Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Gesetzliche Rücktrittsgründe, § 323 BGB. Nachfristsetzung vor Fälligkeit der Leistung, § 323 I BGB. Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung, § 323 II, IV BGB. Erfüllungsgefährdung


BGH Urteil vom 14. 6. 2012 (VII ZR 148/10) NJW 2012, 3714 (zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen)

Fall (Fachmarktzentrum)

Mit notariellem Vertrag vom 15. Januar erwarb K von der B-GmbH ein Grundstück für 2, 85 Mio. Euro. In § 15 des Vertrages verpflichtete sich B, auf dem Grundstück ein Fachmarktzentrum zu errichten. Als Zeitpunkt für die Fertigstellung des Fachmarktzentrums, mit dessen Bau bereits begonnen worden war, wurde der 30. Juni bestimmt. In den folgenden Monaten wurden die einzelnen Läden vermietet. Am 14. Mai schrieb B an K, wegen des zwischenzeitlich aufgetretenen Problems, das Vorhaben pünktlich fertig zu stellen, habe sie den Zeitpunkt für die Fertigstellung im Einvernehmen mit den Mietern auf den 1. September verschoben. K antwortete, wegen der Verschiebung des Termins verlange er eine Kaufpreisminderung von 200.000 Euro; B ließ sich darauf aber nicht ein. Am 3. Juni setzte K der B eine Frist zur Fertigstellung bis zum 31. Juli und kündigte im Fall des fruchtlosen Fristablaufs den Rücktritt vom Vertrag an. Als das Vorhaben am 1. August nicht fertig war, erklärte K mit Schreiben vom selben Tage den Rücktritt vom Vertrag. In dem folgenden Schriftwechsel verwies B darauf, dass der neue Termin vom 1. September eingehalten werden könne; eine Verzögerung von einem Monat nach Ablauf der gesetzten Frist rechtfertige noch keinen Rücktritt. K entgegnete, bis Anfang August sei ungewiss gewesen, wann die Fertigstellung erfolge. Diese Ungewissheit sei ihm nicht zuzumuten gewesen; nur ein sofortiger Rücktritt habe die nötige Klarheit schaffen können. Im Übrigen beruft sich K auf sämtliche möglichen Rücktrittsgründe. Anfang September wurden die Läden von den Mietern bezogen. K bittet um eine gutachtliche Stellungnahme zu der Frage, ob er noch an den Vertrag vom 15. Januar gebunden ist.

K ist nicht mehr an den Vertrag vom 15. 1. gebunden, wenn er wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Die für einen Rücktritt (§ 346 BGB) erforderliche Erklärung (§ 349 BGB) hat K am 1. 8. abgegeben. K müsste auch einen Rücktrittsgrund gehabt haben, wobei nur ein gesetzliches Recht zum Rücktritt in Betracht kommt.

I. Ein Recht des K zum Rücktritt ergibt sich aus § 323 I BGB, wenn die hierfür bestehenden Voraussetzungen erfüllt sind.

1. Der zwischen K und B am 15. 1. geschlossene Vertrag war ein gegenseitiger Vertrag. Er verpflichtete B neben der Übereignung des Grundstücks zur Errichtung des Fachmarktzentrums und K zur Zahlung von 2, 85 Mio. Euro als Gegenleistung.

2. Der Schuldner darf die fällige Leistung nicht erbracht haben. Am 1.8., dem Tage des von K erklärten Rücktritts, hatte B die am 30. 6. fällige Verpflichtung zur Errichtung des Fachmarktzentrums nicht erfüllt.

