den Zweck verfolgt, bestimmte Schäden zu vermeiden. Liegt der Schaden außerhalb dieses Schutzzweckes, fehlt der Zurechnungszusammenhang mit der verletzten Norm, und der Schaden fällt nicht unter die Haftungsfolge der Norm. Im vorliegenden Fall ist demgemäß zu prüfen, ob das Verbot, bei ungünstiger Witterung zu schnell zu fahren, auch den Zweck verfolgt, einen wegen eines Erstunfalls tätig werdenden Unfallhelfer vor einem Zweitunfall zu schützen. Das OLG als BerGer. im vorliegenden Fall hatte das verneint.
2. BGH [19]: Zwar lassen sich allgemein verbindliche Grundsätze, in welchen Fällen ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang bejaht oder verneint werden muss, nicht aufstellen. Letztlich kommt es auf eine wertende Betrachtung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (BGH VersR 2004, 529, 530). So kann der Verursachungsbeitrag eines Zweitschädigers einem Geschehen eine Wendung geben, die die Wertung erlaubt, dass die durch den Erstunfall geschaffene Gefahrenlage für den Zweitunfall von völlig untergeordneter Bedeutung ist und eine Haftung des Erstschädigers nicht mehr rechtfertigt (BGH a. a. O.).… Der erkennende Senat vermag die Auffassung des BerGer. nicht zu teilen, dass das durch den ersten Schleudervorgang geschaffene Schadensrisiko bis zum zweiten Unfall bereits vollständig abgeklungen gewesen sei. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass das auf dem Seitenstreifen stehende Fahrzeug des A das nachfolgende Unfallgeschehen maßgeblich beeinflusste, weil erst die durch die Absicherung des Pkw des A bedingte Anwesenheit des K auf dem Seitenstreifen unmittelbar zu dessen Schädigung führte. Auch wenn es unter den gegebenen Umständen der weiteren Absicherung des Unfallfahrzeugs durch das Aufstellen eines Warndreiecks nicht bedurfte, durfte sich K jedenfalls für verpflichtet halten, an der Unfallstelle ein Warndreieck aufzustellen (vgl. §§ 15, 34 Abs. 1 StVG), und sich deshalb kurzzeitig auf dem Standstreifen aufhalten. Zudem hat sich in dem von B verschuldeten Zweitunfall nicht ausschließlich die durch die Straßenverhältnisse begründete allgemeine Unfallgefahr verwirklicht. Auch wenn die Gefahr, dass weitere Fahrzeuge ins Schleudern geraten, durch den winterlichen Straßenzustand…begründet wurde, war für die Verletzung des K entscheidend, dass sich dieser auf dem Seitenstreifen aufhielt. Zur Schädigung des K kam es erst aufgrund des Zusammentreffens beider Unfallgeschehen. Haben sich die durch den Schleudervorgang des A entstandenen Gefahren somit in dem nachfolgenden Unfallgeschehen erst in der Verletzung des K ausgewirkt, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang mit dem von A verschuldeten Unfall nicht verneint werden.
Somit liegt die von K erlittene Verletzung nicht außerhalb des Schutzzwecks der Norm, gegen die A verstoßen hat. Es greift weder ein Haftungsausschluss noch eine Haftungsminderung ein.
Ergebnis zu Teil 2: Der Schadensersatzanspruch des K gegen A ist in vollem Umfang begründet.
Zusammenfassung