3. K als Gläubiger müsste der Schuldnerin B eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt haben. Eine solche Fristsetzung hat K im Schreiben vom 3. 6. erklärt. Zu bedenken ist aber, dass die Leistung des B erst am 30. 6. fällig war, also noch nicht am 3. 6.

a) BGH [16]: Voraussetzung für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB ist, dass bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Nach nahezu allgemeiner Meinung in der Literatur kann die Nachfrist erst gesetzt werden, wenn die Leistung fällig ist, ansonsten ist die Fristsetzung unbeachtlich (Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 323 Rn. B 42; Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 323 Rn. 56; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 323 Rn. 12; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 68; …a. A. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 35. Aufl., § 23 Rn. 38)… Das entspricht der Rspr. des BGH zu § 326 Abs. 1 BGB a. F. (NJW 2003, 1600…), aus dessen Wortlaut hergeleitet wurde, dass eine Nachfrist nicht wirksam vor Verzugseintritt gesetzt werden kann… Der BGH hat auch schon zur Regelung des § 323 Abs. 1 BGB die Auffassung vertreten, dass die Frist zur Leistung oder zur Nacherfüllung nicht wirksam vor der Fälligkeit der Leistung gesetzt werden kann (BGH NJW 2006, 1198 Rn. 13).

b) Auch wenn sich dies nicht mehr zwingend aus dem Wortlaut der Regelung herleiten lässt (vgl. Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 119), schließt sich der Senat dieser Auffassung an. Der Gesetzgeber wollte ersichtlich in Anknüpfung an die Regelung des § 326 Abs. 1 BGB a. F. das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB nur für den Fall zulassen, dass die Frist in einem Zeitpunkt gesetzt wird, in dem die Leistung fällig ist. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass in der Begründung zu dieser Norm lediglich darauf eingegangen wird, dass die sonstigen Voraussetzungen des Verzugs und der Ablehnungsandrohung entfallen sind, und ansonsten davon ausgegangen wird, dass die Frist nach Fälligkeit der Leistung gesetzt wird (BR-Drucks. 338/01, S. 427/428). Es hat im Zusammenhang mit der Regelung des § 323 Abs. 1 BGB auch keinerlei Erörterungen des Falles gegeben, in dem eine sogenannte Erfüllungsgefährdung vorliegt, also ein Fall, in dem bereits vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen (vgl. dazu Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. B 185 ff.; Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 323 Rn. 132). Der Fall der Erfüllungsgefährdung [dazu noch unten V] ist von § 323 Abs. 1 BGB nicht erfasst Diese Regelung betrifft vielmehr den Fall, dass die Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erbracht ist und stellt dazu den Grundsatz auf, dass ein Rücktrittsrecht nur besteht, wenn der Gläubiger dem Schuldner dann erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat.

Somit hat K nicht, wie erforderlich, nach Fälligkeit der Leistung eine Nachfrist gesetzt. Die am 3. 6. gesetzte Frist war unwirksam. (Auch bei § 281 I ist eine Fristsetzung, bei § 286 I eine Mahnung erst nach Fälligkeit zulässig, so Gutzeit NJW 2012, 3717 in einer Besprechung der BGH-Entscheidung.) In Anwendung allein des § 323 I hat K kein Rücktrittsrecht.

II. Ein Rücktrittsrecht kann sich aus § 323 I, II Nr. 1 BGB ergeben. Danach ist eine Fristsetzung nicht erforderlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Im vorliegenden Fall kommt nur in Betracht, dass B die fristgemäße Leistung verweigert hat.

1. BGH [21]: Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, ob aus den Umständen, insbesondere den Erklärungen oder dem Verhalten des Schuldners nach Eintritt der Fälligkeit der Schluss gezogen werden kann, dass dieser die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. B 90 und § 323 Rn. B 89). Eine solche Annahme kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Schuldner bereits vor der Fälligkeit erklärt hat, er werde die Leistung nicht mehr erbringen und diese Erklärung sein letztes Wort zur Leistungsbereitschaft war (…). Denn in diesem Fall steht auch nach der Fälligkeit fest, dass die Leistung nicht mehr erbracht wird. Der Gläubiger kann dann ohne Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten (…). Gleiches gilt für den Fall, dass der Schuldner ernsthaft und endgültig vor der Fälligkeit erklärt hat, er werde die Leistung auch nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist erbringen (Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 99…).

2. Als Verweigerung durch B kommt nur die den Fertigungsstellungszeitpunkt in Frage stellende Erklärung vom 14. 5. in Betracht. In dieser hat B von einem Problem gesprochen, das Vorhaben pünktlich fertig zu stellen, und den Leistungszeitpunkt im Einverständnis mit den Mietern auf den 1.9. verschoben. Darin liegt keine Verweigerung der Leistung. Zwar wurde damit eine fristgemäße Erfüllung ernsthaft in Frage gestellt. Sinn der Erklärung war aber, das entstandene Verzögerungsproblem einer sachgemäßen Lösung zuzuführen, und nicht, definitiv zu erklären, dass eine fristgemäße Leistung nicht erfolgen würde. Auch aus den sonstigen Umständen ergab sich keine definitive Leistungsverweigerung, zumal B am 14. 5. bis zum Ende der später gesetzten Nachfrist am 31. 7. noch zweieinhalb Monate Zeit für die Erfüllung des Vertrages hatte.

BGH [21, 22]: Allein aus der Mitteilung der Bekl., sie hätten mit den Mietern einen neuen Fertigstellungstermin vereinbart, folgt nicht, dass die Bekl. ernsthaft und endgültig ihre Leistung innerhalb einer angemessenen Nachfrist abgelehnt hat. - Unzutreffend ist die…Auffassung des Kl., ein Grund zum Rücktritt bestehe schon dann, wenn der Schuldner erklärt, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können. Allein das begründet keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 323 Rn. 96; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 97). In diesem Fall, in dem nur feststeht, dass der Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistet, aber offen ist, ob er innerhalb einer angemessenen Nachfrist seine Leistung noch erbringen wird, ist die Nachfristsetzung nach Sinn und Zweck des § 323 Abs. 1 BGB gerade nicht entbehrlich. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass grundsätzlich ein Rücktrittsgrund nicht daraus hergeleitet werden kann, dass der Schuldner nicht rechtzeitig leistet.

Aus § 323 I, II Nr. 1 ergibt sich kein Recht des K zum Rücktritt.

III. Nach § 323 II Nr. 3 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

1. Hauptfall ist, dass beim Gläubiger das Interesse an der Leistung des Schuldners infolge der Verzögerung weggefallen ist, etwa weil es sich um Saisonware handelt und die Saison zu Ende ist (Interessefortfall; MünchKomm/Ernst, 6. Aufl., § 323 Rdnr. 122; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 323 Rdnr. 22). Eine solche Leistungsverpflichtung kommt in die Nähe des Fixgeschäfts. Im vorliegenden Fall ist kein Grund dafür ersichtlich, dass K kein Interesse mehr an der Fertigstellung des Fachmarktes gehabt hätte.

2. Der BGH wendet § 323 II Nr. 3 auch auf den Fall an, in dem feststeht, dass der Schuldner innerhalb einer zu setzenden Nachfrist die Leistung nicht erbringt.

a) BGH [26]: Erneut weist der Senat darauf hin, dass ein sofortiger Rücktritt dann möglich ist, wenn feststeht, dass der Schuldner die angemessene Nachfrist nicht einhalten wird (vgl. BGH BauR 2002, 1847; Staudinger/Otto/ Schwarze [2009], § 323 Rn. B 122; [auch: Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 323 Rdnr. 22]). Denn dann wäre das Erfordernis der Nachfrist eine reine Förmelei. Dass der BGH dies als Anwendungsfall des § 323 II Nr. 3 behandelt, ergibt sich zwar nicht aus vorstehendem Text, wohl aber aus dessen Stellung unter e) der Urteilsgründe und aus LS 3.

b) Im vorliegenden Fall stand am 1. 8. nicht fest, dass B innerhalb einer angemessenen Frist nicht werde leisten können. Bei der – unwirksamen – Fristsetzung am 3. 6. ist K davon ausgegangen, dass fast zwei Monate eine angemessene Frist waren. Würde man diese Frist bei einer Fristsetzung nach Fälligkeit, also nach dem 30. 6. zugrunde legen, hätte B die Frist durch die Erfüllung Anfang September fast eingehalten. Allerdings ist zuzugeben, dass sich die Leistung des B Anfang Juli im Vergleich zum 3. 6. weiter verzögert hatte, so dass eine kürzere Frist hätte angemessen sein können. Jedoch verlangt § 323 II Nr. 3 eine Interessenabwägung; diese muss auch bereits bei der Angemessenheit der Frist vorgenommen werden können. Danach war aufgrund der Erklärung der B und der Umstände zu erwarten, dass das Vorhaben Anfang September fertiggestellt werden würde. Es ist nicht ersichtlich, dass K durch eine Verzögerung bis zu diesem Zeitpunkt größere Nachteile drohten. Demgegenüber wäre es für B ein schwerwiegender Nachteil, wenn bei dem - offenbar umfangreichen - Bauvorhaben wenige Wochen vor der Fertigstellung die Vertragsgrundlage wegfallen würde.

c) BGH [24, 25]: Ein Gericht kann die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur annehmen, wenn es in Erfüllung des gesetzlichen Auftrags eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorgenommen hat. Bei dieser Interessenabwägung kann eine Rolle spielen, dass der Gläubiger bereits während der Erfüllungsphase die begründete Besorgnis haben musste, der Schuldner werde die Leistung nicht rechtzeitig fertigstellen, und er ihm deshalb schon eine Nachfrist gesetzt hat. Denn mit diesem Verhalten hat der Gläubiger jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er - ungeachtet dessen, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB nicht wirksam geschaffen worden sind - nicht gewillt ist, erhebliche Verzögerungen, die über die Nachfrist hinausgehen, hinzunehmen… Andererseits entbindet dieses Verhalten des Gläubigers die Gerichte nicht von der Verpflichtung, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen… Die gebotene umfassende Prüfung hat das BerGer. nicht vorgenommen. Eine solche Prüfung hätte auch aus den oben b) aufgeführten Gründen nicht zur Bejahung eines überwiegenden Interesses des K geführt.

Nach § 323 II Nr. 3 war die Fristsetzung durch K nicht entbehrlich. Ein Anspruch aus § 323 I, II Nr. 3 besteht nicht.

IV. Ein Rücktrittsrecht des K konnte sich aus § 323 IV BGB ergeben. Jedoch war diese Vorschrift am 1. 8., dem Tage der Rücktrittserklärung des K, nicht mehr anwendbar. Denn dieses Rücktrittsrecht besteht nur bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit, im vorliegenden Fall also nur bis zum 30. 6. Danach wird es durch § 323 I abgelöst.

BGH [17]: § 323 Abs. 4 BGB gewährt dem Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit ein Rücktrittsrecht, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden… Diese Möglichkeit besteht nicht mehr, wenn die Fälligkeit eingetreten ist. Denn in diesem Zeitpunkt liegt kein Tatbestand der Erfüllungsgefährdung mehr vor. Vielmehr hat sich die Pflichtverletzung nunmehr erwiesen. Für diesen Fall enthält das Gesetz in § 323 Abs. 1 BGB die Regel, dass ein Rücktritt grundsätzlich erst dann möglich ist, wenn eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt wird und diese erfolglos abgelaufen ist. Es besteht kein Grund, demjenigen Gläubiger, der die Erleichterung des § 323 Abs. 4 BGB nicht in Anspruch nimmt, noch die Möglichkeit des Rücktritts ohne eine Fristsetzung einzuräumen. Dementsprechend wird auch zu der Regelung des Art. 72 UN-Kaufrecht, auf die die Gesetzesbegründung zu § 323 Abs. 4 BGB Bezug genommen hat (BT-Drucks. 338/01, S. 431), einhellig die Auffassung vertreten, dass der Gläubiger das Rücktrittsrecht aus Art. 72 Abs. 1 UN-Kaufrecht nur bis zum Erfüllungstermin ausüben kann und danach auf die sonstigen Behelfe des UN-Kaufrechts zurückgreifen muss (folgen umfangreiche Nachweise).

Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des K am 1. 8. war die Leistung des B bereits einen Monat fällig gewesen, so dass § 323 IV nicht mehr anwendbar war.

V. Der BGH prüft noch einen Rücktritt wegen Erfüllungsgefährdung. Nach dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt könnte Anlass hierfür das Argument des K sein, bis Anfang August sei ungewiss gewesen, wann die Fertigstellung erfolge; nur ein sofortiger Rücktritt habe die nötige Klarheit schaffen können. Die Prüfung der Erfüllungsgefährdung durch den BGH erfolgt allerdings ohne Bezug auf das geltende Schuldrecht. Ein Bedürfnis für ein solches Rechtsinstitut könnte sich daraus ergeben, dass die von § 323 geregelten Fälle auf die Gewährung eines Rücktrittsrechts zielen, während der Tatbestand der Erfüllungsgefährdung primär darauf zielt, dem Gläubiger Gewissheit über die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Schuldners zu verschaffen. Hauptanwendungsbereich dieses Rechtsinstituts dürfte die Zeit vor Fälligkeit der Leistung sein.

1. Voraussetzung für eine Erfüllungsgefährdung ist, dass (so BGH [16], bereits oben I 3b angesprochen)] ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen. Im vorliegenden Fall lässt sich vertreten, dass K am 1. 8. Zweifel haben konnte, wann es zur Fertigstellung des Fachmarktes kommen würde.

2. Jedoch hätte K sich darauf beschränken müssen, von B Nachweise zu verlangen, aus denen sich der Fertigstellungszeitpunkt ergeben konnte. Ein sofortiges Rücktrittsrecht ergab sich aus dem Tatbestand der Erfüllungsgefährdung nicht.

BGH [18, 19]: Auch der Gesichtspunkt der Erfüllungsgefährdung vermag dem Kl. unter den gegebenen Voraussetzungen kein Rücktrittsrecht zu verschaffen. Allerdings ist es anerkannt, dass der Gläubiger für den Fall, dass bereits vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen, ein schützenswertes Interesse daran hat, Klarheit über den Vertrag zu erlangen (Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. B 182). Jedenfalls nach der zu § 326 Abs. 1 BGB a.F. ergangenen Rechtsprechung kann der Gläubiger deshalb dem Schuldner vor Fälligkeit der Leistung eine angemessene Frist zur Erklärung eigener Leistungsbereitschaft und zum Nachweis fristgerechter Erfüllung des Vertrages setzen, wenn die rechtzeitige Erfüllung durch Hindernisse ernsthaft in Frage gestellt ist, die im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen, und dem Gläubiger ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten ist. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann er vom Vertrag zurücktreten (BGH NJW 1977, 35;…). Dieses Klärungsbedürfnis rechtfertigt es aber nicht, dem Gläubiger die Möglichkeit einzuräumen, dem Schuldner bereits - sozusagen auf Vorrat - vor Fälligkeit der Leistung eine Nachfrist zu setzen mit der Folge, dass nach Ablauf dieser Frist das Rücktrittsrecht entsteht (Ramming ZGS 2009, 209, 210). Das würde dem erklärten Willen und der Systematik des Gesetzgebers entgegenstehen, der das Rücktrittsrecht daran anknüpft, dass die Frist in einem Zeitpunkt gesetzt wird, in dem die Leistung fällig ist.

VI. Ergebnis: K hat kein Rücktrittsrecht. Er bleibt an den Vertrag vom 15. 1. gebunden, muss also den Kaufpreis zahlen und das Grundstück mit dem darauf erbauten Fachmarkt abnehmen (§ 433 II BGB).


Zusammenfassung